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Grobe Fahrlässigkeit

VG Münster 2016: Ein Polizeibeamter handelt grob fahrlässig im Sinne von § 48 BeamtStG, wenn er in eine für ihn mit Rotlicht gesperrte Kreuzung ohne Einschalten des Signalhorns und verspätetem, weil erst kurz vor der Kreuzung erfolgtem Aktivieren des Blaulichts einfährt.
Nimmt der Beamte als Fahrer eines Polizeifahrzeugs am allgemeinen Straßenverkehr teil, muss er dafür Sorge tragen, dass das Fahrzeug keinen Schaden nimmt. Verursacht der Beamte unter Missachtung der Vorschriften der StVO einen Unfall, liegt darin regelmäßig zugleich ein Verstoß gegen seine Amtspflicht, das Eigentum des Dienstherrn zu schützen. Den Beamten trifft im Rahmen seiner Dienstpflichten stets auch die Pflicht, die für alle geltenden Gesetze zu achten.
Die Sonderrechte der Polizei im Straßenverkehr sind in §§ 35, 38 StVO geregelt. Nach § 35 Abs. 1 StVO ist die Polizei von den Vorschriften der StVO befreit, soweit das zur Erfüllung hoheitlicher Aufgaben dringend geboten ist. Die Sonderrechte dürfen nach § 35 Abs. 8 StVO nur unter gebührender Berücksichtigung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgeübt werden. Soll das Wegerecht in Anspruch genommen werden, sind die Signalzeichen des § 38 Abs. 1 StVO zu verwenden (blaues Blinklicht, Signalhorn). Das Wegerecht darf nur in Anspruch genommen werden, wenn höchste Eile geboten ist, um Menschenleben zu retten oder schwere gesundheitliche Schäden abzuwenden, eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung abzuwenden, flüchtige Personen zu verfolgen oder bedeutende Sachwerte zu erhalten. Die Signalzeichen des § 38 StVO begründen für alle übrigen Verkehrsteilnehmer das Gebot, sofort freie Bahn zu schaffen.
Soll eine Kreuzung unter Inanspruchnahme des Sonderwegerechts trotz Rotlichts befahren werden, muss der Fahrer in Rechnung stellen, dass andere Verkehrsteilnehmer die Sondersignale nicht oder nicht rechtzeitig wahrnehmen und mit der für sie zulässigen Geschwindigkeit herannahen. Die damit verbundene Kollisionsgefahr ist unter allen Umständen zu vermeiden. Weder die Inanspruchnahme des Sonderrechts nach § 35 StVO noch das Wegerecht nach § 38 StVO berechtigen zu einer Gefährdung oder gar Schädigung anderer Verkehrsteilnehmer. Der Fahrer des Polizeifahrzeugs muss die größtmögliche Sorgfalt aufwenden, um eine Gefährdung Anderer zu vermeiden. Er muss die Sondersignale rechtzeitig einschalten und sich, soweit die Verkehrsverhältnisse dies erfordern, notfalls mit Schrittgeschwindigkeit in die Kreuzung „hinein tasten“. Die Fahrt darf er nur fortsetzen, wenn er sich zuvor vergewissert hat, dass alle anderen Verkehrsteilnehmer die Sondersignale wahrgenommen haben und ihm ersichtlich freie Bahn einräumen.

VG Münster, Urteil vom 5. September 2016 - 4 K 1534/15

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