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Home Inhaltsverzeichnis : Umgang mit der Demokratie

Muss Deutschland kriegsfähig werden?

Inhaltsverzeichnis

01 Allgemeines
02 Die Transformation der Demokratie
03 Demokratie oder nur Demokratiesimulation?
04 Symptome des demokratischen Verfalls
05 Fehler, die zum Ukrainekrieg
führten
06 Wie der Krieg in die Ukraine kam –
Kurzbeschreibung
07 Der Scherbenhaufen von heute
08 US-Colonel
Macgregor über den Ukraine-Krieg
09 Experten gegen Putin-Panik
10 Die Eliten brauchen den
Krieg
11 Die Friedenspflicht des Grundgesetzes
12 Krieg und Frieden im Koalitionsvertrag
13 Angst vor dem Frieden?
14 Verantwortung für Deutschland
15 Wir müssen uns verteidigen
können
16
Zu guter Letzt
17 Quellen

01 Allgemeines

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Verteidigungsfähigkeit unterscheidet sich von der Kriegsfähigkeit dadurch, dass einer Demokratie, die sich verteidigen kann, dann immer noch die Mittel fehlen, die es ihr erlauben würde, von sich aus einen Krieg zu beginnen. Verteidigungsfähigkeit setzt voraus, genauso stark zu sein, wie der angenommene Feind es bereits ist.

Von demokratischen Staaten kann und muss erwartet werden, dass solch eine Verteidigungsfähigkeit die Voraussetzung für Frieden ist, denn wer stärker sein will als derjenige, der abgeschreckt werden soll, provoziert diesen nur dazu, es ihm gleich zu tun, wodurch aber auch Konflikte entstehen  können, weil dadurch eine Rüstungsschraube in Gang gesetzt wird. Weitaus besser und auch zielführender dürfte es sein, Konflikte diplomatisch zu lösen und abzurüsten statt aufzurüsten. Zumindest sieht das Grundgesetz einen Angriffskrieg nicht vor.

Wie dem auch immer sei: Im März 2025 haben sowohl die Abgeordneten im Deutschen Bundestag, als auch die Mitglieder des Bundesrates die neuen Kriegskredite beschlossen: ein Sondervermögen in Höhe von 500 Milliarden Euro. Die Streitereien zwischen den Parteien vor der Abstimmung haben das nicht verhindern können.

Begründet wurde die Notwendigkeit einer auf Schulden basierten Neuausrichtung der Verteidigung damit, dass Putins Angriff auf die Ukraine, der zum Zeitpunkt der Entscheidung schon drei Jahre andauerte, nunmehr eine sofortige Reaktion nicht nur Deutschlands, sondern Europas erforderlich mache, um einem drohenden Angriffskrieg Russlands gegen NATO-Staaten angemessen begegnen zu können, mit dem schon 2028 zu rechnen sei – so zumindest die Einschätzung von Bundeswehrexperten.

Der an der Bundeswehrhochschule in München lehrende Professor für Internationale Politik Carlo Masala, geht in seinem Buch „Wenn Russland gewinnt“ davon aus, dass der Angriff der russischen Truppen auf Narwa (Estland) bereits am 27. März 2028 beginnt. Im Vorwort dieses Buches heißt es:

Carlo Masala: Der russische Einmarsch geschieht unerwartet. [...]. Und so gelingt die Überraschung. An eine Reaktion des 145 km von Narwa entfernt stationierten NATO-Verbands unter britischer Führung ist in der Kürze der Zeit nicht zu denken. Der Angriff auf Narwa bleibt nicht die einzige Aktion der russischen Streitkräfte in dieser Nacht. Bereits seit einigen Tagen haben als Touristen getarnte russische Soldaten mit Fähren auf die Estland vorgelagerte Insel Hiiumaa übergesetzt. Nun schlagen sie los. Unterstützt werden sie von zwei russischen amphibischen Kriegsschiffen der Ostseeflotte, die auf ihrem Weg von St. Petersburg in die internationalen Gewässer der Ostsee eine unerwartete Kursänderung vornehmen und vom Norden her auf die zweitgrößte, aber nicht dicht besiedelte Insel Estlands zufahren. Es ist noch dunkel, als sie ihre Landungsboote zu Wasser lassen und ca. 400 russische Marineinfanteristen an der Küste von Hiiumaa anladen, um die bereits auf der Insel befindlichen Kräfte zu unterstützen. In nur einer Nacht bringt Russland zwei estnische Städte unter seine Kontrolle und überrumpelt die gesamte NATO [En22].

Angst vor einem russischen Angriffskrieg schürt auch der an der Militärhochschule in Potsdam lehrende Professor für Militärgeschichte Sönke Neitzel.

Auf Bild.de vom 22.3.2025 heißt es: Militärhistoriker Prof. Sönke Neitzel : „Das könnte unser letzter Sommer im Frieden sein“. Militärhistoriker Prof. Sönke Neitzel warnt: Schon im Herbst könnte Putin die Nato angreifen. Die Bundeswehr wäre kaum vorbereitet, sagt Neitzel. Das liege an Minister Pistorius und dem Kanzler: „Olaf Scholz hat dem Land schwer geschadet.“ [En23].

Wen mag es da noch zu verwundern, wenn auch der am 17. März 2025 zum ranghöchsten Bundeswehrsoldaten ernannte 17. Generalinspekteur der Bundeswehr, Carsten Breuer, sich zur Notwendigkeit der „Aufrüstung der Bundeswehr“ wie folgt geäußert hat:

BR24 vom 2.4.2025: General Breuer: „Noch nie so bedrohlich wie jetzt gerade“. Hybride Angriffe und ein russisches Regime, das aufrüstet und ab 2029 zu einem großen Krieg gegen die Nato fähig sei. Der Generalinspekteur der Bundeswehr, General Carsten Breuer, sieht eine „reale Bedrohung“ durch Russland und mahnt, die Verteidigungsfähigkeit zu stärken. „Ich glaube, es war in den 40 Jahren, in denen ich Soldat bin, noch nie so bedrohlich wie jetzt gerade“ [En24].

Sollte diese Bedrohungslage, der oben genannten weisungsgebundenen Experten stimmen, die von anderen Experten - die keinen Weisungen des Bundesverteidigungsministeriums unterliegen - nicht geteilt wird, dürfte es durchaus hilfreich sein, sich an den Friedensforscher und dem wohl letzten Universalgelehrten  Deutschlands, Carl-Friedrich von Weizsäcker (1912 bis 2007), zu erinnern, der 1971 eine umfangreiche Studie über „Kriegsfolgen und Kriegsverhütung“ vorgelegt hat, in der er mit wissenschaftlicher Genauigkeit aufzeigte, dass die Bundesrepublik weder mit konventionellen noch mit nuklearen Waffen zu verteidigen ist.

Aber wen interessieren heute noch die Erkenntnisse von gestern?

02 Die Transformation der Demokratie

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Transformation wohin? In einen kriegsfähigen Staat? In einen Schuldenstaat? In einen Staat, in dem Andersdenkende ausgegrenzt werden und Menschen, die Meinungen vertreten, die den Staat und das bestehende System delegitimieren können, mit Strafverfolgung rechnen müssen?

Das sich hinter diesen Sätzen verbergende totalitäre Prinzip hört sich schon viel harmloser an, wenn dafür die Bezeichnung Postmoderne verwendet wird, einer Sprachfigur der modernen Politikwissenschaften, die aufzeigt, das im bestehenden Demokratiesystem Tendenzen zu erkennen sind, dass ein totalitäres Prinzip, auf allen gesellschaftlichen Ebenen sich durchzusetzen beginnt.

Bereits 1967 vertrat Johannes Agnoli (1925 bis 2003) in seinem viel beachteten Essay „Die Transformation der Demokratie“ die These, das sich die Parlamente in den parlamentarischen Demokratien zu vor- oder antidemokratischen Formen zurückgebildet hätten, anstatt den Volkswillen zu repräsentieren, was die nachfolgenden Zitate aus diesem Essay belegen:

Johannes Agnoli: Die Macht des Parlaments ist nicht die Macht des Volkes. Da aber die verfassungsmäßig vom Volk ausgehen sollende Staatsgewalt sich institutionell in der Fiktion der legislativen Volksvertretung äußert, würde zum Behufe der Volksentmachtung ein Parlament gar nicht dienlich sein, das lediglich als mechanische, blinde Registriermaschine fungiert (S. 73/74). Die legislative Volksvertretung ist in Wirklichkeit ein Exekutivorgan, das - statt Tendenzen der Bevölkerung zu vermitteln - Richtlinien der Politik von oben nach unten trägt (S. 75).

An anderer Stelle heißt es:

Symbolisch zeigt sich die Verbindung von Machtvergabe und Verlust der Artikulationsfähigkeit und der Fähigkeit, unmittelbar auf Entscheidungsprozesse einzuwirken, in der Forderung nach Vertrauen und Aufforderung zum Vertrauen, wie sie die Führungsgruppen der Parlamentsparteien vor den Wahlen stellen. Es wird nicht gerade ausdrücklich ein Blankoscheck verlangt, in Wirklichkeit aber läuft die Forderung auf Erteilung von Vollmacht hinaus - übrigens nichts verblüffendes, sondern althergebrachtes konstitutives Element des Repräsentationsprinzips: „Ihr sollt uns vertrauen.“ Hierin äußert sich in geradezu psychotechnisch kluger ‚Weise das nackte rohe Machtgebot: „Gebt uns euere Souveränität, ohne weitere Fragen zu stellen.“ (S. 123) [En01]

Wie dem auch immer sei. In der Rezension von Sebastian Haffner zu dieser Streitschrift, die 1968 in der Monatszeitschrift Konkret erschien, heißt es unter anderem:

Sebastian Haffner: Die Demokratie ist nicht abgeschafft, sie ist transformiert worden. Sie ist unter Beibehaltung der äußeren Formen in ihrem Wesen verändert worden - ein hochinteressanter, in seinem Endergebnis bereits allgemein als selbstverständlich hingenommener, in seiner inneren Mechanik aber noch fast unerforschter Vorgang (S. 213) [En02].

Auch in der Demokratieforschung von heute ist es hoffähig geworden, „unsere Demokratie im Sprachgebrauch von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier“ als eine Scheindemokratie anzusehen, die zunehmend autoritärer wird.

Und das, obwohl Transformation sich doch so gut anhört, zum Beispiel nach Erneuerung, Umbruch, Umkehr, Veränderung, Wandel, Wende, Übergang zu etwas Neuem, was ja nur gut sein kann ... oder etwas nicht?

Colin Crouch, der 2008 durch sein Buch „Postdemokratie revisited“ international bekannt wurde, zeigte auf, dass in den westlichen Gesellschaften die Demokratie sozusagen zur bloßen Hülle verkommen sei. Zwar würden die Parlamente noch demokratisch gewählt, politische Entscheidungen würden jedoch de facto in den Chefetagen der Wirtschaft getroffen.

Colin Crouch: Postdemokratische Verhältnisse [...] setzen einen auf Ermüdung beruhenden Unwillen voraus, seinen Pflichten als politischer Bürger weiterhin gerecht zu werden, eine Erschlaffung, die mit dem selbstzufriedenen Glauben einhergeht, die Demokratie sei in sicheren Händen und müsse deshalb nicht unbedingt praktisch ausgeübt werden [En03].

An anderer Stelle heißt es:

Colin Crouch: Da die demokratischen Institutionen und Haltungen weiterhin existieren, merken wir nicht, dass die Demokratie geschwächt und die Macht innerhalb des politischen Systems auf eine kleine Elite aus Politikern und Konzernen übergegangen ist, die eine Politik nach den Wünschen Letzterer betreiben [En04].

Übrigens: Colin Crouch sieht in der von ihm so bezeichneten Postdemokratie eine negative Entwicklung, deren purer Selbstgefälligkeit, die der Politiker eingeschlossen, dringend entgegengetreten werden muss, um das zu erhalten, was wir heute noch unter Demokratie verstehen.

03 Demokratie oder nur Demokratiesimulation?

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Nur zur Erinnerung: In einer Demokratie sollte die politische Macht vom Volk ausgehen. Die Wirklichkeit von heute zeigt aber auf, dass es trotz einer gerade erfolgten Wahl zu einer zunehmenden Entkoppelung von Wählerwillen und Regierungsbildung gekommen und diesbezüglich auch noch kein Ende abzusehen ist.

Demokratie lebt aber vom Vertrauen der Wählerinnen und Wähler, verbunden mit der Möglichkeit, Regierungen abzuwählen und politische Richtungen, die nicht mehr gewollt sind, zu korrigieren. Doch dieses Einflussnahme galt nur und nicht mehr nach der Wahl.

Wie dem auch immer sei: In einer gelebten Demokratie ist der Souverän Ursprung politischer Macht, so zumindest in der Theorie. Doch im deutschen System wählt der Bürger keine Regierung, sondern Parteien. Die Folge davon ist, dass Parlamente zu Bühnen werden, in denen Entscheidungen. die an anderer Stelle, zum Beispiel in Ministerien, in Gremien der EU, in Expertenräten und NGOs getroffen wurden, im Parlament nur noch abgenickt werden.

Anders ausgedrückt: Im Parlament wird Demokratie nur noch dargestellt. Wenn dort führende Politiker sagen, dass wir kriegsfähig werden müssen und dafür ein Sondervermögen im bisher unbekannten Ausmaß kreditfinanziert bereitgestellt werden muss, dann ist das eine Forderung, der die Abgeordneten sozusagen kritiklos zuzustimmen haben.

Colin Crouch beendet seine negative Utopie über die westlichen Demokratien mit der Hoffnung, dass sich mit dieser Entwicklung viele Wählerinnen und Wähler nicht einverstanden erklären werden, weil sie sich kritisch mit den Zuständen befassen, was um sie herum tatsächlich geschieht.

Colin Crouch: Und die Zahl der Gebildeten nimmt stetig zu. Sie sind das Reservoir, aus dem sich politisch aktive Gruppen bilden und Kampagnen führen können. Wenn sie auch weiterhin Zulauf haben und Millionen Menschen dafür sorgen, dass sie erhalten, was sie zum Gedeihen brauchen – Geld, Demonstrationsteilnehmer, aktive Helfer -, wird die Demokratie wieder aufleben können [En05].

Wie dem auch immer sei: „Postdemokratie“, so wie diese Sprachfigur von Colin Crouch verwendet wird, ist heute zu einem Kristallisationspunkt in der Debatte um Politikverdrossenheit, Sozialabbau und Privatisierung geworden. Nun ließe sich anmerken, dass durch eine Zivilgesellschaft, wie das Anfang 2025 in Deutschland der Fall gewesen ist, als Hunderttausenden auf die Straße gingen, um die Demokratie in Deutschland vor den Verfassungsfeinden zu schützen, sich genau so verhält, wie das Colin Crouch einfordert.

Zweifel sind dennoch angebracht, denn eine Bundesregierung, die mit großem finanziellen Aufwand eine Zivilgesellschaft unterstützt, um die Demokratie zu fördern, so wie sie sich Demokraite vorstellt, und dafür sogar ein Demokratieförderungsgesetz in den Deutschen Bundestag eingebracht hat, muss sich vorhalten lassen, Wunschdemokratie einkaufen zu wollen.

In dem Entwurf des Gesetzes zur Stärkung von Maßnahmen zur Demokratieförderung, Vielfaltgestaltung, Extremismusprävention und politischen Bildung, kurz: Demokratieförderungsgesetz (DFördG) genannt, hießt es:

§ 1 DFördG
Anwendungsbereich

(1) Dieses Gesetz dient der Förderung und Stärkung des gesellschaftlichen Zusammenhalts und des zivilgesellschaftlichen Engagements im gesamten Bundesgebiet zur Wahrung der Normen und Werte des Grundgesetzes und zur Erhaltung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland.

(2) Der Bund ergreift hierzu eigene und fördert zivilgesellschaftliche Maßnahmen mit gesamtstaatlicher Bedeutung zur Erhaltung und Stärkung der Demokratie, zur politischen Bildung, zur Prävention jeglicher Form von Extremismus und gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit sowie zur Gestaltung von gesellschaftlicher Vielfalt und Teilhabe [En06].

Die Frage, die sich nunmehr stellt, lautet: Wie filigran ist bereits das Netzwerk von NGOs und anderen Vereinen ist, die, unterstützt durch öffentliche Mittel, die bundesdeutsche Demokratie „hegen und pflegen“, um sie vor dem Verfall zu bewahren? Eine Antwort der Bundesregierung auf diese Frage enthält die Drucksache 20/10952 vom 9.4.2024, die einen Umfang von 320 Seiten hat. Zumindest lässt die Antwort der Bundesregierung erahnen, in welchem Umfang sich das politische Berlin jene Unterstützung der gemeinhin als Zivilgesellschaft bezeichneten Gruppen sozusagen bereits eingekauft hat. Aus der Addition der NGOs, die auf den Seiten als Empfänger aufgelistet sind (etwa vierzig Empfänger pro Seite),  ergibt sich eine Größenordnung von rund zehntausend Organisationen, Stiftungen, Vereinen, GmbHs und auch Personen, die Förderungen erhalten haben, um „Unseredemokratie“ zu schützen. Ein Schelm, der sich Böses dabei denkt.

Und wenn es dann erforderlich ist, Deutschland wieder kriegsfähig zu machen, dann werden sich auch dafür große Teile der Zivilgesellschaft erwärmen können, zumal dafür ein Sondervermögen in Höhe von 500 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt wird, das nicht nur viele Arbeitsplätze und Begehrlichkeiten schafft, sondern auch eine Zivilgesellschaft einfordert, die das für demokratiefördernd hält.

04 Symtome des demokratischen Verfalls

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Demokratie ist ein Verfahren, das garantiert, dass wir nicht besser regiert werden, als wir es verdienen.
George Bernard Shaw

Ich denke, die Form der Demokratie, die wir heute in der westlichen Welt vorfinden, hat mit den idealistischen Ideen ihrer Erfinder nur noch wenig gemein. Dasselbe gilt auch für die Marktwirtschaft, die ebenfalls mit religiösem Alleinvertretungsanspruch fest an die Demokratie gekoppelt ist, die wir für die beste aller Zeiten halten, denn jeder Versuch, die Marktwirtschaft in Frage zu stellen, wird geradezu als „ketzerisch“ verbannt, indem alle Zweifler als „undemokratisch“ (ungläubig) gebrandmarkt werden.

Und was den Volksentscheid anbelangt, den die „Mütter und Väter des Grundgesetzes“ - so die gängige Geschichtsschreibung – deshalb nicht haben wollten, weil das Volk ja Hitler gewollt habe, in Wirklichkeit aber die Mitglieder des Parlamentarischen Rates den Volksentscheid „wie der Teufel das Weihwasser“ scheuten, weil sie wussten, dass das Volk gar nicht so dumm ist, wie das von ihnen fälschlicherweise unterstellt wurde, führte dazu, dass die Eliten und nicht das Volk - insbesondere auch im Hinblick auf die Frage: Krieg oder Frieden?, allein entscheiden.

Nur so konnte es zum Beispiel gelingen, dem Wahlvolk einzureden, dass die deutsche Demokratie am Hindukusch verteidigt wird, obwohl das Grundgesetz vorsieht, dass die Bundeswehr nur zur Verteidigung eingesetzt werden darf. Aber zwischen „Dürfen und Handeln“ liegen bekanntermaßen Welten. Eine Gesellschaft, die dem damaligen Verteidigungsminister Peter Struck (SPD) im März 2004 noch glaubte, dass „unsere Sicherheit nicht nur, aber auch am Hindukusch verteidigt wird“ und es sich bei dem Einsatz der Bundeswehr dort nicht um einen Krieg handeln würde, die muss sich nunmehr mit dem Ergebnis abfinden, das wir heute beklagen.

Wie dem auch immer sei: Erst 6 Jahre später, am 4.4.2010, sprach der damalige Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) von Krieg:

„Auch wenn es nicht jedem gefällt, so kann man angesichts dessen, was sich in Afghanistan, in Teilen Afghanistans abspielt, durchaus umgangssprachlich - ich betone umgangssprachlich - in Afghanistan von Krieg reden“, sagte Guttenberg. Krieg „in juristischem Sinne“ sei das jedoch etwas anderes [En07].

Grundsätzlich kann man feststellen, dass es für Kriege nur zwei Gründe gibt: Religion und/oder Wirtschaft. Daran hat sich bis heute nichts geändert. Das gilt auch für den Ukrainekrieg, denn dem liegen ebenfalls religiöse (ideologische) als auch wirtschaftliche Gründe zugrunde.

Nach dem Ende des Kalten Krieges 1991 galt es als sicher und unumstößlich, dass sich die Demokratie als einzige menschenwürdige Form des staatlichen Zusammenlebens durchgesetzt hatte und somit damit zu rechnen sei, dass sie sich weltweit verbreiten und etablieren könne, wenn nur im ausreichenden Maße für die Weiterverbreitung der Demokratie gesorgt würde, was es aus westlicher Sicht notwendig machte, die NATO nach Osten zu erweitern.

Soweit zur religiösen (ideologischen) Überzeugung.

Und was die Bodenschätze der Ukraine anbelangt ist festzustellen, dass, wenn die Ukraine zur EU gehören würde, es sich bei diesem Land um ein Mitgliedsland mit den größten und wichtigsten Rohstoffen handeln würde, die die Wirtschaft in der EU dringend benötigt.

Bedauerlicherweise befinden sich diese Rohstoffe jedoch überwiegend in den Regionen, die zurzeit von russischen Soldaten besetzt sind.

Anders ausgedrückt: Nur in der Ukraine befinden sich die Rohstoffe, die es sonst im Einflussbereich der EU nicht gibt. Die Ukraine wäre das rohstoffreichste Land der EU, wenn sie zur EU gehören würde.

Zurück zur Religion in einem säkularisierten Europa. Da in einem säkularisierten Europa Religion kaum noch eine nennenswerte Rolle spielt, ist die Ideologie an deren Stelle getreten, für die sich in Deutschland das Meme: „Wir müssen unsere Demokratie verteidigen“ eingebürgert hat, sowohl im Hinblick auf das noch Sagbare und natürlich insbesondere auch im Hinblick auf das nicht mehr Sagbare zieht diese Ideologie ihre Grenzen. Dazu später mehr.

Zuerst einmal gilt es festzustellen, dass, wenn man Politik und wirtschaftliche Entwicklung zusammen betrachtet, ein Muster erkennbar wird das sich sozusagen durch die gesamte Geschichte zieht.

Immer, wenn ein Herrschaftsbereich – egal ob klein oder groß – in wirtschaftliche Schwierigkeiten gerät, steigt seine Bereitschaft für kriegerische Handlungen. Das hat im wesentlichen zwei Ursachen:

Zum einen kann man die Schuld an Missständen im eigenen Land immer einem potenziellen Feind „in die Schuhe schieben“, der diese Misere verursacht hat, wodurch sich sozusagen der Zorn des Volkes gegen das nunmehr erkannte „Böse“ richten kann. Wenn dieses Böse gefunden ist, dann ist die Hauptarbeit eigentlich schon getan.

Zum anderen wird durch die zunehmende Bereitschaft, einen Krieg führen zu müssen, natürlich auch die Erwartungshaltung geschürt, sich dadurch materielle Vorteile verschaffen zu können. Und außerdem: Der Sieger hat immer recht. Und da es dazu keine Alternative gibt, muss Europa Putin in seine Grenzen verweisen und Russland militärisch besiegen.

Soweit in aller Kürze das gängige Narrativ der zu schaffenden Sicherheit, die auch im Koalitionsvertrag klar zum Ausdruck kommt. Menschen müssen sich aber bewusst machen, dass Konflikte zwischen Völkern, abgesehen von möglichen Ausnahmen, äußerst selten einen natürlichen Ursprung haben. Sie entstehen „einfach“ aus skrupellosem Handeln und aus Machtgier heraus.

Deshalb: Nur wenn klar erkannt wird, dass vor Beginn von Konflikten zwischen Völkern immer erst der gezielte Aufbau eines Feindbildes steht, wird man diese „Sicht der Dinge“ zumindest hinterfragen können. Dann nämlich wird klar, dass alle beteiligten Opfer der Manipulation durch ganz wenige machtgierige Individuen zu dem gemacht wurden, was sie sind, zu Opfern. Eigentlich sollte die Demokratie das verhindern, doch an diesem Punkt ist sie auch im Hinblick auf den Ukrainekrieg bisher kläglich gescheitert.

Wie dem auch immer sei:

Die Menschheit muss dem Krieg ein Ende setzen, sonst setzt der Krieg der Menschheit ein Ende.
25. September 1961, vor den Vereinten Nationen
John F. Kennedy

05 Fehler, die zum Ukrainekrieg führten

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Gemeint ist die NATO-Osterweiterung nach dem Zusammenbruch der UdSSR im Jahr 1991, die nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass dadurch auch der Grund für den Ukrainekrieg entfiele. Benjamin Abelow, ein US-amerikanischer Publizist, hat in seinem Buch „Wie der Westen den Krieg in die Ukraine brachte“, die Geschichte der Ursachen dieses Krieges erzählt, die Washington und seine Verbündeten bis zur Amtsübernahme Donald Trumps im Januar 2025 nicht hören wollten.

In diesem Buch heißt es unter anderem:

Benjamin Abelow: Politikexperten haben vor der NATO-Erweiterung gewarnt. In den letzten 30 Jahren haben hochrangige amerikanische Außenpolitikexperten wiederholt davor gewarnt, dass die USA einen schweren politischen Fehler begehen, wenn sie die Erweiterung der NATO nach Ostereuropa vorantreiben. Als die NATO 1997 einen großen Schritt in Richtung Erweiterung machte, warnte der damals vielleicht bedeutendste amerikanische Diplomat, George Kennan (in den 1940er Jahren war er ein Vordenker der amerikanischen Eindämmungspolitik und diente später als Botschafter in der Sowjetunion), dass die NATO-Erweiterung „der verhängnisvollste Fehler der amerikanischen Politik in der Ära nach dem Kalten Krieg werden könne“ [En08].

Wie der Westen den Krieg in die Ukraine brachte – PDF

In der New York Times wurde George F. Kennan, auf den sich auch Benjamin Abelow bezieht, bereits am 5. Februar 1997 unter der Überschrift „Ein schicksalhafter Fehler“, wie folgt zitiert:

George F. Kennan: Etwas von der größten Bedeutung steht hier auf dem Spiel. Aber vielleicht ist es ja noch nicht zu spät, die Ansicht zu vertreten, die nicht nur meine allein, sondern auch die von einer Reihe anderer geteilt wird, dass ein Ausbau der NATO der schicksalhafteste Fehler der amerikanischen Politik in der gesamten Ära nach dem Kalten Krieg wäre. Von einer solchen Entscheidung kann erwartet werden, dass die nationalistischen, antiwestlichen und militaristischen Tendenzen, die dadurch in der russischen Position entfacht werden, sich nicht nur nachteilig auf die Entwicklung der russischen Demokratie auswirken wird und die sicherlich dann auch nicht nach unserem Geschmack sein werden [En09].

06 Wie der Krieg in die Ukraine kam – Kurzbeschreibung

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Diese Frage ist seit dem Einmarsch Russlands in die Ukraine am 24. Februar 2022 zutiefst umstritten. Die gängige Meinung im Westen ist, dass Putin dafür allein verantwortlich ist. Diese Sicht der Dinge ist aber wohl nicht mehr in seiner Ausschließlichkeit zeitgemäß, zumal der US-Außenminister Marco Rubio in einem Interview im US-Fernsehen den Ukraine-Konflikt als „Stellvertreterkrieg“ zwischen den USA und Russland bezeichnet hat.

Weltwoche.ch vom 8.3.2025: „Ehrlich gesagt, handelt es sich um einen Stellvertreterkrieg zwischen Atommächten – den Vereinigten Staaten, die der Ukraine helfen, und Russland – und er muss ein Ende haben“.

Der gesamte Wortlaut des Interviews, das der US-Außenminister Marco Rubio am 5. März 2025 mit dem Sender Vox führte, kann über den folgenden Link in deutscher Übersetzung aufgerufen werden.

US-Außenminister Marco Rubio zum Ukrainekrieg

Zu dieser Erkenntnis waren schon Jahre zuvor US-amerikanische Politikwissenschaftler gekommen.

John Mearsheimer: Mearsheimer ist nicht nur ein renommierter US-amerikanischer Politikwissenschaftler, sondern auch ein international anerkannter Experte für internationale Beziehungen. Die folgenden von ihm erkannten Hauptgründe für den Krieg in der Ukraine wurden einem Artikel entnommen, der am 5. August 2024 auf der US-Plattform Substack publiziert wurde.

  • Nach der gängigen Meinung im Westen ist Putin verantwortlich, weil er ein Imperialist ist.

  • Die USA und der Westen sind hauptverantwortlich, weil sie die Ukraine in die NATO aufnehmen wollten.

  • Die NATO-Erweiterung ist Teil einer umfassenderen Strategie, die darauf abzielte, die Ukraine zu einem westlichen Bollwerk an der Grenze zu Russland zu machen, Kiew in die Europäische Union (EU) zu bringen und eine Farbrevolution in der Ukraine zu fördern.

  • Die russische Führung fürchtet alle drei Säulen, aber sie fürchtet die NATO-Erweiterung am meisten. Um dieser Bedrohung zu begegnen, hat Russland am 24. Februar 2022 einen Präventivkrieg begonnen.

Die sieben Hauptgründe, warum die gängige Meinung im Westen über die Alleinschuld Putins für den Ukraine-Krieg abzulehnen ist:

  • Erstens:
    Es gibt einfach keine Beweise aus der Zeit vor dem 24. Februar 2022 dafür, dass Putin die Ukraine erobern und sie in Russland eingliedern wollte.

  • Zweitens:
    Es gibt keine Beweise dafür, dass Putin eine Marionettenregierung für die Ukraine vorbereitet hatte, prorussische Führer in Kiew gefördert oder politische Maßnahmen verfolgt hat, die es ermöglicht hätten, das gesamte Land zu besetzen und es schließlich in Russland einzugliedern.

  • Drittens:
    Putin hatte nicht annähernd genug Truppen, um die Ukraine zu erobern.

  • Viertens:
    Putin versuchte in den Monaten vor Kriegsbeginn, eine diplomatische Lösung für die sich zusammenbrauende Krise zu finden. Am 17. Dezember 2021 schickte Putin einen Brief an Präsident Joe Biden und NATO-Chef Stoltenberg, in dem er eine Lösung der Krise auf der Grundlage einer schriftlichen Garantie vorschlug, dass die Ukraine nicht der NATO beitreten würde, keine Offensivwaffen in der Nähe der russischen Grenzen stationiert würden und NATO-Truppen und -Ausrüstung, die seit 1997 nach Osteuropa verlegt worden waren, nach Westeuropa zurückverlegt würden.

  • Fünftens:
    Unmittelbar nach Kriegsbeginn wandte sich Russland an die Ukraine, um Verhandlungen zur Beendigung des Krieges aufzunehmen und einen Modus Vivendi zwischen den beiden Ländern auszuarbeiten. Nur vier Tage nach dem Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine begannen die Verhandlungen zwischen Kiew und Moskau in Belarus. Die Verhandlungen in Weißrussland wurden schließlich durch israelische und Istanbuler Bemühungen ersetzt. Alle verfügbaren Beweise deuten darauf hin, dass Russland ernsthaft verhandelte und nicht daran interessiert war, ukrainisches Territorium zu erobern – mit Ausnahme der Krim, die 2014 annektiert worden war, und möglicherweise auch den Donbass. Die Verhandlungen wurden beendet, als die Ukrainer auf Drängen Großbritanniens und der
    Vereinigten Staaten die Verhandlungen scheitern ließen, die zum Zeitpunkt ihres Abschlusses gute Fortschritte gemacht hatten.

  • Sechstens:
    Abgesehen von der Ukraine gibt es nicht den geringsten Beweis dafür, dass Putin die Eroberung anderer Länder in Osteuropa in Erwägung gezogen hat.

  • Siebtens:
    Kaum jemand im Westen hat bis zum Beginn der Ukraine-Krise am 22. Februar 2014 behauptet, Putin habe imperiale Ambitionen gehabt, als er im Jahr 2000 die Macht übernahm. Zu diesem Zeitpunkt wurde er dann plötzlich zu einem imperialen Aggressor. Warum? Weil die westlichen Staats- und Regierungschefs einen Grund brauchten, um ihm die Schuld für die Krise in die Schuhe zu schieben.

Fazit: Die NATO-Erweiterung ist Hauptursache für den Ukraine-Krieg [En10].

So auch die Sichtweise von Professor Jeffrey Sachs. Aus seiner viel beachteten Rede vor dem Europäischen Parlament vom 19. Februar 2025 werden im Folgenden einige seiner Ausführungen zitiert:

  • Zur Außenpolitik der USA:
    Was nach 1991 geschah, das lässt sich wie folgt zusammenfassen: Die Vereinigten Staaten beschlossen, dass Unipolarität bedeutet, dass sich die NATO Schritt für Schritt von Brüssel bis Wladiwostok ausdehnen würde, obwohl mit Russland vereinbart worden war, die NATO keinen Zentimeter nach Osten auszuweiten, was explizit in unzähligen Dokumenten nachgelesen werden kann.

  • Mögliches Ende des Ukraine-Krieges war nicht gewollt:
    Warum hat sich die Ukraine aus den Verhandlungen zurückgezogen, die ein Ende des Krieges ermöglicht hätten?
    Weil die Vereinigten Staaten es ihnen gesagt haben und weil das Vereinigte Königreich ein Kriegsende ebenfalls nicht wollte.

  • Die Trump-Regierung:
    Trump will nicht, dass er wie Biden den Krieg verliert. Das ist der Grund, warum Trump und Präsident Putin wahrscheinlich zustimmen werden, den Krieg zu beenden [En11].

Zusammenfassung: In den zurückliegenden 30 Jahren haben hochrangige amerikanische Außenpolitikexperten wiederholt davor gewarnt, dass die USA einen schweren politischen Fehler begehen werde, wenn sie die Erweiterung der NATO nach Ostereuropa vorantreiben würde. Als die NATO 1997 einen großen Schritt in Richtung Erweiterung machte, warnte der damals vielleicht bedeutendste amerikanische Diplomat, George Kennan, davor (in den 1940er Jahren war er ein Vordenker der amerikanischen Eindämmungspolitik und diente später als Botschafter in der Sowjetunion), dass die NATO-Erweiterung „der verhängnisvollste Fehler der amerikanischen Politik in der Ära nach dem Kalten Krieg werden könne“. Er beklagte die Sinnlosigkeit des gesamten Erweiterungsprojekts und fragte: Warum sollten sich die Ost-West-Beziehungen bei all den verheißungsvollen Möglichkeiten, welche das Ende des Kalten Krieges mit sich brachte, auf die Frage konzentrieren, wer sich mit wem – und infolgedessen auch gegen wen – in irgendeinem herbeifantasierten, völlig unvorhersehbaren und höchst unwahrscheinlichen künftigen militärischen Konflikt verbünden? [En12]

1997 kommentierte der damals 94-jährige Diplomat in einem Interview mit Thomas Friedman die Ratifizierung der NATO-Erweiterung durch den Senat so:

George Kennan: Ich halte die Osterweiterung der NATO für einen bedauerlichen Fehler. Es gab dafür überhaupt keinen Grund. Niemand hat jemand anderen bedroht [En13].

07 Der Scherbenhaufen von heute

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Auch wenn dieser oben lediglich skizzierte Scherbenhaufen politischer Fehlentwicklungen heute nicht mehr übersehen werden kann, befindet sich der Präsident der Ukraine Wolodymyr Selenskyj und die ihn unterstützende EU weiterhin stramm auf dem eingeschlagenen Kriegskurs, denn die Kriegstrommeln schallen zumindest in Europa lauter denn je. Zwar wird von einem „gerechten Frieden“ gesprochen, der angestrebt wird, das scheint aber nichts weiter als ein propagandistisches Manöver zu sein, um jede Verhandlungslösung zu torpedieren, denn eine Weiterführung des längst verlorenen Krieges in der Ukraine wird immer noch unterstützt.

Wie dem auch immer sei: Eines zeigt der Präsident der Ukraine bei seinen öffentlichen Auftritten an vielen Orten in der EU immer noch ganz deutlich – dass er an einer schnellen Beendigung des Krieges nicht interessiert ist, obwohl die neue Realität nach der Kehrtwende der USA eine radikal andere Strategie einfordern würde. So auch der Sicherheitsexperte Wolfgang Richter

Infosperber.ch vom 29.3.2025 wird die Position von Wolfgang Richter [En14] wie folgt zusammengefasst: Europa sollte von der bisherigen Ukraine-Strategie abrücken. Die alte Strategie ist schlichte Illusion. Als Ausgangspunkt fordert Richter eine „nüchterne Beurteilung der militärischen Lage“. Das heiße: „Die Ukrainer sind schlichtweg nicht in der Lage, Gebiete zurück zu erobern.“ Das sei die „bittere Realität“. Die Verhandlungsposition der Ukraine habe sich seit März 2022 erheblich verschlechtert. Sie befinde sich heute in einer sehr schwierigen personellen Lage. Sehr viele männliche Wehrpflichtige befänden sich im Ausland, über 650’000 in der EU, die nicht zurückkehren wollen. Insgesamt 2,7 Millionen Ukrainer seien nicht nach Westen, sondern nach Russland geflohen. Im Donbas kämpfe eine große Zahl von Ostukrainern auf der russischen Seite.

Die ukrainischen Verbände zählten noch etwa 800’000 Personen. Davon befänden sich aber weniger als die Hälfte tatsächlich an der Front. Dagegen verfüge die russische Armee mittlerweile über 650’000 bis 700’000 Soldaten auf ukrainischem Boden. Dazu kämen noch die Luft- und Seestreitkräfte, die von außen die Operationen unterstützen. Angesichts dieser Lage bezeichnet es Richter als vernünftig, den amerikanischen Verhandlungsansatz zu unterstützen. Es brauche die Rückkehr zu einem kooperativen Sicherheitssystem, welches das Ende des Kalten Kriegs ermöglicht [En15].

Trotzdem: Zu diplomatischen Beziehungen mit Russland scheinen die europäischen Staaten zurzeit noch nicht ernsthaft bereit zu sein. Das gilt auch für Deutschland, denn immer noch gilt der russische Präsident Wladimir Wladimirowitsch Putin in Deutschland als Staatsfeind Nr. 1. Seit drei Jahren, so lange dauert der Krieg in der Ukraine bereits, weigert sich die Bundesregierung – abgesehen von einem Telefonat zwischen Bundeskanzler Olaf Scholz und dem russischen Präsidenten Wladimir Wladimirowitsch Putin im November 2024 – mit der russischen Seite überhaupt diplomatische Kontakte aufzunehmen.

Nur zur Erinnerung: Am 15.11.2024 heißt es auf Tagesschau.de wie folgt:

Tagesschau.de: Krieg gegen die Ukraine: Scholz telefoniert erstmals seit zwei Jahren mit Putin. Nach fast zwei Jahren Funkstille hat Bundeskanzler Scholz wieder mit dem russischen Präsidenten Putin telefoniert. Scholz forderte Putin auf, den Angriffskrieg gegen die Ukraine zu beenden und die Truppen zurückzuziehen [En16].

Und was die deutsche Außenpolitik anbelangt? Die lässt sich mit einem Satz zusammenfassen: Mit Kriegsverbrechern diskutiert man nicht.

08 US-Colonel Macgregor über den Ukraine-Krieg

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Douglas Abbott Macgregor ist ein pensionierter Colonel der United States Army, Politikwissenschaftler, Militärtheoretiker, Autor und Berater. Bereits zu Beginn seiner ersten Amtszeit nominierte Präsident Donald Trump Macgregor 2020 als Nachfolger von Richard Grenell für das Amt des Botschafters der Vereinigten Staaten in Deutschland. Der US-Senat lehnte das aber ab.

In einem Interview mit „Der Weltwoche“ wurde Mcgregor am 27.3.2025 von Roger Köppel, dem Chefredakteur, gefragt, was er von Trumps Friedensplänen, den Fortschritten beim Frieden, und von all diesen Gesprächen, die der amerikanische Präsident Donald Trump im Moment mit der russischen Seite führe, halte?

Mcgregor: Nun, meine Erfahrung mit Präsident Trump ist, dass, wenn er seinen Instinkten folgt, wird er gut sein. Sein Instinkt hat ihm immer gesagt, dass dieser Krieg in der Ukraine ein Fehler war, und er hat Recht. [...]. Offensichtlich haben er und Präsident Putin die gleichen Interessen. Sie wollen das Töten beenden. Sie wollen den Krieg beenden. Das steht außer Frage. Das Problem ist, wie man es angeht. Und ich fürchte, dass zu viele Leute um Präsident Trump herum sagen: „Nun, Sie können dies nicht tun oder Sie können das nicht tun, weil es ein Gewinn für Sie sein muss, Boss.“

Wissen Sie, was auch immer wir tun, es muss ein Gewinn sein. Man darf nicht den Eindruck gewinnen, dass man den Russen im Grunde nachgibt. Oder ihre Position anerkennt.

Natürlich ist das Unsinn.

Wir haben in diesem Krieg eine schlechte Rolle gespielt. Wir sind maßgeblich verantwortlich für den Tod von mindestens 1,2 Millionen ukrainischen Soldaten und sicherlich 100.000 russischen Soldaten. Wir sind verantwortlich.

An anderer Stelle:

1. Die USA hatte niemals ein vitales Interesse an der Ukraine.

2. Vor allem im Osten der Ukraine - östlich des Dniepr, ist historisch gesehen russisches Territorium. Das ist ein Gebiet mit russischem Einfluss, Kultur, Macht und strategischem Interesse. Das zu erkennen ist kein Zeichen dafür, dass man irgendwie kapituliert hat. Das ist die Anerkennung einer Tatsache, der Realität. [...]. Wir brauchen gute Beziehungen zu Russland, Punkt. Und was auch immer in der Ukraine passiert muss diesem Interesse untergeordnet sein. Das wird nicht richtig verstanden. Das aber muss verstanden werden.

Zum Ende des Interviews:

Alle europäischen Staaten, die an Russland angrenzen oder über Russlanderfahrungen verfügen, müssen sich zusammensetzen und sich einigen, wie sie sich gegenüber Russland positionieren wollen, um den Konflikt mit neuen Grenzen zu beenden.

Schlusssätze:

Ich würde sagen, solange diese globalistische herrschende Klasse in Paris, London und Berlin nicht aus dem Amt entfernt ist, wird es keine langfristige Stabilität oder Wohlstand in Europa geben. Sie haben Europa in ein sehr tiefes Loch gegraben. Die Europäer müssen sie loswerden. [...]. Aber sie werden nicht dorthin gelangen. Mit den Leuten, die derzeit die Geschäfte in Berlin, London oder Paris leiten [En17].

09 Experten gegen Putin-Panik

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Zwischenzeitlich warnen auch Bundeswehrexperten vor der von ihnen als solche bezeichneten „Panikfalle“.

Telepolis.de vom 1.4.2025: Inmitten einer zunehmend hitzigen sicherheitspolitischen Debatte in Deutschland erheben prominente Stimmen aus Wissenschaft und Politik mahnend das Wort. In ihrer Stellungnahme „Rationale Sicherheitspolitik statt Alarmismus“ warnen sie vor einer Panikmache, die das Land in eine gefährliche Sackgasse führen könnte. Während die Notwendigkeit einer verteidigungsfähigen Bundeswehr und einer starken europäischen Sicherheitsarchitektur unbestritten bleibt, plädieren die Unterzeichner, darunter renommierte Experten wie Prof. em. Dr. Michael Brzoska und Brigadegeneral a.D. Reiner Schwalb, für eine nüchterne Analyse der Bedrohungslage und eine ausgewogene Strategie. Sie fordern einen Kurswechsel hin zu klugen politischen Kompromissen und einer Renaissance der Diplomatie. Doch ist es wirklich möglich, die Balance zwischen Abschreckung und Dialog zu finden? Diese Frage steht im Zentrum der Diskussion und verspricht spannende Einblicke in die Zukunft der europäischen Sicherheitspolitik. [...}. Doch der derzeit verbreitete Alarmismus in Teilen der Politik und der Medien ist nicht plausibel und basiert auf keiner seriösen Bedrohungsanalyse. Einige sicherheitspolitische Experten reden sich geradezu in einen Rausch, sekundiert von nicht nachvollziehbaren Geheimdiensteinschätzungen über die aggressiven Pläne Moskaus gegen den Westen. Ohne Zweifel ist Russland eine Bedrohung für die europäische Sicherheit, und aggressive Absichten auch über die Ukraine hinaus sind nicht vollkommen auszuschließen – wenn auch hybride Bedrohungen plausibler sind als klassisch militärische. Ein nüchterner Blick auf die ökonomischen und militärischen Kapazitäten wie auch die (realisierbaren) Intentionen Russlands ergibt jedoch, dass wenig dafür spricht, dass Russland sich mit der NATO militärisch anlegen und deren Territorium angreifen könnte oder nur wollte. Ein Russland, das große Schwierigkeiten hat, seine Ziele in der Ukraine zu erreichen, ist eine beherrschbare militärische Bedrohung. Zudem ist die Nato heute und auf absehbare Zeit in praktisch allen militärischen Belangen ungleich stärker als Russland. Dies gilt selbst dann, wenn man nur die Ausgaben bzw. die Ausstattung der europäischen Staaten inklusive Großbritannien addiert. In den europäischen Armeen gibt es zugleich deutliche Schwächen, u. a. bei Luftabwehr, Drohnen und Munition, die aber behebbar sind – was auch Geld kostet. Ohne eine verlässliche amerikanische Sicherheitsgarantie muss sich Europa sicherheitspolitisch neu aufstellen. Auch sind moderne Gesellschaften anfällig, etwa mit Blick auf Angriffe auf kritische Infrastrukturen oder im Cyberbereich, aber auch den inneren gesellschaftlichen Zusammenhalt.

Die derzeitig verbreitete Panikstimmung, begleitet von einer gigantischen Verschuldung für Aufrüstung, löst aber Europas Sicherheitsprobleme nicht. Wichtiger wäre, den Krieg in der Ukraine mit Hilfe kluger politischer Kompromisse über Verhandlungen zu beenden und danach auf der Basis vorhandener Stärke eine Stabilisierung der europäischen Sicherheitsarchitektur anzustreben, in der nicht nur Aufrüstung und Kriegsvorbereitung, sondern auch die zweite Säule der Sicherheitspolitik – Rüstungskontrolle, vertrauensbildende Maßnahmen und Diplomatie – wieder eine zentrale Rolle spielen. Die Zeit dafür drängt – Alarmismus und Panik führen in eine gefährliche Sackgasse [En18].

STELLUNGNAHME:
RATIONALE SICHERHEITSPOLITIK STATT ALARMISMUS
30.03.2025

10 Die Eliten brauchen den Krieg

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Zumindest dann, wenn die Probleme aus dem Ruder zu laufen drohen.  Anders ausgedrückt: Die Eliten wissen, dass sie am Ende sind und das Wahlvolk spürt, dass dramatische Erosionen in den Gesellschaften des so genannten freien Westens bevorstehen, denn die Systeme sind instabil geworden.

Und die davon betroffenen Bürgerinnen und Bürgen wissen auch, warum, denn sie spüren es sozusagen am eigenen Leib. Eine einst stabile Mittelschicht leidet unter nicht zu leugnenden Abstiegsängsten, und andere sich zur Mehrheit hin entwickelnden Teile der Gesellschaft können sich weder einen Urlaub, noch ein Restaurantessen und kaum noch ein menschenwürdiges Leben leisten.

Wie dem auch immer sei: In der Pressemitteilung Nr. 036 des Statistischen Bundesamtes vom 29. Januar 2025 heißt es, dass 2024 in Deutschland rund 17,6 Millionen Menschen von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht waren und auch weiterhin bedroht sind. [...].

Destatis.de: Eine Person gilt in der Europäischen Union (EU) als von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht, wenn mindestens eine der folgenden drei Bedingungen zutrifft: Ihr Einkommen liegt unter der Armutsgefährdungsgrenze, ihr Haushalt ist von erheblicher materieller und sozialer Entbehrung betroffen oder sie lebt in einem Haushalt mit sehr geringer Erwerbsbeteiligung. Für jede dieser Lebenssituationen kann jeweils der Anteil der Betroffenen an der Bevölkerung ermittelt werden.

Im Jahr 2024 waren 15,5 % der Bevölkerung oder rund 13,1 Millionen Menschen in Deutschland armutsgefährdet [En19].

Während die Lebenshaltungskosten steigen und breite Teile der Bevölkerung resignieren, investieren Regierungen Milliarden in militärische Aufrüstung und geopolitische Projekte, statt soziale Not zu lindern. Diese Kluft zwischen staatlicher Agenda und Lebensrealität der Menschen kann und wird nicht ohne Folgen bleiben und sich irgendwann in Wut, Depression und in einer zunehmenden Entfremdung der Bevölkerung (man spricht von einer gespaltenen Gesellschaft) sich so weit steigern, bis als letzter Ausweg nur noch ein Krieg in Betracht kommen kann, einem alten Heilmittel, das Hilflosigkeit beenden soll, denn spätestens dann, wenn sich Menschen wieder hinter einer Flagge vereinen, um gegen einen äußeren Feind zu marschieren, kann die Welt neu geordnet werden. Das aber ist kein Zeichen von Stärke, sondern ein Ausdruck von Verzweiflung. Aber nur so lässt sich Kontrolle wieder herstellen, denn wenn der Feind erst einmal besiegt ist, dann ist ja alles wieder in Ordnung.

Geschichtsvergessener kann nicht mehr diskutiert werden.

Festzustellen ist: Weltweit befindet sich nicht nur die Menschheit, sondern auch die Erde, auf der wir alle leben, in großen Schwierigkeiten. Die Bevölkerung verarmt, das Vertrauen bricht weg und kriegerische Auseinandersetzungen nehmen zu. Und wie regieren die politischen Eliten darauf? Zunehmende Repressionen, gegenseitige Schuldzuweisungen und Aufrüstung um jeden Preis.

Warum?

Sowohl bei den Kriegsvorbereitungen als auch bei Kriegen handelt es sich um Milliardengeschäfte. Und wenn Autos nicht mehr verkauft werden können, dann müssen halt dort Panzer gebaut werden, wo einst Pkw gebaut wurden, um die Wirtschaft „am Laufen zu halten.“

11 Die Friedenspflicht des Grundgesetzes

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Für jede deutsche Regierung gilt, dass sie sich in dem Rahmen zu bewegen und Entscheidungen zu treffen hat, den das Grundgesetz vorgibt. Diese Verpflichtung besteht auch im Hinblick auf die Aushandlung von Koalitionsverträgen.

Anders ausgedrückt: Nicht die Wunschvorstellungen von Politikern und Juristen, sondern die Vorgaben des Grundgesetzes sind maßgeblich. Ob diese Vorgaben durch den zwischenzeitlich ausgehandelten Koalitionsvertrag eingehalten wurden setzt voraus, die Stellen des Koalitionsvertrages zu kennen, die sich mit der Friedenspflicht auseinandersetzen. Dazu gleich mehr.

Zuerst einmal gilt es festzustellen, dass das Grundgesetz im Hinblick auf „Krieg und Frieden“ sich eindeutig für den Frieden entscheidet, denn das Wort Krieg enthält das Grundgesetz nicht, auch nicht das Wort Kriegsfähigkeit.

In der Präambel steht wörtlich, dass Deutschland im vereinten Europa „dem Frieden der Welt zu dienen hat“, und im Artikel 1 Absatz 2 des Grundgesetzes heißt es:

Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

Die Forderungen der beiden Koalitionsparteien, Deutschland wieder kriegstüchtig zu machen, lassen sich mit der vom Grundgesetz geforderten Friedensverpflichtung somit nur schwerlich vereinbaren.

12 Krieg und Frieden im Koalitionsvertrag

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Am 9. April 2025 wurde der Koalitionsvertrag zwischen der CDU/CSU und der SPD vorgestellt. Die Wörter Frieden werden in dem 146 Seiten umfassenden Vertrag 8 Mal, das Wort Angriffskrieg 4 Mal und andere Wortverbindungen mit „Krieg“ 3 Mal verwendet, Russland 2 Mal, Wladimir Putin 1 Mal, die USA 1 Mal und Donald Trump kein Mal. 17 Mal wird das Wort Ukraine verwendet.

Die folgenden Zitate wurden dem „Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD – Verantwortung für Deutschland – 21. Legislaturperiode, entnommen:

Frieden

46 - 51
Wir stärken unsere Verteidigungs- und Abschreckungsfähigkeit, um Freiheit und
Frieden zu sichern. Stärke ist die Voraussetzung für Frieden. Deshalb wollen wir uns verteidigen können, um uns nicht verteidigen zu müssen. Mit Entscheidungen zur künftigen Finanzierung und Architektur unserer Sicherheit haben wir die Grundlage dafür gelegt, uns jeder äußeren Bedrohung erfolgreich zu erwehren. Wir stehen an der Seite der Ukraine, die auch unsere Freiheit und die Prinzipien der regelbasierten Ordnung verteidigt, und setzen auf einen gerechten und gemeinsam mit der Ukraine ausverhandelten Frieden.

2547 bis 2550
Wir bauen die
Friedens- und Konfliktforschung sowie Regionalforschung (zum Beispiel zu Osteuropa, China, USA) aus und schaffen eine Förderkulisse für Sicherheits- und Verteidigungsforschung einschließlich Cybersicherheit und sicherer Infrastrukturen, um Kooperation von Hochschulen und außeruniversitärer Forschung mit Bundeswehr und Unternehmen gezielter zu ermöglichen.

3958 bis 3960
Sicherheit. Zur Bewahrung dieses
Friedens müssen wir unserer Verantwortung zur Gewährleistung der eigenen Sicherheit gerecht werden. Dabei leitet uns der Grundsatz: Wir wollen uns verteidigen können, um uns nicht verteidigen zu müssen.

4017 bis 4020
Wir werden deshalb unsere militärische, zivile und politische Unterstützung der Ukraine gemeinsam mit Partnern substanziell stärken und zuverlässig fortsetzen. Wir werden uns im engen Schulterschluss mit unseren Partnern für eine gemeinsame Strategie hin zu einem echten und nachhaltigen
Frieden einsetzen, in dem die Ukraine aus einer Position der Stärke und auf Augenhöhe agiert.

4111 bis 4113
Kriegsgräberfürsorge mahnt zum
Frieden und leistet dazu einen Beitrag in Europa. Die ihm übertragenen Aufgaben einschließlich der Erinnerungs- und Versöhnungsarbeit im In- und Ausland unterstützen wir bedarfsgerecht.

4300 bis 4301
Die EU ist Garantin für Freiheit,
Frieden, Sicherheit und Wohlstand. Diese Werte stehen angesichts historischer Umwälzungen massiv unter Druck. Mut, Entschlossenheit und europäische Antworten sind das Gebot der Stunde.

Krieg

11 bis 15
Im Äußeren greifen die Gegner unserer liberalen Demokratie unsere Freiheit an. Autoritäre Mächte erstarken. Der russische
Angriffskrieg gegen die Ukraine bedroht auch unsere Sicherheit. Wir erleben hybride Angriffe auf unser Land mit dem Ziel, den Zusammenhalt in Deutschland zu zerstören, unsere Demokratie zu untergraben und unsere Sicherheit zu gefährden. Aber auch in unserem Land wird die Demokratie von ihren Gegnern täglich angegriffen.

287 bis 288
Die effektive nationale Umsetzung der Sanktionen aufgrund des russischen
Angriffskriegs stellen wir weiterhin sicher. Wir unterstützen die Pläne der EU zur Erhebung von Zöllen auf den Import von Düngemitteln aus Russland und Weißrussland.

2746 bis 2749
Der Förderung der deutschen Minderheit in der Ukraine kommt wegen des russischen
Angriffskrieges und des möglichen EU-Beitritts der Ukraine eine besondere Bedeutung zu. Wir halten an der Aufnahme der Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler nach dem Bundesvertriebenengesetz fest.

3962 bis 3964
Unsere Sicherheit ist heute so stark bedroht wie seit dem Ende des
Kalten Krieges nicht mehr. Die größte und direkteste Bedrohung geht dabei von Russland aus, das im vierten Jahr einen brutalen und völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen die Ukraine führt und weiter massiv aufrüstet. Das Machtstreben von Wladimir Putin richtet sich gegen die regelbasierte internationale Ordnung.

3970 bis 3976
Erstmals seit Ende des
Zweiten Weltkrieges müssen Deutschland und Europa in der Lage sein, ihre Sicherheit deutlich umfassender selbst zu gewährleisten. Wir werden sämtliche Voraussetzungen schaffen, damit die Bundeswehr die Aufgabe der Landes- und Bündnisverteidigung uneingeschränkt Erfüllen kann. Unser Ziel ist es, dass die Bundeswehr einen zentralen Beitrag zur Abschreckungs- und Verteidigungsfähigkeit der NATO leistet und zu einem Vorbild im Kreis unserer Verbündeten wird. Die beschriebene Bedrohungslage zwingt uns mit dem Ziel der Abschreckung zur Erhöhung unserer Verteidigungsausgaben. Unser langfristiges Ziel bleibt das Bekenntnis zu Rüstungskontrolle und Nichtverbreitung sowie Abrüstung.

4111 bis 4113
Die wichtige generationen- und völkerverbindende Arbeit des Volksbundes Deutsche
Kriegsgräberfürsorge mahnt zum Frieden und leistet dazu einen Beitrag in Europa. Die ihm übertragenen Aufgaben einschließlich der Erinnerungs- und Versöhnungsarbeit im In- und Ausland unterstützen wir bedarfsgerecht.

Russland

287
Die effektive nationale Umsetzung der Sanktionen aufgrund des
russischen Angriffskriegs stellen wir weiterhin sicher. Wir unterstützen die Pläne der EU zur Erhebung von Zöllen auf den Import von Düngemitteln aus Russland und Weißrussland.

3962
Unsere Sicherheit ist heute so stark bedroht wie seit dem Ende des Kalten Krieges nicht mehr. Die größte und direkteste Bedrohung geht dabei von
Russland aus, das im vierten Jahr einen brutalen und völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen die Ukraine führt und weiter massiv aufrüstet. Das Machtstreben von Wladimir Putin richtet sich gegen die regelbasierte internationale Ordnung.

USA

4028
Die Beziehungen zu den
USA bleiben von überragender Bedeutung. Die transatlantische Partnerschaft ist eine große Erfolgsgeschichte für beide Seiten, die es auch unter den neuen Bedingungen fortzusetzen gilt. Deshalb übernehmen wir mehr Verantwortung für unsere gemeinsame Sicherheit.

Koalitionsvertrag „Verantwortung für Deutschland“

Wie dieser Verantwortung entsprochen werden soll, ohne sich aktiv für den Frieden einsetzen zu wollen, obwohl sich die USA bereits um einen Frieden in der Ukraine bemühen, das ist eine Frage, auf die der Koalitionsvertrag keine Antwort gibt.

13 Angst vor dem Frieden?

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Diese Frage lässt sich durchaus mit einem eindeutigen „JA“ beantworten, denn der Aufwand, der betrieben wird, den Krieg in der Ukraine zu verlängern, ist immens, nicht nur in Europa, sonder ganz besonders auch in Deutschland. Wer hierzulande „Frieden“ einfordert, gerät allein dadurch schon in den Verdacht, ein Putinfreund zu sein bzw. der AfD nahezustehen.

Wie dem auch immer sei: Solange die Soldaten der Ukraine für uns und unsere Freiheit kämpfen und dafür auch sterben, scheint ja alles in Ordnung zu sein. Wir sind draußen und die sind drin.

Deshalb: Worüber niemand gerne spricht, das scheint die Angst vor dem Frieden zu sein, die größer ist, als die Angst vor der Katastrophe in der Ukraine, die sich vor unseren Augen ereignet und sich wie folgt beschreiben lässt:

  • Was ist, wenn die Ukraine den Krieg verliert?

  • Wer zahlt dann die Milliarden zurück, die der deutsche Steuerzahler der Ukraine zur Verfügung gestellt hat?

  • Waren das Geschenke?

  • Wird Europa eine am Boden zerstörte Ukraine nach Beendigung des Krieges immer noch in die EU aufnehmen wollen?

  • Wer finanziert den Aufbau?

  • Wer soll das bezahlen?

Wie dem auch immer sei: Es kann davon ausgegangen werden, dass auch die Menschen der Ukraine, die Überlebenden und die Geflohenen, Angst vor dem Frieden bekommen werden, wenn die Waffen erst einmal schweigen, denn die dann zu zahlende Rechnung wird - und da gibt es in der Geschichte keine Ausnahme - mmer denen präsentiert, die den Krieg verloren haben.

Anders ausgedrückt: Es muss auch nach dem Ende des Krieges ein weiterhin funktionierendes Bankensystem sichergestellt werden. Das aber setzt voraus, dass gewährte Kredite selbstverständlich zurückgezahlt werden müssen. Dafür müssen halt Opfer gebracht werden. Die Griechen wissen, was damit gemeint ist, als es galt, den Euro zu schützen.

Wie dem auch immer sei: Von einem Schuldenschnitt wird auch nach Beendigung des Krieges in der Ukraine niemand sprechen wollen, obwohl es im Vaterunser des christlichen Europas heißt:

Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.

14 Verantwortung für Deutschland

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Ein Koalitionsvertrag, der die Überschrift trägt „Verantwortung für Deutschland“ und nur wenige Ausswagen darüber enthält, wie Frieden zu schaffen ist, kann wohl kaum den Anforderungen zuentsprechen, die die Überschrift des Koalitionsvertrages suggeriert, zumal es nur Aufrüstung sein kann, die friedenssicherd ist:

Sieht so die Verantwortung für Deutschland aus?

Wie soll dieser Verantwortung entsprochen werden, wenn in dem Vertrag kein Hinweis darüber zu finden ist, wie der Krieg in der Ukraine auf dem Verhandlungsweg beendet werden kann. Man muss es bedauern: In diesem Koalitionsvertrag gibt es keinen Satz, dem entnommen werden kann, wie Frieden geschaffen werden soll.

Vielmehr scheint es so zu sein, dass Frieden nicht mehr als oberstes Ziel bundesdeutscher Politik betrachtet wird, denn der Koalitionsvertrag sieht sogar im Zusammenhang mit dem Ukrainekrieg das Wort "diplomatischer" nur einmal vor. Das scheint wohl an dem strukturellen Wandel moderner Politik zu liegen, die Diplomatie durch Moral zu ersetzen versucht, denn mit dem Bösen verhandelt man nicht.

Im Koalitionsvertrag kommt das Wort "Ukraine" immerhin 17 Mal vor. Die folgenden Zitate zur Ukraine sind nicht abschließend:

12
Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine bedroht auch unsere Sicherheit.
50 bis 52
Wir stehen an der Seite der Ukraine, die auch unsere Freiheit und die Prinzipien der regelbasierten Ordnung verteidigt, und setzen auf einen gerechten und gemeinsam mit der Ukraine ausverhandelten Frieden.
3982 bis 3983
Die Ukraine werden wir umfassend unterstützen, so dass sie sich gegen den russischen Aggressor effektiv verteidigen und sich in Verhandlungen behaupten kann.
4015 bis 4017
Die Ukraine als starker, demokratischer und souveräner Staat, der eigenständig und mit euroatlantischer Perspektive über seine Zukunft bestimmt, ist von zentraler Bedeutung für unsere eigene Sicherheit. Wir werden uns im engen
Schulterschluss mit unseren Partnern für eine gemeinsame Strategie hin zu einem echten und nachhaltigen Frieden einsetzen, in dem die Ukraine aus einer Position der Stärke und auf Augenhöhe agiert.
4022
Deutschland wird sich an dem Wiederaufbau der Ukraine beteiligen.
4024 bis 4027
Wir stehen zu der auf dem Washingtoner NATO-Gipfel bekräftigten NATO-Beitrittsperspektive für die Ukraine. Wir unterstützen die Einrichtung eines Sondertribunals, um das Verbrechen der Aggression gegen die Ukraine angemessen zu verfolgen und zu ahnden.
4308 bis 4309
Wir stehen weiter fest an der Seite der Ukraine in ihrem Freiheitskampf und werden sie so lange wie nötig mit militärischer, diplomatischer, wirtschaftlicher und humanitärer Hilfe unterstützen.

Hinweis: Das Wort Diplomatie wird im Koalitionsvertrag nicht verwendet.

Frieden aber entsteht durch Sieg oder Niederlage oder aber, was den Ukrainekrieg anbelangt, durch Kompromisse bzw. durch die Bereitschaft, einen Krieg diplomatisch zu beenden, der nicht gewonnen werden kann, so schmerzhaft das auch für die Ukraine sein wird, die zum Opfer eines Stellvertreterkrieges gemacht wurde.

Zurück zum Koalitionsvertrag, zwischen der CDU/CSU und der SPD. Mit dem Titel „Verantwortung für Deutschland“ will die neue Bundesregierung Stabilität und Zukunftsfähigkeit signalisieren. Doch schon kurz nach Veröffentlichung mehren sich die kritischen Stimmen: Zahlreiche zivilgesellschaftliche Organisationen werfen der Koalition vor, zentrale Reformversprechen gebrochen, Freiheitsrechte eingeschränkt und wirtschaftliche Interessen über soziale und ökologische Belange gestellt zu haben. Der Koalitionsvertrag wird von vielen als Rückschritt bewertet – nicht als Neuanfang. Und was die Außenpolitik, den Waffenhandel und die Rüstungsexporte betrifft, heißt es auf Pressenza.com vom 10.4.2025 wie folgt:

Pressenza.com: Besonders alarmierend sind die Aussagen zur Rüstungspolitik. Die Kampagne „Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel“ kritisiert, dass Rüstungsexporte laut Koalitionsvertrag „an den Interessen der Wirtschaftspolitik ausgerichtet“ werden sollen.

Gerold König von pax christi warnt: „Die Menschenrechte […] gelten universell. Die Vermeidung von Leid und nicht die Vermehrung von Profit muss die oberste Maxime jeder Rüstungsexportkontrolle sein!“

Jürgen Grässlin, Sprecher der „Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel“ ergänzt, dass der Vertrag „nicht einmal die Mindeststandards des internationalen Waffenhandelsvertrags“ einhalte. Die Organisationen fordern eine Nachverhandlung und ein vollständiges Exportverbot an menschenrechtsverletzende Staaten [En20].

Damit aber dürfte nicht zu rechnen sein, denn zu rosig erscheint eine Zukunft, in der Kriegsangst nicht nur Zustimmung, sondern auch Wachstum und Wohlstand schafft.

Diesbezüglich heißt es auf Libratus.online, einem Online-Magazin, das im August 2024 von der österreichischen Historikerin, Publizistin und Journalistin Gudula Walterskirchen, einer profilierten Katholikin, gegründet wurde, und das sich als ein Magazin der Meinungsfreiheit versteht und das sich einem immer enger und bedrängender werdenden Mainstream zu entziehen versucht, der auf vielfache „agitatorische“ Weise die Fortsetzung des Ukrainekrieges einfordert, wie folgt:

Liberatus.online vom 4.4.2025: Das „Wallstreet Journal“ ortet weitere Höhenflüge an den Börsen auch für die anderen Stahlproduzenten und die Rüstungsindustrie, wie Renk und Rheinmetall. Diese würden vom „EU-Aufrüstungsboom“ und den Milliardenaufträgen profitieren und die Kurse stark steigen lassen. Man spricht von einem „historischen Aufschwung“.

Thyssenkrupp hat einen 1,5-Milliarden-Auftrag erhalten, Renk 1,4 Milliarden mit Aussicht auf noch mehr. Und Rheinmetall rechnet mit einem Umsatzplus von bis zu 40 Prozent allein im heurigen Jahr. Seit Kriegsbeginn in der Ukraine 2022 hat der Wert der Aktie von 100 Euro auf satte 1200 Euro zugelegt! Tendenz weiter steigend.

Für das französische Rüstungsunternehmen Thales wurde das Kursziel für 2025 von UBS gleich verdoppelt. Bei Renk gab es 90 Prozent plus seit Jahresbeginn, also in nur drei Monaten; fast ebenso viel bei Hensoldt, das Radarsysteme liefert, derzeit vor allem an die Ukraine. Man hat ein neues Werk in Deutschland gebaut und stellt 1000 neue Mitarbeiter ein. Je mehr Krise, desto besser, lautet das Credo des Chefs. Seit Beginn des Ukrainekriegs hat sich der Aktienkurs verdreifacht. Doch Konzernchef Dörre meint, da müsse noch mehr gehen, Deutschland müsse 3,5 Prozent des BIP in Rüstung investieren [En21].

Wer daran etwas ändern möchte, wird es mit mächtigen Gegnern zu tun bekommen. Die aber braucht die neue Regierung wohl kaum zu fürchten, denn die Interessen der Rüstungsindustrie werden im Koalitionsvertrag gebührend berücksichtigt.

15 Wir müssen uns verteidigen können

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Das Wort Verteidigung kommt im Koalitionsvertrag in verschiedenen Kombinationen insgesamt 39 Mal vor. Einige Stellen werden im Folgenden zitiert:

46 bis 48
Wir stärken unsere
Verteidigungs- und Abschreckungsfähigkeit, um Freiheit und Frieden zu sichern. Stärke ist die Voraussetzung für Frieden. Deshalb wollen wir uns verteidigen können, um uns nicht verteidigen zu müssen.

128 und 219
Öffentliche Finanzierungsprogramme sollen auch für Sicherheits- und
Verteidigungstechnologie geöffnet werden. Gleichzeitig muss die Verteidigungsindustrie sehr zügig und im großen Maßstab skalierbar wachsen.

1736 bis 1738
Wir bekennen uns klar zu unserer Verantwortung in der NATO und zu einer starken europäischen Sicherheits- und
Verteidigungspolitik.

2674 und 2674
Dazu stärken wir die Fähigkeiten im Bereich der Cybersicherheit, des Zivil- und Katastrophenschutzes sowie der zivilen
Verteidigung.

2693 und 2694
Durch eine Änderung der Rechtslage in der zivilen
Verteidigung ermöglichen wir Handlungsfähigkeit bereits vor dem Spannungs- und Verteidigungsfall.

3975
Die beschriebene Bedrohungslage zwingt uns mit dem Ziel der Abschreckung zur Erhöhung unserer
Verteidigungsausgaben.

4010 bis 4011
Bei der Weiterentwicklung der
Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP) übernehmen wir eine Führungsrolle. Wir wollen die EU-NATO-Zusammenarbeit stärken.

4129
Die dauerhaft in Litauen stationierte deutsche Brigade ist unser zentraler Beitrag für Abschreckung und
Verteidigung an der NATO-Ostflanke.

4131 und 4132
Die Ausgaben für unsere
Verteidigung müssen bis zum Ende der Legislaturperiode deutlich und stringent steigen.

4164 und 4165
Außerdem wollen wir die
Verteidigungsfähigkeit Deutschlands im Weltraum entschlossen und zügig ausbauen.

4211 bis 4213
Die Belange und die Infrastrukturmaßnahmen zur
Gesamtverteidigung sind als überragendes öffentliches Interesse festzuschreiben und in der Umsetzung gegenüber anderen staatlichen Aufgaben zu priorisieren.

4400 und 4001
Wir wollen einen echten Binnenmarkt für
Verteidigungsgüter mit gemeinsamen Exportregeln und enger Zusammenarbeit bei Planung, Entwicklung und Beschaffung.

Das Wort Verteidigungsindustrie wird 6 Mal verwenden.

219 bis 221
Gleichzeitig muss die
Verteidigungsindustrie sehr zügig und im großen Maßstab skalierbar wachsen. Wir prüfen daher, wie die Umrüstung und Ertüchtigung vorhandener Werke für die Bedarfe der Verteidigungsindustrie unterstützt werden können.

4185 und 4186
Die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen und europäischen Sicherheits- und
Verteidigungsindustrie einschließlich des wehrtechnischen Mittelstandes ist durch langfristig planbare Beauftragungen und vereinfachten Kapitalzugang zu stärken.

4189 bis 4192
Wenn die vollumfängliche Gewährleistung der Sicherheits- und
Verteidigungsinteressen Deutschlands durch Änderungen der Eigentums- und Anteilsverhältnisse an Schlüsselunternehmen der Sicherheits- und Verteidigungsindustrie bedroht ist, werden wir auch strategische Beteiligungen des Bundes in Betracht ziehen:

4195 bis 4197
Wir wollen eine strategisch ausgerichtete Rüstungsexportpolitik, welche der deutschen Sicherheits- und
Verteidigungsindustrie, ihren ausländischen Partnern sowie ihren Kunden Verlässlichkeit gibt. Die Unterstützung von Rüstungsexporten über Government-to-Government-Vereinbarungen bauen wir aus.

Übertroffen wird das Schlüsselwort „Verteidigung“ im Koalitionsvertrag nur noch von dem Wort Wirtschaft, das 39 Mal verwendet wird. Im Vergleich dazu sind die nachfolgenden Worte von geringerer Bedeutung:

  • 20 x Integration

  • 17 x Migration

  • 17 x Bundeswehr

  • 17 x Ukraine

  • 13 x Arbeitsmarkt

  • 12 x Pflege

  • 8 x Rente

  • 7 x Ausweisung

  • 5 x Grundsicherung

  • 4 x Mindestlohn

  • 4 x Grenze und Grenzen

  • 2 x Volk
    3806: Die friesische Volksgruppe, die deutschen Sinti und Roma und das sorbische Volk.

Und was die Deutschen anbelangt?

Im Koalitionsvertrag wird dieses Wort von den nachfolgenden Ausnahmen einmal abgesehen, nicht verwendet, wohl aber 44 Mal als Eigenschaftswort verwendet, zum Beispiel:

899:
Wir stehen zu den
deutschen und europäischen Klimazielen, wohlwissend, dass die Erderwärmung ein globales Problem ist und die Weltgemeinschaft es gemeinsam lösen muss.

Aber:

Auch 35 Jahre nach der Wende scheint es sich bei den Menschen in Ostdeutschland immer noch um eine besondere Art des Deutschseins zu handeln.

72
Wir feiern dieses Jahr 35 Jahre Deutsche Einheit. In den 35 Jahren seit der Wiedervereinigung haben die
Menschen in Ostdeutschland Außergewöhnliches geleistet.

3241 bis 3243
Wir wollen die Repräsentation
Ostdeutscher in Führungspositionen und Entscheidungsgremien in allen Bereichen weiter verbessern. Das Bundeskonzept zur Steigerung des Anteils an Ostdeutschen in Führungspositionen der Bundesverwaltung schreiben wir fort und setzen es konsequent um.

16 Zu guter Letzt

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Nicht an ihren Worten, sondern an ihren Taten sollten Politiker, die Regierungsverantwortung ausüben wollen, gemessen werden. Insoweit stellt sich zurzeit noch nicht die Frage, ob es sich bei den Inhalten des Koalitionsvertrages bereits um die Verbreitung falscher Tatsachenbehauptungen handelt, die nach dem Willen der Koalitionäre in Zukunft pönalisiert werden sollen.

3930 bis 3933
Die bewusste Verbreitung falscher Tatsachenbehauptungen ist durch die Meinungsfreiheit nicht gedeckt. Deshalb muss die staatsferne Medienaufsicht unter Wahrung der Meinungsfreiheit auf der Basis klarer gesetzlicher Vorgaben gegen Informationsmanipulation sowie Hass und Hetze vorgehen können. Systematisch eingesetzte manipulative Verbreitungstechniken wie der massenhafte und koordinierte Einsatz von Bots und Fake Accounts müssen verboten werden.

Da strafbares Handeln im Rechtsstaat Bundesrepublik nicht rückwirkend geschaffen werden darf, werden die Inhalte des Koalitionsvertrages davon auch nicht betroffen sein. Auch dann nicht, wenn es tatsächlich zu einem „Anti-Lügen-Gesetz“ kommen sollte.

Wie dem auch immer sei: Die neue Regierung wird an ihren Taten zu messen sein. Und wie die im Einzelnen aussehen werden, das wird die Zeit zeigen. Nicht das Abarbeiten aller im Koalitionsvertrag aufgelisteten Kuriositäten, wird über den Erfolg oder den Misserfolg entscheiden, von denen hier nur zwei benannt werden, obwohl es weitaus mehr gibt:

3734
Wir wollen die
Schwimmfähigkeit der Menschen in unserem Land verbessern.

Oder:

3589
Eine Regelung zur Abgabe von
Lachgas und GHB/GBL (sogenannte KO-Tropfen) legen wir vor.

Schlusssätze: Ausschlaggebend für den Bestand und den Erfolg der neuen Bundesregierung wird sein, ob die versprochene Politikwende gelingen wird.

Für den Fall aber, dass die Lesart eines Teils der internationalen Presse, die den Koalitionsvertrag mit den nachfolgend aufgeführten 4 Ettiketten zu beschreiben versucht, Wirklichkeit werden sollte, dürfte es für Deutschlands Zukunft nicht gut bestellt sein:

In der Auslandspresse heißt es unter anderem:

Die neue deutsche Regierung ist

  • linkslastig

  • schuldenlustig

  • kriegslüstern und

  • freiheitsfeindlich.

Sollte diese Kurzdiagnose zutreffen, dann dürfte es wieder an der Zeit sein, in der Bibel nach Wahrheit zu suchen. Dort heißt es im Buch der Sprüche wie folgt:

Ihr Törichten, nehmt Vernunft an! (8.5).

Und wenn es tatsächlich das Ziel der neuen Bundesregierung sein sollte, mit großem Aufwand Deutschland wieder kriegsfähig zu machen, dann empfiehlt es sich auch, wieder Wolfgang Borchert zu lesen.

Vor fast achtzig Jahren schrieb der vom II. Weltkrieg schwer gezeichnete Schriftsteller Wolfgang Borchert (1921-1947) seinen letzten Text, dem er folgende Überschrift voranstellte:

Dann gibt es nur eins !“

Sag NEIN !

Bereits in den beiden ersten Zeilen heißt es:

Du. Mann an der Maschine und Mann in der
Werkstatt. Wenn sie dir morgen befehlen, du
sollst keine Wasserrohre und keine Kochtöpfe
mehr machen – sondern Stahlhelme und
Maschinengewehre, dann gibt es nur eins:

Sag NEIN !

Du. Mädchen hinterm Ladentisch und
Mädchen im Büro. Wenn sie dir morgen
befehlen, du sollst Granaten füllen und
Zielfernrohre für Scharfschützengewehre
montieren, dann gibt es nur eins:

Sag NEIN !

Dann gibt es nur eins !
Wolfgang Borchert

17 Quellen

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Endnote_01
Johannes Agnoli. Die Transformation der Demokratie. Konkret Literatur Verlag 2. Auflage 2012
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Endnote_02
Ebd. Johannes Agnoli – Seite 213 Rezension von Sebastian Haffner
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Endnote_03
Colin Crouch. Postdemokratie revisited. Suhrkamp 2021, Seite 39
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Endnote_04
Ebd. Colin Crouch, Seite 21
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Endnote_05
Ebd. Colin Crouch, Seite 270
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Endnote_06
Entwurf Demokratieförderungsgesetz (DFördG), BT-Drucksache 20/5823 vom 1. März 2023.
https://dserver.bundestag.de/btd/20/058/2005823.pdf
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Endnote_07
4.4.2010. Guttenberg spricht von Krieg:
https://www.dw.com/de/guttenberg-spricht-von-krieg/a-5432108
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Endnote_08
Benjamin Abelow: Wie der Westen den Krieg in die Ukraine brachte. Die Rolle der USA und der NATO im Ukraine-Konflikt. Aus dem Englischen übersetzt von Robert Gisshammer. Siland Press - Great Barrington, Massachusetts - ww.benjaminabelow.com – 2022
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Endnote_09
A Fateful Error by George F. Kennan: But something of the highest importance is at stake here. And perhaps it is not too late to advance a view that, I believe, is not only mine alone but is shared by a number of others with extensive and in most instances more recent experience in Russian matters. The view, bluntly stated, is that expanding NATO would be the most fateful error of American policy in the entire post-cold-war era. Sign up for the Opinion Today newsletter Get expert analysis of the news and a guide to the big ideas shaping the world every weekday morning. Get it sent to your inbox. Such a decision may be expected to inflame the nationalistic, anti-Western and militaristic tendencies in Russian opinion; to have an adverse effect on the development of Russian democracy; to restore the atmosphere of the cold war to East-West relations, and to impel Russian foreign policy in directions decidedly not to our liking.
https://www.nytimes.com/1997/02/05/opinion/a-fateful-error.html
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Endnote_10
Zitiert nach:
https://www.nachdenkseiten.de/?p=120486
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Endnote_11
Zitiert nach:
https://www.nachdenkseiten.de/?p=129862
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Endnote_12
George F. Kennan, „A Fateful Error“, The New York Times, 5. Februar 1997
https://www.nytimes.com/1997/02/05/opinion/a-fateful-error.html
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Endnote_13
Thomas L. Friedman, „Foreign Affairs; Now a Word From X“, The New York Times, 2. Mai 1998.
https://www.nytimes.com/1998/05/02/opinion/
foreign-affairs-now-a-word-from-x.html
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Endnote_14
Wolfgang Richter, Oberst a.D.: Seit 2023 ist Wolfgang Richter Associate Fellow beim Genfer Zentrum für Sicherheitspolitik GCSP. Vorher arbeitete er über zehn Jahre lang bei der Stiftung Wissenschaft und Politik in der Forschungsgruppe Sicherheitspolitik zu den Themen europäische Rüstungskontrolle, OSZE-Sicherheitskooperation und ungelöste Konflikte im OSZE-Raum. Von 2005 bis 2009 war er bei der OSZE Leiter des militärischen Anteils der Ständigen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland. Jüngst führten die Online-Publikationen «Telepolis» und «Makroskop» ausführliche Gespräche mit Wolfgang Richter über «Die neue Realität nach der US-Kehrtwende», «Welche Gefahr ist Russland für Europa?», «Die USA haben nach wie vor Interesse an Europa» und «Deutschland wäre das hauptbetroffene Zielgebiet». Sie fanden noch vor dem jüngsten Telefonat zwischen dem US-Präsidenten Donald Trump und dem russischen Präsidenten Wladimir Putin statt. Trotz der diplomatischen Hektik, die seither anhält, sei es zwischen den USA, Russland und der Ukraine, aber auch bei der EU und der westlichen «Koalition der Willigen», die Einschätzungen des Sicherheitsexperten bleiben relevant. Richter positioniert sich zwischen den gängigen Fronten in der Diskussion über den Krieg in der Ukraine.
https://www.telepolis.de/features/Ukraine-Krieg-Die-neue-Realitaet-nach-
der-US-Kehrtwende-10317105.html?seite=all
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Endnote_15
Ukraine-Krieg: Neue Realität nach der Kehrtwende der USA:
https://www.infosperber.ch/politik/ukraine-krieg-neue-
realitaet-nach-der-kehrtwende-der-usa/
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Endnote_16
Tagesschau.de vom 15.11.2024: Scholz telefoniert erstmals seit zwei Jahren mit Putin.
https://www.tagesschau.de/inland/scholz-telefonat-putin-100.html
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Endnote_17
Weltwoche.ch vom 27.3.2025: US-Colonel Macgregor über den Ukraine-Krieg, die Aufrüstung in Europa und die Ziele der US-Regierung.
https://weltwoche.ch/daily/selenskyj-spuckt-uns-ins-gesicht-us-colonel-
macgregor-ueber-den-ukraine-krieg-die-aufruestung-
in-europa-und-die-ziele-der-us-regierung
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Endnote_18
Telepolis.de vom 1.4.2025: Sicherheitspolitik: Experten warnen vor der Panikfalle:
https://www.telepolis.de/features/Sicherheitspolitik-
Experten-warnen-vor-der-Panikfalle-10335824.html
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Endnote_19
Destatis.de vom 29. Januar 2015: Im Jahr 2024 weiterhin ein Fünftel der Bevölkerung von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht.
https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/
2025/01/PD25_036_63.html#:~:text=WIESBADEN%20%E2%80%93%20In%20
Deutschland%20waren%20im,(%20EU%2DSILC%20)%20mitteilt
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Endnote_20
Pressenza.com vom 10.4.2025: Der große Rückschritt: Was der Koalitionsvertrag wirklich bedeutet.
https://www.pressenza.com/de/2025/04/der-grosse-rueckschritt-
was-der-koalitionsvertrag-wirklich-bedeutet/
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Endnote_21
Liberatus.online vom 4.4.2025: Wer am Krieg verdient.
https://libratus.online/de/wer-am-krieg-verdient
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Endnote_22
Carlo Masala: Wenn Russland gewinnt. Ein Szenario. C.H. Beck 2025
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Endnote_23
Bild.de vom 22.3.2025: Militärhistoriker Prof. Sönke Neitzel : „Das könnte unser letzter Sommer im Frieden sein“. https://www.bild.de/politik/inland/putin-angriff-historiker-warnt-koennte-letzter-friedenssommer-sein-67d84e9a7de6aa748383cded
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Endnote_24
BR24 vom 4.2.2025: General Breuer: „Noch nie so bedrohlich wie jetzt gerade“.
https://www.br.de/nachrichten/deutschland-welt/
general-carsten-breuer-lage-nie-so-bedrohlich-wie-jetzt-gerade,UgYpiG9
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