§
244 StGB (Diebstahl mit Waffen; Bandendiebstahl;
Wohnungseinbruchdiebstahl)
Juli 2017
01 Allgemeines
zur Neuregelung des § 244 StGB
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Durch das »Fünfundfünfzigsten
Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches - Wohnungseinbruchdiebstahl
vom 17.07.2017 (BGBl. I S. 2442)«, ist seit dem 22.07.2017 im
§ 244
Abs. 4 StGB der Einbruchsdiebstahl aus dauerhaft zu
Privatzwecken genutzten Wohnungen, als ein Verbrechen im
Sinne von
§ 12 Abs. 1 StGB (Verbrechen und Vergehen) ausgewiesen.
[Hinweis:] Durch das o.g.
Änderungsgesetz wurde auch
§ 100g StPO (Erhebung von
Verkehrsdaten) geändert, so dass nunmehr auf der Grundlage dieser
Befugnis Verkehrsdatenerhebungen auch anlässlich von
Wohnungseinbruchsdiebstählen im Sinne von § 244 Abs. 4 StGB in Betracht
kommen.
Mehr dazu in der Randnummer 6 auf dieser Seite
»Verkehrsdatenerhebungen auf der Grundlage von § 100g StPO«.
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Wohnungseinbruchsdiebstahl im Sinne von
§ 244
Abs. 4 StGB
(Diebstahl mit Waffen; Bandendiebstahl; Wohnungseinbruchdiebstahl).
[Qualifizierung zum
Verbrechen:] Zum Verbrechen wird tatbestandliches Handeln im Sinne
von
§ 244
Abs. 4 StGBB nur dann, wenn es sich bei der Wohnung - in
die eingebrochen wurde - um eine »dauerhaft genutzte Privatwohnung«
handelt. Auf andere Wohnungen, denen es am Merkmal der »dauerhaften
Privatnutzung«
fehlt, findet der Qualifizierungstatbestand des § 244 Abs. 4 StGB
keine Anwendung.
In solchen Fällen ergibt sich das
Strafmaß weiterhin aus § 244 Abs. 1 StGB, weil es sich dann lediglich um
einen »Einbruch« im Sinne von § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB handelt. Für
Einbruchdiebstähle in Wohnungen, die unter die Regelung von § 244 Abs. 1
Nr. 3 StGB fallen, sieht das Gesetz, im Gegensatz zu § 244 Abs. 4,
weiterhin Regelungen für minder schwere Fälle vor.
Von einem Verbrechen im Sinne von
§ 244 Abs. 4 StGB ist im folgenden Beispiel auszugehen:
[Beispiel:] Ein Täter bricht mit einer Brechstange die Terrassentür
eines Hauses, in dem die Familie Meier seit Jahre wohnt auf, richtet im
Haus der Familie ein Chaos an und entwendet eine Vielzahl wertvoller
Gegenstände. Rechtslage?
Offenkundig handelt es sich in
diesem Beispiel um einen Wohnungseinbruch im Sinne von
§ 244
Abs. 4 StGB (Diebstahl mit Waffen; Bandendiebstahl;
Wohnungseinbruchdiebstahl), weil der Täter sich gewaltsam Zugang zu
einer Wohnung verschafft, die dauerhaft als Privatwohnung genutzt wird.
Die Tat qualifiziert sich dadurch
zu einem Verbrechen.
Im Gegensatz dazu handelt es sich
im folgenden Beispiel nicht um einen Wohnungseinbruchdiebstahl im Sinne
von § 244 Abs. 4 StGB:
[Beispiel:] Ein Täter bricht die Hintertür eines
Fernsehfachgeschäftes auf. In dem Haus, in dem sich das
Geschäft befindet, wohnen in den oberen Geschossen mehrere
Mietparteien. Der Täter entwendet Elektrogeräte im Wert von 10 000 Euro.
Die Privatwohnungen interessieren den Täter nicht. Rechtslage?
Offenkundig ist, dass das
Fernsehfachgeschäft nicht die Merkmale einer »dauerhaft genutzten
Privatwohnung« erfüllt. Allein deshalb kann es sich bei der Tat nicht um
ein Verbrechen handeln.
Zwar kann dem Täter ein
»Einbruchdiebstahl« vorgeworfen werden, bei dem es sich aber nicht um
eine Straftat im Sinne von
§ 244
StGB (Diebstahl mit
Waffen; Bandendiebstahl; Wohnungseinbruchdiebstahl) sondern um einen
besonders schweren Fall des Diebstahls im Sinne von
§ 243 StGB
(Besonders schwerer Fall des Diebstahls) handelt, weil nicht in eine
Wohnung, sondern in ein Geschäftsraum eingebrochen wird. Bei dieser Tat handelt es sich um ein Vergehen.
Dort heißt es:
(1) Mit
Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer
1.
zur Ausführung der Tat in ein Gebäude, einen
Dienst- oder Geschäftsraum oder in einen anderen
umschlossenen Raum einbricht, einsteigt, mit einem falschen Schlüssel
oder einem anderen nicht zur ordnungsmäßigen Öffnung bestimmten Werkzeug
eindringt oder sich in dem Raum verborgen hält.
[Hinweis:] Es würde zu weit
führen, bereits an dieser Stelle die vielen Problemstellungen
darzustellen, die sich aus der gesetzlichen Neufassung des
§ 244
Abs. 4 StGB (Diebstahl mit Waffen; Bandendiebstahl;
Wohnungseinbruchdiebstahl) ergeben. Diese werden im Rahmen dieses
Kapitels
mit gebotener fachlicher Gründlichkeit an anderer Stelle erörtert.
[BT-Drucks. 18/12359:] Im
Gesetzesentwurf, BT-Ducks. 18/12359 vom 15.05.2017 heißt es zum
Verbrechenstatbestand des »Wohnungseinbruchdiebstahls in dauerhaft
genutzte Privatwohnungen« u.a.:
»Wohnungseinbruchdiebstähle
stellen einen schwerwiegenden Eingriff in den persönlichen Lebensbereich
von Bürgern dar, der neben den finanziellen Auswirkungen gravierende
psychische Folgen und eine massive Schädigung des Sicherheitsgefühls zur
Folge haben kann. Dem wird der Strafrahmen im Falle des
Einbruchdiebstahls in eine dauerhaft genutzte Privatwohnung nicht
gerecht. Zudem erscheint die Möglichkeit der Strafmilderung, die § 244
Absatz 3 des Strafgesetzbuches (StGB) auch für den Fall des
Wohnungseinbruchdiebstahls eröffnet, angesichts der Schwere der
Rechtsgutsverletzung nicht sachgerecht, sofern Tatobjekt eine dauerhaft
genutzte Privatwohnung ist.«
Auf Seite 7 heißt es:
»Der Einbruchdiebstahl in eine
dauerhaft genutzte Privatwohnung wird als neuer Absatz 4 mit einem
verschärften Strafrahmen (Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn
Jahre) ergänzt und wird damit ein Verbrechen darstellen (§ 12 Absatz 1
StGB). Dies trägt dem schwerwiegenden Eingriff in den persönlichen
Lebensbereich effektiver Rechnung. Flankierend dazu soll die
Strafzumessungsregelung des minder schweren Falles in § 244 Absatz 3 des
StGB nur noch für den Diebstahl mit Waffen, den Bandendiebstahl und den
Wohnungseinbruchdiebstahl (§ 244 Absatz 1 Nummern 1 bis 3 StGB)
angewendet werden können.«
Und in Bezug auf den
Wohnungsbegriff heißt es in der BT-Drucks. 18/12359:
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat im
Beschluss vom 24. April 2008 – 4 StR 126/08 ausgeführt, dass ausgehend
von der Auslegung des
§ 123 StGB der Begriff der Wohnung grundsätzlich
alle abgeschlossenen und überdachten Räume umfasst, die Menschen
zumindest vorübergehend als Unterkunft dienen.
Mit Blick auf die Motive des
Gesetzgebers, neben dem Schutz des Eigentums den verstärkten Schutz der
häuslichen Privat- und Intimsphäre zu verstärken, scheidet nach dem BGH
die Anwendbarkeit aus, wenn der Täter in Räumlichkeiten einsteigt oder
einbricht, die nicht diesem besonderen Schutzbereich zuzuordnen sind.
Der BGH zählt zu dem Begriff der
Wohnung auch die Kellerräume eines Einfamilienhauses (BGH, Beschluss vom
8. Juni 2016 – 4 StR 112/16), also Räumlichkeiten, die nicht vom
Wohnbereich getrennt sind, Hotelzimmer (BGH, Beschluss vom 3. Mai 2001 –
4 StR 59/01) und Wohnmobile und Wohnwagen jedenfalls dann, wenn sie
Menschen vorübergehend zur Unterkunft dienen (BGH, Beschluss vom 11.
Oktober 2016 – 1 StR 462/16). [En01] 1
[Anmerkung:] Dennoch lässt
die Gesetzesbegründung im Hinblick auf den Qualifizierungstatbestand des
Wohnungseinbruchdiebstahls eine Vielzahl von Fragen offen, die an dieser
Stelle in Anlehnung an drei Beispiele nur grob skizziert werden.
[Beispiel:] Ein Täter bricht eine Terrassentür eines Wohnhauses auf,
richtet dort ein Chaos an und stiehlt eine Vielzahl von Gegenständen von
erheblichem Wert. Rechtslage?
Es handelt sich um einen
Wohnungseinbruchsdiebstahl im Sinne von § 244 Abs. 4 StGB und somit um
ein Verbrechen.
[Beispiel:] Ein Täter öffnet ein auf »Kipp« stehendes Fenster
eines Wohnhauses im Erdgeschoss, um durch das nunmehr offene Fenster in
die Wohnung einzusteigen. Dort richtet er ein Chaos an und stiehlt eine
Vielzahl von Gegenständen von erheblichem Wert. Rechtslage?
Der Täter ist in eine dauerhaft
genutzte Privatwohnung eingedrungen. Festzustellen ist, dass er dazu
keine Gewalt anzuwenden brauchte, denn das Fenster ließ sich problemlos
öffnen, so dass die Merkmale eines »Einbruchs« nicht gegeben sind.
Festzustellen ist, dass der Täter in die Wohnung »eingestiegen« ist. Das
Tatbestandsmerkmal des Einsteigens ist immer dann erfüllt, wenn der
Täter durch eine nicht zum ordnungsgemäßen Betreten vorgesehene Öffnung
sich Zugang zu einer Wohnung verschafft. Fraglich ist somit, ob die
Begehungsweise des »Einsteigens in eine dauerhaft genutzte Privatwohnung« einen Diebstahl ebenfalls zu einem
Verbrechen qualifiziert.
Das ist nicht der Fall,
weil der Täter lediglich in eine dauerhaft genutzte Privatwohnung
»einsteigt« und somit keine Gewalt anwenden muss, um sich Zugang zu
einer Wohnung zu verschaffen. Der Täter handelt somit nur tatbestandlich
im Sinne von § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB.
Dazu später mehr.
[Beispiel:] Ein Täter öffnet ein auf »Kipp« stehende Terrassentür
eines Wohnhauses im Erdgeschoss, um durch die nunmehr offene Tür die
Wohnung zu betreten. Dort richtet er ein Chaos an und stiehlt eine
Vielzahl von Gegenständen von erheblichem Wert. Rechtslage?
Dass der Täter eine Wohnung
betreten hat (in sie eingedrungen ist), um dort zu stehlen, dürfte unstrittig sein. Um in die
Wohnung zu gelangen, war es aber nicht erforderlich, »einzubrechen«,
oder durch eine nicht zum Betreten der Wohnung bestimmte Tür sozusagen
in die Wohnung »einzusteigen«.
Da keine Begehungsweise in
Betracht kommt, die sowohl vom
§ 244 StGB (Diebstahl mit Waffen;
Bandendiebstahl; Wohnungseinbruchdiebstahl) als auch von
§ 243
Abs. 1 Nr. 1 StGB (Besonders schwerer Fall des
Diebstahls) erfasst ist, handelt es sich bei diesem Diebstahl nur um
eine Straftat im Sinne von
§ 242 StGB (Diebstahl).
Für die Geschädigten der Tat wird
bei ihrer Rückkehr in ihr Haus in allen oben geschilderten Beispielen
eine »Welt« zusammenbrechen, denn von nun an müssen sie mit der
Vorstellung leben, dass sie nicht einmal in ihrem Haus, in ihrem
individuellen Rückzugsraum, sicher sind.
Nur bei der korrekten Anwendung
geltenden Rechts wird deutlich, dass sich die oben skizzierten Beispiele
dennoch deutlich voneinander unterscheiden.
01.1
Wohnungseinbruchsdiebstahl im polizeilichen Berufsalltag
TOP
Für Polizeibeamte ist durch die
Neuregelung von
§ 244
Abs. 4 StGB (Diebstahl mit Waffen;
Bandendiebstahl; Wohnungseinbruchdiebstahl) die Arbeit vor Ort nicht
unbedingt einfacher geworden. Zumindest dann nicht, wenn ein Täter auf
frischer Tat betroffen wurde und nicht sofort offenkundig ist,
-
ob es sich bei dem Tatort um
eine dauerhaft genutzte Privatwohnung im Sinne von § 244 Abs. 4 StGB
oder
-
um eine Wohnung im Sinne von §
244 Abs. 1 Nr. 3 StGB handelt oder
-
Zweifel dahingehend bestehen,
ob dem Täter eine schwere Begehungsweise im Sinne von §
244 Abs. 1 Nr. 3 StGB vorgeworfen werden kann.
Außerdem ist zu klären, ob sich
die Tat überhaupt schon im Versuchsstadium befindet. Diese Problematik
soll am folgenden Beispiel dargestellt werden:
[Beispiel:] Über 110 teilt ein Wohnungsinhaber der Polizei mit, dass
sich eine fremde Person auf seinem Grundstück befindet und dort mit
einer Taschenlampe herumleuchtet. Polizeibeamte, die sich in
unmittelbarer Nähe befinden, werden sofort eingesetzt. Im Garten des
Anrufers nehmen sie einen Mann fest, der gerade mit einer Taschenlampe
die Rollläden der Terrassentüren und die der Fenster ausleuchtet. Der
Mann führt eine Tasche mit sich, in der sich Einbruchswerkzeug befindet.
Der Tatverdächtige hatte einen Gartenweg benutzt, um hinter das Haus zu
gelangen. Steht der Mann im Verdacht, ein Verbrechen im Versuchsstadium
begangen zu haben, denn das Haus, das er mit seiner Taschenlampe
ableuchtet, wird von einer Familie dauerhaft zu Privatzwecken bewohnt?
Um auf diese Fragen eine
angemessene Antwort finden zu können, ist es erforderlich, sich zuerst
einmal systematisch und mit erforderlicher fachlicher Gründlichkeit mit
den Fragen auseinanderzusetzen, die sich im Zusammenhang mit
§ 244 StGB (Diebstahl mit Waffen; Bandendiebstahl;
Wohnungseinbruchdiebstahl) zwangsläufig stellen.
Diese grundlegenden Fragen werden in den beiden folgenden Randnummern
erörtert.
01.2
Grundtatbestand und Versuch
TOP
Für jedes Diebstahlsdelikt gilt,
dass der Täter nur dann tatbestandlich handelt, wenn er die objektiven
und subjektiven Tatbestandsmerkmale des Grundtatbestands, siehe
§ 242
StGB (Diebstahl) erfüllt hat.
Zum objektiven Tatbestand des
Diebstahls gehören die nachfolgend aufgeführten Tatbestandsmerkmale:
-
Sache
-
fremd
-
beweglich
-
Wegnahme.
Zum subjektiven Tatbestand zählt
die Absicht rechtswidriger Selbst- oder Drittzueignung.
Die objektiven Merkmale müssen
vorsätzlich erfüllt werden. Der Täter muss also bewusst und gewollt eine
fremde bewegliche Sache wegnehmen, also Gewahrsam gebrochen haben.
Das subjektive Tatbestandsmerkmal
der Zueignung setzt
Absicht voraus. Es muss dem Täter also darauf ankommen, sich die Sache
selbst oder einem Dritten zuzueignen (strengste Vorsatzform), also mit
der Sache so umgehen zu wollen, wie das dem Eigentümer möglich ist.
§ 242 StGB
(Diebstahl) ist der Grundtatbestand aller Diebstahlsdelikte.
Das heißt, dass alle anderen
Diebstahlsdelikte § 242 StGB voraussetzen. Das sind folgende Delikte:
-
Besonders schwerer Diebstahl
(§ 243 StGB).
-
Diebstahl mit Waffen;
Bandendiebstahl; Wohnungseinbruchdiebstahl (§ 244 StGB)
-
Schwerer Bandendiebstahl (§
244a StGB)
-
Haus- und Familiendiebstahl (§
247 StGB)
-
Diebstahl geringwertiger
Sachen (§ 248a StGB)
[Versuch:] Beim Versuch
eines Diebstahls handelt es sich um eine Straftat, bei der es sich in
der Regel ebenfalls um ein Vergehen handelt. Lediglich im Zusammenhang mit
§ 244
Abs. 4 StGB qualifiziert sich die Tat bereits dann zu einem
Verbrechen, wenn sie sich noch im Versuchsstadium befindet, denn
auch der Versuch eines Verbrechens ist ein Verbrechen.
Für die Polizei ergeben sich durch
diese Besonderheit dann Probleme, wenn zum Beispiel tatverdächtige
Personen auf frischer Tat betroffen werden aber noch keine Anstalten
gemacht haben, in eine dauerhaft genutzte Privatwohnung einzubrechen.
[Hinweis:] Täter, die ein
mögliches Objekt ihrer Tat mit einer Taschenlampe lediglich ableuchten,
um so in Erfahrung zu bringen, an welcher Stelle sie ihr Vorhaben am
Besten durchsetzen können, legen zumindest aus polizeilicher Sicht die Vermutung nahe, dass hier
für jedermann erkennbar, der Versuch einer Straftat begonnen wird.
Das ist aber nicht der Fall.
Mehr dazu in der folgenden
Randnummer.
01.3 Versuch
und Wohnungseinbruchsdiebstahl
TOP
Wie schwer es für einschreitende
Polizeibeamte sein kann, vorgefundene polizeiliche Einsatzlagen
sachgerecht zu bewerten, soll folgendes Beispiel verdeutlichen. Im
Gegensatz zum oben bereits geschilderten Beispiel wurde der nachfolgend
skizzierte Fall 2016 von den Richtern des BGH entschieden:
[Beispiel:] Über Notruf teilt ein Hauseigentümer der Polizei mit,
dass er gerade gesehen hat, wie ein Mann über eine hüfthohe Gartentür
gestiegen ist, die sein Haus von seiner Garage trennt. Der Anrufer sagt:
»Jetzt ist der Mann hinter meinem Haus auf der Terrasse. Hier im Haus
ist alles dunkel. Kommen Sie bitte sofort!« Als polizeiliche
Einsatzkräfte, die zufälligerweise ganz in der Nähe Streife fahren, am Tatort eintreffen, können sie einen Mann festnehmen,
der gerade dabei ist, mit einer Taschenlampe die Rollos der
Terrassentüren auszuleuchten. Zu konkreten Einbruchshandlungen ist es
jedoch noch nicht gekommen, obwohl der Mann eine Tasche mit
Einbruchswerkzeugen vor sich auf die Terrasse gestellt hat. Rechtslage?
Wie oben bereits festgestellt ist
es naheliegend, dass Polizeibeamte bei solch einer vorgefundenen Lage
davon ausgehen, dass es sich bei der Tat um einen versuchten
Wohnungseinbruchsdiebstahl handelt, also um den Versuch eines
Verbrechens.
[BGH 2016:] Der BGH
vertritt eine andere Rechtsauffassung. Im Beschluss des BGH vom
20.09.2016 - BGH 2 StR 43/16 heißt es:
[Kurzfassung:] Der Versuch
eines (Wohnungs-)Einbruchsdiebstahls beginnt erst mit dem unmittelbaren
Ansetzen zur Tathandlung des Grunddelikts. Allein das Eindringen in den
Garten ist noch kein versuchter Einbruchdiebstahl.
Im Beschluss heißt es:
[Rn. 2:] Nach den
getroffenen Feststellungen ist nicht dargetan, dass die Angeklagten im
Sinne von
§ 22 StGB bereits unmittelbar zur Verwirklichung des
Wohnungseinbruchsdiebstahls nach § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB angesetzt
haben.
[Anmerkung:] Die
Neuregelung des § 244 Abs. 4 StPO gab es zum Zeitpunkt dieses
Beschlusses noch nicht.
[Rn. 4:] Das unmittelbare
Ansetzen zur Tatbestandsverwirklichung besteht in einem Verhalten des
Täters, das nach seiner Vorstellung in ungestörtem Fortgang ohne
Zwischenakte zur - vollständigen - Tatbestandserfüllung führt oder im
unmittelbaren räumlichen und zeitlichen Zusammenhang in sie einmündet.
Diese Voraussetzung kann schon gegeben sein, bevor der Täter eine der
Beschreibung des gesetzlichen Tatbestandes entsprechende Handlung
vornimmt; regelmäßig genügt es allerdings, wenn der Täter ein Merkmal
des gesetzlichen Tatbestandes verwirklicht. Es muss aber immer das, was
er zur Verwirklichung seines Vorhabens unternimmt, zu dem in Betracht
kommenden Straftatbestand in Beziehung gesetzt werden (...).
[Rn. 5:] Nach diesen
Maßstäben haben die Angeklagten noch nicht - wie es für einen Versuch
des § 242 StGB notwendig ist - zum Gewahrsamsbruch angesetzt. Das
Eindringen in den Garten über das Gartentor reicht nicht aus. Zum einen
sollte nach der Vorstellung der Angeklagten nicht im Garten, sondern in
dem durch weitere Sicherungen geschützten Haus auf dem Grundstück nach
Stehlenswertem gesucht werden (...). Zum anderen ergibt sich aus den
Feststellungen nicht, ob das Gartentor nach seiner Funktion als
wesentlicher Schutz des Hauses anzusehen ist oder etwa durch einfaches
Öffnen oder Übersteigen überwunden werden konnte. So ist nicht
dargelegt, dass schon in dem Eindringen auf das Grundstück ein Ansetzen
zum Gewahrsamsbruch liegt. [En02] 2
[Hinweis:] Natürlich ist es
nicht polizeiliche Aufgabe, vor Ort Straftatbestände mit der Sorgfalt
und Gründlichkeit zu beurteilen, wie das Richtern im Anschluss an die
abgeschlossenen Ermittlungen möglich ist. Dennoch sollte von
Polizeibeamten - auch im Hinblick auf erforderlich werdende
Folgemaßnahmen - erwartet werden können, dass es ihnen auch in
eilbedürftigen polizeilichen Einsatzlagen möglich ist, zwischen einem
Vergehen und einem Verbrechen intuitiv richtig entscheiden zu
können, zumal andere Gerichte vergleichbare Fälle »anders« entschieden
haben.
Das betrifft auch Fragen des Versuchs.
[KG Berlin 2014:] Dem
Beschluss des Kammergerichts Berlin vom 18. Februar 2014 · Az. (3) 161
Ss 248/13 (13/14) lag folgender leicht abgeänderter Fall zugrunde:
[Anlass:]
Der Tatverdächtige wurde mit einem Seitenschneider in der Hand in einer
Gaststätte angetroffen, die er durch eine unverschlossene Tür betreten
konnte. Zur Sicherung vor dem Ertapptwerden hatte er eine Kiste hinter
die Eingangstüre gestellt. Er wurde ergriffen, als er sich nach
möglichem Diebesgut umsah.
Zur Versuchshandlung heißt es in
dem Beschluss wie folgt:
[Rn. 3:] Das nach
§ 22 StGB
erforderliche unmittelbare Ansetzen [zur Tat = AR] liegt spätestens in
dem Eindringen in fremdes Besitztum vor, sofern es mit dem bestimmten
Willen geschieht, etwas (nicht notwendig bereits Bestimmtes) zu stehlen
(...). Es kann sogar bereits darin bestehen, dass sich der Täter vor der
Räumlichkeit befindet, die er auf Stehlenswertes durchsuchen will (...),
wenn er nämlich die naheliegende Möglichkeit des Bruchs fremden
Gewahrsams geschaffen hat (...). Des von allen Revisionsführern für
erforderlich gehaltenen Ergreifens oder sogar »Bereitstellens« von
Diebesgut bedarf es nicht. [En03] 3
[Hinweis:] Dass so
gravierend voneinander abweichenden Rechtsauffassungen sich für
sachgerechte polizeiliche Entscheidungen vor Ort kaum eignen, wird jede
Polizeibeamtin und jeder Polizeibeamte bestätigen können, denn vor Ort
sind Entscheidungen zu treffen, ohne vorher mit großem Zeitaufwand in
Kommentaren oder Rechtsprechungsdatenbanken nach der jeweils
herrschenden Rechtsauffassung suchen zu können.
In den folgenden Randnummern
werden deshalb zuerst einmal mit gebotener fachlicher Gründlichkeit die
Begehungsarten im Einzelnen erörtert, die einen Diebstahl zu einem
schweren Diebstahl im Sinne von
§ 244 StGB (Diebstahl mit Waffen;
Bandendiebstahl; Wohnungseinbruchdiebstahl) machen.
02 § 244 Abs. 1
Nr. 1: Waffe, gefährliches Werkzeug, sonstiges Mittel
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Gemäß
§ 244
Abs. 1 Nr. 1 StGB
(Diebstahl mit Waffen; Bandendiebstahl; Wohnungseinbruchdiebstahl) wird
mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft, wer:
»1. einen Diebstahl begeht, bei dem
er oder ein anderer Beteiligter a) eine Waffe oder ein anderes
gefährliches Werkzeug bei sich führt, b) sonst ein Werkzeug oder Mittel
bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder
Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden.«
[Beisichführen einer
Waffe/eines gefährlichen Werkzeugs:] Der Gesetzgeber will mit § 244
Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a) StGB die abstrakte Gefährlichkeit des
»Bei-sich-Führens« einer Waffe oder eines gefährlichen Werkzeuges
erfassen, weil in diesen Fällen die latente Gefahr des Einsatzes solcher
Gegenstände als Nötigungsmittel besteht.
Es ist keine Verwendungsabsicht
erforderlich, wenn der Täter Waffen oder gefährliche Werkzeuge bei sich
führt. Es reicht aus, wenn der Täter o.g. Gegenstände am Körper (in der
Kleidung) oder in Rucksäcken oder Taschen jederzeit griffbereit »bei
sich führt«.
[Waffen:] Waffe i.S.v. §
244 Abs. 1 Nr. 1 StGB ist jeder Gegenstand im Sinne des Waffengesetzes,
z. B. Schusswaffen, Hieb-, Stich- und Würgewaffen. Im
§ 1 Abs. 2
WaffG (Gegenstand und Zweck des Gesetzes, Begriffsbestimmungen) ist
definiert, was unter einer Waffe zu verstehen ist.
Dort heißt es:
(2) Waffen sind 1. Schusswaffen
oder ihnen gleichgestellte Gegenstände und 2. tragbare Gegenstände, a) die ihrem Wesen nach dazu
bestimmt sind, die Angriffs- oder Abwehrfähigkeit von Menschen zu
beseitigen oder herabzusetzen, insbesondere Hieb- und Stoßwaffen; b) die, ohne dazu bestimmt zu
sein, insbesondere wegen ihrer Beschaffenheit, Handhabung oder
Wirkungsweise geeignet sind, die Angriffs- oder Abwehrfähigkeit von
Menschen zu beseitigen oder herabzusetzen, und die in diesem Gesetz
genannt sind.
Welche Gegenstände im Sinne des
Waffengesetzes als Waffen oder als Gegenstände anzusehen sind, die mit
Waffen vergleichbar sind, so genannte verbotene Gegenstände, darüber
gibt die
Anlage 2 Abschnitt 1 Nr. 1.3.4 zum WaffG umfassend
Auskunft.
[Verbotene Gegenstände, die
Waffen gleichgestellt sind:] Dazu gehören insbesondere:
-
Stahlruten
-
Totschläger Schlagringe
-
Wurfsterne
-
Gegenstände, bei denen leicht
entflammbare Stoffe so verteilt und entzündet werden, dass
schlagartig ein Brand entstehen kann; oder in denen unter Verwendung
explosionsgefährlicher oder explosionsfähiger Stoffe eine Explosion
ausgelöst werden kann wie z.B.: - Präzisionsschleudern -
Nun-Chakus -Elektroimpulsgeräte.
[Hinweis:] Einigkeit
besteht darüber, dass ungeladene Schusswaffen, die nicht sofort
einsatzbereit gemacht werden können, keine Waffen sind.
[Gefährliche Werkzeuge:]
Das Waffengesetz kennt den unbestimmten Rechtsbegriff eines gefährlichen
Werkzeuges nicht. Es kann sich somit bei gefährlichen Werkzeugen im
Sinne von § 244 Abs. 1 Nr. 1 b) StGB nur um solche Gegenstände handeln,
die vom Waffengesetz und der dazugehörigen Anlage 2 nicht erfasst
sind.
[OLG Celle 2008:] Im
Zusammenhang mit § 244 Abs. 1 Nr. 1 StGB (Diebstahl mit Waffen;
Bandendiebstahl) hat das OLG Celle den BGH aufgefordert, zu der Frage
Stellung zu nehmen, was unter einem gefährlichen Werkzeug zu verstehen
ist.
Die Frage des OLG lautete
sinngemäß:
Ist ein »anderes gefährliches
Werkzeug« gemäß § 244 Abs. 1 Nr. 1. a) StGB ein Tatmittel, das allein
nach seiner objektiven Beschaffenheit geeignet ist, erhebliche
Verletzungen zuzufügen, oder können Gebrauchsgegenstände, die nicht zur
Verletzung von Personen bestimmt sind, als gefährliche Werkzeuge
angesehen werden, wenn sie nicht sozialadäquat benutzt werden?
[BGH 2008:] Mit Beschluss
vom 3. Juni 2008 hat sich der BGH - 3 StR 246/07 dazu wie folgt
positioniert:
[Rn. 16:] Mit »der
Formulierung »Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug« wurde »das
gefährliche Werkzeug in § 244 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a) StGB als
Oberbegriff des Qualifikationstatbestandes eingeführt. [...]. Unter den
somit nach neuem Recht von dem Begriff des gefährlichen Werkzeugs mit
umfassten Waffen sind nach einhelliger Meinung solche im technischen
Sinne zu verstehen, das heißt Gegenstände, die nach ihrer Art für
Angriffs- oder Verteidigungszwecke bestimmt und zur Verursachung
erheblicher Verletzungen generell geeignet sind (...). Sie unterscheiden
sich von anderen gefährlichen Werkzeugen bezüglich der ihnen
innewohnenden generellen Bestimmung. Während Waffen zum Einsatz als
Angriffs- oder Verteidigungsmittel bestimmt sind, ist dies bei anderen
gefährlichen Werkzeugen nicht der Fall.
[Rn. 17:] Der Gesetzgeber
hat den Begriff des gefährlichen Werkzeugs dem Straftatbestand der
gefährlichen Körperverletzung (...) entnommen. Er war der Ansicht, auf
die zu dieser Vorschrift entwickelten Auslegungskriterien könne auch bei
der Interpretation des wortlautgleichen Tatbestandsmerkmals des § 244
Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a) StGB zurückgegriffen werden (...). [En04]
4
[Mitführen von Taschenmessern:]
Diesbezüglich heißt es im o.g. BGH-Beschluss aus 2008 wie folgt:
[Rn. 37:] Messer, die nicht
ohnehin als Angriffs- oder Verteidigungsmittel konstruiert sind und wie
etwa Spring-, Fall-, Faust- oder Faltmesser zu den Waffen im technischen
Sinne gehören, erfüllen nach ständiger Rechtsprechung, von der
abzuweichen kein Anlass besteht, regelmäßig die Voraussetzungen eines
anderen gefährlichen Werkzeugs im Sinne des § 244 Abs. 1 Nr. 1 Buchst.
a) StGB (...). Die von ihnen ausgehende hohe abstrakte Gefahr, die Grund
für die Strafschärfung durch den Qualifikationstatbestand des § 244 Abs.
1 Nr. 1 Buchst. a) StGB ist, ist evident und kommt derjenigen von Waffen
im technischen Sinne zumindest nahe.
[Rn. 38:] Dies gilt in
vergleichbarer Weise für Taschenmesser mit einer längeren Klinge (...).
Auch diese sind objektiv zum Schneiden und Stechen bestimmt und nach
ihrer Beschaffenheit hierzu geeignet. Von einem sonstigen Messer
unterscheiden sie sich im Wesentlichen lediglich dadurch, dass die
Klinge von Hand ausgeklappt werden muss. Dieser Umstand nimmt [...]
einem Taschenmesser aber nicht seine objektive Gefährlichkeit. Ein
solches Messer kann wie jedes andere jederzeit gegen Personen gebraucht
werden und im Falle seines Einsatzes dem Opfer erhebliche, unter
Umständen sogar tödliche Verletzungen zufügen. Die latente Gefahr, die
von einem derartigen, von dem Dieb bei der Tat bei sich geführten
Taschenmesser ausgeht, ist deshalb nicht in einem Umfang geringer als
diejenige von sonstigen Messern mit einer vergleichbar langen
feststehenden Klinge, dass nach dem Zweck der Norm eine unterschiedliche
Bewertung gerechtfertigt wäre.
[Mitführen eines sonstigen
Werkzeuges oder Mittels mit Gebrauchsabsicht:] Dazu können ganz
normale Gebrauchsgegenstände gehören, wenn sie in der Absicht bei der
Begehung von Diebstählen mitgeführt werden, um durch den
zweckentfremdeten Gebrauch dieser Gegenstände den Widerstand einer
anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder
zu überwinden.
In Betracht kommen u.a.:
-
Schraubenzieher
-
Brechstangen
-
Stemmeisen u.a.
[Taschenmesser sind gefährliche
Werkzeuge:] Im o.g. Beschluss des BGH heißt es nämlich in Bezug auf
»Taschenmesser« bereits im Entscheidungstenor:
»Ein Taschenmesser ist
grundsätzlich ein gefährliches Werkzeug im Sinne des § 244 Abs. 1 Nr. 1
Buchst. a) StGB; dies gilt unabhängig davon, ob der Dieb es allgemein
für den Einsatz gegen Menschen vorgesehen hat.«
Der Entscheidung lag folgender
Anlass zugrunde:
[Anlass:]
Der Angeklagte begab sich in einen Lebensmittelmarkt. An seinem Gürtel
führte er ein klappbares Taschenmesser mit einer längeren Klinge bei
sich, um von Whiskeyflaschen, die er stehlen wollte, die
Sicherungsetiketten abzuschneiden. Der Angeklagte nahm drei Flaschen
Whiskey aus einem Regal, ging einen Gang weiter, entfernte dort mit dem
Messer die Sicherungsetiketten und verließ das Geschäft, ohne zu
bezahlen.
Das Amtsgericht folgte der
Einlassung des Angeklagten, er habe das Messer keinesfalls gegen
Menschen einsetzen wollen.
Dieser Rechtsauffassung folgte der
BGH nicht.
[Rn. 26:] Bezugnehmend auf
die unterschiedlichen Rechtsauffassungen in der Rechtsprechung und in
der Lehre stellen die Richter des BGH fest, »dass das bloße
Beisichführen von Alltagsgegenständen wie Kugelschreibern, Gürteln,
Krawatten, Miniaturschraubenziehern oder Schlüsseln nicht unter den
Qualifikationstatbestand zu fassen sind.«
Darüber hinausgehend verweisen die
Richter auf die unterschiedlichsten Rechtsmeinungen in der Lehre und
stellen fest:
[Rn. 27:] Bereits die
Anzahl der [in der Rechtslehre unterschiedlich vertretenen]
Lösungsansätze weist darauf hin, dass die Fassung des § 244 Abs. 1 Nr. 1
Buchst. a) StGB missglückt ist. Diese lässt von vornherein keine
Auslegung des Begriffs des »anderen gefährlichen Werkzeugs« zu [...].
Der Senat sieht deshalb davon ab, im vorliegenden Fall über die
Beantwortung der präzisierten, dem konkreten Sachverhalt angepassten
Rechtsfrage hinaus den Versuch zu unternehmen, das Tatbestandsmerkmal
»anderes gefährliches Werkzeug« im Sinne des § 244 Abs. 1 Nr. 1 Buchst.
a) StGB allgemeingültig zu definieren.
[Rn. 29:] Den in
Rechtsprechung und Literatur vertretenen Auffassungen, die bei der
Bestimmung des Begriffs des anderen gefährlichen Werkzeugs auf
eingrenzende subjektive Kriterien wie eine - gegebenenfalls generelle -
Verwendungsabsicht, einen »Verwendungsvorbehalt« oder einen
»Widmungsakt« des Täters abstellen, vermag der Senat nicht zu
folgen.
Mit anderen Worten:
Die objektive Beschaffenheit eines
Gegenstandes ist somit allein maßgebend, ob ein Werkzeug oder ein Mittel
als gefährlich anzusehen ist. So ist zum Beispiel eine Schere kein
gefährliches Werkzeug, wenn damit Haare, Stoffe oder Papier geschnitten
werden (ungefährlicher Gebrauch einer Schere). Anders ist zu
entscheiden, wenn mit der Schere auf Menschen eingestochen wird.
Gleiches gilt für Schraubenzieher, Brechstangen und Stemmeisen, wenn sie
bei der Begehung von Diebstählen zum Einsatz kommen.
Keine gefährlichen Werkzeuge sind
somit die sonstigen Werkzeuge oder Mittel.
Angesichts der extensiven
Auslegung des Tatbestandsmerkmals »gefährliches Werkzeug« kommen aber
wohl nur wenige Gegenstände als »sonstige Werkzeuge« oder »Mittel« in
Betracht. Im Wesentlichen handelt es sich dabei um ungeladene Waffen,
sofern sie nicht als Schlagwerkzeuge in Betracht kommen,
Waffenattrappen, Scheinwaffen und »Spielzeugwaffen« und alle
Gegenstände, die nicht gefährlich eingesetzt werden, z.B. Klebeband zur
Fesselung, Äther, Chloroform, versprühbarer Pfeffer etc.
02.1
Schraubendreher als gefährliches Werkzeug?
TOP
Mit Urteil vom 05.05.2009 hat das
OLG Stuttgart - 4 Ss 144/09 sich zur Gefährlichkeit eines
Schraubendrehers, der bei der Tatausführung benutzt und somit auch bei
der Tatbegehung vom Täter bei sich geführt wurde, wie folgt
positioniert:
[Anlass:]
Der Täter hatte mehrfach mit einem 20 cm langen Schraubendreher
Eingangstüren aufgehebelt und im Anschluss daran Diebstähle begangen. Er
wurde wegen Diebstahls mit Waffen verurteilt.
Im Urteil heißt es bereits im
Entscheidungstenor:
Ein Einbruchswerkzeug
(Schraubendreher) ist nur dann ein »anderes gefährliches Werkzeug« im
Sinne des § 244 Abs. 1 Nr. 1 a) StGB, wenn es objektiv geeignet ist,
eine erhebliche Körperverletzung herbeizuführen. Insoweit muss sein
Gebrauch drohen. Ob dies der Fall ist, ist unter Würdigung der Umstände
des Einzelfalls einschließlich der inneren Haltung des Täters zur
Verwendung des Werkzeuges festzustellen.
An anderer Stelle heißt es:
[Rn. 19:] Die Auslegung des
Merkmals anderes gefährliches Werkzeug im § 244 Abs. 1 Nr. 1 a) StGB ist
umstritten.
[Rn. 20:] Einigkeit
herrscht bei Bestimmung der Gegenstände, die als Tatwerkzeug in Betracht
kommen nur insoweit, als sie mindestens objektiv gefährlich, d.h.
aufgrund ihrer objektiven Beschaffenheit geeignet sein müssen, bei
entsprechender Verwendung erhebliche Verletzungen herbeizuführen. Dies
ist, wie das Amtsgericht zutreffend angenommen hat, bei einem
Schraubendreher von 20 cm, der zum Stoßen und Stechen eingesetzt werden
kann, anzunehmen.
[Rn. 25:] In der
Vergangenheit wurde von einem Teil der Rechtsprechung für Werkzeuge, die
als Gebrauchsgegenstand nicht allgemein zur Verletzung von Personen
bestimmt sind, sondern jederzeit sozialadäquat von jedermann mit sich
geführt werden können, ein subjektives Element gefordert, nach dem der
Täter generell und unabhängig vom Einzelfall den Gegenstand zur
Verwendung gegen Menschen bestimmt haben muss, ohne dass es der in § 244
Abs.1 Nr. 1 b) StGB vorausgesetzten konkreten Verwendungsabsicht bedarf
(...).
[Rn. 35:] Der Senat
verkennt nicht, dass auf diese Weise über das (scheinbar) objektive
Merkmal der konkreten Tatumstände mit dem Abstellen auf den drohenden
Gebrauch in der konkreten Situation ein subjektives
Gefährlichkeitskriterium maßgebliche Bedeutung erlangt. Die Ablehnung
jeglicher subjektiver Einschränkung greift jedoch zumindest in den
Fällen der vorliegenden Art zu kurz, denn die Einstufung als gefährlich
enthält ein subjektives Element, wenn der Gegenstand an sich harmlos
oder jedenfalls gefahrenneutral ist (...).
[Rn. 36:] Da sich unter
Zugrundelegung der genannten Kriterien in den vorliegenden drei Fällen
weder Anhaltspunkte dafür ergeben, dass der Angeklagte den Gegenstand
wenigstens notfalls als Nötigungsmittel einsetzen wollte noch sich aus
den Umständen des Diebstahls und der Art des Werkzeuges etwas anderes
ergibt, ist eine waffenersetzende Funktion des Schraubendrehers nicht
gegeben. Der Angeklagte hat daher in allen drei Fällen kein anderes
gefährliches Werkzeug im Sinne von § 244 Abs. 1 Nr. 1a StGB bei sich
geführt. [En05] 5
Mit anderen Worten:
Bei Tatwerkzeugen
(Schraubenzieher, Brechstange, Stemmeisen etc.) handelt es sich um sonst
ein Werkzeug oder Mittel,
wenn es der Täter bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person
durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden.
Der Nachweis dieses subjektiven
Täterwillens setzt voraus, dass der Täter bei der Festnahme zu den
einschreitenden Polizeibeamten sagt, dass er diese Werkzeuge nur deshalb
mitführt, um sich damit Personen vom Leibe halten zu können.
So dumm kann kein Täter sein.
[Kurzfassung:] Das
Beisichführen eines Werkzeuges oder Mittels führt nur dann zu einer
Strafverschärfung, wenn das Werkzeug nach den konkreten Umständen
geeignet ist, eine erhebliche Körperverletzung herbeizuführen und die
Gefahr seines Einsatzes gegen Personen droht. Bei der Beurteilung ist
auf sämtliche Tatumstände, wie z.B. die Art des Beisichführens, die Art
des Werkzeuges sowie die innere Haltung des Täters, abzustellen.
03 § 244 Abs. 1
Nr. 2: Bandendiebstahl
TOP
Gemäß
§ 244 Abs. 1 Nr. 2 StGB
(Diebstahl mit Waffen; Bandendiebstahl; Wohnungseinbruchdiebstahl) wird
mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft, wer
»2. als
Mitglied einer Bande, die
sich zur fortgesetzten Begehung von Raub oder Diebstahl verbunden hat,
unter Mitwirkung eines anderen Bandenmitglieds stiehlt.«
Der Gesetzgeber unterscheidet:
§ 244a StGB (Schwerer
Bandendiebstahl) ist der speziellere Tatbestand. Sind die
Voraussetzungen dieser Vorschrift erfüllt, ist § 244 Abs. 1 Nr. 2 StGB
nicht anwendbar.
Was eine Bande ist, war mehrmals Gegenstand
von Entscheidungen des BGH. Aus drei dieser BGH-Entscheidungen wird im
Folgenden zitiert. An den Entscheidungen kann nachvollzogen werden, wie
sich der Bandenbegriff in der Rechtssprechgung entwickelt hat.
Hinsichtlich des Tatbestandsmerkmals Bandenabrede
(Verbindung zur Begehung von Raub oder Diebstahl) ist die Rechtsprechung
des BGH aus 2012 maßgeblich.
Vorab eine Kurzfassung der wesentlichen
Bandenmerkmale:
Eine Bande ist:
-
Ein Zusammenschluss von mindestens 3
Personen
-
Zur fortgesetzten Begehung einer Mehrzahl
selbständiger Delikte
-
Erforderlich ist eine ausdrückliche oder
stillschweigende Bandenabrede.
Hinsichtlich der Bandenabrede ist
letztendlich die Gesamtwürdigung aller Tatumstände entscheidend. Diese
sind im Rahmen polizeilicher Ermittlungen besonders sorgfältig und im
Rahmen des Möglichen zu konkretisieren und glaubwürdig zu begründen.
Nachlässigkeiten, die von Polizei und StA beim Nachweis der Bandenabrede
begangen werden, wirken sich zugunsten des/der Tatverdächtigen aus.
[Hinweis:] Im Übrigen ist
die Bandenmitgliedschaft ein besonderes persönliches Merkmal im Sinne
von
§ 28 Abs. 2 StGB (Besondere persönliche Merkmale).
[BGH 2006:] Mit Beschluss
vom 8. März 2006 - BGH 2 StR 609/05, hat sich der BGH zur Strafbarkeit
von Gehilfen geäußert:
In der Rn. 4 des o.g. Beschlusses heißt es
wörtlich, dass »Gehilfen, die selbst nicht zur Bande gehören, nur wegen
Beteiligung am Grunddelikt, nicht aber an der Qualifikation der
bandenmäßigen Begehung bestraft werden können, da die
Bandenmitgliedschaft ein besonderes persönliches Merkmal im Sinne des
§ 28 Abs. 2 StGB ist.«
An anderer Stelle heißt es:
[Rn. 5:] Mitglied einer
Bande kann zwar auch derjenige sein, dem nach der Bandenabrede nur
Aufgaben zufallen, die sich bei wertender Betrachtung als
Gehilfentätigkeit darstellen (vgl. hierzu BGHSt 47, 214). Nach den
Urteilsfeststellungen hat sich der Angeklagte aber der Bande nicht
angeschlossen, sondern ist nur bei den anderen »von der Möglichkeit
eines bandenmäßigen Zusammenschlusses ausgegangen und nahm dabei
zumindest billigend in Kauf durch seine Tätigkeiten einen solchen zu
unterstützen«.
In folgenden Fällen ist schwerer
Bandendiebstahl im Sinne von § 244a StGB gegeben, so dass § 244 Abs. 1
Nr. 2 StGB keine Anwendung finden kann:
-
Bandendiebstahl unter den in §
243 Abs. 1 Satz 2 StGB genannten Voraussetzungen. Damit sind alle
Diebstähle i.S.v. § 243 StGB ein Verbrechen, wenn sie bandenmäßig
begangen werden.
-
Bandendiebstahl unter
Mitführen eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug ohne
Gebrauchsabsicht im Sinne von § 244 Abs. 1 Nr. 1 a) StGB
-
Bandendiebstahl unter
Mitführen eines sonstigen Werkzeuges oder Mittels in
Gebrauchsabsicht, siehe § 244 Abs. 1 Nr. 1 b) StGB
-
Bandenmäßig begangener
Wohnungseinbruchsdiebstahl, siehe § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB.
[Anwendungsbereich von § 244
Abs. 1 Nr. 2 StGB:] Der Anwendungsbereich von
§ 244 Abs. 1 Nr. 2 StGB
ist auf folgende Diebstahlsdelikte beschränkt:
Bandendiebstahl gem. § 244 StGB
oder § 244a StGB setzt voraus, dass jemand als Mitglied einer Bande, die
sich zur fortgesetzten Begehung von Raub oder Diebstahl verbunden hat,
unter Mitwirkung eines anderen Bandenmitglieds stiehlt.
Sowohl § 244 StGB als auch § 244a
StGB enthalten keine Hinweise darüber, wie viel Personen erforderlich
sind, um als »Bande« angesehen werden zu können. Im Folgenden wird die
Rechtsprechung des BGH zum Bandenbegriff in Anlehnung an drei Urteile
erläutert.
[BGH 2001:] Mit Beschluss
vom 22.03.2001 - BGH GSSt 1/00, haben die Richter des Bundesgerichtshofs
definiert, was unter einer »Bande« zu verstehen ist.
Im Beschluss heißt es
diesbezüglich bereits in den Leitsätzen:
[Leitsatz 1:] Der Begriff
der Bande setzt den Zusammenschluss von mindestens drei Personen voraus,
die sich mit dem Willen verbunden haben, künftig für eine gewisse Dauer
mehrere selbständige, im Einzelnen noch ungewisse Straftaten des im
Gesetz genannten Deliktstyps zu begehen. Ein »gefestigter Bandenwille«
oder ein »Tätigwerden in einem übergeordneten Bandeninteresse« ist nicht
erforderlich.
[Leitsatz 2:] Der
Tatbestand des Bandendiebstahls setzt nicht voraus, dass wenigstens zwei
Bandenmitglieder örtlich und zeitlich den Diebstahl zusammen begehen. Es
reicht aus, wenn ein Bandenmitglied als Täter und ein anderes
Bandenmitglied beim Diebstahl in irgendeiner Weise zusammenwirken. Die
Wegnahmehandlung selbst kann auch durch einen bandenfremden Täter
ausgeführt werden.
Im Beschluss heißt es ergänzend
dazu:
[Rn. 19:] Der Begriff der
Bande setzt den Zusammenschluss von mindestens drei Personen voraus, die
sich mit dem Willen verbunden haben, künftig für eine gewisse Dauer
mehrere selbständige, im Einzelnen noch ungewisse Straftaten des im
Gesetz genannten Deliktstyps zu begehen. Ein »gefestigter Bandenwille«
oder ein »Tätigwerden in einem übergeordneten Bandeninteresse« ist nicht
erforderlich.
[Rn. 20:] Der Tatbestand
des Bandendiebstahls (§ 244 Abs. 1 Nr. 2 StGB) schreibt [...] keine
Mindestzahl vor, ab der ein Zusammenschluss von Personen zu kriminellen
Tun als eine Bande anzusehen ist. Nach der ständigen Rechtsprechung
genügte für den Begriff der Bande eine auf einer ausdrücklichen oder
stillschweigenden Vereinbarung beruhende Verbindung von mindestens zwei
Personen [alte Rechtsauffassung = AR] aus.
[Rn. 21:] Der so
umschriebene Bandenbegriff wird in weiten Teilen des Schrifttums seit
vielen Jahren abgelehnt (...).
[Rn. 28:] Angesichts der
fehlgeschlagenen Bemühungen der Rechtsprechung, unter Beibehaltung der
Verbindung von zwei Personen als Mindestvoraussetzungen für eine Bande
den Bandenbegriff durch zusätzliche Kriterien inhaltlich näher zu
bestimmen, ist es sinnvoll und geboten, für eine Bande den
Zusammenschluss von mindestens drei Personen zu kriminellem Tun
vorauszusetzen. Der Wortlaut des § 244 Abs. 1 Nr. 2 StGB und der
Wortlaut der übrigen Tatbestände der Bandendelikte lassen sowohl die
Annahme einer aus zwei Personen bestehenden Bande als auch die Anhebung
der Mindestzahl der Bandenmitglieder auf drei Personen zu. Diese
Erhöhung der Mindestmitgliederzahl ist ein einfaches und
erfolgversprechendes Mittel, um die Abgrenzung der wiederholten
gemeinschaftlichen Tatbegehung durch Personen, die nur Mittäter sind,
von derjenigen der bandenmäßigen Begehung zu vereinfachen. Sie
erleichtert die Abgrenzung vor allem auch in der praktischen
Rechtsanwendung durch die Tatgerichte, da Zwei-Personen-Zusammenschlüsse
von vornherein nicht mehr dem Bandenbegriff unterfallen.
Die Anhebung der Mindestmitgliederzahl einer Bande
von zwei auf drei dient damit der Rechtssicherheit und der einheitlichen
Rechtsanwendung. [En06] 6
[Hinweis:] Hinsichtlich
des Tatbestandsmerkmals der Bandenabrede wird der
aktuelle Stand der Rechtsprechung weiter unten dargestellt.
[BGH 2002:] Hinsichtlich
des Bandenwillens und der Mittäterschaft in Banden heißt es im Urteil
des BGH vom 14.02.2002 - 4 StR 281/01 wie folgt:
[Rn. 16:] Nach der
Entscheidung des Großen Senats für Strafsachen des Bundesgerichtshofs
vom 22. März 2001 - GSSt 1/00 - (siehe oben) setzt der Begriff der Bande
den Zusammenschluss von mindestens drei Personen voraus, die sich mit
dem Willen verbunden haben, künftig für eine gewisse Dauer mehrere
selbständige, im Einzelnen noch ungewisse Straftaten des im Gesetz
genannten Deliktstyps zu begehen. Abweichend von der früheren
Rechtsprechung (...) ist ein »gefestigter Bandenwille« oder ein
»Tätigwerden in einem übergeordneten Bandeninteresse« nicht mehr
erforderlich. Die Mitglieder der Bande können vielmehr in der Bande ihre
eigenen Interessen an einer risikolosen und effektiven Tatausführung und
Beute- oder Gewinnerzielung verfolgen.
[...]. Danach unterscheidet sich
die Bande von der Mittäterschaft durch das Element der auf eine gewisse
Dauer angelegten Verbindung mehrerer Personen zu zukünftiger gemeinsamer
Deliktsbegehung. Mitglied einer Bande kann auch sein, wem nach der -
stillschweigend möglichen - Bandenabrede nur Aufgaben zufallen, die sich
bei wertender Betrachtung als Gehilfentätigkeiten darstellen (...). [En07]
7
[Hinweis:] Hinsichtlich des
Tatbestandsmerkmals der Bandenabrede wird der aktuelle
Stand der Rechtsprechung in der folgenden Randnummer dargestellt.
[BGH 2012:] In einem Beschluss des BGH vom
10.10.2012 - BGH 2 StR 120/12 heißt es zur Bande und zur Bandenabrede
wie folgt:
[Rn. 6:] Eine Bande setzt in den Fällen der §§ 244 Abs.
1 Nr. 2, 244a StGB den Zusammenschluss von mindestens drei Personen
voraus, die sich zur fortgesetzten Begehung einer Mehrzahl selbständiger
Diebstähle verbunden haben (...). Erforderlich ist eine - ausdrückliche
oder stillschweigende - Bandenabrede, bei der das einzelne Mitglied den
Willen hat, sich mit mindestens zwei anderen Personen zur Begehung
dieser Straftaten zusammenzutun (...). Es genügt hingegen nicht, wenn
sich die Täter von vornherein nur zu einer einzigen Tat verbinden und
erst in der Folgezeit jeweils aus neuem Entschluss wiederum derartige
Taten begehen (...). Kennzeichnend für die Abgrenzung zur Mittäterschaft
ist eine auf gewisse Dauer angelegte Verbindung mehrerer Täter zu
künftiger gemeinsamer Deliktsbegehung. Nicht vorausgesetzt sind dagegen
eine gegenseitige Verpflichtung zur Begehung bestimmter Delikte, die
Bildung einer festen Organisation sowie ein »verbindlicher Gesamtwille«
oder ein »Handeln in einem übergeordneten Bandeninteresse« (...). Aus
diesem Grund steht es der Annahme einer Bandenabrede auch nicht
entgegen, dass nicht alle an der betreffenden Übereinkunft beteiligten
Personen an sämtlichen Bandentaten teilnehmen sollen, die Abrede
vielmehr dahin geht, zukünftig günstige Gelegenheiten in wechselnder
Tatbeteiligung und spontan auszunutzen (...). Allerdings wird in diesen
Fällen sorgfältig zu prüfen sein, ob die nachfolgende Diebstahlstat
eines Bandenmitglieds unter Beteiligung eines anderen Bandenmitglieds
als Bandentat zu qualifizieren ist (...).
Zur Bandenabrede heißt es in dem Beschluss:
[Rn. 7:] Ob eine Bandenabrede anzunehmen ist, ist auf
Grund einer Gesamtwürdigung zu entscheiden, die die maßgeblichen für und
gegen eine Bandenabrede sprechenden Umstände in den Blick zu nehmen und
gegeneinander abzuwägen hat. Dies gilt insbesondere für die Annahme
einer stillschweigenden Übereinkunft, die nach der Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs auch - obwohl sie regelmäßig den Bandentaten
vorausgeht - aus dem konkret feststellbaren deliktischen Zusammenwirken
mehreren Personen hergeleitet werden kann (...).
[Hinweis:] Die Richter stellen fest, dass bei der
erforderlichen Gesamtwürdigung der Bandenabrede wesentliche Indizien
nicht unberücksichtigt bleiben dürfen, denn wenn die für oder gegen eine
Bandenabrede sprechenden Umstände nur isoliert bewertet werden, ohne
dass die erforderliche Gesamtwürdigung vorgenommen wird, erweist sich
die Feststellung einer Bandentat in der Regel als fehlerhaft. Welche
Schwierigkeiten sich für die polizeiliche und staatsanwaltschaftliche
Ermittlungsarbeit im Zusammenhang mit dem Tatbestandsmerkmal der
Bandenabrede stellen, macht insbesondere der Wortlauf der folgenden
Randnummer deutlich.
[Rn. 15:] Im Übrigen bedarf es für die Feststellung
einer solchen Abrede einer sorgfältigen Gesamtwürdigung der
tatsächlichen Umstände insbesondere in Fällen einer nur konkludent
getroffenen Vereinbarung, deren Feststellung auf das (nachfolgende)
deliktische Handeln der beteiligten Personen gestützt wird (...). Allein
aus dem Umstand, dass eine Reihe von Taten nur von zwei Mitgliedern
einer Bande begangen worden sind, kann nicht geschlossen werden, eben
dies sei von vornherein so »vereinbart« worden und Teil der Bandenabrede
(..). Bandenabrede und Bandentat sind zwei unterschiedliche und jeweils
gesondert festzustellende Tatbestandsmerkmale; auch wenn im Einzelfall
aus der Tat auf eine vorangehende Vereinbarung geschlossen werden kann,
ergibt sich zwischen beiden Merkmalen keine Deckungsgleichheit. Der
Tatrichter muss sich bei der Feststellung daher bewusst sein, dass
Mittäterschaft ohne Bandenabrede auch bei Beteiligung von mehreren
Personen möglich ist, ebenso als Einzeltat außerhalb einer (bestehenden)
Bandenstruktur. [En07a]
04 § 244 Abs. 1
Nr. 3: Einbrechen, Einsteigen etc. in Wohnungen
TOP
Gemäß
§ 244 Abs. 1 Nr.
3 StGB
(Diebstahl mit Waffen; Bandendiebstahl; Wohnungseinbruchdiebstahl) wird
mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft, wer
»3. einen Diebstahl begeht, bei dem
er zur Ausführung der Tat in eine Wohnung einbricht, einsteigt, mit
einem falschen Schlüssel oder einem anderen nicht zur ordnungsmäßigen
Öffnung bestimmten Werkzeug eindringt oder sich in der Wohnung verborgen
hält.«
Bevor die einzelnen Begehungsarten
im Einzelnen erörtert werden, ist es erforderlich, zu klären, was unter
einer Wohnung im Sinne von § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB zu verstehen ist.
Die Beantwortung dieser Frage
erfolgt in drei eigenständigen Randnummern:
Im Anschluss daran werden in der
nachfolgend aufgelisteten Reihenfolge die einzelnen Tatbestandsmerkmale
des Wohnungseinbruchdiebstahls erörtert:
04.1
Wohnungsbegriff des § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB
TOP
Aufgrund der Neuregelung im
§ 244 Abs.
4 StGB
fallen unter den Wohnungsbegriff des
§ 244 Abs. 1 Nr.
3 StGB
nicht mehr die »dauerhaft genutzten Privatwohnungen«.
Wohnungen im engeren Sinne (Rückzugsräume für die private Lebensführung)
können nur noch dann zum Wohnungsbegriff des § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB
gehören, wenn solche Wohnungen nur hin und wieder bzw. gelegentlich
genutzt werden.
[Beispiel:] Der Geschäftsführer einer großen Firma unterhält im
Innenstadtbereich eine Eigentumswohnung, die er für kurzfristige
Liebschaften benötigt, von deren Existenz seine Ehefrau nichts wissen
darf. Im Anschluss an einen von ihm festgestellten Einbruchdiebstahl
teilt der Geschäftsführer den Polizeibeamten vor Ort mit, dass er drei bis vier Mal pro
Jahr die Wohnung für ein Wochenende benutzt. Das letzte Mal sei er vor
zwei Monaten in der Wohnung gewesen. Handelt es sich um eine Wohnung im
Sinne von § 244 Abs. 1 Nr. 3 oder um eine Wohnung im Sinne von § 244
Abs. 4 StGB?
Bei der Eigentumswohnung handelt
es sich unzweifelhaft um eine Wohnung im engeren Sinne, also um einen
Rückzugsraum, der dem Wohnungsinhaber ein Höchstmaß an räumlicher
Privatheit und Intimsphäre gewähren soll.
Da die Wohnung aber nur hin
und wieder, und wenn, dann auch nur für kurze Zeit genutzt wird, handelt
es sich bei der Eigentumswohnung offensichtlich nicht um eine »dauerhaft
genutzte Privatwohnung« im Sinne von § 244 Abs. 4 StGB. Wenn in solch
eine Wohnung eingebrochen wird, qualifiziert sich dieser
Wohnungseinbruchdiebstahl nicht zu einem Verbrechen.
[Hinweis:] Zum
weitgefassten Wohnungsbegriff des § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB gehören nicht
mehr die Wohnungen, die dauerhaft als Privatwohnungen genutzt werden.
Als Wohnungen, die weiterhin unter
den Wohnungsbegriff des § 244 Abs. 1 Nr. 3 fallen gehören:
-
Wohnwagen
-
Hausboote
-
Zelte
-
Wohncontainer
-
Schlafkabinen von Lkw
soweit sie zu
Wohnzwecken kurzfristig benutzt werden.
Wohnwagen und Hausboote können
aber vom Wohnungsbegriff des
§ 244 Abs. 1 Nr.
4 StGB
erfasst sein, wenn sie
dauerhaft zu Wohnzwecken genutzt werden.
[Arbeits- und Geschäftsräume:]
Arbeits- und Geschäftsräume gehören zu den Räumlichkeiten, die ebenfalls
nicht vom Wohnungsbegriff des § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB erfasst werden.
Wer zur Ausführung der Tat in ein Gebäude, einen Dienst- oder
Geschäftsraum oder in einen anderen umschlossenen Raum einbricht,
einsteigt, mit einem falschen Schlüssel oder einem anderen nicht zur
ordnungsmäßigen Öffnung bestimmten Werkzeug eindringt oder sich in dem
Raum verborgen hält, handelt tatbestandlich im Sinne von
§ 243 Abs. 1
Nr. 1 StGB (Besonders schwerer Fall des
Diebstahls).
So auch der Tenor einer
Entscheidung des BGH aus 2008 zum Wohnungsbegriff des § 244 Abs. 1 Nr. 3
StGB.
[BGH 2008:] In dem
Beschluss des BGH vom 24. April 2008 · Az. 4 StR 126/08 haben sich die
Richter umfassend zum Wohnungsbegriff geäußert. Da der Beschluss nicht
mehr der neuen Gesetzeslage entspricht, gehören die Teile des vom BGH
entwickelten Wohnungsbegriffs, die laut Beschluss zur »Wohnung im
engeren Sinne« gehören, nunmehr zum Wohnungsbegriff des § 244 Abs. 4
StGB »dauerhaft genutzte Privatwohnungen«.
Im Beschluss heißt es u.a.:
[Rn. 10:] Ausgehend von der
Auslegung des § 123 StGB umfasst der Begriff der Wohnung grundsätzlich
alle abgeschlossenen und überdachten Räume, die Menschen zumindest
vorübergehend als Unterkunft dienen. Dazu zählen nicht bloße Arbeits-,
Geschäfts- oder Ladenräume (...). Dieser in erster Linie am Wortsinn
orientierte Wohnungsbegriff kann jedoch mit Blick auf die Motive des
Gesetzgebers für die Heraufstufung des Wohnungseinbruchsdiebstahls zum
Qualifikationstatbestand nicht uneingeschränkt auf den Tatbestand des §
244 Abs. 1 Nr. 3 StGB übertragen werden. Der Gesetzgeber hat die
Strafschärfung des Wohnungseinbruchsdiebstahls mit der Erwägung
begründet, es handele sich um eine Straftat, die tief in die Intimsphäre
des Opfers eingreife und zu ernsten psychischen Störungen, etwa
langwierigen Angstzuständen führen könne; nicht selten seien
Wohnungseinbrüche zudem mit Gewalttätigkeiten gegen Menschen und
Verwüstungen von Einrichtungsgegenständen verbunden (BTDrucks. 13/8587
S. 43). Anlass für die Höherstufung des Wohnungseinbruchsdiebstahls war
somit nicht etwa der besondere Schutz von in einer Wohnung - und damit
besonders sicher - aufbewahrten Gegenständen, sondern die mit einem
Wohnungseinbruch einhergehende Verletzung der Privatsphäre des Tatopfers
(...). Bezweckt also der Tatbestand des § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB neben
dem Schutz des Eigentums den verstärkten Schutz der häuslichen Privat-
und Intimsphäre, scheidet dessen Anwendbarkeit aus, wenn der Täter in
Räumlichkeiten einsteigt oder einbricht, die nicht diesem besonderen
Schutzbereich zuzuordnen sind. [Gemeint sind die Geschäfts-, Dienst- und
Arbeitsräume sowie sonstige Räumlichkeiten, die nicht zu Wohnzwecken
genutzt werden, wie z. B. Garagen, Nebengebäude etc. = AR].
Und in Bezug auf »Mischwohnungen«
heißt es:
[Rn. 11:] Mit Blick auf die
Motive des Gesetzgebers hat es der Bundesgerichtshof daher bei gemischt
genutzten Gebäuden für die Tatbestandsverwirklichung als ausreichend
angesehen, wenn der Täter nur deshalb in einen privaten Wohnraum
einbrach, um von dort ungehindert in Geschäftsräume, aus denen er
Gegenstände zu entwenden beabsichtigte, zu gelangen. In umgekehrten
Fällen, in denen der Täter in einem Mischgebäude in einen Geschäftsraum
eindrang, um nur dort, nicht aber aus den Wohnzwecken dienenden
Räumlichkeiten zu stehlen, hat der Bundesgerichtshof einen
Wohnungseinbruchsdiebstahl hingegen verneint (...).
[Rn. 12:] Den Fall, dass
der Täter - wie hier - in ein Geschäfts- oder Ladenlokal einbricht und
von dort ungehindert in den Wohnbereich des Tatopfers gelangt, um
gegebenenfalls (auch) dort zu stehlen, hat der Bundesgerichtshof, soweit
ersichtlich, noch nicht entschieden.
[Rn. 13:] Zwar ist der
Schutz der Intim- und häuslichen Privatsphäre fraglos gleichermaßen
verletzt, wenn sich der Täter in einem gemischt genutzten Anwesen den
ungehinderten Zutritt zur Wohnung durch den Einbruch in ein im selben
Gebäude untergebrachtes Geschäftslokal verschafft. Gleichwohl ist
jedenfalls dann, wenn der Täter in einem Mischgebäude in einen vom
Wohnbereich räumlich eindeutig abgegrenzten und nur zu betrieblichen
Zwecken genutzten Geschäftsraum einsteigt, um von dort ohne Überwindung
weiterer Hindernisse in den Wohnbereich vorzudringen, eine Verurteilung
aus § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB mit der äußersten Auslegungsgrenze des
Wortlauts nicht mehr vereinbar (...). Die Vorschrift setzt den Einbruch
in eine Wohnung voraus. Vom Wohnbereich völlig getrennt untergebrachte,
rein geschäftlich genutzte Räumlichkeiten können selbst bei weitester
Auslegung des Wohnungsbegriffs diesem jedoch nicht mehr zugeordnet
werden (...). [En08] 8
[Hinweis:] Würde der Täter
in einen Geschäftsraum einbrechen, um von dort dann ungehindert in eine
»dauerhaft genutzte Privatwohnung« gelangen zu können, um dort Sachen zu
entwenden, dann dürfte es sich ebenfalls wohl kaum um einen
Wohnungseinbruch im Sinne von § 244 Abs. 4 StGB handeln, wenn der
Wechsel in den privaten Wohnbereich ohne die Überwindung zusätzlicher
Hindernisse problemlos möglich ist.
04.2 Wohnwagen,
Wohnmobile, Zelte und Schlafkabinen
TOP
In Anlehnung an den Beschluss des
BGH vom 11.10.2016 - StR 462/16 - sind Wohnmobile und Wohnwagen dann als
Wohnungen im Sinne von § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB anzusehen, wenn sie
Menschen zumindest vorübergehend zur Unterkunft dienen.
Für die vorübergehende Nutzung als
Wohnung genügt die Übernachtung auf einem Autobahnparkplatz, zum
Beispiel in einem Wohnwagen oder in der Schlafkabine eines Lkw oder wenn
die Übernachtung im Wohnmobil oder in einem Wohnwagen im Rahmen einer
Urlaubsreise erfolgt. Nicht erforderlich ist, dass die bewegliche
Unterkunft dauerhaft zu Wohnzwecken genutzt wird.
Im Beschluss heißt es:
[Rn. 11:] Ausgehend vom
Schutzzweck der Norm können auch Wohnmobile und Wohnwagen Wohnung im
Sinne des § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB sein. Denn bei ihnen handelt es sich
um umschlossene Räumlichkeiten, die einen erhöhten Eigentums- und
Gewahrsamsschutz bieten und die, wenn sie Menschen zu Unterkunft dienen,
eine räumliche Privat- und Intimsphäre vermitteln (...).
[Rn. 12:] Auch
Räumlichkeiten die, wie es bei Wohnmobilen und Wohnwagen regelmäßig der
Fall ist, Menschen nur zur vorübergehenden Unterkunft dienen, sind
Wohnungen im Sinne des § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB, wenn sie entsprechend
genutzt werden (...). Auch bei bloß vorübergehendem Gebrauch hat der
Nutzer eines Wohnmobils oder Wohnwagens während seines Aufenthalts dort
den gewählten Mittelpunkt des privaten Daseins und Wirkens (...). Das
Vorhandensein von Schlafplätzen kennzeichnet eine Wohnung
typischerweise, ohne aber notwendiges Merkmal einer solchen zu sein
(...). Insbesondere aber dann, wenn ein Wohnmobil oder Wohnwagen zu
Schlafzwecken genutzt wird, dient es den Insassen zur Unterkunft und ist
Wohnung im Sinne des § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB. Ausreichend hierfür ist,
wenn die Übernachtung im Wohnmobil oder Wohnwagen im Rahmen einer
Urlaubsreise stattfindet. Nicht erforderlich ist, dass die bewegliche
Unterkunft dauerhaft genutzt wird (...).
[Rn. 13:] Wohnmobile und
Wohnwagen sind somit jedenfalls dann, wenn sie Menschen zumindest
vorübergehend zur Unterkunft dienen, Wohnung im Sinne des § 244 Abs. 1
Nr. 3 StGB. Für die vorübergehende Nutzung als Wohnung genügt die
Übernachtung auf einem Autobahnparkplatz. Das Aufbrechen der Wohnmobile
und Wohnwagen und die anschließende Entwendung von in den Fahrzeugen
befindlichen Wertgegenständen erfüllte daher [...] den Tatbestand des
Wohnungseinbruchdiebstahls gemäß § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB. [En09]
9
[Hinweis:] Zelte sind als
Wohnungen anzusehen, wenn sie zum Beispiel während der Dauer eines
Urlaubs zum Übernachten benutzt werden. In Zelte, die abgeschlossen
sind, z.B. durch ein kleines Schloss, kann sogar eingebrochen werden,
wenn das Schloss gewaltsam entfernt wird. Lkw-Fahrer genießen den Schutz
des § 244 Abs. 1 Nr. 3 nur dann, wenn sie zu einer Zeit Opfer eines
Diebstahlsdeliktes werden, in der sie sich zum Schlafen in die
Schlafkabine zurückgezogen haben.
[Beispiel:] Nach getanem Tagwerk verbringt ein Lkw-Fahrer seine
ununterbrochene Ruhezeit auf einem Parkplatz in der Schlafkabine seines
Lkw auf einem Parkplatz der Autobahn A1. Er befindet sich im Tiefschlaf,
als zwei Personen die Ladefläche seines 38-t-Lastwagens öffnen und
damit beginnen, die Ladung auf ein anderes Fahrzeug
umzuladen. Polizeibeamte, die zur Tatzeit zufällig mit ihrem
Streifenwagen den Parkplatz in Augenschein nehmen, halten an, um die
»mit dem Umladen beschäftigten Personen« zu kontrollieren. Als diese zu
fliehen versuchen, werden sie von den Beamten ergriffen und
festgehalten. Als die Beamten den schlafenden Lkw-Fahrer wecken, glaubt
dieser, auf einem anderen Stern aufgewacht zu sein. Fassungslos schaut
er sich die fast leergeräumte Ladefläche seines Anhängers an.
Wohnungseinbruchsiebstahl?
Dass es sich bei dem Lkw nicht um
eine dauerhaft genutzte Privatwohnung handelt, dürfte offenkundig sein,
insoweit handelt es sich nicht um einen Anwendungsfall von § 244 Abs. 4
StGB und somit auch nicht um ein Verbrechen.
Bei dem Lkw könnte es sich jedoch um eine
Wohnung im Sinne von § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB handeln, denn zur Tatzeit
wird der Lkw als Schlafraum benutzt. Dadurch erhält der Lkw
vorübergehend Wohnungsqualität. Als Regelbeispiel des § 244 Abs. 1 StGB
könnte auch bandenmäßiges Vorgehen in Betracht kommen, zumindest bei
Anlegung älterer Rechtsauffassungen. Normalerweise besteht eine Bande
aber aus drei oder mehr Personen. Dazu später mehr.
Hier geht es zuerst einmal nur
darum, festzustellen, was unter einer Wohnung im Sinne von § 244 Abs. 1
Nr. 3 StGB zu verstehen ist. Um eine solche handelt es sich bei einem
mit einer Schlafkabine ausgestatteten Lkw, wenn das Fahrzeug nicht zum
Transport von Waren, sondern als Rückzugs- und Erholungsraum genutzt
wird.
[BGH 2010:] Ergänzend zu
den o.g. Ausführungen heißt es in einem Beschluss des BGG vom 1. April
2010 · Az. 3 StR 456/09, bei dem es um den Wohnungsbegriff im Sinne von
§ 306a StGB (Schwere Brandstiftung) ging,
wie folgt:
[Rn. 13:] Er [der
Wohnungsbegriff = AR] umfasst nicht mehr nur Gebäude, Schiffe und
Hütten, sondern allgemein Räumlichkeiten, die der Wohnung von Menschen
dienen. Damit sollen auch ungewöhnliche Formen des Wohnens etwa in Wohn-
oder Künstlerwagen geschützt werden (...). Das Wohnmobil dient seinem
Nutzer - wie schon seine Bezeichnung nahelegt - zumindest vorübergehend
als Mittelpunkt der (privaten) Lebensführung und damit zur Wohnung
(...). Es wird nicht nur zur Fortbewegung, sondern - ähnlich einem auch
zu Wohnzwecken dienenden Schiff - auch zum Aufenthalt
untertags, zur Zubereitung und Einnahme von Mahlzeiten sowie zum
Schlafen benutzt. Diese Eigenschaft verliert es nicht dadurch, dass es
in der Regel nur für bestimmte Zeiträume - während einer Reise - als
Wohnung genutzt und im Übrigen auch für u. U. längere Zeit abgestellt
oder nur als Fortbewegungsmittel genutzt wird. Insoweit kann für ein
Wohnmobil nichts anderes gelten wie für ein nur zeitweise benutztes
Ferienhaus. [En10] 10
[Hinweis:] Solche Objekte
gehören auch zum Wohnungsbegriff des § 244 Abs. 3 Nr. 1 StGB, wenn sie nicht
dauerhaft als Privatwohnung genutzt werden.
04.3
Mischwohnungen - Wohn- und Geschäftsräume und sonstige Räume
Die Frage, wie Nebenräume und
gemischt genutzte Gebäude einzuordnen sind, wenn z. B. jemand in Keller,
Garagen oder in eine Apotheke im Erdgeschoss einbricht, obwohl sich in den
Obergeschossen Wohnungen befinden, wird im Leipziger Kommentar, 12.
Auflage aus 2010, wie folgt beantwortet:
»Die Lösung
besteht darin, dass »in« eine Wohnung eingebrochen usw., aber nicht
»aus« ihr gestohlen werden muss. Danach liegt jedenfalls dann kein
Wohnungseinbruchdiebstahl im Sinne von § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB vor, wenn
jemand lediglich in Neben- oder Geschäftsräume einbricht, die, auch wenn
sie sich in räumlicher Nähe zu Wohnungen befinden, von ihnen baulich und
räumlich abgetrennt, abgeschlossen oder selbständig sind« (Seite
229, Rn. 76).
An anderer Stelle heißt es in der
gleichen Randnummer:
»Umgekehrt
ist es anerkanntermaßen Wohnungseinbruchdiebstahl, wenn der Täter in
eine Wohnung einbricht, um aus ihr in einen nicht der Unterkunft von
Menschen dienenden Neben- oder Geschäftsraum, sei er mit der Wohnung
verbunden oder selbständig und räumlich abgetrennt, zu gelangen und dort
zu stehlen. Der Schutzzweck des § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB ist berührt, und
der Wortlaut verlangt gerade nicht das Stehlen »aus« einer
Wohnung«
(Seite 230).
[BGH 2008:]
Abgrenzungsfragen in Bezug auf Geschäftsräume, Wohnungen und so genannte
Mischräume waren auch Gegenstand eines BGH-Beschlusses vom 24. April
2008 · Az. 4 StR 126/08.
In dem Beschluss heißt es:
[Rn. 8:] Der
Wohnungseinbruchsdiebstahl wurde mit dem 6. Gesetz zur Reform des
Strafrechts (6. StrRG) vom 26. Januar 1998 aus dem Katalog der
Regelbeispiele des § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StGB a.F. herausgenommen
und zum Qualifikationstatbestand aufgewertet. Der Einbruchsdiebstahl aus
Wohnungen ist seither gegenüber den übrigen Einbruchsdiebstählen mit
einer im Mindestmaß doppelt so hohen Strafe bedroht und kann nicht mehr
mit Geldstrafe geahndet werden. [...].
[Rn. 9:] Diese mit einer
deutlichen Strafschärfung einhergehende Gesetzesänderung erfordert eine
sorgfältige Abgrenzung des Begriffs der Wohnung im Sinne des § 244 Abs.
1 Nr. 3 StGB von den übrigen Räumlichkeiten, die weiterhin dem
Schutzbereich des § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StGB unterfallen (...).
[Rn. 10:] Ausgehend von der
Auslegung des § 123 StGB umfasst der Begriff der Wohnung grundsätzlich
alle abgeschlossenen und überdachten Räume, die Menschen zumindest
vorübergehend als Unterkunft dienen. Dazu zählen nicht bloße Arbeits-,
Geschäfts- oder Ladenräume (...). Dieser in erster Linie am Wortsinn
orientierte Wohnungsbegriff kann jedoch mit Blick auf die Motive des
Gesetzgebers für die Heraufstufung des Wohnungseinbruchsdiebstahls zum
Qualifikationstatbestand nicht uneingeschränkt auf den Tatbestand des §
244 Abs. 1 Nr. 3 StGB übertragen werden. Der Gesetzgeber hat die
Strafschärfung des Wohnungseinbruchsdiebstahls mit der Erwägung
begründet, es handele sich um eine Straftat, die tief in die Intimsphäre
des Opfers eingreife und zu ernsten psychischen Störungen, etwa
langwierigen Angstzuständen führen könne; nicht selten seien
Wohnungseinbrüche zudem mit Gewalttätigkeiten gegen Menschen und
Verwüstungen von Einrichtungsgegenständen verbunden (BTDrucks. 13/8587
S. 43). Anlass für die Höherstufung des Wohnungseinbruchsdiebstahls war
somit nicht etwa der besondere Schutz von in einer Wohnung - und damit
besonders sicher - aufbewahrten Gegenständen, sondern die mit einem
Wohnungseinbruch einhergehende Verletzung der Privatsphäre des Tatopfers
(...). Bezweckt also der Tatbestand des § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB neben
dem Schutz des Eigentums den verstärkten Schutz der häuslichen Privat-
und Intimsphäre, scheidet dessen Anwendbarkeit aus, wenn der Täter in
Räumlichkeiten einsteigt oder einbricht, die nicht diesem besonderen
Schutzbereich zuzuordnen sind.
[Hinweis:] Aufgrund der
Neuregelung des § 244 Abs. 4 StGB im Juli 2017, gehören dauerhaft genutzte
Privatwohnungen nicht mehr zu den Wohnungen im Sinne von § 244 Abs. 1
Nr. 3 StGB. Wird in »dauerhaft genutzte Privatwohnungen« eingebrochen,
dann qualifiziert sich die Tat zu einem Verbrechen.
An anderer Stelle heißt es in dem
Beschluss:
[Rn. 11:] Mit Blick auf die
Motive des Gesetzgebers hat es der Bundesgerichtshof daher bei gemischt
genutzten Gebäuden für die Tatbestandsverwirklichung als ausreichend
angesehen, wenn der Täter nur deshalb in einen privaten Wohnraum
einbrach, um von dort ungehindert in Geschäftsräume, aus denen er
Gegenstände zu entwenden beabsichtigte, zu gelangen. In umgekehrten
Fällen, in denen der Täter in einem Mischgebäude in einen Geschäftsraum
eindrang, um nur dort, nicht aber aus den Wohnzwecken dienenden
Räumlichkeiten zu stehlen, hat der Bundesgerichtshof einen
Wohnungseinbruchsdiebstahl hingegen verneint (...). [En11] 11
[BGH 2012:] So auch die
Richter des BGH mit Urteil vom 22. Februar 2012 - 1 StR 378/11 in dem es
u.a. heißt:
[Rn. 37:] Der
Bundesgerichtshof hat bei gemischt - also zugleich zu Wohn- und
Geschäftszwecken - genutzten Gebäuden Wohnungseinbruchdiebstahl bejaht,
wenn der Täter nur deshalb in einen privaten Wohnraum einbrach, um von
dort ungehindert in Geschäftsräume zu gelangen und dort zu stehlen.
[Rn. 38:] Bei einem
Einbruch in einen Geschäftsraum gilt dagegen die Annahme eines
Wohnungseinbruchdiebstahls auch dann als mit dem Gesetzeswortlaut
unvereinbar, wenn es dem Täter nur darum geht, von dort ohne weitere
Hindernisse in den Wohnbereich vorzudringen und dort zu stehlen (...),
jedoch nur soweit die Räumlichkeiten, in die eingebrochen wurde, vom
Wohnbereich völlig getrennt untergebracht sind (...).
[Rn. 39:] Dagegen liegt
Wohnungseinbruchdiebstahl vor, wenn der Täter in einen Raum einbricht,
der zwar ausschließlich beruflich genutzt, aber so in den Wohnbereich
integriert ist, dass insgesamt eine in sich geschlossene Einheit
vorliegt (offen gelassen b. BGH aaO). Ein Raum in einer Wohnung bleibt
auch dann Teil der Wohnung, wenn der Bewohner ihn zu seinem Arbeitsraum
bestimmt hat. Dies gilt nicht nur für das Büro eines Rechtsanwalts in
dessen Wohnung (vgl. hierzu BGH aaO; Vogel aaO), sondern auch für das
Amtszimmer in der Wohnung eines Pfarrers. Die Verletzung der
Privatsphäre wiegt nicht weniger schwer, wenn der Täter in diesen Raum
der Wohnung einbricht. Greift aber der Schutzzweck des Gesetzes in
gleicher Weise ein, wie bei einem Einbruch in einen anderen
Wohnungsteil, und steht der Wortlaut des Gesetzes nicht entgegen, so
führt dies in derartigen Fällen zur Annahme eines
Wohnungseinbruchdiebstahls (...).
[Rn. 40:] Vergleichbares
gilt für Einbrüche in Nebenräume wie z.B. Keller oder Garagen. Auch hier
wird Wohnungseinbruchdiebstahl verneint, wenn diese, auch bei räumlicher
Nähe zur Wohnung, abgeschlossen oder selbständig sind (...).
[Rn. 41:] Jedoch liegt aus
den genannten Gründen Wohnungseinbruchdiebstahl vor, wenn der Täter in
Räume einbricht, die dem Begriff des Wohnens typischerweise zuzuordnen
sind, wie z.B. den Keller eines Einfamilienhauses. Dies gilt sowohl,
wenn er sich von dort ungehindert Zugang zum ohne Weiteres erreichbaren
Wohnbereich im Erd- oder Obergeschoss verschafft (...) als auch dann, wenn
er aus derartigen Räumen stiehlt (...). [En12] 12
Soweit zum Wohnungsbegriff des § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB.
Im Folgenden werden
die im
§ 244 Abs. 1 Nr.
3 StGB
genannten Begehungsarten erörtert.
04.4
Tatbestandsmerkmal: Einbrechen
TOP
Tatbestandlich im Sinne von
§ 244 Abs. 1 Nr.
3 StGB
(Diebstahl mit Waffen; Bandendiebstahl;
Wohnungseinbruchdiebstahl) handelt, wer »3. einen
Diebstahl begeht, bei dem er zur Ausführung der Tat in eine Wohnung
einbricht, einsteigt, mit einem falschen Schlüssel oder einem
anderen nicht zur ordnungsmäßigen Öffnung bestimmten Werkzeug eindringt
oder sich in der Wohnung verborgen hält.«
[BGH 1963:] Zu den
Merkmalen eines Einbruchs, dem nachfolgend skizzierter Anlass zugrunde
lag, heißt es in einem Urteil des BGH vom 22.05.1963 - Az.: 2 StR 144/63
wie folgt:
[Anlass:]
Ein Angeklagter hatte das Entlüftungsfenster eines Pkw aufgedrückt und
durch dieses Fenster aus dem Wagen Kleidungsstücke entwendet. Das LG
Frankfurt/Main hatte das als Einbruchsdiebstahl gewertet.
Dieser Rechtsauffassung folgte der
BGH nicht.
Im Urteil heißt es:
[Rn. 9:] Aus [...]
Feststellungen geht nicht hervor, dass der Angeklagte durch seine
Handlungsweise das Merkmal »mittels Einbruchs« verwirklicht hat. Zu
dessen Erfüllung gehört die Anwendung von Gewalt, deren Vorliegen zwar
nicht von der Aufbietung eines bestimmten Maßes an erhöhtem Kraftaufwand
abhängig ist, jedoch eine körperliche Anstrengung nicht unerheblicher
Art voraussetzt, durch welche die Widerstandskraft des Hindernisses
überwunden wird. [En13] 13
[Gewalt als Wesensmerkmal des
Einbruchs:] Gewalt ist definiert als Anwendung nicht lediglich
unerheblicher körperlicher Kraft. Demnach ist Gewalt nicht nur gegeben,
wenn durch Kraftentfaltung eine Substanzverletzung herbeigeführt wird
(z.B. Einschlagen von Fenstern, Eindrücken unter Aufwendung erheblicher
Gewalt, Aufschneiden, Aufbrechen von Türen oder Fenstern), sondern auch
dann, wenn unter Aufwendung erheblicherer Kraft ohne Substanzverletzung
z.B. Türen aufgedrückt oder die den Zugang eines Raumes versperrenden
beiseitegeschoben werden.
Jedoch bricht nicht ein, wer eine
Tür öffnet, indem er lediglich die Klinke herunterdrückt und dann einen
der in § 243 StGB aufgezählten Räume oder eine Wohnung im Sinne von §
244 StGB betritt. Ferner auch nicht, wenn eine Tür in der Weise geöffnet
wird, dass zuvor etwa eine Türkette oder ein Riegel weggeschoben wird.
Auch das »einfache« und »ohne
weiteres« mögliche Hochheben und Beiseitedrücken eines beweglichen
Zaunes erfüllt nicht das Merkmal »einbrechen«. Vielmehr kommt ein
solcher Aufwand dem Öffnen eines Gatters gleich.
[BGH 1999:] Mit Urteil vom
16.11.1999 - 1 StR 506/99 entschied der BGH über den nachfolgend
skizzierten Fall wie folgt:
[Anlass:]
Tätern war es gelungen, in den umzäunten Lagerplatz eines Baumarktes
einzudringen und dort Gartenmöbel zu stehlen, indem sie den beweglichen
Zaun hochhoben und zur Seite drückten, um in das Gelände
hineinzugelangen.
In dieser Begehungsweise erkannten
die Richter des BGH keinen Einbruch.
Im Urteil heißt es:
[Rn. 7:] Die
Voraussetzungen dieses Regelbeispiels nach § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1
StGB haben sie damit aber nicht erfüllt, weil sie kein Werkzeug
benutzten. Die Feststellungen ergeben weiterhin nicht, dass sie
»eingebrochen« sind, also »unter Aufwendung nicht unerheblicher
körperlicher Kraft« ein dem Eindringen entgegenstehendes Hindernis
gewaltsam beseitigt hätten (...). Das »einfache« und »ohne weiteres«
mögliche Hochheben und Beiseitedrücken eines beweglichen Zaunes belegt
diese Voraussetzungen nicht ohne weiteres. Der Vorgang könnte
hinsichtlich des Aufwandes dem Öffnen eines Gatters gleichkommen.
[Rn. 8:] Aus dem gleichen
Grunde sind die Voraussetzungen des »Einsteigens« nicht erfüllt. Zwar
wurde ein Zaun überwunden und damit der Zutritt auf einem nicht dafür
vorgesehenen Wege gewählt. Erforderlich wäre aber auch hier, dass der
Zaun tatsächlich ein Hindernis bildete, das es Unbefugten nicht
unerheblich erschwert, auf das vom Zaun umgebene Grundstück zu gelangen
(BGH StV 1984, 204). Um dies abschließend entscheiden zu können, wären
zusätzliche Feststellungen zur Schwere und Beweglichkeit des Zaunes und
zum erforderlichen Kraftaufwand notwendig gewesen, die das Hochheben und
Beiseitedrücken als doch mit einigem Aufwand verbunden gekennzeichnet
hätten. [En14] 14
[Hinweis:] Es ist nicht
erforderlich, dass der Täter mit dem gesamten Körper in den
aufgebrochenen Raum eindringt. Hineinlangen - auch mittels eines
Werkzeuges - reicht aus.
Einbrechen ist:
-
gewaltsames Öffnen einer den
Zutritt verwehrenden Umschließung von außen mit nicht ganz
unerheblicher Körperkraft
-
gewaltsame Öffnen oder
Erweitern (...) eines gewöhnlichen oder auch anderen Zugangs zu einem
umschlossenen Raum
-
ein Einbruch kann auch im
Innern eines Gebäudes begangen werden, wenn ein darin befindlicher
anderer umschlossener Raum, etwa eine Wohnung oder ein
abgeschlossenes Zimmer, aufgebrochen wird
-
das Einbrechen verlangt kein
besonderes Maß an Kraft, erforderlich ist aber doch eine gewisse
körperliche Anstrengung nicht unerheblicher Art
-
nicht ausreichend ist das
»Herausangeln« der Sache durch einen Türspalt oder durch ein offenstehendes Fenster; das Aufketten einer
Gartentür, das Öffnen einer unverschlossenen Tür oder das einfache
Zurückschieben des Türriegels, das Abnehmen eines den Zugang
verdeckenden losen Bretts oder das Öffnen eines Reißverschlusses an
einem Zelt, wenn nicht der Reißverschluss durch ein
Sicherheitsschloss gesichert ist, das der Täter aufbrechen muss, um
den Reißverschluss öffnen zu können
-
gefordert ist das gewaltsame
Öffnen von Umschließungen, welche dem Eintritt in den Raum
entgegenstehen.
Wer Gewalt anwendet, um einen Raum
verlassen zu können (z.B. weil er darin eingeschlossen wurde), begeht
keinen Einbruch, sondern einen »Ausbruch«.
[Substanzverletzung - Benutzung
von Werkzeugen:] Bei Substanzverletzungen oder Benutzung von
Werkzeugen liegt regelmäßig ein Einbruch vor.
Das ist der Fall, wenn
-
Fenster eingeschlagen
-
Türen oder Schlösser
aufgebrochen
-
Maschendrahtzäune zerschnitten
werden oder wenn
-
Befestigungen losgerissen
werden.
Stoffliche Beschädigungen oder
Zerstörung der Umschließung oder sonst sichtbare Spuren der Einwirkung
sind für das Tatbestandsmerkmal »Einbruch« nicht zwingend erforderlich,
denn bereits das Beiseiteschieben eines entgegenstehenden Hindernisses
unter Aufwendung nicht unerheblicher körperlicher Kraft kann auch ohne
Substanzverletzung geschehen.
Auch das Beiseiteschieben eines
Schrankes, der den Zugang versperrt, kann Einbruch sein, desgleichen das
Durchzwängen durch eine mit Kisten verrammelte Tür oder das Rütteln an
einem Fabriktor, bis der Innenriegel herabfällt.
Grenzfall ist das Aufdrücken
unverriegelter Fenster an Gebäuden oder Kraftfahrzeugen. Einbruch kommt
in solchen Fällen nur bei erheblicher Kraftentfaltung in Betracht.
[BGH 1961:] In einem Urteil
des BGH 5 StR 52/61 vom 16.5.1961, dem nachfolgend skizzierter Fall
zugrunde lag, heißt es:
[Anlass:]
Der Täter hatte eine Scheunentür gewaltsam geöffnet, indem er die
Scheunentür leicht zur Seite schob, durch den Spalt hindurchfasste und
einen von innen vorgelegten schadhaften Riegel beiseiteschob.
[Rn. 5:] Der Angeklagte
konnte »die Scheunentür dadurch öffnen, dass er hindurchfasste und einen
innen vorgelegten, schadhaften Riegel beiseiteschob. Ob der Angeklagte
dabei körperliche Kraft aufwenden musste, geht aus dem Urteil nicht
hervor. Wer bloß durch einen Spalt oder eine andere Öffnung einer Tür
hindurchfasst und den von innen vorgelegten Riegel aufschiebt, wendet
keine Gewalt an und begeht daher keinen Einbruch. [En15] 15
[Hinweis:] Ein Einbruch
setzt nicht voraus, dass der Täter die gewaltsam geöffnete Wohnung bzw.
den gewaltsam geöffneten Raum auch tatsächlich betritt. Es reicht aus,
wenn der Täter die Tatbeute durch Hereingreifen oder mittels eines
Werkzeuges wegnimmt. Das ist zum Beispiel möglich, wenn der Täter eine
Fensterscheibe einschlägt, um einen Gegenstand wegnehmen zu können, der
sich in Reichweite befindet.
04.5
Tatbestandsmerkmal: Einsteigen
TOP
Tatbestandlich im Sinne von
§ 244 Abs. 1 Nr.
3 StGB
(Diebstahl mit Waffen; Bandendiebstahl;
Wohnungseinbruchdiebstahl) handelt, wer »3. einen
Diebstahl begeht, bei dem er zur Ausführung der Tat in eine Wohnung
einbricht, einsteigt, mit einem falschen Schlüssel oder einem
anderen nicht zur ordnungsmäßigen Öffnung bestimmten Werkzeug eindringt
oder sich in der Wohnung verborgen hält.«
[BGH 2016:] Im Beschluss
vom 10.03.2016 - 3 StR 404/15 haben sich die Richter des BGH zum
Tatbestandsmerkmal »Einsteigen« umfassend geäußert:
Entscheidungstenor:
Wer eine
Räumlichkeit durch eine zum ordnungsgemäßen Zugang bestimmte Tür
betritt, steigt nicht im Sinne von § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, §
244 Abs. 1 Nr. 3 StGB ein, unabhängig davon, auf welche Weise er die Tür
geöffnet hat.
An anderer Stelle heißt es:
[Rn. 8:] Ein Einsteigen im
Sinne des § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB liegt nicht vor, wenn sich der
Täter unter Überwindung von Schwierigkeiten oder Hindernissen, die sich
aus der Eigenart des Gebäudes oder der Umfriedung des umschlossenen
Raumes ergeben, Zugang in eine Wohnung durch eine zum ordnungsgemäßen
Betreten bestimmte Öffnung verschafft.
[Rn. 13:] Bezugnehmend auf
die historische Entwicklung des unbestimmten Rechtsbegriffs »Einsteigen«
heißt es in dem Beschluss: »Schon das Reichsgericht hat das Einsteigen
definiert als das Eindringen durch eine zum ordnungsgemäßen Eintreten
nicht bestimmte Öffnung unter Überwindung eines entgegenstehenden
Hindernisses (...). An dieser Definition hat der Bundesgerichtshof - bei teilweise
abweichender Formulierung - in zahlreichen Entscheidungen festgehalten.«
Vom BGH in der Vergangenheit
alternativ verwendete Formulierungen:
-
»Auf ordnungswidrigem Weg […]
Zugang […] verschafft«
-
»Öffnung war ersichtlich kein
ordnungsgemäßer Zugang«
-
»Auf […] nicht vorgesehene
Weise Zugang […] verschafft«
[Rn. 19:] Das hergebrachte
Begriffsverständnis [des Wortes Einsteigen = AR] deckt sich schließlich
mit dem allgemeinen Sprachgebrauch. Dieser versteht »Einsteigen« als das
Sichverschaffen unrechtmäßigen Zutritts durch Hineinklettern (siehe
www.duden.de/rechtschreibung/einsteigen). [En16] 16
[Hinweis:] Das
Tatbestandsmerkmal »Einsteigen« ist so zu verstehen, dass der Täter
nicht mit dem ganzen Körper in eine Wohnung eingedrungen sein muss.
Voraussetzung ist aber, dass der Täter im Innern der Wohnung einen
»Stützpunkt« in Anspruch genommen hat, um die Wegnahme zu ermöglichen.
Das ist zum Beispiel der Fall, wenn ein Täter durch ein offenstehendes
Fenster einen auf einem Tisch liegenden Gegenstand nur dadurch wegnehmen
kann, indem er als »Stützpunkt« einen Stuhl in Anspruch nehmen muss, um
nicht mit dem ganzen Körper in die Wohnung einsteigen zu müssen.
Nicht ausreichend ist das bloße
Hineinlangen in eine Wohnung, zum Beispiel durch ein offenstehendes
Fenster, um die Wegnahme zu ermöglichen.
[Hinweis:] Im Zusammenhang
mit Wohnungseinbrüchen in »dauerhaft genutzte Privatwohnungen« im Sinne
von
§ 244 Abs.
4 StGB
bleibt abzuwarten, welche Fälle des
»Einsteigens« die Tat zum Verbrechen qualifizieren werden. Es ist davon
auszugehen, dass ein »Einsteigen« nur dann mit der Begehungsart des
»Einbrechens« gleichgestellt werden kann, wenn für das Einsteigen
Hilfsmittel und/oder nicht unerhebliche Körperkraft/Geschicklichkeit
aufgewendet werden muss.
04.5.1
Einbruch oder Einsteigen?
TOP
Sowohl im Zusammenhang mit dem
Wohnungseinbruchdiebstahl auf der Grundlage von § 244 Abs. 4 StGB als
auch auf der Grundlage von § 243 Abs. 1 Nr. 1 StGB ist es nicht immer
einfach, die Begehungsart des »Einbruchs« von der des »Einsteigens« zu
unterscheiden.
[BGH 1999:] Mit Urteil vom
16.11.1999 - 1 StR 506/99 haben die Richter zu diesem Problemkreis wie
folgt Stellung bezogen.
[Anlass:]
Täter hatten »ohne Weiteres« einen beweglichen Zaun hochgehoben, um auf
das eingezäunte Gelände eines Baumarktes zu gelangen, um dort
Gartenmöbel zu stehlen.
Im Urteil heißt es:
[Rn. 6:] Nach der
Wortbedeutung sind die Angeklagten [...] eingedrungen. Die
Voraussetzungen dieses Regelbeispiels nach § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1
StGB haben sie damit aber nicht erfüllt, weil sie kein Werkzeug
benutzten.
[Rn. 7:] Die Feststellungen
ergeben weiterhin nicht, dass sie »eingebrochen« sind, also »unter
Aufwendung nicht unerheblicher körperlicher Kraft« ein dem Eindringen
entgegenstehendes Hindernis gewaltsam beseitigt hätten (...). Das
»einfache« und »ohne weiteres« mögliche Hochheben und Beiseitedrücken
eines beweglichen Zaunes belegt diese Voraussetzungen nicht ohne
weiteres. Der Vorgang könnte hinsichtlich des Aufwandes dem Öffnen eines
Gatters gleichkommen.
[Rn. 8:] Aus dem gleichen
Grunde sind die Voraussetzungen des »Einsteigens«‹ nicht erfüllt. Zwar
wurde ein Zaun überwunden und damit der Zutritt auf einem nicht dafür
vorgesehenen Wege gewählt. Erforderlich wäre aber auch hier, dass der
Zaun tatsächlich ein Hindernis bildete, das es Unbefugten nicht
unerheblich erschwert, auf das vom Zaun umgebene Grundstück zu gelangen
(BGH StV 1984, 204). Um dies abschließend entscheiden zu können, wären
zusätzliche Feststellungen zur Schwere und Beweglichkeit des Zaunes und
zum erforderlichen Kraftaufwand notwendig gewesen, die das Hochheben und
Beiseitedrücken als doch mit einigem Aufwand verbunden gekennzeichnet
hätten. [En17] 17
04.5.2
Stimmige Tatortspuren
TOP
Im Zusammenhang mit
Einbruchdiebstählen kann generell davon ausgegangen werden, dass durch
diese Begehungsart vom Täter Spuren an den Objekten lässt, die er
aufbricht (Türen, Fenster etc.).
Fehlen solche Spuren oder sind
vorhandene Spuren nicht stimmig, können sich daraus zivilrechtliche
»Folgeschäden« für Geschädigte ergeben, indem sich zum Beispiel eine
»Einbruchsdiebstahlversicherung« weigert, für den entstandenen Schaden
aufzukommen.
Mit anderen Worten:
Um dem Geschädigten die Beweislast
für einen tatsächlich erlittenen Einbruchsdiebstahl zu vereinfachen, ist
es auch Aufgabe der Polizei, vorhandene Einbruchsspuren sorgfältig und
vollständig zu sichern. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf
Einbruchdiebstähle in »dauerhaft genutzte Privatwohnungen« im Sinne von
§ 244 Abs. 4 StGB.
Da es sich bei solchen
Wohnungseinbruchdiebstählen um Verbrechen handelt, wird hier die
Auffassung vertreten, dass die Spurensicherung vor Ort von ausgewiesenen
Fachkräften der »Spurensicherung« durchzuführen ist, wie das bei anderen
Verbrechenstatbeständen ebenfalls üblich ist.
[BGH 2015:] Hinsichtlich
der Beweislast beim Einbruchdiebstahl gegenüber einer Versicherung haben
die Richter des BGH mit Urteil vom 8. April 2015 (IV ZR 171/13)
entschieden, dass das vom Versicherungsnehmer zu beweisende, äußere Bild
eines Einbruchdiebstahls nicht voraussetzt, dass vorgefundene Spuren in
dem Sinne stimmig sein müssen, dass sie zweifelsfrei auf einen Einbruch
schließen lassen. Die Ersatzpflicht des Versicherers wird bereits
begründet, wenn nicht sämtliche, typischerweise auftretenden Spuren
vorhanden sind.
[Anlass:]
Eine Versicherung hatte bestritten, dass die Spuren an der Tür,
durch die der Täter in das Haus eingedrungen war, von dieser Person
verursacht worden waren und dies auch durch ein Gutachten belegt. Der
Gutachter der Gegenseite sah das anders.
In der Einlassung der sich
verweigernden Versicherung heißt es sinngemäß:
Zum äußeren Bild eines
Einbruchdiebstahls gehören Spuren, die mit einem gewaltsamen Eindringen
in Einklang gebracht werden könnten. Ein solches Spurenbild könne nach
dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht festgestellt werden. Es stehe
danach nicht fest, dass ein Spurenbild vorgelegen habe, das zweifelsfrei
mit einem Überwinden der fraglichen Tür in Einklang stehe. Insofern
fehle es an dem notwendigen »stimmigen« Spurenbild eines Einbruchs.
Im Beschluss heißt es:
[Rn. 24:] Der Nachweis des
äußeren Bildes setzt nicht voraus, dass die vorgefundenen Spuren
»stimmig« in dem Sinne sind, dass sie zweifelsfrei auf einen Einbruch
schließen lassen. Insbesondere müssen nicht sämtliche, typischerweise
auftretenden Spuren vorhanden sein, da der Sinn der Beweiserleichterung
gerade darin liegt, dem Versicherungsnehmer, der in aller Regel keine
Zeugen oder sonstigen Beweismittel für den Diebstahl beibringen kann,
die Versicherungsleistung auch dann zuzuerkennen, wenn sich nach den
festgestellten Umständen nur das äußere Bild eines Diebstahls darbietet,
auch wenn von einem typischen Geschehensablauf nicht gesprochen werden
kann (...). Nur wenn ein Einbruch auf dem Wege, wie er nach dem äußeren
Spurenbild vorzuliegen scheint, aus anderen Gründen völlig
auszuschließen ist, kann es trotz Vorhandenseins an sich genügender
Spuren am Nachweis der erforderlichen Mindesttatsachen fehlen (...).
Bezugnehmend auf vorausgegangene
Entscheidungen des OLG Köln heißt es in dem Beschluss:
[Rn. 24:] Soweit das
Oberlandesgericht Köln in mehreren Entscheidungen für das Vorliegen des
äußeren Bildes eines Einbruchs ein »stimmiges Spurenbild« gefordert und
dessen Verneinung jeweils damit begründet hat, dass neben vorgefundenen
Spuren weitere beim Eindringen eines Diebes zu erwartende Spuren nicht
vorhanden gewesen seien (...), widerspricht dies, wie die vorstehenden
Ausführungen zeigen, der Rechtsprechung des erkennenden Senats. [En18]
18
04.5.3 Fehlen
typischer Einbruchspuren
TOP
Auch in den nachfolgend
skizzierten Entscheidungen ging es um die Frage des Nachweises typischer
Einbruchspuren, um zweifelsfrei von einem »Einbruchdiebstahl« ausgehen
zu können.
[OLG Hamm 2011:] Mit Urteil
vom 21. Oktober 2011 · Az. I-20 U 62/11 hatten die Richter des OLG Hamm
über folgenden Fall zu entscheiden:
[Anlass:]
Täter hatten den Profilzylinder der Haustür eines Mehrfamilienhauses
gezogen und die Tür danach entriegelt. Die Wohnungstür zur Wohnung des
Klägers wurde aufgehebelt bzw. aufgebrochen und die Wohnung durchwühlt.
Die Versicherung hatte die Leistung verweigert, weil der herausgezogene
Profilzylinder der Haustür nicht gefunden werden konnte.
Im Urteil heißt es:
[Rn. 26:] Zum äußeren Bild
eines Einbruchsdiebstahls gehören dabei zunächst, wenn - wie hier - ein
Nachschlüsseldiebstahl nicht in Betracht kommt, geeignete
Einbruchsspuren (...). Entgegen der Auffassung des Landgerichts und der
Beklagten liegen geeignete Einbruchspuren [...] unproblematisch vor:
Nach den im Ermittlungsverfahren getroffenen Feststellungen der Polizei
wurde der äußere Teil des Profilzylinders der Haustür des
Mehrfamilienhauses gezogen und diese sodann entriegelt, die Wohnungstür
zur Wohnung des Klägers wurde aufgehebelt bzw. aufgebrochen und die
Wohnung durchwühlt [...]. Entgegen der Auffassung des Landgerichts ist
es in diesem Zusammenhang auch keineswegs »ungewöhnlich«, dass der
abgebrochene Teil des Profilzylinders der Hauseingangstür von der
Polizei nicht aufgefunden werden konnte.
Wie der Zeuge [...] überzeugend
bekundet hat, ist sogar das Gegenteil richtig: Seinen Bekundungen
zufolge ist es sogar die Regel, dass die Täter den oder die Zylinder
mitnehmen, weil man daran, wie die Täter wissen, sehr gut Spuren
sichern, insbesondere feststellen kann, welches Tatwerkzeug verwendet
wurde und so unter Umständen Rückschlüsse auf bestimmte Täter bzw.
Täterkreise möglich sind. [En19] 19
[BGH 2006:] Um typische
Einbruchsspuren anlässlich von Einbruchdiebstählen ging es auch im
Urteil des BGH vom 18. 10. 2006 – IV ZR 130/05.
[Anlass:]
Täter waren in ein Geschäft eingedrungen und hatten einen Tresor
entwendet, in dem sich wertvolle Gegenstände befunden hatten.
Zum Spurenbild des Einbruchs heißt
es in dem Urteil auf Seite 5:
[Rn. 9:] Die Wohnungstür
habe typische Einbruchspuren aufgewiesen; ein Diebstahl in der vom
Kläger behaupteten Begehungsweise sei möglich gewesen. Es stehe zudem
fest, dass sich der Tresor [zum Zeitpunkt der Tat] in der Wohnung
befunden habe und dort am [Folgetag] nicht mehr vorhanden gewesen sei.
Die Spuren am Bodenbelag ergäben mit hinreichender Gewissheit, dass der
Tresor aus der Wohnung geschafft worden sei. Diese Umstände genügten zur
Feststellung des äußeren Bildes eines Einbruchdiebstahls. [En20]
20
[Hinweis:] Werden zur
Begehung von Diebstählen Werkzeuge benutzt und können Spuren, die diese
Werkzeuge am Tatort hinterlassen haben, nachgewiesen werden, dann ist
das generell ein Indiz für einen »Einbruchdiebstahl« bzw. einen
Wohnungseinbruchdiebstahl im Sinne von § 244 Abs. 4 StGB bei einer
»dauerhaft genutzten Privatwohnung. Dazu mehr in der folgenden
Randnummer.
04.6
Tatbestandsmerkmal: Falscher Schlüssel - anderes Werkzeug
TOP
Tatbestandlich im Sinne von
§ 244 Abs. 1 Nr.
3 StGB
(Diebstahl mit Waffen; Bandendiebstahl;
Wohnungseinbruchdiebstahl) handelt, wer »3. einen
Diebstahl begeht, bei dem er zur Ausführung der Tat in eine Wohnung
einbricht, einsteigt, mit einem falschen Schlüssel oder einem
anderen nicht zur ordnungsmäßigen Öffnung bestimmten Werkzeug
eindringt oder sich in der Wohnung verborgen hält.«
Als Schlüssel sind neben den
üblichen mechanischen Schlüsseln auch Codekarten anzusehen, mit deren
Hilfe Türverriegelungen elektronisch geöffnet werden können.
[Falsche Schlüssel:] Falsch
ist jeder Schlüssel, der zur Tatzeit vom Berechtigten nicht oder nicht
mehr (oder noch nicht) zum Öffnen des betreffenden Verschlusses bestimmt
ist. Dazu gehören auch so genannte elektronische Schlüssel.
Ausschließlich der Wille des Berechtigten entscheidet darüber, was ein
echter Schlüssel ist. Der Missbrauch eines echten Schlüssels, wodurch
dieser zum falschen Schlüssel wird, beginnt folglich zu dem Zeitpunkt
seiner Entwidmung. Das ist der Zeitpunkt, in dem der Berechtigte einen
bisher echten Schlüssel entwidmet.
Allein der Wille, dass andere
Personen den Schlüssel nicht benutzen sollen oder der bloße Verlust
eines Schlüssels macht den richtigen Schlüssel noch nicht zum
»falschen«.
[BGH 1960:] In einem Urteil
des BGH vom 10.05.1960 - 5 StR 129/60 heißt es diesbezüglich:
[Rn. 7:] Denn »darüber, ob
ein Schlüssel zur ordnungsmäßigen Eröffnung eines Schlosses bestimmt
ist, entscheidet lediglich der Wille des zur Verfügung über das Gebäude,
den umschlossenen Raum, die Tür oder das Behältnis Berechtigten« (...).
[En21] 21
[Hinweis:] Anlässlich von
Diebstählen durch falsche Schlüssel kann die Entwidmung erst erfolgen,
sobald der Berechtigte den Diebstahl bzw. Verlust bemerkt. Eine solche
nachträgliche Entwidmung hat keinen Einfluss auf die Begehungsart des
Regelbeispiels »falscher Schlüssel«.
[Eindringen:] Eindringen
erfordert, dass der Täter, nachdem er mit einem »falschen Schlüssel« ein
Schloss geöffnet hat, wenigstens zum Teil körperlich in die Räumlichkeit
gelangt ist, und zwar ohne Willen des Berechtigten.
04.7
Tatbestandsmerkmal: Nicht zur ordnung. Öffnung best. Werkzeug
TOP
Tatbestandlich im Sinne von
§ 244 Abs. 1 Nr.
3 StGB
(Diebstahl mit Waffen; Bandendiebstahl;
Wohnungseinbruchdiebstahl) handelt, wer »3. einen
Diebstahl begeht, bei dem er zur Ausführung der Tat in eine Wohnung
einbricht, einsteigt, mit einem falschen Schlüssel oder einem
anderen nicht zur ordnungsmäßigen Öffnung bestimmten Werkzeug
eindringt oder sich in der Wohnung verborgen hält.«
Andere Werkzeuge müssen, um den
Schlüsseln gleichgestellt werden zu können, auf den Mechanismus des
Verschlusses ordnungswidrig einwirken.
Als sonstige Öffnungswerkzeuge
kommen u.a. in Betracht:
-
Dietriche
-
Schraubenzieher
-
Vierkantschlüssel
-
Magnete
-
Zangen
-
Einbruchsbestecke
-
Ziehfix-Geräte
-
Drähte.
Benutzen Täter die nachfolgend
aufgeführten Spezialwerkzeuge zum Öffnen von Schlössern, dann sind dafür
- je nach Professionalität - nur wenige Sekunden Zeit erforderlich:
-
Elektronikpik (Universeller
elektrischer Schlossöffner zum Öffnen von Türschlössern)
-
AURUM Lockpicking-Set
(Profiwerkzeug für den Einstieg in die Liga der Meisterdiebe)
-
Multipick Dietrich Set
(Profi-Öffnungstechniken für Türen).
Wird mit solchen
Öffnungswerkzeugen auf den Schließmechanismus eines Schlosses
unmittelbar eingewirkt, handelt es sich um das Eindringen in eine
Wohnung mit einem »anderen nicht zur ordnungsgemäßen Öffnung
bestimmten Werkzeug«.
[Hinweis:] Werden die oben
genannten Geräte, die sich alle auch als Einbruchswerkzeuge eignen, im
Umfeld des Schlosses eingesetzt, ohne direkt auf den Schließmechanismus
einzuwirken, sind die Merkmale eines »Einbruchs« gegeben.
Mit anderen Worten:
Lässt sich durch Verwendung einer
Scheckkarte zum Beispiel ein Schnappschloss öffnen, indem die
Scheckkarte eingesetzt wird, um das Schnappschloss zu entriegeln, wird
ein anderes nicht zur ordnungsgemäßen Öffnung der Tür gehörendes
Werkzeug zum Öffnen eines Schlosses eingesetzt, weil unmittelbar auf den
Schließmechanismus eingewirkt wird.
Wird hingegen mit einem Stemmeisen
versucht, das Schloss durch Hebelkraft aufzusprengen, dann handelt es
sich um einen Einbruch.
[BGH 1953:] Im Urteil vom
29.09.1953 - 2 StR 261/53 hatte der BGH über den nachfolgend skizzierten
Fall zu entscheiden.
§ 243 StGB hatte 1953 eine andere Fassung als heute. Deshalb wurden die
Zitate der aktuellen Gesetzeslage angepasst, ohne dass dadurch der
Inhalt verändert wurde.
[Anlass:]
Täter hatten die verschlossenen Wagentüren von Pkw mit einem
Schraubenzieher oder einer Nagelschere geöffnet und die Pkw dann an
einem abgelegenen Ort ausgeschlachtet und stehen gelassen.
Amtlicher Leitsatz:
Wer einen Kraftwagen entwendet,
indem er die verschlossenen Türen mit Nachschlüsseln öffnet, begeht
einen besonders schweren Diebstahl im Sinne von § 243 Abs. 1 Nr. 3 StGB
(Besonders schwerer Fall des Diebstahls).
Im Urteil heißt sinngemäß in der
Rn. 5:
Die Begehungsart des Einbruchs
wurde mit der Begründung nicht mit in die Anklage aufgenommen, weil das
»Öffnen« der Wagentüren mittels eines Schraubenziehers oder einer
Nagelschere »ohne Schwierigkeit« möglich war. Nagelschere und
Schraubenzieher sind Werkzeuge, mit denen zwar der Verschlussmechanismus
einer Wagentüre geöffnet, kaum aber ein Wagen »ohne Schwierigkeit«
erbrochen werden kann. [En22] 22
[Anmerkung:] Es kann davon
ausgegangen werden, dass mit einer Nagelschere oder einem
Schraubenzieher das Schloss eines Pkw nicht mehr problemlos geöffnet
werden kann.
Dafür werden heute andere Werkzeuge benutzt.
04.8
Tatbestandsmerkmal: Sich in der Wohnung verborgen halten
TOP
Tatbestandlich im Sinne von
§ 244 Abs. 1 Nr.
3 StGB
(Diebstahl mit Waffen; Bandendiebstahl;
Wohnungseinbruchdiebstahl) handelt, wer »3. einen
Diebstahl begeht, bei dem er zur Ausführung der Tat in eine Wohnung
einbricht, einsteigt, mit einem falschen Schlüssel oder einem
anderen nicht zur ordnungsmäßigen Öffnung bestimmten Werkzeug eindringt
oder sich in der Wohnung verborgen hält.«
Verborgenhalten setzt voraus, dass
sich der Täter zum Zweck der Tatausführung, also in der Regel schon vor
dem Beginn des Diebstahls, sich in einer Wohnung versteckt aufhält. Dies ist der Fall,
wenn er sich dem Gesehenwerden dadurch entzieht, dass er sich an einer
Stelle, an der er nicht vermutet wird, befindet. Ohne Belang ist, wie
der Täter in den Raum gekommen ist und ob dies erlaubt oder unerlaubt
geschah. Es kommt nur darauf an, dass sein Aufenthalt in dem Raum zum Tatzeitpunkt unerlaubt gewesen
ist.
[Beispiel:] Ein Vertreter wurde vom Hausherrn zum Betreten seiner
Wohnung aufgefordert. Der Vertreter gibt vor, die Wohnung zu verlassen,
weil er den Hausherrn nicht bemühen will, ihn zur Tür zu begleiten. Er
verlässt die Wohnung aber nicht, sondern
schließt die Haustür lediglich demonstrativ laut, bevor er sich im
Abstellraum versteckt, um darauf zu warten, dass der Hausherr, wie von
diesem angekündigt, gleich die Wohnung verlassen wird, denn der war in Eile. Kaum dass
der Hausherr die Wohnung verlassen hat, nutzt der Vertreter die sich ihm
bietende Möglichkeit, wertvolle Gegenstände zu entwenden. Rechtslage?
Der Täter hat sich zwar mit dem
Einverständnis des Hausherrn Zugang zur Wohnung verschafft. Dieses
Einverständnis endet aber zu dem Zeitpunkt, als der Vertreter vorgibt,
das Haus bzw. die Wohnung zu verlassen.
Durch demonstrativ lautes
Schließen der Haustür hat der Vertreter vorgetäuscht, die Wohnung
verlassen zu haben. Tatsächlich hat er sich aber im Abstellraum
versteckt, also an einem Ort, wo ihn der Hausherr sicherlich nicht
vermutet.
Nicht erforderlich ist, dass der
Täter genau in dem Raum stiehlt, indem er sich verborgen hält.
Nachdem der Hausherr seine Wohnung
verlassen hat, nutzt der Vertreter die sich ihm bietende Möglichkeit, in
Ruhe und völlig ungestört, wertvolle Gegenstände zu entwenden.
[Hinweis:] Ob solch eine
Begehungsweise ausreicht, die Tat im Sinne von § 244 Abs. 4 StGB zum
Verbrechen zu qualifizieren, kann und muss bezweifelt werden, denn zu
viel Vertrauen in das Verhalten eines Fremden entlastet diesen durchaus.
05
Wohnungseinbruchdiebstahl gem. § 244 Abs. 4 StGB
TOP
1998 wurde der
Wohnungseinbruchsdiebstahl erstmalig als besonders schwere Begehungsart
»Tatbestandsmerkmal« des bereits zuvor bestehenden § 244 StGB alt
(Besonders schwerer Fall des Diebstahls).
Seitdem wurde dieser
Straftatbestand viermal modifiziert, letztmalig im Juli 2017 durch die
neu in den § 244 StGB eingefügte Regelung, dass der
Wohnungseinbruchsdiebstahl in »dauerhaft genutzte Privatwohnungen«
nunmehr als ein Verbrechen anzusehen ist, siehe
§ 244 Abs.
4 StGB
(Diebstahl mit Waffen; Bandendiebstahl; Wohnungseinbruchdiebstahl).
Dort heißt es:
(4) Betrifft
der Wohnungseinbruchdiebstahl nach Absatz 1 Nummer 3 eine
dauerhaft genutzte Privatwohnung, so ist die Strafe Freiheitsstrafe von
einem Jahr bis zu zehn Jahren.
05.1
Wohnungsbegriffe des § 244 StGB
TOP
In Anlehnung an die BT-Drucks.
18/12359 vom 15.05.2017 ist unter einer dauerhaft genutzten
Privatwohnung Folgendes zu verstehen:
Auf Seite 10 heißt es:
Eine dauerhaft genutzte
Privatwohnung »umfasst sowohl private Wohnungen
oder Einfamilienhäuser und die dazu gehörenden, von ihnen nicht
getrennten weiteren Wohnbereiche wie Nebenräume, Keller, Treppen, Wasch-
und Trockenräume sowie Zweitwohnungen von Berufspendlern.«
Um die im Zusammenhang mit den
Diebstahlsdelikten verwendeten unterschiedlichen »Wohnungsbegriffe«
verstehen und richtig anwenden zu können, ist es erforderlich, zur
Kenntnis zunehmen, dass es im
§ 244 StGB
(Diebstahl mit
Waffen; Bandendiebstahl; Wohnungseinbruchdiebstahl) zwei
unterschiedliche Wohnungsbegriffe gibt.
-
Wohnungsbegriff des § 244
Abs. 1 Nr. 3 StGB: Darunter fallen alle Wohnungen, die nicht
dauerhaft als Privatwohnungen benutzt werden, was zum Beispiel bei
selten benutzten Ferienhäusern oder kaum genutzten Zweitwohnungen
der Fall sein dürfte. Dazu gehören auch Wohnwagen, Hausboote und
Wohnmobile, wenn sie nicht dauerhaft zu Wohnzwecken benutzt werden,
sowie Mischformen. Diesbezüglich wird auf die Ausführungen in der
Rn. 4.3 verwiesen.
-
Wohnungsbegriff des § 244
Abs. 4 StGB: Dieser Absatz setzt einen Einbruch in eine
»dauerhaft genutzte Privatwohnung« voraus.
In Betracht kommen nur: Mietwohnungen,
Einfamilienhäuser, Eigentumswohnungen etc. die dauerhaft zu
Wohnzwecken genutzt werden.
-
Wohnungsbegriff des § 243
Abs. 1 Nr. 1 StGB: Ein besonders schwerer Fall des
Diebstahls liegt in der Regel vor, wenn der Täter 1. zur
Ausführung der Tat in ein Gebäude, einen Dienst- oder
Geschäftsraum oder in einen anderen umschlossenen Raum
einbricht, einsteigt, mit einem falschen Schlüssel oder einem
anderen nicht zur ordnungsmäßigen Öffnung bestimmten Werkzeug
eindringt oder sich in dem Raum verborgen hält. [Hinweis:]
Das sind Räumlichkeiten, die von § 244 StGB nicht erfasst werden.
Zurück zum Wohnungsbegriff des §
244 Abs. 4 StGB:
In der BT-Drucks. 18/12359 vom
15.05.2017 heißt es dazu: »Um dem schwerwiegenden
Eingriff in den privaten Lebensbereich und dem damit verbundenen
Unrechtsgehalt besser Rechnung tragen zu können, [wird der]
Einbruchdiebstahl in eine dauerhaft genutzte Privatwohnung durch den
neuen Absatz 4 als Verbrechenstatbestand ausgestaltet«
(Seite 1).
Auf Seite 8 heißt es:
»Zudem soll die
Strafzumessungsregelung des minder schweren Falles in § 244 Absatz 3
StGB nur noch für den Diebstahl mit Waffen, den Bandendiebstahl und den
Wohnungseinbruchdiebstahl (§ 244 Absatz 1 Nummern 1 bis 3 StGB)
angewendet werden können. Eine Anwendung des minder schweren Falles für
den Wohnungseinbruchdiebstahl in die dauerhaft genutzte Privatwohnung
ist daher ausgeschlossen. Der Strafrahmen für den
Wohnungseinbruchdiebstahl in eine dauerhaft genutzte Privatwohnung (...)
zwingt angesichts der Schwere der
Rechtsgutsverletzung nicht zur Ausformung eines minder schweren Falls
mit abgesenkter Mindeststrafe, um eine tat- und schuldangemessene
Bestrafung zu ermöglichen. § 244 Absatz 4 StGB bietet einen Strafrahmen,
der auch für Fälle mit geringem Schuldgehalt eine tat- und
schuldangemessene Strafzumessung ermöglicht.«
[Hinweis:] Freiheitsstrafe
von 1 Jahr bis zu 10 Jahren
»Die
Strafzumessungsregelung des minder schweren Falles in § 244 Absatz 3 des
StGB kann zukünftig nur für den Diebstahl mit Waffen, den
Bandendiebstahl und den Wohnungseinbruchdiebstahl (§ 244 Absatz 1
Nummern 1 bis 3 StGB) angewendet werden. Künftig können
Einbruchdiebstähle in eine dauerhaft genutzte Privatwohnung nur aus
dem verschärften Strafrahmen mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu
zehn Jahren bestraft werden. Der Einbruchdiebstahl in eine
dauerhaft genutzte Privatwohnung ist künftig ein Verbrechen (§ 12 Absatz 1
StGB).« [En23] 23
05.2
Mischwohnungen - Nebenräume etc.
TOP
Im Hinblick auf die hohe
Strafandrohung, immerhin handelt es sich bei dem
»Wohnungseinbruchsdiebstahl in eine dauerhaft genutzte Privatwohnung« um
ein Verbrechen, werden die Fachgerichte zu entscheiden haben, welche
Räume tatsächlich gemeint sind, in denen sich Diebstähle zu Verbrechen
qualifizieren.
Anhaltspunkte dafür wurden von der
Rechtsprechung schon im Zusammenhang mit »Wohnungseinbruchsdiebstählen
auf der Grundlage von § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB« erarbeitet, die nach der hier
vertretenen Rechtsauffassung auch auf den Wohnungsbegriff von § 244 Abs.
4 StGB angewendet werden können.
Diesbezüglich wird auf die
Ausführungen in der Rn. 4.3 »Mischwohnungen - Wohn- und Geschäftsräume
und sonstige Räume« in diesem Kapitel verwiesen.
Es kann davon ausgegangen werden,
dass im Hinblick auf die hohe Mindestfreiheitsstrafe bei Verbrechen
(mindestens 1 Jahr), nicht jedes Gartenhäuschen und jede Garage in die
eingebrochen wird, einen Einbruchdiebstahl zum Verbrechen qualifiziert.
Im NOMOS-Kommentar zum
Strafgesetzbuch heißt es dazu:
»Unter einer Wohnung ist ein
abgeschlossener und überdachter Gebäudeteil zu verstehen, der einem oder
mehreren Menschen auf Dauer als Unterkunft dient. Leerstehende Wohnräume
werden demnach nicht erfasst. Zur Wohnung gehören im Übrigen auch die
ihr funktional zugeordneten Nebenräume (z.B. Treppenhaus, Waschküche,
Keller). Bei hinreichend räumlicher Trennung von der eigentlichen
Unterkunft (etwa Keller im Mehrfamilienhaus, abgesonderte Garagen oder
Geschäftsräume) sollen die Nebenräume nach inzwischen h.M. nicht als
Wohnungen i.S.d. Tatbestandes gelten, da das Ziel der Strafverschärfung
nicht die Überwindung eines besonderen Wegnahmeschutzes ist, sondern das
Eindringen in die Intimsphäre des Opfers mit den damit verbundenen
Gefahren. Derartig abgetrennte Nebenräume werden von § 243 Abs. 1 Nr. 1
hinreichend und flexibel geschützt.«
An anderer Stelle heißt es:
»Soweit der Täter in einen
Nebenraum (z.B. Geschäftsraum) einbricht bzw. einsteigt, hängt seine
Strafbarkeit davon ab, ob dieser wegen der räumlichen Verbindung noch
zur Wohnung zählt.
Wegen der
vorübergehenden Nutzung stellt ein vermietetes Hotelzimmer einen
Grenzfall dar. Da ein Hotelgast eine dem Wohnungsinhaber ähnliche
Privatsphäre entfalten kann, ist seine Räumlichkeit jedenfalls als
Wohnung anzusehen, wenn er sich dort nicht nur kurzfristig aufhält«.
[En24] 24
Einer zu engen Auslegung des
Wohnungsbegriffs steht auch wohl der Wortlaut in der Gesetzesbegründung,
siehe BT-Drucks. 13/8587 vom 25.09.1997, entgegen.
Dort heißt es auf Seite 43:
»Beim
Wohnungseinbruchsdiebstahl »handelt sich um eine Straftat, die tief in
die Intimsphäre der Opfer eindringt, und zu ernsten psychischen
Störungen, zum Beispiel zu langwierigen Angstzuständen führen kann.
Nicht selten sind Wohnungseinbrüche mit Gewalttätigkeiten gegen Menschen
und Verwüstungen der Einrichtungsgegenstände verbunden.« [En25]
25
In von der Kernwohnung abgelegenen
Räumlichkeiten bedarf es dieses Schutzes wohl nur im geringeren Maße.
05.3
Wohnungseinbruchdiebstahl i.S.v. § 244 Abs. 4 StGB
TOP
Der Sprachgebrauch in der
BT-Ducks. 18/12359 vom 15.05.2017 lässt die Feststellung zu, dass Täter,
die in dauerhaft genutzte Privatwohnungen
-
einsteigen
-
sich mit einem falschen
Schlüssel Zugang zu solchen Privatwohnungen verschaffen oder
-
ein nicht zur ordnungsmäßigen
Öffnung bestimmtes Werkzeug benutzen, um in solch eine Privatwohnung
einzudringen oder
-
sich dort verborgen halten
nicht
tatbestandlich im Sinne von
§ 244 Abs. 4 StGB handeln können, auch wenn
sie in eine dauerhaft genutzte Privatwohnung durch diese besonders
schweren Begehungsarten eindringen.
Zur Erinnerung:
In der BT-Ducks. 18/12359 vom
15.05.2017 heißt es auf Seite 8:
»Künftig
können Einbruchdiebstähle in eine dauerhaft genutzte
Privatwohnung nur aus dem verschärften Strafrahmen mit Freiheitsstrafe
von einem Jahr bis zu zehn Jahren bestraft werden. Der
Einbruchdiebstahl in eine dauerhaft genutzte Privatwohnung ist
künftig ein Verbrechen (
§ 12 Absatz 1
StGB).«
Wie also ist zu entscheiden, wenn
der Täter in eine dauerhaft genutzte Privatwohnung nicht einbricht,
sondern auf andere Art und Weise in eine dauerhaft genutzte
Privatwohnung eindringt, zum Beispiel, indem er in solch eine Wohnung
einsteigt?
Nach der hier vertretenen
Rechtsauffassung handelt es sich bei dem unbestimmten Rechtsbegriff
»Wohnungseinbruchdiebstahl« um eine Sprachfigur, die weiter gefasst sein
muss, als dies das Wort »Wohnungseinbruchdiebstahl« suggeriert.
Es wäre nach der hier vertretenen
Rechtsauffassung auch kaum nachvollziehbar, dass
»Wohnungseinbruchdiebstähle« nur dann als Verbrechen anzusehen sind,
wenn sich der Täter unter Anwendung von Gewalt Zugang zur Wohnung
verschafft, denn gleichviel, möglicherweise sogar mehr Kraft und
Geschicklichkeit muss ein Täter anwenden, wenn er in eine Wohnung
einsteigen will.
Auch stellt sich in diesem
Zusammenhang die Frage, warum primitiv vorgehende Täter, die in
Sekundenschnelle mit einem Stemmeisen zum Beispiel eine Terrassentür
oder ein Fenster aufhebeln können, mehr kriminelle Energie aufwenden, um
sich Zugang zu einer Wohnung zu verschaffen, als so genannte
»Meisterdiebe«, die mit professionellem Einbruchswerkzeug zum Beispiel
ein Schloss aufbohren, oder mit einem speziellen Einbruchsbesteck
Schlösser öffnen, oder mit Ziehfix-Geräten die Zylinder von Schlössern
unterschiedlichster Bauart in kürzester Zeit und ohne Aufwendung von
Kraft, aus ihrer Verankerung ziehen können, um im Anschluss daran in
solchermaßen geöffneten »Wohnungen« Diebstähle begehen zu können.
Benutzen Täter zum Beispiel die
nachfolgend aufgeführten Spezialwerkzeuge zum Öffnen von Türen, dann
werden dafür - je nach Professionalität - nachweisbar nur wenige
Sekunden Zeit und lediglich Geschicklichkeit benötigt.
-
Elektronikpik (Universeller
elektrischer Schlossöffner zum Öffnen von Türschlössern)
-
AURUM Lockpicking-Set
(Profiwerkzeug für den Einstieg in die Liga der Meisterdiebe)
-
Multipick Dietrich Set
(Profi-Öffnungstechniken für Türen).
Wenn beide Täter, der primitiv
vorgehende Einbrecher mit seiner Brechstange und der Meisterdieb für
ihre Taten unterschiedlich bestraft werden, weil dem Dummen ein
Verbrechen (weil er Gewalt anwendet) und dem Profi nur ein
Vergehen (weil er geschickt ist) nachgewiesen werden kann, dann
lässt sich das sicherlich nicht mehr mit einem (gesunden)
nachvollziehbaren Rechtsverständnis begründen.
[Fazit:] Auch wenn es sich
bei Wohnungseinbruchsdiebstählen in der Regel um Diebstähle handelt, in
denen der Täter unter Anwendung von Gewalt einbricht, können auch die
anderen Regelbeispiele des § 244 Abs. 1 Nr. 3 eine Tat zum Verbrechen
qualifizieren, wenn mit den anderen dort aufgeführten Begehungsarten
Täter in dauerhaft genutzte Privatwohnungen eindringen, zumindest dann,
wenn vom Täter Werkzeuge benutzt wurden und/oder nicht unerhebliche
Kraft oder Geschicklichkeit aufgewendet werden musste, um sich Zugang zu
einer »dauerhaft genutzten Privatwohnung«, zum Beispiel durch
»Einsteigen«, zu verschaffen.
Letztlich werden solche Fragen
aber die Fachgerichte zu entscheiden haben.
05.4
Anwendungsbeispiele
TOP
[Beispiel:] In Abwesenheit der Hausbewohner wurde am Wochenende die
Terrassentür eines Einfamilienhauses aufgehebelt. Die Spuren an der
Terrassentür zeigen ganz deutlich, dass hier mit brachialer Gewalt eine
Tür mit einer Brechstange aufgebrochen wurde. Im Haus wurden wertvolle
Gegenstände gestohlen und darüber hinausgehend ein Chaos angerichtet.
Bei der Rückkehr der Bewohner bricht für die Heimkehrer sozusagen eine
Welt zusammen. Handelt es sich um einen Wohnungseinbruchsdiebstahl im
Sinne von § 244 Abs. 4 StGB?
Es kann davon ausgegangen werden,
dass das Einfamilienhaus (Privatwohnung) von seinen Bewohnern dauerhaft
bewohnt wird. Ein Wochenendbesuch oder eine Urlaubsreise ändern daran
nichts.
Die Terrassentür wurde erkennbar
unter Anwendung brachialer Gewalt aufgebrochen. Insoweit bestehen auch
keine Zweifel, dass es sich um einen »Wohnungseinbruchsdiebstahl« im
Sinne von
§ 244 Abs.
4 StGB
(Diebstahl mit Waffen;
Bandendiebstahl; Wohnungseinbruchdiebstahl) handelt.
Die Tat ist ein Verbrechen.
[Beispiel:] In Abwesenheit der Hausbewohner wurden wertvolle
Gegenstände gestohlen. Darüber hinausgehend wurde im Haus ein Chaos
angerichtet, aufgebrochen wurde im Haus aber nichts. Bei der Rückkehr
der Bewohner bricht für die Heimkehrer sozusagen eine Welt zusammen. Es
stellt sich heraus, dass der oder die Täter über den Balkon in das Haus
eingestiegen sind, weil ein Fenster neben der Balkontür wohl auf
»Kippstellung« gestanden hatte und somit leicht geöffnet werden konnte,
um durch das Fenster in das Haus zu gelangen. Erkennbare Spuren an dem
Regenfallrohr lassen erkennen, dass der Täter mit sehr viel Geschick und
Körperkraft am Regenfallrohr hochgeklettert sein muss, um auf den Balkon
zu gelangen. Handelt es sich um einen Wohnungseinbruchsdiebstahl im
Sinne von § 244 Abs. 4 StGB?
Offensichtlich wurden auch hier
aus einem Haus Gegenstände gestohlen, das als Privatwohnung dauerhaft
bewohnt wird. Der oder die Täter sind aber nicht eingebrochen, sondern
»eingestiegen«.
In Anlehnung an einen Beschluss
des BGH vom 03.06.2013 - 4 StR 173/14 setzt ein »Einsteigen in einen
Raum über den engeren Sprachsinn hinaus jedes nur unter Schwierigkeiten
mögliche Eindringen durch eine zum ordnungsgemäßen Eintritt nicht
bestimmte Öffnung (...) voraus. [En26] 26
Davon kann im Beispielsfall
ausgegangen werden, denn ein Fenster ist wohl kaum als eine Öffnung zu
verstehen, die zum ordnungsgemäßen Eintritt in ein Haus oder in eine
Wohnung vorgesehen ist.
Dennoch handelt es sich bei der
Tatbegehung nicht um ein Verbrechen im Sinne von § 244 Abs. 4 StGB, weil
nur das »Einbrechen« in eine »dauerhaft genutzte Privatwohnung« die Tat
zu einem Verbrechen qualifiziert.
Eine solche Sichtweise wäre nach der
hier vertretenen Rechtsauffassung aber kaum nachvollziehbar, denn die
vom Täter aufgewendete Kraft, auf den Balkon zu gelangen, übersteigt
erkennbar die Kraft, die aufzuwenden gewesen wäre, um zum Beispiel mit
einer Brechstange ein Fenster im Erdgeschoss, oder eine Terrassentür
aufzubrechen.
[Beispielsänderung:] Der oder die Täter gelangten über eine
Außentreppe auf den Balkon, öffneten das auf »Kipp« stehende Fenster und
im Anschluss daran die daneben befindliche Balkontür, so dass sie nicht
durch das Fenster, sondern durch die geöffnete Balkontür in das Haus
gelangten. Rechtslage?
Dass es sich in diesem Beispiel
nicht um einen Wohnungseinbruchsdiebstahl im Sinne von § 244 Abs. 4 StGB
handeln kann, weil hier weder »eingebrochen« noch »eingestiegen« wurde,
soll hier nur der Vollständigkeit halb er noch einmal festgestellt
werden.
Folglich kommt nicht einmal ein
»Einsteigediebstahl« auf der Grundlage von § 244 Abs. 1 Nr. 3 in
Betracht, weil auch das Tatbestandsmerkmal des »Einsteigens« nicht gegeben
ist.
Zwar mussten der oder die Täter
die Außentreppe zum Balkon hochsteigen, festzustellen ist aber, dass
dies auf eine baulich vorgesehene Weise geschah. In das Haus gelangten
der oder die Täter durch eine Öffnung, die zum Betreten des Hauses
vorgesehen ist, nämlich durch eine Tür, die ohne die Überwindung
ernstzunehmender Hindernisse geöffnet werden konnte.
[BGH 2016:] Mit Beschluss
vom 10.03.2016 - 3 StR 404/15 hatte der BGH über einen vergleichbaren
Fall zu entscheiden.
[Anlass:]
Der Angeklagte hatte aus einem Wohnhaus Alkohol entwendet. Um in das
Wohnhaus zu gelangen, griff er durch ein auf »Kipp« stehendes Fenster
und löste die am oberen Fensterrahmen angebrachte Verriegelungsschiene.
Dadurch war es ihm möglich, das Fenster weiter nach hinten zu kippen und
den Griff der danebenliegenden Terrassentür umzulegen. Er betrat die
Wohnung durch die auf diese Weise geöffnete Tür und verschaffte sich die
Diebesbeute.
In dem Beschluss heißt es u.a.:
[Rn. 16:] Schon das
Reichsgericht hat das Einsteigen definiert als das Eindringen durch eine
zum ordnungsgemäßen Eintreten nicht bestimmte Öffnung unter Überwindung
eines entgegenstehenden Hindernisses (...). An dieser Definition hat der
Bundesgerichtshof - bei teilweise abweichender Formulierung - in
zahlreichen Entscheidungen festgehalten.
[Rn. 17:] Für diese
Auslegung durch die höchstrichterliche Rechtsprechung, der die Literatur
weitestgehend folgt (...), spricht bereits die Gesetzgebungsgeschichte.
[Rn. 20:] Dieser
gesetzgeberische Wille, der im Gesetzestext einen ausreichenden
Niederschlag (....) gefunden hat, gilt unverändert fort.
[Rn. 21:] Fälle der Überwindung sonstiger
entgegenstehender Hindernisse werden wiederum (nur) dann von der
Tathandlungsmodalität des Einbrechens erfasst, wenn der Täter
entweder die Substanz der Umschließung verletzt oder nicht unerhebliche
körperliche Kraft aufwenden muss (...). Fehlt es [...] an einer dieser
Voraussetzungen, kann dem nicht dadurch begegnet werden, dass das
Vorgehen nunmehr unter den Begriff des Einsteigens subsumiert wird.
[Rn. 22:] Das hergebrachte
Begriffsverständnis deckt sich schließlich mit dem allgemeinen
Sprachgebrauch. Dieser versteht Einsteigen als das Sichverschaffen
unrechtmäßigen Zutritts durch Hineinklettern (...).
[Beispiel:] In Abwesenheit der Hausbewohner wurden wertvolle
Gegenstände gestohlen. Darüber hinausgehend wurde im Haus ein Chaos
angerichtet, aufgebrochen wurde im Haus aber nichts. Bei der Rückkehr
der Bewohner bricht dennoch für die Heimkehrer sozusagen eine Welt
zusammen. Es stellt sich heraus, dass der oder die Täter mittels eines
falschen Schlüssels oder eines anderen, nicht zur ordnungsgemäßen
Öffnung bestimmten Werkzeuges, sich Zugang zum Haus verschafft haben
müssen, weil alle Fenster und Türen geschlossen sind. Lediglich die
Haustür, die beim Verlassen des Hauses abgeschlossen worden war, konnte
bei der Rückkehr der Hausbewohner sofort geöffnet werden, ohne dass der
Schlüssel im Schloss »umgedreht« werden musste, was den Schluss
nahelegt, dass die Tür nach der Tat lediglich zugezogen worden war.
Handelt es sich um einen Wohnungseinbruchsdiebstahl im Sinne von § 244
Abs. 4 StGB?
Auch hier handelt es nach dem
Wortlaut des § 244 Abs. 4 StGB sich nicht um einen
Wohnungseinbruchdiebstahl in eine dauerhaft genutzte Privatwohnung, weil
nicht »eingebrochen« wurde.
Da der oder die Täter aber
Werkzeuge benutzt haben, um sich Zugang zur Wohnung verschaffen zu
können, könnte dennoch das Tatbestandsmerkmal »Einbruch« gegeben sein,
wenn am Schloss bzw. an der Schließvorrichtung erkennbare Werkzeugspuren
gesichert werden können, die darauf schließen lassen, dass diese
»Werkzeugspuren« durch den Gebrauch von Einbruchswerkzeugen entstanden
sind, die normalerweise nicht zum Aufschließen oder Öffnen einer
Schließvorkehrung bestimmt sind.
Wenn erkennbare Spuren am Schloss
gesichert werden können, dann geht zumindest die neue Rechtsprechung des
BGH davon aus, dass es sich um einen »Einbruchdiebstahl« gehandelt
hat, wenn es in der Wohnung tatsächlich zum Diebstahl gekommen ist.
[Hinweis:] In solchen
Fällen sollte nach der hier vertretenen Rechtsauffassung von einem
Verbrechen im Sinne von § 244 Abs. 4 StGB ausgegangen werden. Auch wenn
ein Täter nicht sofort ermittelt werden kann, sollte die Sicherung von
Tatortspuren in solchen Fällen von Spezialisten durchgeführt werden.
06
Verkehrsdatenerhebungen i.S.v. § 100g StPO
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Durch das »Fünfundfünfzigsten
Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches - Wohnungseinbruchdiebstahl
vom 17.07.2017 (BGBl. I S. 2442)«, wurde mit Wirkung vom 22.07.2017 auch
der
§ 100g StPO (Erhebung von Verkehrsdaten) erweitert.
Im
§ 100g Abs. 2 StPO
(Erhebung von Verkehrsdaten) heißt es nunmehr: (2) Begründen bestimmte
Tatsachen den Verdacht, dass jemand als Täter oder Teilnehmer eine [...]
besonders schweren Straftaten begangen hat oder in Fällen, in denen der
Versuch strafbar ist, eine solche Straftat zu begehen versucht hat, und
wiegt die Tat auch im Einzelfall besonders schwer, dürfen die nach
§
113b des Telekommunikationsgesetzes gespeicherten Verkehrsdaten
erhoben werden, soweit die Erforschung des Sachverhalts oder die
Ermittlung des Aufenthaltsortes des Beschuldigten auf andere Weise
wesentlich erschwert oder aussichtslos wäre und die Erhebung der Daten
in einem angemessenen Verhältnis zur Bedeutung der Sache steht.
Besonders schwere Straftaten im Sinne des Satzes 1
sind: 1. aus dem Strafgesetzbuch g) Einbruchdiebstahl in eine dauerhaft
genutzte Privatwohnung nach § 244 Absatz 4.
Verkehrsdaten im Sinne von
§
113b TKG (Pflichten zur Speicherung von Verkehrsdaten) sind neben
den Bestands- und Verbindungsdaten auch die Standortdaten.
[Hinweis:] Die im Dezember
2015 gesetzlich eingeführte Neuregelung der Vorratsdatenspeicherung
durch die Provider wurde eine Woche vor Inkrafttreten dieser Neuregelung
durch das Oberverwaltungsgericht Münster mit Beschluss vom 22.06.2017 -
13 B 238/17 für unzulässig erklärt, weil mit EU-Recht nicht vereinbar.
Nach dieser Grundsatzentscheidung hat die Bundesnetzagentur die
Umsetzung der Vorratsdatenspeicherung bundesweit ausgesetzt.
Zugegriffen werden kann somit
zurzeit nur auf die Verkehrsdaten, die bei den
Telekommunikationsdiensteanbietern noch nicht gelöscht wurden.
Wie lange
bei den TK-Anbietern im Bedarfsfall auf Verkehrsdaten zugegriffen werden
kann, ist von Anbieter zu Anbieter verschieden. Grundsätzlich sind die
Daten unverzüglich zu löschen, die von den TK-Anbietern zu
Abrechnungszwecken nicht mehr benötigt werden.
Wie dem auch immer sei.
[BT-Ducks. 18/12359:]
Hinsichtlich der Erfolgsprognose der Aufnahme des
Wohnungseinbruchdiebstahls in dauerhaft genutzte Privatwohnungen in den
Straftatenkatalog von § 100g Abs. 2 StPO heißt es in der
Gesetzesbegründung, siehe BT-Ducks. 18/12359 vom 15.5.2017 auf Seite 8,
wie folgt:
»Von
besonderer Bedeutung für die Ermittlung von Wohnungseinbrüchen kann eine
Funkzellenabfrage sein; dabei werden alle zu einem bestimmten Zeitpunkt
in einer Funkzelle angefallenen Verkehrsdaten erhoben, § 100g Absatz 3
der Strafprozessordnung (StPO). So kann beispielsweise bei mehreren
Wohnungseinbrüchen zu verschiedenen Zeiten und in verschiedenen
Funkzellen festgestellt werden, ob ein Mobiltelefon an allen Tatorten
feststellbar ist. Da von einer solchen Maßnahme immer eine Vielzahl
Unbeteiligter betroffen ist, darf sie nur unter strengen Voraussetzungen
erfolgen. Nach
§ 96 Absatz 1 des Telekommunikationsgesetzes
gespeicherte Verkehrsdaten dürfen erhoben werden, wenn bestimmte
Tatsachen den Verdacht begründen, dass jemand als Täter oder Teilnehmer
eine Straftat von auch im Einzelfall erheblicher Bedeutung begangen,
versucht oder vorbereitet hat und die Erforschung des Sachverhalts oder
die Ermittlung des Aufenthaltsorts des Beschuldigten auf andere Weise
aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre. Darüber hinaus muss die
Erhebung in einem angemessenen Verhältnis zur Bedeutung der Sache
stehen. Mit der Strafrahmenverschärfung macht der Gesetzgeber deutlich,
dass Straftaten dieser Art grundsätzlich als schwer zu beurteilen sind.
Dass sie nicht im für die Telefonüberwachung vorgesehenen Katalog von
§ 100a Absatz 2 StPO genannt sind, ist demgegenüber nicht von
Bedeutung, denn dieser dient lediglich als Orientierungshilfe für die in
§ 100g Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 sowie Absatz 3 StPO geregelte
Funkzellenabfrage (...).
Von der Funkzellendatenabfrage ist
die Standortdatenabfrage zu unterscheiden. Über diese kann, soweit eine
verdächtige Person sowie ein durch diese genutzter Anschluss bekannt
sind, nachvollzogen werden, von welcher Funkzelle aus über diesen
Anschluss telefoniert oder eine Internetverbindung genutzt wurde. Die
Erhebung der besonders sensiblen Standortdaten ist unter den oben
genannten Voraussetzungen nach § 100g Absatz 1 Satz 3 StPO nur für
zukünftig anfallende Daten oder in Echtzeit möglich. Aus der
Vergangenheit herrührende Standortdaten dürfen nur erhoben werden, wenn
der Verdacht einer Katalogtat nach § 100g Absatz 2 StPO besteht. Um dies
auch in Fällen des Einbruchdiebstahls in eine dauerhaft genutzte
Privatwohnung zu ermöglichen, war daher eine Erweiterung des
Straftatenkataloges erforderlich.«
Auf Seite 9 heißt es zur Erhebung
von Verkehrsdaten:
»Durch die
Änderung wird der Katalog des § 100g Absatz 2 StPO erweitert. Hierdurch
können zukünftig auch retrograde Standortdatenabfragen durchgeführt
werden. Aufgrund der Einschränkung in § 100g Absatz 1 Satz 3 StPO wäre
dies ohne die Aufnahme in den Straftatenkatalog des § 100g Absatz 2 StPO
nur für künftig anfallende Verkehrsdaten oder in Echtzeit möglich.«
[En27] 27
Hinsichtlich der Voraussetzungen,
die für die Durchführung von Funkzellenabfragen gegeben sein müssen,
wird auf das Kapitel »§ 100g StPO (Erhebung von Verkehrsdaten«
verwiesen, das im Ordner StPO zur Verfügung steht.
Ende des Kapitels
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§
244 StGB:
Diebstahl mit Waffen; Bandendiebstahl; Wohnungseinbruchdiebstahl Wenn Sie Fragen
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07 Quellen
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Die Quellen wurden am angegebenen Zeitpunkt
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Endnote_01 BT-Ducks. 18/12359 Deutscher Bundestag - 18.
Wahlperiode - 15.05.2017
http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/123/1812359.pdf Aufgerufen am
12.08.2027 Zurück
Endnote_02 Versuch beim
Einbruchsdiebstahl BGH 2 StR 43/16 - Beschluss vom 20. September 2016
http://www.hrr-strafrecht.de/hrr/2/16/2-43-16.php Aufgerufen am
12.08.2027 Zurück
Endnote_03 Versuch des Einbruchdiebstahls
KG Berlin, Beschluss vom 18. Februar 2014 · Az. (3) 161 Ss 248/13
(13/14) https://openjur.de/u/690483.html Aufgerufen am 12.08.2027
Zurück
Endnote_04 § 244 StGB (Diebstahl mit Waffen;
Bandendiebstahl) BGH 3 StR 246/07 - Beschluss vom 3. Juni 2008 (OLG
Celle) http://www.hrr-strafrecht.de/hrr/3/07/3-246-07.php
Aufgerufen am 12.08.2027 Zurück
Endnote_05 Schraubenzieher
als gefährliches Werkzeug OLG Stuttgart, Urteil vom 05. Mai 2009 – 4
Ss 144/09 https://openjur.de/u/351361.html Aufgerufen am
12.08.2027 Zurück
Endnote_06 Begriff der Bande BGH,
Beschluss vom 22.03.2001 - GSSt 1/00
http://www.servat.unibe.ch/dfr/bs046321.html Aufgerufen am 12.08.2027
Zurück
Endnote_07 Bandenwille, Mittäterschaft BGH 4 StR
281/01 - Urteil vom 14. Februar 2002 (LG Rostock)
http://www.hrr-strafrecht.de/hrr/4/01/4-281-01.php3 Aufgerufen am
12.08.2027 Zurück
Endnote_07a Schwerer
Bandendiebstahl, Bande, Bandenabrede, Gesamtwürdigung BGH 2 StR
120/12 - Beschluss vom 10. Oktober 2012 (LG Koblenz)
http://www.hrr-strafrecht.de/hrr/2/12/2-120-12.php Aufgerufen am
12.08.2027 Zurück
Endnote_08 Wohnungsbegriff des § 244 Abs.
1 Nr. 3 StGB BGH · Beschluss vom 24. April 2008 · Az. 4 StR 126/08
https://openjur.de/u/74841.html Aufgerufen am 12.08.2027
Zurück
Endnote_09 Wohnwagen und Wohnmobile BGH 1 StR 462/16 -
Beschluss vom 11. Oktober 2016 (LG Würzburg)
http://www.hrr-strafrecht.de/hrr/1/16/1-462-16.php Aufgerufen am
12.08.2027 Zurück
Endnote_10 Wohnungsbegriff BGH ·
Beschluss vom 1. April 2010 · Az. 3 StR 456/09
https://openjur.de/u/68212.html Aufgerufen am 12.08.2027
Zurück
Endnote_11 Abgrenzungsprobleme Wohnung sonstige Räume BGH ·
Beschluss vom 24. April 2008 · Az. 4 StR 126/08
https://openjur.de/u/74841.html Aufgerufen am 12.08.2027
Zurück
Endnote_12 BGH zum Wohnungsbegriff BGH 1 StR 378/11 - Urteil
vom 22. Februar 2012
http://www.hrr-strafrecht.de/hrr/1/11/1-378-11.php Aufgerufen am
12.08.2027 Zurück
Endnote_13 Bundesgerichtshof Urt. v.
22.05.1963, Az.: 2 StR 144/63
https://www.jurion.de/urteile/bgh/1963-05-22/2-str-144_63/ Aufgerufen
am 12.08.2027 Zurück
Endnote_14 Einbruch vers. Einsteigen
BGH 1 StR 506/99 - Urteil v. 16. November 1999
http://www.hrr-strafrecht.de/hrr/1/99/1-506-99.php3 Aufgerufen am
12.08.2027 Zurück
Endnote_15 Bundesgerichtshof Urt. v.
16.05.1961, Az.: 5 StR 52/61
https://www.jurion.de/urteile/bgh/1961-05-16/5-str-52_61/ Aufgerufen
am 12.08.2027 Zurück
Endnote_16 Einsteigen als
Tatbestandsmerkmal BGH 3 StR 404/15 - Beschluss vom 10. März 2016
(OLG Oldenburg) http://www.hrr-strafrecht.de/hrr/3/15/3-404-15.php
Aufgerufen am 12.08.2027 Zurück
Endnote_17 Abgrenzung
Einbruch - Einsteigen - Grundtatbestand Urteil im Volltext
http://www.hrr-strafrecht.de/hrr/1/99/1-506-99.php3 Aufgerufen am
12.08.2027 Zurück
Endnote_18 Spurenbild beim
Einbruchdiebstahl BGH · Urteil vom 8. April 2015 · Az. IV ZR 171/13
https://openjur.de/u/769510.html Aufgerufen am 12.08.2027
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Endnote_19 Herausgezogener Profilzylinder konnte am Tatort nicht
gefunden werden OLG Hamm · Urteil vom 21. Oktober 2011 · Az. I-20 U
62/11 https://openjur.de/u/451591.html Aufgerufen am 12.08.2027
Zurück
Endnote_20 Einbruchsspuren BGH, Urteil vom 18. 10.
2006 – IV ZR 130/05 http://lexetius.com/2006,3275 Aufgerufen am
12.08.2027 Zurück
Endnote_21 Falscher Schlüssel BGH,
10.05.1960 - 5 StR 129/60
https://www.jurion.de/urteile/bgh/1960-05-10/5-str-129_60/ Aufgerufen
am 12.08.2027 Zurück
Endnote_22 Nachschlüssel - falscher
Schlüssel - sonstiges Öffnungswerkzeug BGH, 29.09.1953 - 2 StR 261/53
https://www.jurion.de/urteile/bgh/1953-09-29/2-str-261_53/ Aufgerufen
am 12.08.2027 Zurück
Endnote_23 BT-Ducks. 18/12359
Deutscher Bundestag - 18. Wahlperiode - 15.05.2017
http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/123/1812359.pdf Aufgerufen am
12.08.2027 Zurück
Endnote_24 Wohnungsbegriff
NOMOS-Kommentar StGB, Band 3, 5. Auflage 2017, Seite 302, Rn. 52 und 53
Zurück
Endnote_25 BT-Drucks. 13/8587 vom 25.09.1997, Seite 43
http://dipbt.bundestag.de/doc/btd/13/085/1308587.pdf Aufgerufen am
12.08.2027 Zurück
Endnote_26 Tatbestandsmerkmal
»Einsteigen« BGH, Beschluss vom 03.06.2013 - 4 StR 173/14
http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?
Gericht=bgh&Art=en&sid=e976238902d50a3505203a
599a1407e6&nr=68133&pos=0&anz=1 Aufgerufen am 12.08.2027
Zurück
Endnote_27 BT-Ducks. 18/12359 Deutscher Bundestag - 18.
Wahlperiode - 15.05.2017
http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/123/1812359.pdf Aufgerufen am
12.08.2027 Zurück
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244 StGB:
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