211 ff StGB - Mord und Totschlag
01 Mord / Totschlag
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Wegen Mordes wird bestraft (§ 211 StGB), wer vorsätzlich einen Menschen tötet
- aus Mordlust
- zur Befriedigung des Geschlechtstriebs
- aus Habgier
- sonst aus niedrigen Beweggründen
- heimtückisch
- grausam
- mit gemeingefährlichen Mitteln oder
- um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken,
Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft. Die lebenslange
Freiheitsstrafe ist verfassungsgemäß (BVerfG NJW 77, 1525).
§
211 StGB
Wer einen Menschen vorsätzlich tötet, ohne Mörder zu sein, wird wegen Totschlages
(§ 212 StGB) zur Verantwortung gezogen.
§
212 StGB
Nach der Rechtsprechung des BGH sind Mord und Totschlag zwei selbständige Delikte (BGH
1, 368; 22, 375).
Demnach sind alle Mordmerkmale strafbegründende Merkmale im Sinne des
§ 28 Abs. 1.
StGB. Das hat zur Folge, dass Teilnehmer wegen Anstiftung oder Beihilfe zum Mord zur
Verantwortung gezogen werden, selbst wenn für sie kein Mordmerkmal zutrifft.
Ob Mordmerkmale gegeben sind oder nicht ist häufig nicht auf Anhieb zu erkennen.
Deshalb müssen im Falle eines Tötungsdeliktes die Motive, die Art der Tatausführung und
die mit der Tat verfolgten Zwecke sorgfältig ermittelt werden.
Mord und Totschlag sind Erfolgsdelikte. Die Tat kann auch durch Unterlassen begangen
werden, wenn der Täter rechtlich dafür einzustehen hat, dass der Erfolg nicht eintritt
und wenn das Unterlassen der Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestandes durch ein Tun
entspricht (§ 13 StGB).
Die Verurteilung wegen Mordes oder Totschlags durch Unterlassen setzt voraus, dass
durch ein Eingreifen des Angeklagten der Todeseintritt mit an Sicherheit grenzender
Wahrscheinlichkeit verhindert worden wäre; denn nur dann könnte das Unterlassen für den
Erfolgseintritt ursächlich geworden sein Pflichtwidriges Vorverhalten begründet nur dann
eine Garantenstellung, wenn es die nahe Gefahr des Eintritts des konkreten
tatbestandsmäßigen Erfolges verursacht (BGH 4 StR 157/00 v. 23.05.2000).
02 Mordmerkmale
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Aus Mordlust handelt (BGHSt 34, 59, 60), der ohne jeden Anlass unter Missachtung
eines Menschenlebens die Tat begeht, etwa
- um einen Menschen sterben zu sehen
- aus Angeberei
- aus sportlichem Vergnügen oder
- aus reiner Menschenverachtung
Zur Befriedigung des Geschlechtstriebs handelt,
- wer sich durch die Tötung sexuelle Befriedigung verschafft (Lustmörder)
- wer sich an der Leiche zu befriedigen sucht (BGH 19, 101, 105);
- wer bei einem Sittlichkeitsverbrechen, den Tod des Opfers billigend in Kauf nimmt
(bedingter Vorsatz).
Habgier beinhaltet ein gesteigertes, abstoßendes Gewinnstreben um jeden Preis,
das noch über die bloße Gewinnsucht hinausgeht .
Ein Täter handelt aus Habgier, wenn sich die Tat als Folge eines noch über bloße
Gewinnsucht hinaus gesteigerten abstoßenden Gewinnstrebens darstellt (BGH 5 StR 223, v. 15.01.2003)
Aus Habgier handelt, wer einen anderen vorsätzlich tötet, um ihn zu berauben
(Raubmord).
Habgierig handelt der Täter auch, wenn es ihm bei noch nicht beendetem Raub bei der
anschließenden Tötung auch um die Sicherung und ungestörte Verwertung der Beute geht
(BGH NJW 2001, 763).
Vom Raubmord ist der Raub mit Todesfolge zu unterscheiden, der dadurch gekennzeichnet
ist, dass zwar der Raub, nicht aber die Tötung gewollt war.
Auch wer sein nichteheliches Kind oder die Schwangere tötet, um sich der
Unterhaltspflicht zu entziehen, handelt aus Habgier (BGH 10, 399).
Sonstige niedrige Beweggründe sind Tatmotive, die nach allgemeiner sittlicher
Wertung auf tiefster Stufe stehen und deshalb besonders verachtenswert sind, wobei eine
Gesamtwürdigung aller äußeren und inneren für die Handlungsantriebe des Täters
maßgeblichen Faktoren zu erfolgen hat (BGH 5 StR 139, 02 v. 03.09.2002). In subjektiver
Hinsicht muss hinzukommen, dass sich der Täter bei der Tat der Umstände bewusst ist, die
seine Beweggründe als niedrig erscheinen lassen, und, soweit gefühlsmäßige oder
triebhafte Regungen in Betracht kommen, diese gedanklich beherrschen und willensmäßig
steuern kann (BGH 5 StR 223, 02 v. 15.01.2003)
Beispiele aus der Rechtsprechung sind:
- Tötung der Ehefrau, um sich einer anderen Frau zuzuwenden (BGH 3, 132).
- Tötung aus Rache, auch Blutrache tötet, (BGH NJW 1980, 537). Jedoch hat der BGH
lediglich Totschlag angenommen, wenn ein Ausländer, der noch nicht lange in Deutschland
ist, noch derart stark von den Vorstellungen und Wertanschauungen seiner Heimat beherrscht
ist, dass er sich von ihnen zur Tatzeit noch nicht hat lösen können (BGH NStZ 1995, 79).
- Bei Tötung aus Eifersucht kommt es auf den Einzelfall an (vgl. BGH 22, 13). Bei diesen
Motiven kommt es darauf an, ob sie ihrerseits auf niederer Gesinnung beruhen und inwieweit
der Täter seine Lage selbst verschuldet hat (BGH 28, 212); z. B. der Täter nimmt Rache
für eine von ihm selbst provozierte Tätlichkeit.
- Tötung, um das Bekanntwerden einer vom Täter verursachten Schwangerschaft und eine
damit mögliche Bedrohung seiner persönlichen Lebensumstände und Ehrhaftigkeit zu
verhindern, weil der Täter die Beendigung des Lebens eines Menschen als Mittel zur
Verdeckung eigenen Fehlverhaltens eingesetzt hat (BGH 5 StR 139, 02 v. 03.09.2002)
- Tötung aus Wut, Hass und Verärgerung über das von den Getöteten ausgegebene Geld,
das er für sich beanspruchte (BGH 5 StR 139, 02 v. 03.09.2002)
- Tötung aus Menschenverachtung (BGH 1 StR 247, 02 v. 05.11.2002)
Heimtückisch handelt, wer bewusst die Arg- und Wehrlosigkeit
des Opfers ausnutzt.
Arglos in dem bei heimtückischer Begehungsweise vorausgesetzten Sinn ist der
Getötete dann, wenn er nicht mit einem gegen seine körperliche Unversehrtheit
gerichteten erheblichen, geschweige denn mit einem lebensbedrohlichen Angriff rechnet.
Diese Arglosigkeit kann aus unterschiedlichen Gründen entfallen. Maßgeblich sind jeweils
die Umstände des konkreten Falles.
Die Gefährlichkeit heimtückischen Handelns liegt darin, dass der Täter sein Opfer in
hilfloser Lage überrascht und dadurch hindert, dem Anschlag auf sein Leben zu entgehen
oder doch wenigstens zu erschweren.
Das Opfer kann auch dann arglos und wehrlos sein, wenn der Täter ihm zwar offen
feindselig entgegen tritt, das Opfer aber die drohende Gefahr erst im letzten Augenblick
erkennt, so dass ihm keine Möglichkeit bleibt, dem Angriff zu begegnen.
Abwehrversuche, die das durch einen überraschenden Angriff in seinen
Verteidigungsmöglichkeiten behinderte Opfer im letzten Moment unternommen hat, stehen der
Heimtücke nicht entgegen
(BGH 5 StR 139/02 v. 03. 09. 2002).
Der Erpresser ist jedoch in der von ihm gesuchten Konfrontation
mit dem Erpressten im Blick auf einen etwaigen wehrenden Gegenangriff des Opfers auf sein
Leben jedoch nicht arglos, wenn er in dessen Angesicht im Begriff ist, seine Tat zu
vollenden und zu beenden und damit den endgültigen Rechtsgutsverlust auf Seiten des
Erpressten zu bewirken. Das sich wehrende Erpressungsopfer handelt in einem solchen Falle
mithin in aller Regel nicht heimtückisch (BGH 1 StR 403/02 vom 12. Februar 2003)
Im Übrigen hat die Rechtsprechung in folgenden Fällen Heimtücke angenommen:
- Tötung eines Schlafenden, der darauf vertraut, dass ihm nichts geschehen werde;
strittig bei Bewusstlosen (BGHSt 23, 119)
- ?Täter versüßt den bitteren Gifttrank, damit das Opfer keinen Verdacht schöpft
(BGHSt 8, 216)
- Täter lockt sein Opfer planmäßig in einen Hinterhalt (BGHSt 22, 77).
- Arglos ist das Opfer auch, wenn es die drohende Gefahr erst im letzten Augenblick
erkennt, so dass ihm zur Verteidigung keine Chance bleibt, selbst wenn es im letzten
Moment Abwehrversuche unternommen hat (BGH NStZ 1999, 506)
Keine Heimtücke ist gegeben
- wenn das Opfer ein Kleinkind ist, das gar nicht in der Lage ist, Argwohn zu schöpfen
- (BGHSt 8, 216)
- wenn todkranke Patienten aus Mitleid getötet werden (BGH NStZ 1992, 34)
Grausam handelt, wer ohne Rücksicht auf die dem Opfer zugefügten Schmerzen,
gefühllos und unbarmherzig die Tat begeht, z. B. wer einen anderen zu Tode foltert. Die
Rspr. (vgl. BGH NJW 86, 266) verlangt, dass der Täter bei der Tötung selbst und nicht
nur bei vorausgegangener Körperverletzung, z. B. im "Blutrausch" gehandelt hat.
Mit gemeingefährlichen Mitteln tötet, wer Mittel verwendet, die nicht nur das
Opfer, sondern auch eine unbestimmte Anzahl anderer Personen gefährdet, z.B. Einsatz von
Maschinenwaffen, Sprengstoff, Handgranaten, Brandsätzen (BGH NStZ 2000, 165).
Töten, um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken,
z.B.:
- Tötung von Zeugen
- Flüchtiger Kraftfahrer fährt auf einen Polizeibeamten zu und nimmt
- dabei in Kauf, dass der Beamte überfahren wird (BGHSt 15, 291)
- Tötung des Raubopfers mit der Absicht, den begangenen Raub zu verdecken
(BGH NJW 2001, 763).
03 Rechtswidrigkeit
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Die §§ 211 und 212 StGB indizieren - wie alle geschlossenen Straftatbestände - die
Rechtswidrigkeit.
Jedoch kann sich der Mörder auf allgemein anerkannte Rechtfertigungsgründe nicht
berufen, weil eine Tötung mit Mordmerkmalen von keinem Rechtfertigungsgrund erfasst ist.
Im Falle des Totschlages ist das grundsätzlich anders. Selbstverständlich darf man
einen anderen Menschen vorsätzlich töten, wenn die Voraussetzungen der Notwehr oder des
rechtfertigenden Notstandes gegeben sind.
Nicht gerechtfertigt ist Sterbehilfe durch positives Tun. Allerdings ist ein Arzt nicht
verpflichtet, das Leben des Sterbenden gegen dessen Willen zu verlängern, wenn keine
Aussicht auf Besserung besteht, soweit der Abbruch der ärztlichen Behandlung auf einer
frei verantwortlichen Entscheidung des Patienten oder dessen mutmaßlicher Einwilligung
beruht (BGH NStZ 1997, 807).
Ärztlich gebotene schmerzlindernde Medikationen sind zulässig, auch wenn sie unter
Umständen den Todeseintritt beschleunigen (BGH 42, 305 - passive Sterbehilfe), jedoch
darf der Arzt keine aktive Sterbehilfe leisten, in dem er z.B. eine einschläfernde
Spritze verabreicht. Tötung auf Verlangen wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis
zu fünf Jahren bestraft (§ 216 StGB).
Letzteres gilt auch im Falle eines "einseitig fehlgeschlagenen
Doppelselbstmordes". Der Überlebende ist nach § 216 StGB zu bestrafen, wenn er das
zum Tode führende Geschehen beherrscht hat (Tatherrschaft). Andernfalls liegt straflose
Beihilfe zum Selbstmord vor (BGH 2 StR 181, 83 v. 14.08.1963).
04 Vorsatz / Fahrlässigkeit
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Mord und Totschlag setzen Vorsatz voraus. Bedingter Vorsatz reicht aus.
Bedingt vorsätzliches Handeln setzt voraus, dass der Täter den Eintritt des
tatbestandlichen Erfolges als möglich und nicht ganz fernliegend erkennt und ihn
billigend in Kauf nimmt. Dabei kann es sich um einen an sich unerwünschten Erfolg
handeln, mit dessen möglichem Eintritt der Täter sich aber abfindet (BGH 5 StR 419/01 v.
11.12.2001).
Bei Mord müssen auch die Mordmerkmale vom Vorsatz erfasst sein. Der Täter muss sich
also der Verwerflichkeit seiner Handlung bewusst sein.
Wer fahrlässig einen Menschen tötet, kann wegen fahrlässiger Tötung zur
Verantwortung gezogen werden (§ 222 StGB).
§
222 StGB
Fahrlässigkeit ist in zwei Formen anerkannt:
- Unbewusste Fahrlässigkeit ist gegeben, wenn der Täter infolge der
Sorgfaltspflichtverletzung nicht erkennt, dass er einen gesetzlichen Tatbestand
verwirklicht.
- Bewusste Fahrlässigkeit ist gegeben, wenn der Täter die Möglichkeit erkennt, einen
Straftatbestand zu verwirklichen, für den Fall des Eintritts jedoch den Erfolg nicht in
Kauf nehmen will.
Stellt das Gesetz fahrlässiges Handeln unter Strafe, ist stets bewusste und unbewusste
Fahrlässigkeit gemeint.
Bewusste Fahrlässigkeit ist zum bedingten Vorsatz (vgl. zuvor) abzugrenzen.
Bewusste Fahrlässigkeit ist gegeben, wenn der Täter mit der als möglich erkannten
Tatbestandsverwirklichung nicht einverstanden ist und ernsthaft - nicht nur vage - darauf
vertraut, sie werde nicht eintreten (BGH 5 StR 419/01 v. 11.12.2001).
Gefährliche Hunde
BGH 5 StR 419/01 - Urteil vom 11. 12. 2001
Auszug
Der Angeklagte K war Halter des vierjährigen Rüden "Zeus", die Angeklagte
Wi, die mit K zusammenlebte, Halterin der einjährigen Hündin "Gipsy". Bei
beiden Tieren handelte es sich um Mischlinge der Rassen Bullterrier, Pitbull und American
Staffordshire Terrier. Die zuständige Behörde hatte "Zeus" als gefährlichen
Hund eingestuft.
Die erteilten Auflagen beinhalteten eine Maulkorbpflicht für den Rüden und die
Anordnung, dass die den Hund jeweils beaufsichtigende Person nicht zugleich mehrere
gefährliche Hunde führen dürfe.
Bezüglich "Gipsy" hatte die zuständige Behörde angeordnet, dass der Hund
in der Öffentlichkeit an einer höchstens zwei Meter langen Leine zu führen sei.
Am Vormittag des 26. Juni 2000 führte der Angeklagte K mit Wissen der Mitangeklagten
beide Hunde in den Innenhof. Dort ließ er die Tiere von der Leine, damit sie - wie
gewohnt - ihr "Geschäft" in den dortigen Büschen verrichten konnten. Angelockt
von den Geräuschen der Ballspiele auf dem benachbarten Schulgelände sprangen plötzlich
"Gipsy" und nach ihr auch "Zeus" über die 1,40 m hohe Mauer auf den
Schulhof, wo sich Schulkinder in ihrer großen Pause aufhielten. Der Angeklagte kletterte
hinterher, um die Hunde zurückzuholen, die auf die ballspielenden Kinder zuliefen.
"Gipsy" sprang den sechsjährigen Ka an, warf ihn zu Boden und biß ihm in
den Kopf. "Zeus" kam hinzu und beide Hunde bissen den Jungen nun abwechselnd in
Kopf und Hals. Laut um Hilfe rufend, stürzte der Angeklagte hinzu und riß die Hunde von
dem Kind weg. Trotz seiner verzweifelten Bemühungen gelang es den Tieren immer wieder, an
das Kind heranzukommen und es in Gesicht und Hals zu beißen. In einem günstigen Moment
ergriff der Angeklagte den inzwischen schwer verletzten Jungen, hob ihn hoch und hielt ihn
über den Kopf. Die Hunde sprangen auch ihn an, er strauchelte und fiel mit dem Kind zu
Boden. Sofort fielen die Hunde wieder über K her. Der immer noch um Hilfe rufende
Angeklagte legte sich jetzt auf den Jungen, um ihn vor den Tieren zu schützen. Erst durch
das Eingreifen eines Dritten konnten die Angriffe der Hunde auf das Kind zunächst
unterbrochen werden.
Inzwischen waren Polizeibeamte eingetroffen, die beide Tiere erschossen. Ka verstarb
noch auf dem Schulhof. Beide Angeklagten standen unter Schock, weinten und waren
erschüttert über den Tod des Jungen.
Das Landgericht hat die Angeklagten der fahrlässigen Tötung für schuldig befunden
und den Angeklagten K zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten und die
Angeklagte Wi zu einer Jugendstrafe von einem Jahr unter Strafaussetzung zur Bewährung
verurteilt.
Zu der Frage, ob die Angeklagten fahrlässig oder bedingt vorsätzlich gehandelt haben,
führt der BGH aus:
"Bedingt vorsätzliches Handeln setzt voraus, daß der Täter den Eintritt des
tatbestandlichen Erfolges als möglich und nicht ganz fernliegend erkennt und ihn
billigend in Kauf nimmt. Dabei kann es sich um einen an sich unerwünschten Erfolg
handeln, mit dessen möglichem Eintritt der Täter sich aber abfindet ...
Hingegen ist bewußte Fahrlässigkeit gegeben, wenn er mit der als möglich erkannten
Tatbestandsverwirklichung nicht einverstanden ist und ernsthaft - nicht nur vage - darauf
vertraut, sie werde nicht eintreten.
Insbesondere bei der Erörterung der Frage, ob der Täter den Eintritt des als möglich
erkannten Erfolges billigt, muß das Gericht sich mit der Persönlichkeit des Täters und
allen für das Tatgeschehen bedeutsamen Umständen auseinandersetzen ...
Zutreffend geht der Tatrichter zunächst davon aus, daß es bei äußerst gefährlichem
Tun naheliegt, daß der Täter mit dem Eintritt des Erfolges rechnet und, wenn er sein
Handeln - hier das Ableinen der Hunde dennoch fortsetzt, einen solchen Erfolg auch
billigend in Kauf nimmt ...
Beide Angeklagte hätten die Verletzung eines Menschen durch einen der Hunde unter
bestimmten Umständen als nicht ganz fernliegend erachtet.
Ihnen sei bekannt gewesen, daß die Hunde die Mauer zum Schulhof überspringen konnten
und dies auch schon mehrfach getan hatten.
Angesichts der enormen Beißkraft der Hunde und deren Neigung, bei Angriffen gleich in
den Hals- und Kopfbereich des Opfers zu beißen, hätten die Angeklagten auch nicht
ausgeschlossen, daß diese bei einem ernsthaften Angriff auf einen Menschen diesen sogar
töten könnten. Schließlich hätten sie wiederholt die Erfahrung gemacht, daß sie die
unangeleinten Tiere nicht immer ausreichend beherrschen konnten.
Es stellt entgegen dem Vorbringen der Revision keinen Widerspruch dar, wenn die
Strafkammer gleichwohl zu dem Schluß kommt, daß die Angeklagten zu der fraglichen Zeit
und in der konkreten Situation weder damit gerechnet hätten, daß die Hunde aus dem
allseits abgeschlossenen Innenhof entweichen noch im Falle des Entweichens auf den
Schulhof Menschen angreifen könnten; jedenfalls hätten sie darauf vertraut, daß dies
nicht eintreten und daß ihre - wenn auch objektiv gänzlich unzureichenden -
Sicherungsmaßnahmen ausreichen würden, mögliche Gefahren auszuschließen.
Die Annahme, die Angeklagten hätten trotz aller gravierender Warnzeichen und amtlicher
Hinweise die von den Hunden ausgehende Gefahr verkannt und in hohem Maße verdrängt,
beruht auf einer zulässigen tatrichterlichen Würdigung.
Vor diesem Hintergrund hat das Landgericht insbesondere das voluntative Vorsatzelement
verneint. Die Angeklagten seien mit der Verletzung eines Menschen durch ihre Hunde auch
nicht in der Weise einverstanden gewesen, daß sie sich mit dem Eintritt eines solchen -
wenn auch unerwünschten - Erfolges abgefunden hätten.
Auch die diesbezüglichen Erwägungen begegnen keinen rechtlichen Bedenken."
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StGB: Mord und Totschlag
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