Bundesrepublik
Deutschland – Staat des Gemeinwohls?
Inhaltsverzeichnis:
01
Deutschlands Name 02 Die res publica des
Marcus Tullius Cicero 03 Die erste Republik
der Neuzeit 04 Republik – ältester Begriff
eines politischen Gemeinwesens 05 Lohnende
Wiederentdeckung der Republik 06 Die
Republik und ihre Bürger 07 Rousseaus
Bürgerrepublik 08 Das Gemeinwohl 09
Republikanische Werte in Deutschland 10
Die Lebenswirklichkeit der wirklich Reichen
11 Ausverkauf der Bundesrepublik 12
Der Preis der Wiedervereinigung 13
Besitz – Allmende – Eigentum 14
Ayn Rand – Philosophin der Republikaner 15
Diktatur des Relativismus der Wörter und Werte
16 Der unpolitische Gesellschaftsmensch 17
Die staatsfinanzierte Zivilgesellschaft von heute
18 Braucht es rechte Parteien? 19
Der dem Gemeinwohl verpflichtete Bürger 20
Der Kampf gegen Rechts grenzt an Ablenkung
21 Quellen
01
Deutschlands Name
TOP
Mit den Worten
„Bundesrepublik Deutschland“ benennt das Grundgesetz den Namen
des deutschen Staates. Dass es sich auch bei den deutschen Ländern,
die sich zu einem Bund zusammengeschlossen haben, ebenfalls um
Republiken handelt, davon kann ausgegangen werden. Diesbezüglich
heißt es im Grundgesetz wie folgt:
Artikel 28 Abs. 1 Satz 1 GG
(1) Die verfassungsmäßige Ordnung in den Ländern muss den
Grundsätzen des republikanischen,
demokratischen und sozialen Rechtsstaates im Sinne dieses
Grundgesetzes entsprechen.
Der
Begriff „Republik“ hat im deutschen Staatsrecht lediglich die
Bedeutung von: Nicht-Monarchie.
Anders ausgedrückt: Bei dem
Staatsoberhaupt in Deutschland handelt es sich um eine
Privatperson, die oder der auf Zeit das Amt des
Bundespräsidenten übertragen wird. Gewählt wird der
Bundespräsident bzw. die Bundespräsidentin durch die Bundesversammlung für die Dauer von 5
Jahren.
Art
54 Abs 1 und 2 GG Der Bundespräsident wird ohne
Aussprache von der Bundesversammlung gewählt. Wählbar ist jeder
Deutsche, der das Wahlrecht zum Bundestage besitzt und das
vierzigste Lebensjahr vollendet hat. (2) Das Amt des
Bundespräsidenten dauert fünf Jahre. Anschließende Wiederwahl
ist nur einmal zulässig. [...]
Wer
Republik solchermaßen marginalisiert definiert und meint, dass dadurch
alles über die Staatsform der Republik ausgesagt worden ist, der
irrt. Zumindest Hans Kelsen (1881-1973), der von vielen als der
Staatsrechtler des 20. Jahrhunderts angesehen wird, hat der
Republik in seinem Buch „Verteidigung der Demokratie“, ein
ganzes Kapitel gewidmet.
In diesem Kapitel, das die Überschrift
„§ 47 Die Republik“ trägt, erläutert Kelsen auf immerhin 14
Seiten ein Wahlrecht, das in einer Republik einzufordern ist,
ohne in seinen Ausführungen auch nur einmal das Wort Republik zu
erwähnen, außer in der Kapitelüberschrift.
Anders ausgedrückt:
Die moderne Demokratie, auch wenn sie in der Überschrift als
Republik ausgewiesen wird, beruht - nach Ansicht von Karl Kelsen auf den politischen Parteien, und
die müssen nun einmal gewählt werden.
Diese Einsicht von Hans
Kelsen hat sich das Grundgesetz zu eigen gemacht wie keine
deutsche Verfassung zuvor. Die Folge davon ist, dass
Parteieninteressen den Interessen der Allgemeinheit – also dem
Gemeinwohl – vorangehen.
In der
Weimarer Reichsverfassung aus dem Jahr 1919 stand das Wort
Republik - im Gegensatz zu heute – ganz vorn im Verfassungstext:
Artikel 1
WRV
Das Deutsche Reich ist eine Republik. Die Staatsgewalt geht vom
Volke aus.
Erklärter Wille der Mitglieder im Parlamentarischen Rat war es
bei der Formulierung des Wortlautes des Grundgesetzes aber, die
Fehler der Weimarer Reichsverfassung nicht zu wiederholen. Ob es
im Rahmen der Ausformulierung des Grundgesetzes klug war, auf
das Wort Republik zu verzichten, kann und muss bezweifelt
werden, denn ideengeschichtlich ist die Republik der Rahmen, in
dem sich eine Demokratie überhaupt entfalten kann.
Im
Gegensatz zum Text des Grundgesetzes, enthalten einige
Landesverfassungen der Bundesrepublik Deutschland das Wort
Republik:
-
Hessen: Im
Artikel 65 der Verfassung des Landes Hessen heißt es zum
Beispiel, dass Hessen ist eine demokratische und
parlamentarische Republik ist.
-
Baden-Württemberg:
Im Artikel 23 heißt es, dass das Land ein republikanischer,
demokratischer und sozialer Rechtsstaat ist.
-
Im
Gegensatz dazu heißt es in den Artikeln 1 bis 3 der
Verfassung des Freistaates Bayern, dass Bayern ein Freistaat
ist, in dem das Volk seinen Willen durch Wahlen und
Abstimmungen kundtut und als ein Rechts-, Kultur- und
Sozialstaat dem Gemeinwohl dient.
In
keiner anderen Landesverfassung habe ich die staatliche
Verpflichtung, dem Gemeinwohl zu dienen, so klar ausformuliert
gefunden, wie in der Verfassung des Freistaates Bayern.
Freistaat ist im übrigen ein Wort, das auch als Republik verstanden
werden kann. Wie dem auch immer sei: Das Wort Gemeinwohl gehört
ideengeschichtlich zum Kern einer Republik, die wirklich eine
Republik sein will. Dazu später mehr.
02 Die
res
publica
des Marcus Tullius Cicero
TOP
Marcus
Tullius Cicero (106 bis 43 v.
Chr.),
schrieb sein staatsphilosophisches Werk „De re publica“ in einer
Zeit der Krise und zunehmender Spannungen in der römischen
Republik, die dann durch Caesar ihr Ende fand, als dieser im
Jahre 45 v.
Chr.
zum Diktator auf Lebenszeit ernannt wurde, denn seine
Alleinherrschaft bedeutete das Ende der
res publica
libera,
der „freien“ Republik Roms. Diese Gefahr voraussehend, schrieb
Cicero um 53 v.
Chr.
eine auch heute noch lesenswerte Streitschrift:
Der
Staat –
De re publica.
Cicero:
Der Staat ist Sache des Volkes, das Volk aber ist nicht jede
zusammengescharte Vereinigung von Menschen, sondern die
Vereinigung ist zu einer Einheit zusammengefasst durch die
Übereinstimmung des Rechts und durch die Gemeinschaft des
Nutzens.
Solch
einen
Staat bezeichnete Cicero als eine Republik.
Auf die
Frage, wie ein solches ideales Gemeinwesen erhalten werden kann,
geht Cicero von der Vorstellung aus, dass dafür ein kluger Mann
benötigt wird. Ein Mann, der Ansehen und Führerqualitäten
besitzt und mutig ist. Der dem Volk gerecht hilft und
diesem Eintracht
verschafft.
Einen
solchen Mann gibt es in der Bundesrepublik Deutschland nicht,
denn in dieser Republik hat das Staatsoberhaupt im Hinblick auf
zu treffende politische Entscheidungen kaum nennenswerten
Einfluss.
In der Bundesrepublik Deutschland beruht das
politische System, also die Demokratie, auf der Macht der
politischen Parteien, die von den Wählern durch deren Wahlentscheidung
damit beauftragt werden, die Geschicke des Landes nach der
Wahlentscheidung in ihrem Sinne auszuüben.
Dass dies in einem
erkennbar werdenden Maße nicht mehr gelingt, soll an dieser
Stelle lediglich als eine Schwäche benannt werden, die wohl nur
dann in Stärke umgewandelt werden kann, wenn sowohl dem Wahlvolk
als auch den politischen Eliten erneut bewusst wird, was es
bedeutet, einen Staat zu pflegen, zu steuern und zu gestalten,
der sich selbst als eine Republik versteht und sich auch als
solche benennt, denn im Zentrum einer Republik steht
– zumindest ideengeschichtlich – die Förderung des
Allgemeinwohls.
03 Die erste Republik der Neuzeit
TOP
Durch die
Unterzeichnung der Unabhängigkeitserklärung der
Vereinigten
Staaten von Amerika, die am 4. Juli 1776 ratifiziert wurde,
trennten sich 13 britische Kolonien in Nordamerika von
Großbritannien und erklärten damit, einen eigenen souveränen
Staatenbund bilden zu wollen.
Bevor sich die
Vereinigten
Staaten jedoch 1788 als föderative Republik konstituieren
konnten, mussten noch viele programmatische und
interessensbedingte Gegensätze durch Kompromisse überwunden
werden, die zwischen den Unterzeichnern gefunden werden mussten.
In diesem Zusammenhang betrachtet gibt es wohl kaum ein Dokument
freiheitlich-republikanischen Verfassungsdenkens, wie die in den
1787/88 erschienenen „Federalist Papers“, die anlässlich der
Debatte um die Ratifizierung der amerikanischen Verfassung
entstanden und einem großen Publikum zugänglich gemacht wurden.
Bei den
Federalist
Papers handelt es sich um 85 Essays, die für die Ratifizierung
der Verfassung der Vereinigten Staaten bedeutsam waren. Diese
Aufsätze, die von James Madison, Alexander Hamilton und John Jay
verfasst wurden, trugen entscheidend dazu bei, die öffentliche
Meinung in New York für die Annahme der neuen Verfassung zu
beeinflussen. Antworten auf die Frage, wie sich die Verfasser
dieser Aufsätze die zu schaffende Republik vorstellten, geben
die folgenden Zitate aus den
Federalist
Papers [En01].
Nr. 9
– Alexander Hamilton
Ich meine
eine konföderierte Republik. Diese Regierungsform ist eine
Übereinkunft, durch die mehrere kleinere Staaten sich
einverstanden erklären, Mitglieder eines
größeren
zu werden, den sie zu bilden beabsichtigen. Es ist eine Art von
Vereinigung von Gemeinschaften, die eine
neue
konstituieren, welche durch Bildung neuer Assoziationen in der
Lage ist, sich so lange zu vergrößern, bis sie einen Grad von
Macht erreicht hat, der für die Sicherheit der vereinigten
Gemeinschaft zu sorgen erlaubt.
Eine
konföderierte Republik ist ein Bundesstaat.
Nr.
52 – James Madison
Gerechtigkeit ist ein Ziel der
Regierung
[der zu schaffenden Republik].
Sie ist das Ziel der bürgerlichen Gesellschaft. Dieses Ziel
wurde immer verfolgt und wird immer verfolgt werden, bis es
erreicht ist oder die Freiheit bei seiner Verfolgung
verlorengegangen ist. [...]. In der Republik der Vereinigten
Staaten mit ihrer großen Ausdehnung und ihrer enormen Vielfalt
von Interessen, Parteien und religiösen Sekten könnte es kaum zu
einer Koalition von einer Mehrheit der Gesamtgesellschaft
kommen, die irgendwelche anderen Prinzipien zur Grundlage hätte,
als die der Gerechtigkeit und des Gemeinwohls. [...].
Je größer die Gesellschaft ist
– vorausgesetzt, die Größe hält sich in praktikablem Rahmen -,
um so mehr wird sie zur Selbstregierung befähigt sein. Zum Glück
für die republikanische Sache kann man die noch im Rahmen der
Handhabbarkeit liegende Sphäre sehr weit ausdehnen, indem man
die Grundsätze des Föderalismus auf kluge weise modifiziert und
miteinander vermischt.
Anders
ausgedrückt:
Die konföderierte Republik der Vereinigten Staaten ist eine
Regierungsform, die der Gerechtigkeit und dem Gemeinwohl
entsprechen muss. Diese beiden Anforderungen können aus der
Entstehungsgeschichte der Sprachfigur „Republik“ als
Wesensmerkmale angesehen werden, so die Verfasser der
„Federalist Papers“ in ihrer Argumentation.
Nr.
62 – James Madison
Eine gute Regierung erfordert
zweierlei: erstens Treue gegenüber dem Ziel der Regierung, das
im Glück des Volkes besteht, zweitens die Kenntnis der Mittel,
durch die dieses Ziel am besten zu erreichen ist. Einigen
Regierungen mangelt es an beidem, den meisten Regierungen
mangelt es an
ersterem.
An
anderer Stelle, bezogen auf das Handeln der Regierung, heißt es
im Essay 62, dass die geltenden Gesetze nicht für wenige,
sondern für die Vielen gemacht werden müssen.
Mit einem Wort: Es kann keine
bedeutende Verbesserung und kein lobenswertes Unternehmen in
Gang gebracht werden, die den Schutz eines stabilen Systems
nationaler Politik erfordern,
[also dem Gemeinwesen
schaden].
Warum?
Keine
Regierung wird – ebenso wie kein einzelner Mensch – lange
respektiert werden, ohne wahrhaft respektabel zu sein; noch wird
sie wahrhaft respektabel sein, ohne ein gewisses Maß an Ordnung
und Stabilität aufweisen zu können.
Die Verfasser der
Federalist
Papers gaben auch Antwort auf die Frage, wie sich die
bürgerlichen Freiheiten am wirkungsvollsten sichern ließen.
Die
Antwort lautete: Durch Beschränkung der Macht, letztlich sogar -
scheinbar paradox – durch Beschränkung der Macht des Volkes.
Dafür sollte ein System der „checks und balances“ sorgen, das
ein Gleichgewicht der Kräfte garantieren würde, so das die
Freiheit nicht in eines der beiden drohenden Extreme umschlagen
konnte: Weder in eine Anarchie noch in eine Diktatur.
Wie dem
auch immer sei:
Die liberale Regierung, eingebunden in den Rahmen einer
Republik, nahm in den USA seinen Lauf. Auffallend ist, dass in
den
Federalist
Papers von den Autoren hinsichtlich der zu bildenden
Konföderation nur von Republik die Rede ist und nie von der
Demokratie.
Auch von
den Philosophen der damaligen Zeit wurde die Republik als ein Staatskörper verstanden,
der es einer Demokratie erst ermöglichte, sich in diesem Rahmen,
diesem „Körper gemeinschaftlicher Interessen“ überhaupt
entwickeln zu können.
04 Republik – ältester Begriff eines
politischen Gemeinwesens
TOP
Die
Republik als ein ideengeschichtliches Vorstellungsbild eines
politischen Gemeinwesens kann als das gemeinsame
ideengeschichtliche Erbe Europas schlechthin angesehen werden.
Ulrike
Guérot:
Der Begriff „Republik“ hat im Sprachgebrauch einen uralten
Resonanzboden und edlen Klang, ist er doch der Kernbegriff der
politischen Ideengeschichte in Europa schlechthin. [...]. Denn
im Begriff der Republik sind mehrere Ebenen mitgedacht: eine
politische Ordnung, die organisch oder körperschaftliche
Konzeption eines Ganzen und mithin eine gesellschaftliche
Ordnung, die gemeinwohlorientiert und sozialverpflichtend
ist.[...]. Die Republik ist mithin eine Zusammenschau von
bürgerlichen, politischen und sozialen Rechten. Bei der Republik
geht es um die
res
publica,
die öffentliche, gemeinsame Sache, also um das
Bürgerwohl
[En02].
An
anderer Stelle heißt es:
Ulrike
Guérot:
Im Kern bedeutet Republik zugleich Rechtsordnung,
Personenverband und Gemeinwohl. Republik – res
publica
– heißt im Wortsinn „die Sache aller“ oder „die öffentliche
Sache“. Die Republik ist damit ein Gemeinwesen, das auf das Wohl
der Gemeinschaft ausgerichtet ist und auf einer politischen
Grundordnung basiert. Die Republik organisiert das Wir. [...].
Die Republik kennt nur Bürger
[En03].
Der französische Karikaturist,
Maler und Bildhauer
Honoré
Daumier (1808 bis 1879), schuf, als die Zweite Republik 1848
geboren wurde, ein Gemälde der Republik. Dargestellt wurde eine
„stillende Republik“, also eine Frau, die zwei Säuglinge
zugleich nährte. Diese Allegorie sollte die klassische Tugend
der Nächstenliebe darstellen, die eine Republik auszeichnet.
La
republique
Der Historiker und Politiker
François Pierre Guillaume
Guizot
(1787 bis 1874) vertrat die Meinung, dass die gemalte Republik
des Malers
Honoré
Daumier viel mehr als die Zärtlichkeit einer Mutter, sondern
eher „eine Art religiösen Ernst“ offenbare, in der Nächstenliebe
als eine zu erfüllende allgemeine Pflicht anzusehen sei, die dem
Wesen der Republik entsprechen würde: dem Gemeinwohl [En04].
Mit
anderen Worten:
Das Wort Republik steht nicht nur für irgendeinen Zustand des
Gemeinwesens, nämlich keine Monarchie zu sein, so die vereinfachte Sichtweise von
Staatsrechtlern, die Republik lediglich als ein Staat zu
verstehen ist, an dessen Spitze eine gewählte Zivilperson steht.
Zur Wortbedeutung von Republik gehört vielmehr zuerst einmal die
Vorstellung eines organischen Gesamtkörpers, der als politischer
Körper den Menschen, die sich diesem Gemeinwesen verpflichtet
fühlen, die Möglichkeit bietet, sich politisch zu organisieren.
So auch
die Sichtweise von Jean-Jacques Rousseau (1712 bis 1778) und
seiner Philosophie des Gesellschaftsvertrages aus dem Jahr 1762,
in dem zwei Schlüsselbegriffe enthalten sind, die eine Republik
ausmachen:
Während die
volonté générale
für das Gemeinschaftsinteresse und das damit untrennbare
Gemeinwohl steht, fordert die
volonté
de
tous
den Willen aller ein. Das aber würde voraussetzen, den Menschen
zu befreien, denn: „der Mensch wird frei geboren und liegt doch
überall in Ketten“.
Diesen Zustand zu ändern, das
war Rousseaus Vision, die dazu führte, dass die Triade Liberté,
Égalité, Fraternité zum Wahlspruch der Französischen Revolution
1789 werden konnte und auch heute noch in der Verfassung der
Fünften
Republik von 1958 enthalten ist.
Dort
heißt es:
Artikel 2 Die Sprache der Republik ist Französisch.
Das Nationalemblem ist die blau-weiß-rote Trikolore. Die
Nationalhymne ist die Marseillaise. Der Wahlspruch der
Republik lautet: „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“.
Ihr Grundsatz lautet: Regierung des Volkes durch das Volk und
für das Volk
[En05].
Eine
solche Republik kennt das Grundgesetz nicht. Und was den
politischen Mainstream anbelangt, der möchte am liebsten nicht
nur das Wort Volk im Grundgesetz durch „die hier Lebenden“ und
auch die Nationalflagge am liebsten durch die Regenbogenfahne
ersetzen.
Die Franzosen sehen das anders, denn die Verfasser des
oben zitierten Artikels 2 gehen von der Vorstellung aus, dass
nur die Republik der Demokratie den Rahmen geben kann, um sich
entfalten zu können. Dieser Vorrang der Republik vor der
Demokratie ist darauf zurückzuführen, dass Demokratien
prinzipiell auch gefährlich sein können, denn die Mehrheit der
Straße ist noch lange keine Demokratie, denn die Straße schützt
vor Willkür nicht. Wohl aber die Republik, in der das Gemeinwohl
im Zentrum steht.
Die
Demokratie bedarf insoweit eines Rahmens, einer Fassung, die die
„Herrschaft des Volkes“ fest mit einer Staatsform verbindet. So
auch Hanna Arendt in ihrem Buch „Über die Revolution“, in der es
heißt:
Hannah
Arendt:
Charakteristisch ist, dass das Wort „Demokratie“, welches die
Rolle und die Herrschaft des Volkes hervorhebt, verhältnismäßig
spät das Wort „Republilk“ aus dem Sprachgebrauch verdrängte;
dies geschah jedenfalls in Frankreich erst 1794, dem letzten
Jahr der Revolution. Als man den König enthauptete, rief die
Menge noch: „Viva la rèpublique!“
[En06]
Im
Übrigen gehört zum Vorstellungsbild einer Republik auch das Bild
des Aufbegehrens gegen eine Staatsgewalt, die das Volk
unterdrückt oder ihm die Freiheit verweigert.
La Revolution
Die Freiheit führt das Volk
Ferdinand Victor Eugène
Delacroix (1798 bis 1863) war ein französischer Maler, der
anlässlich der Junirevolution von 1830 eine Szene malte,
in dessen Zentrum die Göttin der Freiheit mit der französischen
Tricolore in der erhobenen rechten Hand den Weg in die Freiheit
zeigt.
Es lieg durchaus im Bereich des Möglichen, dass in einer
Republik, in der eine Demokratie sich zu einem autoritären
Staatsapparat entwickelt, erneut für die "Freiheit des Volkes"
auf die Straße gegangen werden muss.
05 Lohnende Wiederentdeckung der Republik
TOP
Wer sich
mit dem Vorstellungsbild einer Republik auseinandersetzt, wird
feststellen, dass dabei zentrale Begriffe der Organisation von
politischen Gemeinwesen sichtbar werden, als da sind:
-
Teilhabe der Bürger am politischen Geschehen
-
Chancengerechtigkeit der Bürger
-
Recht auf Bildung
-
Recht auf Abwahl der Regierung.
Von
zentraler Bedeutung dürfte jedoch wohl die Wiederentdeckung des
Begriffs „Gemeinwohl“ sein, der wiederum nur im engen Zusammenhang
mit den Schlüsselbegriffen „Besitz“ und „Eigentum“ verstanden
werden kann, denn zur Ideengeschichte der Republik gehören auch
der Zugang und die Nutzung kollektiver Güter durch alle Bürger.
Mit
anderen Worten:
Die Sprachfigur der Republik macht es erforderlich, sowohl über
den Begriff des Eigentums als auch über den der Eigentumsordnung
nachzudenken.
Die
Republik mit ihrem zentralen Begriff des Gemeinwohls fordert uns
also auf, über den Begriff des Eigentums und die
Eigentumsordnung neu nachzudenken. „Eigentum verpflichtet“, so
steht es zwar im Grundgesetz, aber nicht alles, was im
Grundgesetz steht, entspricht der Wirklichkeit.
Ulrike
Guérot:
Der Begriff der Republik passt zum Begriff des Besitzes.
Republik und Besitz sind ideengeschichtlich verschwistert. Der
Neoliberalismus hingegen ist der Bruder des Eigentums – und aus
diesen beiden Brüdern wurden Kain und Abel
[En07].
An
anderer Stelle:
Ulrike
Guérot:
Wer von Republik spricht,
spricht von Gemeinwohl und sozialer Verantwortung. Die Republik
kann nicht unsozial sein – ein Binnenmarkt schon
[En08].
Warum?
Der
freie Markt, so wie ihn die liberalen Demokratien praktizieren,
dient nicht vorrangig dem Gemeinwohl, sondern der
Gewinnmaximierung.
06 Die Republik und ihre Bürger
TOP
Genauso
wie das Wort Republik, hat auch das Wort Bürger heute eine
andere Bedeutung bekommen, die sich wie folgt beschreiben lässt:
Weg vom wahrhaftigen Bürger, der eine enge kulturelle und
sprachliche Verbindung zum Gemeinwesen hatte hin zum legalen
Bürger, dessen Zugehörigkeit zum Gemeinwesen sich allein aus dem
Besitz der Staatsbürgerschaft ergibt.
Diese inhaltliche Veränderung
lässt es zu, zwischen einem liberalen und einem republikanischen
Verständnis von Staatsbürgerschaft zu unterscheiden.
Während die
liberale Auffassung vom (Staats)Bürger sich allein auf den
Besitz der Staatsbürgerschaft stützt, woraus sich ein formaler
Rechtsstatus ableiten lässt, der von dem Inhaber der
Staatsbürgerschaft eigentlich nur erwartet, sich
an die geltenden Gesetze halten und Steuern zahlen, definiert
sich der republikanische Bürger darüber hinausgehend auch durch
seine Bereitschaft, aktiv am Wohle der Gemeinschaft mitzuwirken,
was natürlich auch die Bereitschaft voraussetzt, Pflichten zu
übernehmen.
Anders
ausgedrückt:
Während liberale Konzepte den Schwerpunkt auf Status und Rechte
legen, betonen republikanische Konzepte Aktivität und Pflichten,
ergänzt durch ethnisch-kulturelle Aspekte der Verbundenheit,
also beispielsweise die bestehende Leitkultur zu leben, sowie
die jeweilige Nationalsprache zu beherrschen.
Wie dem
auch immer sei:
Die Voraussetzungen, unter
denen in der Europäischen Union und somit auch in Deutschland,
die jeweilige Mitgliedsstaatsangehörigkeit erworben werden kann,
richtet sich immer noch nach dem jeweiligen Landesrecht.
Staatsbürgerschaft darf nicht käuflich sein:
Diesbezüglich hat der
Europäische Gerichtshof entschieden, dass die
Staatsbürgerschaft nicht erkauft werden darf, denn im April 2025
haben die Richter des EuGH diese Praxis des Mitgliedsstaates
Malta für rechtswidrig erklärt (Urteil vom 29.04.2025 -
C-181/23). Die Regelung Maltas komme, so heißt es in dem Urteil,
einer „Vermarktung“ der Staatsbürgerschaft gleich und verstoße
gegen EU-Recht.
Die
nachfolgenden Zitate aus diesem Urteil lassen erkennen, unter
welchen Voraussetzungen auch in einer fast schon grenzenlosen
Liberalität der EU, der Erwerb der Staatsbürgerschaft in
Mitgliedsländern dennoch „gewissen Standards“ unterliegt, die
nicht aufgegeben werden dürfen.
EuGH
Urteil aus 2025:
Randnummer 96:
Insoweit ergibt sich aus einer gefestigten Rechtsprechung des
Gerichtshofs, dass dem Staatsangehörigkeitsband eines
Mitgliedstaats das zwischen ihm und seinen Staatsbürgern
bestehende besondere Verbundenheits- und Loyalitätsverhältnis
sowie die Gegenseitigkeit von Rechten und Pflichten zugrunde
liegen.
Randnummer 99:
Ein Mitgliedstaat missachtet aber in offenkundiger Weise das
Erfordernis eines solchen, durch die Gegenseitigkeit von Rechten
und Pflichten [...]
gekennzeichnetes
besonderes Verbundenheits- und Loyalitätsverhältnis [...],
wenn
[...]
die
Unionsbürgerschaft im Wesentlichen als Gegenleistung für im
Voraus festgelegte Zahlungen oder Investitionen verliehen wird.
Randnummer 100:
Ein solches Programm kommt nämlich einer Vermarktung der
Verleihung des Staatsangehörigenstatus eines Mitgliedstaats und
damit auch des Unionsbürgerstatus gleich, die mit der Leitidee
dieses grundlegenden Status, wie sie sich aus den Verträgen
ergibt, unvereinbar ist
[En09].
07 Rousseaus Bürgerrepublik
TOP
Jean-Jacques Rousseau verstand unter einer Republik eine
Gesellschaftsform, die mit der ganzen Kraft aller dafür
einstand, den gemeinsam verabredeten Gesellschaftsvertrag nicht
nur zu achten und zu fördern, sondern gegebenenfalls auch zu
verteidigen.
Jean-Jacques Rousseau:
Jeder von uns stellt gemeinschaftlich seine Person und seine
ganze Kraft unter die oberste Leitung des allgemeinen Willens,
und wir nehmen jedes Mitglied als untrennbaren Teil des Ganzen
auf. [...]. An die Stelle der einzelnen Person jedes
Vertragsabschließers
setzt solch ein Gesellschaftsvertrag sofort einen geistigen
Gesamtkörper, dessen Mitglieder aus sämtlichen Stimmabgebenden
bestehen, und der durch ebendiesen Akt seine Einheit, sein
gemeinsames
Ich,
sein Leben und seinen Willen erhält. Diese öffentliche Person,
die sich auf solche Weise aus der Vereinigung aller übrigen
bildet, wurde ehemals Stadt genannt und heißt jetzt Republik
oder Staatskörper
[En10].
Sobald
sich solch ein Staatskörper gebildet hat, hat er dafür Sorge zu
tragen, alles zu tun, um seinem Verfall bzw. seinem Untergang
entgegenzuwirken. Um dem Untergang möglichst lange zu
widerstehen, sollte die Republik mit der besten denkbaren
Verfassung ausgestattet werden.
Von der Demokratie hatte
Rousseau keine gute Meinung, denn die
würde
gottähnliche Kompetenzen des Volkes voraussetzen, über die das
Volk aber nicht verfügen würde.
Jean-Jacques Rousseau:
Gäbe es ein Volk von Göttern,
so würde es sich demokratisch regieren. Eine so vollkommene
Regierung passt für Menschen nicht
[En11].
08 Das Gemeinwohl
TOP
Im Sinne von Rousseau besteht
in einer Republik das höchste Wohl aller in der Freiheit und der
Gleichheit ihrer Bürger. Gleichheit deshalb, weil die Freiheit
ohne sie nicht bestehen kann. Was Rousseau unter Freiheit
versteht, lässt sich am besten mit seinen Worten selbst
beschreiben. Darunter versteht Rousseau die Freiheit,
den eigenen Willen auszuüben.
So lange man tut, was man will, ist man frei.
Und was die Gleichheit anbelangt, heißt es:
Jean-Jacques Rousseau:
Was nun die Gleichheit
anlangt, so ist unter diesem Worte nicht zu verstehen, dass alle
eine durchaus gleich große Kraft und einen genau ebenso großen
Reichtum besitzen, sondern dass die Gewalt jede Gewalttätigkeit
ausschließt und sich nur kraft der Gesetze und der Stellung im
Staate äußern darf, dass ferner kein Staatsbürger so reich sein
darf, um sich einen andern kaufen zu können, noch so arm, um
sich verkaufen zu müssen. Dies setzt auf Seiten der
Großen
Mäßigung des Vermögens und des Ansehens, und auf Seiten der
Kleinen
Mäßigung des Geizes und der Habsucht voraus.
Diese Gleichheit halten nun
einige für eine politische Träumerei, die nicht in der Praxis
existieren könne. Wenn jedoch der Missbrauch unvermeidlich ist,
folgt daraus, dass man ihn nicht wenigstens einschränken muss?
Weil der Lauf der Dinge stets auf die Zerstörung der Gleichheit
ausgeht, deshalb muss gerade die Kraft der Gesetzgebung stets
auf ihre Erhaltung ausgehen
[En12].
09 Republikanische Werte in Deutschland
TOP
Was das
Allgemeinwohl anbelangt, findet man diesen republikanischen Wert
im Grundgesetz an folgenden Stellen:
Art
14 (2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll
zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen. (3) Eine
Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig.
Art
56 Amtseid des Bundespräsidenten
„Ich
schwöre, daß ich meine Kraft dem Wohle des deutschen Volkes
widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden, das
Grundgesetz und die Gesetze des Bundes wahren und verteidigen,
meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegen
jedermann üben werde. So wahr mir Gott helfe.“
Art
87e (4) Der Bund gewährleistet, dass dem Wohl der
Allgemeinheit, insbesondere den Verkehrsbedürfnissen, beim
Ausbau und Erhalt des Schienennetzes der Eisenbahnen des Bundes
sowie bei deren Verkehrsangeboten auf diesem Schienennetz,
soweit diese nicht den Schienenpersonennahverkehr betreffen,
Rechnung getragen wird.
Auch im
Koalitionsvertrag zwischen der CDU/CSU und der SPD wird diese
Sprachfigur nur zweimal verwendet:
2757
- 2759
Kirchen und Religionsgemeinschaften leisten einen
unverzichtbaren Beitrag für den gesellschaftlichen Zusammenhalt
und das
Gemeinwohl.
Wir fördern den interreligiösen Dialog und schützen die
Religions- und Weltanschauungsfreiheit.
2861
- 2863
Wir verschärfen den strafrechtlichen Schutz von Einsatz- und
Rettungskräften, Polizisten sowie Angehörigen der
Gesundheitsberufe und prüfen einen erweiterten Schutz für
Kommunalpolitiker sowie für das
Allgemeinwohl
Tätige
[En13].
In der
Regierungserklärung von Bundeskanzler Friedrich März (CDU), die
er am 14. Mai 2025 im Deutschen Bundestag gehalten hat, kommt
das Wort „Allgemeinwohl“ gar nicht vor.
Diese
Regierungserklärung ist vielmehr Ausdruck eines neuen
autoritären Liberalismus, in dem die freien Märkte, der Aufbau
einer disziplinierten Armee, und die Rechtfertigung einer
Verschuldung der Steuerzahler für unverzichtbar gehalten wird,
um Deutschland wieder wettbewerbsfähig zu machen.
Soziale
Gerechtigkeit ist in dieser Regierungserklärung eher von
marginaler Bedeutung.
Bundeskanzler Friedrich März:
Wenn wir die Wettbewerbsfähigkeit unserer Volkswirtschaft
wiederherstellen, wenn Deutschlands Wirtschaft wieder wächst,
dann sichern wir dadurch auch unseren Sozialstaat – einen
Sozialstaat, der eine der ganz großen Errungenschaften der
Bundesrepublik Deutschland ist und der ein Garant ist und bleibt
für den sozialen Frieden in unserem Land
[En14].
Anders
ausgedrückt:
Die neue Bundesregierung vertraut darauf, dass dann, wenn die
Märkte gestärkt, die Außenpolitik militarisiert und Bundeswehr
und Infrastruktur durch Schulden „saniert“ und wieder
kriegsfähig gemacht worden sind, sich Freiheit
dann wieder ganz von selbst einstellen wird.
Das Wort
„Gerechtigkeit“ verwendet Bundeskanzler Friedrich Merz in seiner
Regierungserklärung ebenfalls nicht. Dafür gibt es eine Vielzahl
von Gründen, von denen nur einer näher beleuchtet wird.
Mit
anderen Worten:
Wäre Gerechtigkeit eine zu erbringende Regierungsleistung, dann
ließe sich der nachfolgend nur ganz kurz skizzierte Blick in die
reale Lebenswelt der wirklich Reichen in Deutschland, nicht mehr als gelungene
Sozialpolitik „verkaufen“ und auch nicht mehr als Förderung
eines Wirtschaftssystems begreifen, das Wohlstand für alle
generieren soll. Aber entscheiden Sie selbst.
10 Die Lebenswirklichkeit der wirklich Reichen
TOP
Am
Beispiel von BMW soll aufgezeigt werden, warum die soziale
Gerechtigkeit in Deutschland in Schieflage geraten ist. Das
durchschnittliche Jahresgehalt eines Facharbeiters in
Deutschland liegt bei etwa 38.700 bis 39.672 Euro brutto, das
entspricht einem monatlichen Bruttogehalt von 3.225 bis 3.306
Euro.
Das durchschnittliche Jahresgehalt bei der BMW Group
umfasst, je nach Position und Erfahrung des jeweiligen
Mitarbeiters, ein Jahresgehalt 30.000 bis hin zu 100.000 Euro.
Aus dieser breiten Streuung der Gehälter lässt sich ein
durchschnittliches Jahreseinkommen in Höhe von 50.000 Euro
errechnen, das entspricht im Übrigen auch dem mittleren
Bruttojahresverdienst, gemessen am Median.
Der latg 2024 in
Deutschland - einschließlich Sonderzahlungen - bei 52 159 Euro
[En15].
Eine kurze Gegenüberstellung der existierenden Gegensätze
-
50.000 Euro ist der durchschnittliche Jahresverdienst aller
Beschäftigten in Deutschland
-
8,2 Millionen Euro erhielt
2023 der Vorstandsvorsitzende von BMW, Oliver
Zipse
-
2 Milliarden für die
Quanterben: BMW hat 2023 einen Gewinn von 12 Milliarden Euro
(nach Steuern) erzielt und plant, 4 Milliarden Euro
Dividenden auszuschütten [En16].
Susanne
Klatten
und Stefan
Quandt
besitzen zusammen fast die Hälfte des BMW-Konzerns und werden
folglich Dividenden in Höhe von gut 2 Milliarden Euro
erhalten. Susanne
Klatten
ca. 1 Milliarde Stefan
Quandt
ca. 1 Milliarde.
Der durchschnittlich
Beschäftigte in Deutschland verdient 50.000 Euro pro Jahr. Der
Vorstandsvorsitzende von BMW, Oliver
Zipse,
erhielt 2023 ein Jahresgehalt von gut 8,2 Millionen Euro. Das
entspricht dem Jahreseinkommen von 164 Mitarbeiterinnen und
Mitarbeitern, die als Vollerwerbstätige anzusehen sind.
Wie dem
auch immer sei:
Die Hälfte der Ausschüttung
der Aktiendividende bei BMW wird an die beiden Großaktionäre Stefan
Quandt
und Susanne
Klatten
ausgezahlt werden. Die Dividende betrug 2024 gut 2 Milliarden Euro.
Verglichen damit, sind 8,2 Millionen des Vorstandsvorsitzenden
Oliver
Zipse
von BMW nichts anderes als Kleingeld.
Und wie sieht der Vergleich zum Durchschnittsverdiener
aus?
Wird
diese Dividende von 2 Milliarden Euro in Relation gesetzt zu dem
Durchschnittseinkommen von ca. 50 000 Euro pro Jahr eines
Durchschnittsverdieners, dann ergibt
sich daraus ein schier unglaubliches Ergebnis.
2
Milliarden zu 50.000 bedeutet, dass gut 40.000 Mitarbeiterinnen
und Mitarbeiter ein Jahr arbeiten müssen, um eine Dividende in
Höhe von 2 Milliarden Euro überhaupt erarbeiten zu können.
Bei solch einem Unterschied
zwischen „oben“ und „unten“ erscheint es zumindest auf den
ersten Blick durchaus sozial zu sein, dass für das Jahresgehalt
von Oliver
Zipse,
dem Vorstandsvorsitzenden von BMW, lediglich gut 160
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit einem
Durchschnittseinkommen von 50.000 Euro pro Jahr, ein ganzes Jahr
arbeiten müssen.
Solch
eine Liste des „Unsozialen“ ließe sich fortsetzen.
Wer in
Kenntnis dieser Ungleichheit immer noch meint, in einem
Sozialstaat zu leben, widerspricht im Übrigen nicht nur der
christlichen Sozialethik, ohne die sich das bisher beschriebene
Vorstellungsbild eines republikanischen Gemeinwesens, zu dessen
Kern das Allgemeinwohl und auch die soziale Gerechtigkeit
gehören, gar nicht hätte entwickeln können. Mäßigung gehört im
Übrigen auch zu den Haupttugenden der christlichen Sozialethik, weil diese
Tugend zur Klugheit gehört.
Warum?
Klugheit im Sinne
abendländisch-christlichen Denkens lässt sich nur dann in ihrer
gesamten Wortbedeutung erfassen, wenn die Klugheit im
Zusammenhang mit den anderen natürlichen Tugenden gesehen und
verstanden wird, denn das Ganze ist mehr als die Summe seiner
Teile. Klugheit kann somit nicht als eine isolierte Tugend
betrachtet werden. Zu ihr gehören auch die anderen weltlichen
Tugenden, als da sind: Gerechtigkeit, Mut und die Bereitschaft
zum Maßhalten.
Maßhalten aber ist eine Tugend, die in
Krisenzeiten immer von denen erwartet wird, die Sozialkosten
verursachen.
Wie dem
auch immer sei:
Auch Thomas
Piketty,
ein renommierter Ökonom und Wirtschaftswissenschaftler hat in
seinem Buch „Das Kapital im 21. Jahrhundert“ überzeugend
nachgewiesen, dass, wenn die Einkommens- und
Vermögensunterschiede zu groß werden, eine Gesellschaft sich
dadurch sozusagen sehenden Auges selbst zerstört.
Thomas
Piketty:
Eine plausible Interpretation [von sozialer Gleichheit] lautet,
dass soziale Ungleichheiten nur dann vertretbar sind, wenn sie
im Interesse aller und namentlich der benachteiligten sozialen
Gruppen liegen
[En17].
Und was
die Unterschiede in den Gehältern anbelangt, kommt Thomas
Piketty zu dem Ergebnis, dass eine Gesellschaft wohl nur dann
dauerhaft zusammenhalten kann, wenn der Unterschied zwischen den
Grundeinkommen und den höchsten Einkommen sich an einem Faktor
1:5 orientiert, eine Größenordnung von 1:10 aber nicht
überschreiten sollte. Das sind Werte, die heute bereits um das
Hundertfache und auch um das Tausendfache überschritten werden.
Mit
anderen Worten:
Jeder, der aufgrund seines Aktienvermögens eine Dividende in
Höhe von 1 Milliarde Euro erhält, verfügt damit über ein
Einkommen, dass sich in etwa wie folgt „herunterbrechen“ lässt:
-
1.000.000.000 Euro Jahresdividende
-
83.000.000 Euro pro Monat
-
19.000.000 Euro pro Woche
-
2.800.000 Euro pro Tag
-
117.000 Euro pro Stunde
-
1.950 Euro pro Minute
-
33
Euro pro Sekunde.
11 Ausverkauf der Bundesrepublik
TOP
Nur zur
Erinnerung: In den 1970er Jahren begann die Privatisierung. Auch
in Deutschland wurde das Soziale zunehmend der Marktwirtschaft
zugänglich gemacht. Es würde zu weit führen, diesen Vorgang
im Einzelnen zu erörtern, insoweit muss es ausreichen, am Beispiel der
Deutschen Bahn aufzuzeigen, wie öffentliches und soziales
Eigentum zur Privatsache erklärt wurde.
Wie dem
auch immer sei:
Dem Reichtum wollte man zuschustern, was man der Gesellschaft,
den Staatsbürgern und damit dem Allgemeinwohl entzog. Die Folge
davon ist, dass heute die Bahnkunden froh sein müssen, wenn der
Zug, den sie nutzen wollen, überhaupt einläuft. Dennoch herrscht
bis heute immer noch der Glaube
daran vor, dass alles Öffentliche von Übel, und nur das
„Private“ das Gute ist.
War es noch Willy Brandt (1913 bis 1992)
der 1969 im Deutschen Bundestag forderte, mehr Demokratie zu
wagen, publizierte der heutige Bundeskanzler Friedrich Merz
bereits 2008 ein Buch mit dem Titel: „Mehr Kapitalismus wagen:
Wege zu einer gerechten Gesellschaft“.
Spiegel.de
vom 14.10.2008: „Die
Deutschen sollten den Kapitalismus verstehen, damit er gerettet
werden kann“, heißt es am Schluss der 200-seitigen
Streitschrift. „Und retten müssen wir den Kapitalismus, denn
ohne Kapitalismus gibt es keinen Sozialstaat, und ohne
Sozialstaat gibt es keine soziale Gerechtigkeit.“
[En18]
Offensichtlich war dem Verfasser dieses Buches entgangen, was
für einen hohen Preis das Allgemeinwohl im Rahmen der
Privatisierung öffentlichen Eigentums und insbesondere im Rahmen der
Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten zu zahlen hatte.
12 Der Preis der Wiedervereinigung
TOP
Der
Preis der Wiedervereinigung kann nur als eine Zerstörung des
Allgemeinwohls bezeichnet werden.
Manova-News.de
vom 17. Mai 2025:
Der Preis der Wiedervereinigung war die Zerstörung Deutschlands
als sympathisches, international geachtetes Land. Alles, was die
Nachkriegsgenerationen in Ost und West erarbeitet und als
Volks-bzw. Staatsvermögen im eigenen Land aufgebaut hatten, kam
unter den Hammer und wurde dem räuberischen internationalen
Reichtumskomplex übereignet.
Dazu gehörten unter anderem:
-
Die
Deutsche Bundespost. Sie wurde 1995 aufgespalten und
„börsenfit“ gemacht. Deutsche Bundesbahn und Reichsbahn
wurden 1994 zur Deutsche Bahn AG;
-
Flughäfen und Luftraum. Teilprivatisierung diverser
Flughäfen und Ausgliederung der Flugsicherung
-
2009
die Strom- und Gasversorgung. Sie befand sich traditionell
in kommunaler oder Landeshand;
-
Wasserwirtschaft. In vielen Kommunen wurden Wasserwerke
privatisiert oder teilprivatisiert;
-
Wohnungsbau und Immobilien. Zahlreiche kommunale
Wohnungsbaugesellschaften wurden verkauft;
-
Gesundheit und Pflege. Krankenhäuser durchliefen seit den
1990ern eine massive Privatisierungswelle;
Pflegeeinrichtungen. Pflegeversicherung im Jahr 1995 brachte
Marktöffnung;
-
Bildung und Wissenschaft. Sie sind zwar formal „öffentlich“,
realiter jedoch vielfach unter privater Kontrolle;
-
Medien. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk blieb bestehen,
aber der Druck durch private Konkurrenz stieg massiv;
Verkauf von staatlichen Druckereien, Studios,
Frequenzbereichen;
-
Beteiligung internationaler Konzerne an ehemals nationalen
Medienhäusern; Infrastruktur/Maut/Digitalisierung.
Autobahnprivatisierungen durch Public Private Partnerships
(PPP); Privatisierung der Nebenbetriebe der
Bundesautobahnen; Digitalisierung der Verwaltung, zunehmend
von externen Konzernen betreut.
Insgesamt
können wir festhalten:
Die Privatisierungspolitik war kein Zufall. Der öffentliche
Sektor wurde nicht nur in Ostdeutschland, sondern auch im Westen
massiv zurückgedrängt. Was früher Gemeineigentum war, wurde
Schritt für Schritt in die Hände der Kapitalmärkte übergeben
[En19].
Es würde
zu weit führen, aufzuzeigen, welche gravierenden und
umfangreichen Veränderungen erforderlich wären, um die
Bundesrepublik Deutschland wieder vom Kopf auf die Füße zu
stellen, um aus ihr wieder eine richtige Republik zu machen. Das
würde es im Übrigen auch erforderlich machen, Begriffe wie
Besitz, Allmende und Eigentum wieder so zu interpretieren, wie
das dem Gemeinwohl entsprechen würde.
13 Besitz – Allmende – Eigentum
TOP
Die
tatsächliche Herrschaft einer Person über eine Sache wird als
Besitz bezeichnet und ist in den §§ 854 ff. BGB geregelt. Ein
unmittelbarer Besitz liegt vor, wenn eine Person die
tatsächliche Sachherrschaft ausübt, während ein mittelbarer
Besitz vorliegt, wenn jemand den Besitz von einem Eigentümer
vermittelt bekommt. So der
Extrakt des Rechtsbegriffs „Besitz“, wie er heute definiert
wird.
Im Zusammenhang mit der ideengeschichtlichen Entwicklung
der Sprachfigur „Republik“, steht die Inbesitznahme einer Sache
aber auch in einem engen Zusammenhang mit der Sprachfigur Allmende. Darunter
versteht man seit dem Mittelalter ein nutzbares Land, das zu
einem Dorf gehört und von den Bauern des Dorfes als
Gemeinschaftseigentum genutzt werden kann und darf.
Wikipedia:
Die Allmende ist sozusagen ein Teil des Gemeindevermögens, das
als gemeinschaftliches Eigentum von der gesamten Bevölkerung
benutzt werden darf.
Die
Einhegung der Allmende:
Die seit dem Spätmittelalter in nahezu ganz Europa um sich
greifende Einhegung sollte das Ende der traditionellen
Landallmende besiegeln. In England reichen die Anfänge dieser
Entwicklung bis vor das 13. Jahrhundert zurück und erreichten im
15. und 16. Jahrhundert einen ersten Höhepunkt. [...]. Pächter
würden von Haus und Hof vertrieben, damit »ein einziger Prasser«
einige tausend Morgen Ackerland einzäunen könne, klagt Thomas
Morus
in seiner »Utopia« (1516). Die Einhegung führte jedoch
keineswegs zu einer Effizienzsteigerung, sondern lediglich zu
einer Konzentration der Erträge auf einige wenige Grundbesitzer.
[...]. Zu jener Zeit entwickelte sich auch der liberale
Eigentumsbegriff – weg von Besitz- und Nutzungsrechten, hin zu
veräußerbarem Privateigentum –, der uns heute sozusagen zur
zweiten Natur geworden ist. [...].
Dass die Allmende auch ihre
Schattenseiten hatte, soll nicht verschwiegen werden: Die
Dorfgemeinschaft schottete sich nach außen ab, und die
persönlichen Freiheitsrechte der Dorfgenossen waren stark
eingeschränkt. Ein Zurück zur
real-exisistierenden
Allmende nach mittelalterlichem Vorbild ist [deshalb] heute
weder möglich noch wünschenswert [En20].
Dennoch
lassen sich aus dem Wissen über die Bedeutung des Allgemeinwohls
und dem Wesen der Allmende Einstellungen, Überzeugungen und
politisch umzusetzende Vorstellungen ableiten, die den außer
Kontrolle geratenen Eigentumsbegriff von heute wieder
„menschlicher machen könnten.“
Nur zur
Erinnerung: In der Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte, von
der französischen Nationalversammlung am 26. August 1789
verabschiedet, heißt es:
ART.
17
Da das Eigentum ein unverletzliches und heiliges
Recht ist, kann es niemandem genommen werden, wenn es nicht die
gesetzlich festgelegte, öffentliche Notwendigkeit
augenscheinlich erfordert und unter der Bedingung einer
gerechten und vorherigen Entschädigung.
Weniger bekannt ist folgende Tatsache:
Das Eigentumsrecht ist das einzige „heilige Recht“, das im
letzten Artikel als solches benannt ist. Der Grund dafür ist,
dass über Eigentumsfragen in der Nationalversammlung nicht
diskutiert wurde und erst ein Tag vor der Abstimmung der
„Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte“ in der
Nationalversammlung der ausformulierte Artikel 17 in die Vorlage
mit dem Hinweis eingefügt wurde, darüber später zu disputieren,
wenn es darum ginge, eine Verfassung auszuarbeiten.
Anders
ausgedrückt:
Die Vermögenden und Reichen hatten einen Weg gefunden,
ihren Besitzstand zu wahren. Daran hat sich bis heute nichts
geändert.
14 Ayn
Rand – Philosophin der Republikaner
TOP
Eine Auseinandersetzung mit
der Sprachfigur „Republik“ muss unvollständig bleiben, wenn
Ayn
Rand (1905 bis 1982) unerwähnt bliebe, denn sie gilt, obwohl sie
mehr als 40 Jahre tot ist, immer noch als Chefideologin nicht
nur der amerikanischen Rechten, sondern auch der Republikaner.
Ihre Bücher waren und sind in den USA immer noch Bestseller,
deren Auflagen die der Bibel deutlich übersteigen.
Wie dem
auch immer sei:
Ayn Rand entwarf eine Philosophie des „rationalen Eigennutzes“,
den sogenannten „Objektivismus“. Diese „Philosophie“ passt auch
heute noch nicht nur perfekt in die Denkweise von US-Präsident
Donald Trump, sondern auch in die politischen Überzeugungen der
Republikaner.
Ayn
Rand forderte, dass den „Helden des Kapitalismus“ der Weg frei
zu machen sei, damit diese ausschließlich zu ihrem persönlichen
Vorteil handeln können.
Das
Glaubensbekenntnis der Republikaner, reduziert auf zwei Wörter,
liest sich deshalb bei Ayn Rand wie folgt:
-
Individualismus
-
kein
Kollektivismus.
Auf der
Website von
Anyrand.org
heißt es:
„Meine Philosophie ist im
Wesentlichen das Konzept des Menschen als heldenhaftes Wesen,
mit seinem eigenen Glück als dem einzigen moralischem Zweck
seines Lebens, mit produktiver Leistung als seiner edelsten
Tätigkeit und Vernunft als seinem einzigen Absoluten.“
Mit
anderen Worten:
Ayn Rand schrieb Bücher, in
denen sie die Menschen aufforderte, egoistisch zu sein. In dem
Buch „Für den neuen Intellektuellen“, das 2016 im
österreichischen
Mises-Verlag
erschien, heißt es unter der Überschrift „Die Seele des
Individualisten“, wie folgt:
Ayn Rand:
Vor Jahrtausenden entdeckte ein Mensch als Erster, wie man Feuer
macht. [...]. Seine Vision, seine Kraft und sein Mut kamen aus
seinem Geist. Der Geist eines Menschen jedoch ist sein Selbst.
[...]. Die [Menschen als Schöpfer]
waren nicht selbstlos. [...].
Der Schöpfer [Mensch] diente nichts und niemandem. Er lebte nur
für sich selbst, Seite 93/94.
An
anderer Stelle heißt es:
Zum
Teufel mit dem Gemeinwohl: Ich will damit nichts zu tun haben,
Seite 120.
An
anderer Stelle:
Das
grundlegende Bedürfnis des Schöpfers [Mensch] ist
Unabhängigkeit. Der denkende Verstand kann unter Zwang nicht
arbeiten. Er kann nicht eingeschränkt, geopfert oder unterworfen
werden. Er braucht totale Unabhängigkeit bei der Wahl seiner
Mittel und Zwecke. Für den Schöpfer [Mensch]
sind alle
Beziehungen zu anderen sekundär.
Andererseits:
Das
grundlegende Bedürfnis des Zweihändlers
[des Menschen] ist die
Sicherung seiner Verbindungen zu Menschen, die ihn versorgen.
Für ihn kommen Beziehungen zuerst. Er erklärt, der Mensch sei
dazu da, anderen zu dienen. Er predigt Altruismus, Seite 95.
[...].
Aber:
Man hat den Menschen
beigebracht, es sei eine Tugend, mit allen anderen
übereinzustimmen. [...]. Aber der Schöpfer
[Mensch] ist Egoist
im absoluten Sinne, und der selbstlose Mensch
[also der, der sich
altruistisch verhält]
ist derjenige, der nicht
denkt, nicht fühlt, nicht urteilt und nicht handelt, Seite 97.
Abschließend:
Das
erste Grundrecht des Menschen ist das Recht auf sein Ego. Die
erste Pflicht des Menschen ist die gegen sich selbst. Sein
Moralgesetz lautet: nie andere zu seinem Hauptzweck zu machen.
Seine moralische Verpflichtung lautet, das zu tun, was er für
richtig hält, Seite 99.
Nun wäre es eine unzulässige
Vereinfachung, diese Sätze als das Hauptwerk von Ayn Rand
anzusehen, denn allein ihr berühmtestes Buch „Atlas Shrugged –
Der freie Mensch“ umfasst 1487 Seiten in der Ausgabe des
Tinktum-Verlages
2021. Allein das Kapitel „Hier spricht John Galt“ umfasst 48
Seiten, ein Kapitel, das durchaus auch heute noch als die Seele
US-republikanischen Denkens angesehen werden kann.
15 Diktatur des Relativismus der Wörter und
Werte
TOP
Vor
seiner Wahl als Papst Benedikt XVI., hielt Joseph Ratzinger als
Dekan des Kardinalskollegiums am 18. April 2005 im Petersdom
eine weltweit beachtete Predigt, in der er die „Diktatur des
Relativismus“ als eine ernsthafte Gefahr sowohl für den Glauben
als auch für den Humanismus bezeichnete.
Damit
prägte er einen Begriff für die großen geistigen
Auseinandersetzungen unserer Zeit und zeigte auf, vor welcher
Herausforderung nicht nur der christliche Glaube, sondern auch
der Humanismus heute steht. In seiner Rede warnte Joseph
Ratzinger davor, das menschliche Ego als das Maß aller Dinge zu
bezeichnen.
In der
Rede heißt es:
Josef
Ratzinger:
Es entsteht eine Diktatur des Relativismus, die nichts als
endgültig anerkennt und als letztes Maß nur das eigene
Ich
und seine Gelüste gelten lässt. Wir haben jedoch ein anderes
Maß: den Sohn Gottes, den wahren Menschen. Er ist das Maß des
wahren Humanismus. [...]. Einen klaren Glauben nach dem Credo
der Kirche zu haben, wird oft als Fundamentalismus abgestempelt,
wohingegen der Relativismus, das sich „vom Windstoß irgendeiner
Lehrmeinung Hin-und-hertreiben-lassen“, als die heutzutage
einzige zeitgemäße Haltung erscheint
[En21].
Dieser
Relativismus lässt sich heute sogar auf den Gebrauch einzelner
Wörter übertragen, die je nach ideologischer Prägung mal das
Eine, aber auch das Andere bedeuten können. Das hat
bedauerlicherweise zur Folge, dass der Relativismus sogar beim
Gebrauch der Sprache eine Wirklichkeit hat entstehen lassen, die
an die biblische Geschichte des „Turmbaus zu Babel“ erinnert.
Diese biblische Geschichte schildert das Bemühen des Menschen,
über mehr Schöpferkraft als Gott selbst zu verfügen. Das nahm
Gott zum Anlasse, die menschliche Sprache zu verwirren.
In der
Lutherbibel (1. Mose 11,7-9) heißt es:
Wohlauf,
lasst uns herniederfahren und dort ihre Sprache verwirren, dass
keiner des andern Sprache verstehe!
Dieser
Zustand ist heute wieder erreicht, denn jeder versteht heute
nicht nur unter den Wörtern Republik, Demokratie, Volk, Heimat,
Familie und natürlich auch unter einem Mann und einer Frau
möglicherweise etwas ganz anderes, als sein jeweiliger
Gesprächspartner.
Und was das Wort „Republik“
anbelangt, hoffe ich, deutlich gemacht zu haben, dass dieses
Wort, das zum Namen der Bundesrepublik
Deutschland gehört, mehr ist als ein bloßer Name, bestehend aus
8 Buchstaben die lediglich eine Staatsform ausschließen sollen:
die Monarchie.
Vielmehr fordert das Wort Republik geradezu dazu
auf, dem Allgemeinwohl wieder die Bedeutung zukommen zu lassen
die für ein friedliches Zusammenleben erforderlich ist, auch
wenn das dem egoistischen Ich schwerfällt, denn die Republik ist
ideengeschichtlich der Gesellschaftskörper, in denen Menschen
frei, gleich und brüderlich vereint zusammenleben können, wobei
mit brüderlich nicht ein Verwandtschaftsverhältnis, sondern
Solidarität gemeint ist.
16 Der unpolitische Gesellschaftsmensch
TOP
Den zu beschreiben, das ist
bereits vor gut 100 Jahren Alexis
de Tocqueville
(1805 bis 1859) gelungen, als er im Anschluss an seine Reise
durch die
Vereinigten
Staaten von Amerika (1831 bis 1832) seine dort gewonnenen
Eindrücke „Über die Demokratie in Amerika“ in zwei Büchern
publizierte (1835 und 1840).
Alexis
de Tocqueville:
Ich bin der Ansicht, die Art der Unterdrückung, die den
demokratischen Völkern droht, wird mit nichts, was ihr in der
Welt vorausging, zu vergleichen sein; unsere Zeitgenossen würden
ihr Bild in ihren Erinnerungen vergeblich suchen.[...]. Ich sehe
eine unübersehbare Menge ähnlicher und gleicher Menschen, die
sich rastlos um sich selbst drehen, um sich kleine und
gewöhnliche Freuden zu verschaffen, die ihr Herz ausfüllen.
Jeder von ihnen ist, ganz auf sich zurückgezogen, dem Schicksal
aller anderen gegenüber wie unbeteiligt: Seine Kinder und seine
besonderen Freunde sind für ihn die ganze Menschheit; was seine
übrigen Mitbürger angeht, so ist er zwar bei ihnen, aber er
sieht sie nicht; er berührt sie, aber er spürt sie nicht; er
lebt nur in sich und für sich selbst, und wenn ihm auch noch
eine Familie bleibt, so kann man doch zumindest sagen, ein
Vaterland hat er nicht mehr.
Über diesen Bürgern erhebt sich
eine gewaltige Vormundschaftsgewalt, die es allein übernimmt,
ihr Behagen sicherzustellen und über ihr Schicksal zu wachen.
Sie ist absolut, ins Einzelne gehend, pünktlich, vorausschauend
und milde. Sie würde der väterlichen Gewalt gleichen, hätte sie
– wie diese – die Vorbereitung der Menschen auf das Mannesalter
zum Ziel; sie sucht aber, im Gegenteil, die Menschen
unwiderruflich in der Kindheit festzuhalten; sie freut sich,
wenn es den Bürgern gutgeht, vorausgesetzt, dass diese
ausschließlich an ihr Wohlergehen denken. Sie arbeitet gern für
ihr Glück; aber sie will allein daran arbeiten und allein
darüber entscheiden; sie sorgt für ihre Sicherheit, sieht und
sichert ihren Bedarf, erleichtert ihre Vergnügungen, führt ihre
wichtigsten Geschäfte, leitet ihre gewerblichen Unternehmungen,
regelt ihre Erbfolge und teilt ihren Nachlass; könnte sie ihnen
nicht vollends die Sorge, zu denken, abnehmen und die Mühe, zu
leben?
Auf diese Weise macht sie den Gebrauch des freien Willens
immer überflüssiger und seltener, beschränkt die
Willensbetätigung auf ein immer kleineres Feld und entwöhnt
jeden Bürger allmählich der freien Selbstbestimmung. Auf all das
hat die Gleichheit die Menschen vorbereitet:
hat
sie bereit gemacht, es zu erdulden, ja es häufig sogar für eine
Wohltat zu halten. So breitet der Souverän, nachdem er jeden
Einzelnen der Reihe nach in seine gewaltigen Hände genommen und
nach Belieben umgestaltet hat, seine Arme über die Gesellschaft
als Ganzes; er bedeckt ihre Oberfläche mit einem Netz kleiner,
verwickelter, enger und einheitlicher Regeln, das nicht einmal
die originellsten Geister und die stärksten Seelen zu
durchdringen vermögen, wollen sie die Menge hinter sich lassen;
er bricht den Willen nicht, sondern er schwächt, beugt und
leitet ihn; er zwingt selten zum Handeln, steht vielmehr ständig
dem Handeln im Wege; er zerstört nicht, er hindert die
Entstehung; er tyrannisiert nicht, er belästigt, bedrängt,
entkräftet, schwächt, verdummt und bringt jede Nation
schließlich dahin, dass sie nur noch eine Herde furchtsamer und
geschäftiger Tiere ist, deren Hirte die Regierung ist
[En22].
Diese Beschreibung passt
durchaus auf den politischen Gesellschaftsmenschen von heute,
der sich wenig bis gar nicht um Politik kümmert, aber dennoch –
der Anlässe dafür gibt es ja bekanntermaßen viele – anfängt,
wieder darüber nachzudenken, was da auf uns zukommen könnte,
wenn es trotz eines von Friedrich Merz versprochenen
Politikwechsels nicht zu einem solchen kommt.
Wie lange die
bisher „schweigende Mehrheit“ noch in diesem Zustand des
„Inruhegelassenwerdens“ gehalten werden kann, bleibt abzuwarten.
Ob das gelingen wird, das dürfte wohl auch vom Verhalten der
politisierten Zivilgesellschaft abhängen, die so filigran
untereinander vernetzt ist, dass es ihr sogar gelingt,
Hunderttausende zu aktivieren, wenn es darum geht, die
Demokratie vor den Feinden von rechts zu schützen.
Eine solche
Bewegung von Rechtgläubigen konnte Alexis
de Tocqueville
im frühen 19. Jahrhundert bei seiner Reise in den USA noch nicht
finden, denn dieses „Wir der Rechtgläubigen“ kann durchaus als
eine staatsfinanzierte Revolution angesehen werden, deren
Wortbedeutung - gemeint ist das Wort Revolution - ursprünglich als eine Reorganisation also als eine
Rückkehr zum Bewährten bzw. zum Erhalt des Bestehenden
verstanden
werden kann.
17 Die staatsfinanzierte Zivilgesellschaft von
heute
TOP
Was ist
damit gemeint? Gemeint sind die in Organisationen tätigen
Menschen, die bereits seit Jahren in der Bundesrepublik
Deutschland weite Teile des Kultur- und Wissenschaftsbetriebes
unter ihre Kontrolle gebracht haben. Beginnend bei den
Amtskirchen bis hin zu den Universitäten.
Anders
ausgedrückt:
In einer schier unüberschaubaren Größenordnung mit Steuermitteln
finanzierter NGOs, wurde eine milliardenschwere Infrastruktur
geschaffen, die ihre Wahrheiten für alternativlos hält. Dieses steuerfinanzierte Wir hält es für demokratisch,
diejenigen auszugrenzen, die zum so genannten Nicht-Wir
gehören, also andere Werte für erstrebenswert halten als die,
die das Wir des Mainstreams bzw. das „Wir des woken Zeitgeistes“
für den Mehrheitswillen hält.
Wie dem
auch immer sei:
Wer kritische Fragen stellt, gehört nicht mehr zu dem
Wir
der Guten, und wer die Meinung vertritt, dass eine Familie aus
Vater, Mutter und Kind besteht, läuft heute bereits Gefahr, als
gesichert rechts eingestuft zu werden.
In
seinem Buch „Der NGO-Komplex – Wie die Politik unser Steuergeld
verprasst“, weist Björn Harms nachvollziehbar darauf hin, dass
und wie zahlreiche Vereine, Stiftungen und Organisationen unter
dem Deckmantel der „Zivilgesellschaft“ in den vergangenen Jahren
massiv an Einfluss auf die Regierungsarbeit gewonnen haben und
sich auch gern für deren politische Zwecke haben einsetzen
lassen.
Was
unter einer Zivilgesellschaft zu verstehen ist, dazu heißt es
auf der Website des Bundesministeriums für wirtschaftliche
Zusammenarbeit und Entwicklung wie folgt:
BMZ.de:
Heute umschreibt der Begriff einen Bereich innerhalb der
Gesellschaft, der zwischen dem staatlichen, dem wirtschaftlichen
und dem privaten Sektor angesiedelt ist. Die Zivilgesellschaft
umfasst die Gesamtheit des Engagements der Bürgerinnen und
Bürger eines Landes – zum Beispiel in Vereinen, Verbänden und
vielfältigen Formen von Initiativen und sozialen Bewegungen.
Dazu gehören alle Aktivitäten, die nicht profitorientiert und
nicht abhängig von parteipolitischen Interessen sind.
Verschiedene Politikwissenschaftler beschreiben die
Zivilgesellschaft als Komponente, die neben dem Staat und den
Kräften des Marktes notwendig ist, um eine ideale pluralistische
Gesellschaft von engagierten Bürgerinnen und Bürgern zu schaffen
[En23].
Von
Überparteilichkeit, die dadurch gekennzeichnet wäre, sich
parteipolitisch neutral zu verhalten, kann jedoch keine Rede
sein. Diesbezüglich heißt es in dem Buch „Der NGO-Komplex“ wie
folgt:
Björn
Harms:
So hat sich über die Jahre ein
„zivilgesellschaftlicher“ Komplex entwickelt, der über enorme
Macht verfügt und in der klassischen Verfassungslehre der
Bundesrepublik überhaupt nicht vorgesehen ist.
Nicht-demokratisch-legitimierte Organisationen gewinnen die
Deutungshoheit über die Öffentlichkeit und bestimmen etwa bei
der Gesetzgebung mit
[En24].
Die
Finanzierung dieser „Zivilgesellschaft“ sollte sogar gesetzlich
abgesichert werden, nachlesbar in dem Gesetzesentwurf zum
Demokratieförderungsgesetz. Diesbezüglich heißt es auf der
Website des Bundesministeriums für Bildung, Familie, Senioren,
Frauen und Jugend immer noch wie folgt:
BMFSFJ.de
vom 16.2.2023:
Gesetz zur Stärkung von Maßnahmen zur Demokratieförderung,
Vielfaltgestaltung, Extremismusprävention und politischen
Bildung (Demokratiefördergesetz).
Zur Stärkung der engagierten
Zivilgesellschaft und zur Förderung der Demokratie hat die
Bundesregierung einen Gesetzesentwurf auf den Weg gebracht. Mit
dem Demokratiefördergesetz wird der Bund erstmals gesetzlich mit
der Demokratieförderung, der Gestaltung gesellschaftlicher
Vielfalt und der Extremismusprävention beauftragt
[En25].
Und im
Gesetzesentwurf dieses Gesetzes, der bereits in 1. Lesung im
Deutschen Bundestag verabschiedet wurde, aber seitdem auf „Eis“
liegt, heißt es:
§ 1
Anwendungsbereich (1) Dieses Gesetz dient der Förderung
und Stärkung des gesellschaftlichen Zusammenhalts und des
zivilgesellschaftlichen Engagements im gesamten Bundesgebiet zur
Wahrung der Normen und Werte des Grundgesetzes und zur Erhaltung
der freiheitlichen demokratischen Grundordnung der
Bundesrepublik Deutschland. (2) Der Bund ergreift hierzu
eigene und fördert zivilgesellschaftliche Maßnahmen mit
gesamtstaatlicher Bedeutung zur Erhaltung und Stärkung der
Demokratie, zur politischen Bildung, zur Prävention jeglicher
Form von Extremismus und gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit
sowie zur Gestaltung von gesellschaftlicher Vielfalt und
Teilhabe.
Mit
einer Verabschiedung dieses Gesetzes kann unter der von
Bundeskanzler Friedrich Merz geführten neuen Bundesregierung
wohl nicht mehr gerechnet werden, zumal das Gutachten des
wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags zu diesem Gesetz zu
dem Ergebnis gekommen ist, dass die Zuständigkeit des Bundes für
eine solche Förderung nicht gegeben ist.
18 Braucht es rechte Parteien?
TOP
Dieser Frage beantwortete der
Politikwissenschaftler Robert
Willacker,
gebürtiger Brasilianer, aber in Franken aufgewachsen, vor einem
„linken“ Publikum anlässlich der Wiener Festwochen im Juni 2024
auf eine Art und Weise, die ihm aus linken Kreisen viel Kritik
einbrachte.
Zwei
kurze Zitate aus dieser Rede machen deutlich, warum der Applaus
der Zuhörer auf diese Rede im Vortragsraum ausblieb.
Wie dem
auch immer sei:
Robert
Willacker
geht von der Annahme aus, dass das linke Spektrum der so
genannten Gutmenschen rechte Parteien sogar braucht, um die
eigene überlegene Moral und Haltung nicht nur vor sich selbst,
sondern auch vor dem gemeinsamen
Wir
rechtfertigen zu können?
Robert
Willacker:
Meine Damen und Herren, der moralische Ablasshandel im Kampf
gegen Rechts ist [...]
längst
zu einer gigantischen
Selbstbestätigungs-Maschinerie
geworden. [...]. Es sind aber nicht nur Ihre Schuldgefühle, die
den Kampf gegen Rechts am Laufen halten, sondern auch findige
und geschäftstüchtige Linke, die daraus ein alles andere als
antikapitalistisches Einkommensmodell entwickelt haben. „Der
Krieg ernährt den Krieg,“ das wusste schon der olle Schiller und
ließ es darum im zweiten Teil der Wallenstein-Trilogie den
General Isolani in die Welt hinausposaunen. Und wie der Krieg
den Krieg ernährt, so ernährt auch der Kampf gegen Rechts den
Kampf gegen Rechts.
Die Politik bestellt, und die
steuergeldfinanzierte NGO-Industrie liefert. Zu Ihrer
Ehrenrettung muss ich sagen: In Österreich sind diese bizarren
Auswüchse noch nicht ganz so weit wie in Deutschland
[En26].
19 Der dem Gemeinwohl verpflichtete Bürger
TOP
Eine
Republik benötigt aufgeklärte Bürger, die dazu in der Lage sind,
sich eine eigene Meinung bilden zu können. Betreutes und im
Sinne der politischen Eliten für wahr und alternativlos
gehaltenes „richtiges Denken“ vermag diesem Anspruch nicht zu
genügen.
In einer Gesellschaft, in der
Personen, die nicht so denken, wie das die so genannte
Political Correctnes
erwarte, müssen solchermaßen unangepasste Menschen bedauerlicherweise schon heute damit rechnen,
aus diesem Grunde ausgegrenzt und sogar bestraft zu werden, wenn
dieses falsche Denken als delegitimierendes Denken oder als Hass
und Hetze bewertet werden kann, wenn dieses Denken öffentlich oder in den
sozialen Medien geäußert und verbreitet wird. Diese Tatsache
lässt die Annahme zu, dass sich die Demokratie in Deutschland
in einem bedauernswerten Zustand befindet.
Warum?
Ein demokratisches Miteinander
setzt einen gesunden Staatskörper, also eine funktionierende
Republik, voraus. Wenn aber das Denken und das sich daran
anschließende Äußern persönlicher Meinungen von staatlichen
Stellen und sogar von vorstaatlichen Meldestellen, als falsches
Denken bereits erfasst und als solches registriert und bewertet
wird, dann läuft eine Demokratie Gefahr an ihrem eingebildeten
rechtgläubigen Denken zu ersticken. Das umso mehr, wenn
eingerichtete Meldestellen sogar unter Zuhilfenahme einer
speziellen Software in den sozialen Netzwerken nach Äußerungen
suchen, die den Ansprüchen auf Korrektheit nicht mehr genügen.
Welche Folgen solch ein
fehlgeleiteter und als alternativlos bezeichneter Glaube an die
eigene Rechtgläubigkeit haben kann, darauf hat bereits vor 90
Jahren Alexis
de Tocqueville
eine überzeugende Antwort
gefunden. In seinen Ausführungen „Über die Demokratie in
Amerika“ heißt es:
Alexis
de Tocqueville:
Ich weiß
kein
Land, für das eine Revolution gefährlicher wäre als für eine
Demokratie, weil sie hier – abgesehen von den zufälligen und
vorübergehenden Übeln, die anzurichten sie nie verfehlt – immer
droht, dauernd, ja sozusagen ewige Übel zu verursachen. Ich
glaube, es gibt ehrenhaften Widerstand und legitime Auflehnung.
Ich sage also nicht ohne Einschränkung, die Menschen
demokratischer Zeiten dürften niemals eine Revolution
unternehmen; aber ich meine, sie haben alle Ursache, länger zu
zögern als alle anderen, ehe sie sich dazu entschließen, und sie
sollten lieber viele Mängel der bestehenden Ordnung hinnehmen,
ehe sie auf eine so gefährliche Abhilfe zurückgreifen.
An
anderer Stelle heißt es:
Die politische Welt wandelt
sich; von nun an müssen wir für neue Übel neue Abhilfe finden
[En27].
Das kann
aber nicht gelingen, wenn die Meinungsfreiheit in einem Maße
eingeschränkt wird, wie das bereits heute in der Bundesrepublik
Deutschland der Fall ist.
Wie dem
auch immer sei:
Durch Ausgrenzung und auch durch eine noch so hohe Brandmauer,
lässt sich auf Dauer der Bürgerwille nicht ausgrenzen.
Diejenigen, die solch eine Brandmauer sogar am liebsten mit
elektrischen Zäunen oder mit Stacheldraht sichern wollen,
sollten sich vielmehr fragen, ob die Brandmauer nicht doch eher
dem Zweck das eigene Denken einzuhehen, sich also selbst vor dem
eingebildeten Bösen zu schützen, weil ein Überschreiten
der Brandmauer, hin zu den Andersdenkenden, Mut und die
Bereitschaft zum Dialog voraussetzt.
20 Der Kampf gegen Rechts grenzt an Ablenkung
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Ablenkung von den großen Problemen, die immer dringender werden
und einer Lösung bedürfen.
Der
Kampf gegen Rechts erinnert in diesem Sachzusammenhang gesehen
an den erfolglosen Kampf von Don Quichotte und seinem Diener
gegen Windmühlen.
Wie dem auch immer sei: Die
große Ablenkung, so wie Wolfgang
Herles
den Kampf gegen Rechts beschreibt, könnte dazu führen, eine
ganze Gesellschaft sozusagen irrezumachen.
Wolfgang
Herles:
Der
„Kampf gegen Rechts“ lenkt ab von Herausforderungen, die nicht
angenommen, von Debatten, die nicht geführt werden. Wenn
Schwarzrot nach weniger als vier Jahren zerbrechen sollte, weil
es den Niedergang des Landes nicht aufhalten kann, wird auch der
„Kampf gegen Rechts“ nicht mehr helfen.
An
anderer Stelle heißt es:
Er [der Kampf gegen Rechts]
ist das Einzige, was
Schwarzrot
zusammenschweißt. Die AfD wird zur Bedrohung der Demokratie
aufgeblasen. Ihre parlamentarische Arbeit wird erschwert, ihre
legitime Mitwirkung behindert. Statt mit dieser in Teilen
gesichert trübsinnigen Truppe politisch zu wetteifern, wird sie
vom Verfassungsschutz delegitimiert. Ein aussichtsloses
Unterfangen. Die „demokratische Mitte“ tut so, als sei die
Brandmauer ein Festungswall gegen die Belagerung von Rechts. In
Wahrheit hungert sich „unsere Demokratie“ damit nur selbst aus
[En28].
Das kann
nur dadurch verhindert werden, dass die Republik, so wie sie in
diesem Aufsatz beschrieben wurde, wieder zu einem gesunden
Staatskörper gemacht wird, indem die Software dieses Körpers,
das Denken der in diesem Körper lebenden Menschen, wieder normal
wird, also am Gemeinwohl orientiert.
21 Quellen
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Endnote_01 Hamilton, Madison, Jay – Die
Federalist Papers: Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt
1993 Zurück
Endnote_02 Ulrike
Guérot: Warum Europa eine Republik werden muss. Eine politische
Utopie. Pieper-Verlag 2023, Seite 106
Zurück
Endnote_03 Ebd. Ulrike Guérot, Seite 108
Zurück
Endnote_04 1848,
die Republik und die lebendige Kunst. Ausstellung des Musée
d’Orsay – 24. Februar - 31. Mai 1998.
https://www.musee-orsay.fr/sites/default/
files/2020-12/fiche_visite_1848.pdf
Zurück
Endnote_05 Die Verfassung der V. Republik.
https://www.elysee.fr/de/franzoesisches-praesidialamt/
die-verfassung-der-fuenften-republik
Zurück
Endnote_06 Hannah Arendt. Über die Revolution.
Piper-Verlag 2019, Seite 154. Zurück
Endnote_07 Ebd.
Ulrike Guérot, Seite 233 Zurück
Endnote_08 Ebd.
Ulrike Guérot, Seite 269 Zurück
Endnote_09
EuGH, Urteil vom 29. April 2025 – C 181/23.
https://curia.europa.eu/juris/document/document.
jsf?text=&docid=298576&pageIndex=0&doclang=
DE&mode=req&dir=&occ=first&part=1
Zurück
Endnote_10 Jean-Jacques Rousseau. 1. Buch, 6.
Kapitel. Der Gesellschaftsvertrag
Zurück
Endnote_11 Jean-Jacques Rousseau. 3. Buch,
Kapitel 4: Demokratie Zurück
Endnote_12
Jean-Jacques Rousseau. 2. Buch. Kapitel 11. Verschiedene Systeme
der Gesetzgebung Zurück
Endnote_13
Verantwortung für Deutschland. Koalitionsvertrag zwischen
CDU, CSU und SPD. 21. Legislaturperiode
Zurück
Endnote_14 Regierungserklärung von Bundeskanzler
Friedrich Merz zur neuen Bundesregierung vor dem Deutschen
Bundestag am 14. Mai 2025 in Berlin:
https://www.bundesregierung.de/breg-de/suche/
regierungserklaerung-von-bundeskanzler-
friedrich-merz-2347888 Zurück
Endnote_15
Destatis.de. Pressemitteilung vom 8. April 2025: 1 % der
Vollzeitbeschäftigten verdiente im Jahr 2024 mehr als 213 286
Euro brutto.
https://www.destatis.de/DE/Themen/Arbeit/Verdienste/
Verdienste-Branche-Berufe/_inhalt.html
Zurück
Endnote_16 Netzwerk Steuergerechtigkeit.
https://www.netzwerk-steuergerechtigkeit.de/
gerechtigkeitscheck-sonderausgabe-zum-jahrbuch/
Zurück
Endnote_17 Thomas
Piketty: Das Kapital im 21. Jahrhundert, C.H. Beck, Seite Seite
640 Zurück
Endnote_18
Spiegel.de vom 14.10.2008. Marktwirtschaftler Merz Friedrich
gegen den Rest der Welt
https://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/marktwirtschaftler-merz
-friedrich-gegen-den-rest-der-welt-a-583944.html
Zurück
Endnote_19
Manova-News.de vom 17.5.2025: Fahrplan in den Abgrund.
https://www.manova.news/artikel/fahrplan-in-den-abgrund
Zurück
Endnote_20
Oya-online.de Ausgabe 1/2020. Allmende revisited Eine »große
Erzählung« findet wieder Gehör.
https://lesen.oya-online.de/texte/21-allmende-revisited.html
Zurück
Endnote_21 Die
„Diktatur des Relativismus“ und das Maß des wahren Humanismus
https://www.benedictusxvi.org/predigten/die-diktatur-
des-relativismus-und-das-mass-des-wahren-humanismus
Zurück
Endnote_22 Alexis
de Tocqueville. Über die Demokratie in Amerika. Reclam 2021,
Seite 411 bis 413 Zurück
Endnote_23 BMZ:
Zivilgesellschaft:
www.bmz.de/de/service/lexikon/zivilgesellschaft-14976
Zurück
Endnote_24 Björn
Harms. Der NGO-Komplex. Wie die Politik unser Steuergeld
verprasst. LVM-Verlag 2025, Seite 65
Zurück
Endnote_25 BMFSFJ.de vom 16.2.2023: Gesetz zur
Stärkung von Maßnahmen zur Demokratieförderung,
Vielfaltgestaltung, Extremismusprävention und politischen
Bildung (Demokratiefördergesetz).
https://www.bmfsfj.de/bmfsfj/service/gesetze/
gesetz-zur-staerkung-von-massnahmen-zur-demokratiefoerderung-
vielfaltgestaltung-extremismuspraevention-und-politischen-
bildung-demokratiefoerdergesetz--207726 - aufgerufen am
23.5.2025 Zurück
Endnote_26 Robert
Willacker: Wiener Festwochen 2024 - Braucht es rechte Parteien?
https://redemanufaktur.com/wp-content/uploads/
2024/06/20240625_Willacker_Transkript_Struktur_Stil.pdf
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Endnote_27 Alexis
de Tocqueville: Über die Demokratie in Amerika, Reclam 2021,
Seite 427 und 428 Zurück
Endnote_28
Tichyseinblick.de vom 24.5.2025: Kampf gegen Rechts: Die große
Ablenkung. https://www.tichyseinblick.de/kolumnen/herles-
faellt-auf/kampf-gegen-rechts-die-grosse-ablenkung/
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