01 Verfassungsrechtliche
Regelungen
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Die Freiheit der Person ist ein bedeutsames Grundrecht.
Art. 2 Abs. 1 GG schützt die allgemeine Handlungsfreiheit; Art. 2 Abs. 2 GG
gewährleistet die persönliche Bewegungsfreiheit, nämlich die Freiheit, sich von einem
bestimmten Ort wegbegeben zu können.
Allerdings besteht die allgemeine Handlungsfreiheit gem. Art. 2 Abs. 1 GG nur, soweit
durch Wahrnehmung dieses Rechtes nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die
verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstoßen wird.
Die persönliche Bewegungsfreiheit steht unter Gesetzesvorbehalt (Art. 2 Abs. 2 GG).
Wie aus Art. 104 Abs. 1 GG folgt, muss es sich um ein förmliches Gesetz handeln, also um
ein Gesetz, das vom Gesetzgeber unter Beachtung des Gesetzgebungsverfahrens zustande
gekommen ist. Rechtsverordnungen reichen nicht aus.
Die Freiheit der Person darf folglich nur auf Grund eines förmlichen Gesetzes und nur
unter Beachtung der darin vorgeschriebenen Formen beschränkt werden (Art. 104 GG).
Art.
2 GG
Art. 104 GG
Was unter einer "Freiheitsbeschränkung" zu verstehen ist, ist weder im
Grundgesetz, noch sonst gesetzlich definiert. Allerdings verwendet Art. 104 Abs. 3 GG den
Begriff "Freiheitsentziehung".
Unter Freiheitsentziehung wird - entsprechend der Regelung von § 239 StGB - der
Tatbestand erfasst, dass jemand eingesperrt oder auf sonstige Weise gehindert wird, sich
von einem bestimmten Ort wegzubegeben.
Der Begriff "Freiheitsbeschränkung" ist demnach offensichtlich weiter zu
fassen. Darunter könnten z.B. alle nicht nur völlig unerheblichen Beeinträchtigungen
der Fortbewegungsfreiheit fallen, die noch nicht den Tatbestand der Freiheitsentziehung
erfüllen. Die Frage, wo die Grenzen genau zu ziehen sind, soll hier nicht weiter
erörtert werden. Im Ergebnis ist das auch nicht bedeutsam, wenn für einen
möglicherweise lediglich als Freiheitsbeschränkung zu qualifizierenden Eingriff ein
förmliches Gesetz gegeben ist. Ob also z.B. das bloße Anhalten zur Befragung oder zur
Identitätsfeststellung oder die mit einer Durchsuchung einer Person verbundene
kurzzeitige Einschränkung der Bewegungsfreiheit nun als Freiheitsentziehung oder
lediglich als Freiheitsbeschränkung zu bewerten ist, mag dahingestellt bleiben, weil
solche Eingriffe auf der Grundlage der StPO (Bundesgesetz) oder der Polizeigesetze
(Landesgesetze), also aufgrund förmlicher Gesetze zulässig sind.
Die Frage ist allerdings von erheblicher praktischer Bedeutung, wenn Polizeibeamte auf
der Grundlage von § 36 Abs. 5 StVO einen Verkehrsteilnehmer zum Zwecke der
Verkehrskontrolle anhalten. Würde es sich in solchen Fällen um eine
Freiheitsbeschränkung handeln, wäre das Anhalten der Verkehrsteilnehmer unzulässig,
weil die StVO kein förmliches Gesetz, sondern nur eine Rechtsverordnung ist.
Jedoch wird allgemein angenommen, dass das bloße Anhalten zur Verkehrskontrolle und
die damit verbundene notwendige Überprüfung der nach den Verkehrsvorschriften
mitzuführenden Papiere und von Fahrzeug und Ladung noch nicht als Freiheitsbeschränkung
zu qualifizieren ist. Die Rechtsprechung geht sogar noch weiter, indem davon ausgegangen
wird, dass § 36 Abs. 5 StVO nicht nur das Anhalten gebiete, sondern auch, eine
angemessene Zeit zu warten, wenn die Kontrolle nicht sofort durchgeführt werden kann (OLG
Köln VRS 67, 293).
Alles das setzt voraus, dass die Merkmale einer Freiheitsbeschränkung noch nicht
erfüllt sind.
Art. 104 GG enthält weitere Schutzvorschriften:
- Festgehaltene Personen dürfen weder seelisch noch körperlich misshandelt werden
- Über die Zulässigkeit und Fortdauer einer Freiheitsentziehung hat nur der Richter zu
entscheiden. Bei jeder nicht auf richterlicher Anordnung beruhenden Freiheitsentziehung
ist unverzüglich eine richterliche Entscheidung herbeizuführen
- Die Polizei darf aus eigener Machtvollkommenheit niemanden länger als bis zum Ende des
Tages nach dem Ergreifen im eigenen Gewahrsam halten
- Jeder wegen des Verdachtes einer strafbaren Handlung vorläufig Festgenommene ist
spätestens am Tage nach der Festnahme dem Richter vorzuführen, der ihm die Gründe der
Festnahme mitzuteilen, ihn zu vernehmen und ihm Gelegenheit zu Einwendungen zu geben hat
- Der Richter hat unverzüglich entweder einen mit Gründen versehenen schriftlichen
Haftbefehl zu erlassen oder die Freilassung anzuordnen.
- Von jeder richterlichen Entscheidung über die Anordnung oder Fortdauer einer
Freiheitsentziehung ist unverzüglich ein Angehöriger des Festgehaltenen oder eine Person
seines Vertrauens zu benachrichtigen.
Diese Vorschriften sind für die Polizei von außerordentlicher Wichtigkeit.
02 Tatbestände der Freiheitsberaubung / Geschütztes Rechtsgut
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Gem. § 239 Abs. 1 StGB wird wegen Freiheitsberaubung bestraft, wer einen Menschen
einsperrt oder auf andere Weise der Freiheit beraubt. Die Tat ist ein Vergehen und wird
von Amts wegen verfolgt (Offizialdelikt). Der Versuch ist strafbar.
§
239 StGB
Gem. § 239 Abs. 3 StGB ist Freiheitsberaubung ein Verbrechen, wenn der Täter
- das Opfer länger als eine Woche der Freiheit beraubt (Ziff. 1) oder
- durch die Tat oder durch eine während der Tat begangene Handlung eine schwere
Gesundheitsschädigung des Opfers verursacht (Ziff. 2).
Gem. § 239 Abs. 4 StGB ist die Tat ebenfalls ein Verbrechen, wenn der Täter durch die
Tat oder eine während der Tat begangene Handlung den Tod des Opfers verursacht.
Der Tod gilt auch als verursacht, wenn das Opfer beim Fluchtversuch ums Leben kommt
(BGHSt 19, 382).
Verbrechen werden von Amts wegen verfolgt (Offizialdelikte). Der Versuch eines
Verbrechens ist stets strafbar (§ 23 StGB).
§ 239 Abs. 3 Ziff. 2 StGB und § 239 Abs. 4 StGB sind erfolgsqualifizierte Delikte.
Diese Tatalternativen können strafrechtlich also nur verfolgt werden, wenn der Erfolg
mindestens fahrlässig herbeigeführt wurde (§ 18 StGB).
Geschütztes Rechtsgut ist die persönliche Bewegungsfreiheit, nämlich die Freiheit,
sich jederzeit von einem bestimmten Ort wegbegeben zu können.
Die Vorschrift schützt alle Menschen, soweit sie zur Fortbewegung im Stande sind, also
auch Kinder, Kranke und Betrunkene.
Personen, die sich nicht frei wegbewegen können, werden von § 239 StGB nicht erfasst.
Dies gilt nach der Rechtsprechung z.B. auch für sinnlos Betrunkene (BGHSt 32, 187).
Entsprechend sind die begrifflichen Merkmale einer Freiheitsberaubung nicht gegeben,
wenn jemand gehindert wird, einen bestimmten Ort zu erreichen,
z.B. Errichten von
Straßensperren oder Fälle des Aussperrens.
In solchen Fällen kommt Nötigung in Betracht
03 Tathandlungen
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Wegen Freiheitsberaubung wird bestraft, wer einen Menschen
- einsperrt oder
- auf andere Weise der Freiheit beraubt
Einsperren setzt begrifflich voraus, dass jemand in einer Räumlichkeit festgehalten
wird. Dazu gehören auch Fahrzeuge und Behältnisse.
Der Tatbestand ist auch erfüllt, wenn ein Polizeibeamter aufgrund falscher
Mitteilungen zur Festnahme veranlasst wird und das "Opfer" in das
Polizeigewahrsam eingeliefert wird (BGHSt 3, 4).
Ist in solchen Fällen ist der Veranlasser mittelbarer Täter; die festnehmenden
Beamten sind rechtmäßig handelndes Werkzeug, denn für die Anwendbarkeit von § 127 Abs.
2 StPO ist nicht erforderlich, dass der Festgenommene einer Tat überführt ist.
Dringender Tatverdacht reicht aus (§ 25 StGB).
Die persönliche Bewegungsfreiheit eines Menschen kann auch "auf andere
Weise" beraubt werden.
Das ist immer der Fall, wenn das Opfer - ohne eingesperrt zu sein - daran gehindert
wird, seinen Aufenthaltsort zu verlassen, z.B. weil das Opfer festgehalten, gefesselt,
bedroht oder betäubt oder durch Nichtanhalten am Verlassen eines Fahrzeuges gehindert
wurde.
Freiheitsberaubung kann auch durch Unterlassen begangen werden. wenn der Unterlassende
rechtlich dafür einzustehen hat, dass der Erfolg nicht eintritt und wenn das Unterlassen
der Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestandes durch ein Tun entspricht (§ 13 StGB).
Ein solcher Fall ist z.B. gegeben, wenn Polizeibeamte eine Person rechtmäßig in
Gewahrsam genommen haben, die Person nach Wegfall der Gewahrsamsvoraussetzungen jedoch
nicht freilassen. Die Rechtspflicht zur Freilassung folgt unmittelbar aus den
Polizeigesetzen.
04 Rechtswidrigkeit
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Die Rechtswidrigkeit ist ausgeschlossen wenn sich der Handelnde auf einen
Rechtfertigungsgrund berufen kann, der eine Beeinträchtigung der persönlichen
Bewegungsfreiheit erlaubt.
Im Aufgabenbereich der Strafverfolgung kommen z.B. Freiheitsentziehungen zur
Durchführung folgender Maßnahmen in Betracht:
- Identitätsfeststellung (§ 163 b StPO)
- Erkennungsdienstliche Behandlung (§ 81 b StPO)
- Blutprobe (§ 81 a StPO)
- Festnahmen (§127 Abs. 1 und 2 StPO; § 19 Gesetz über Internationale Rechtshilfe in
Strafsachen (IRG),
§ 164 StPO, § 87 Strafvollzugsgesetz)
- Verhaftung (§ 161 StPO)
Vergleichbar kommen im Aufgabenbereich der Gefahrenabwehr nach den Polizeigesetzen
Freiheitsentziehungen zur Durchführung folgender Maßnahmen in Betracht:
- Identitätsfeststellung
- Erkennungsdienstliche Behandlung
- Gewahrsamnahme
Auch jedermann zustehende Rechtfertigungsgründe können Eingriffe in die persönliche
Bewegungsfreiheit rechtfertigen, z.B.
- Notwehr (§ 32 StGB)
- rechtfertigender Notstand (§ 34 StGB)
- erlaubte Selbsthilfe (§ 229 BGB)
- Selbsthilferechte des Besitzers (§ 859 Abs. 3 BGB)