§ 353b StGB (Verletzung des Dienstgeheimnisses und einer
besonderen Geheimhaltungspflicht)
01 Allgemeines
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»Die Pflicht
des Beamten zur Amtsverschwiegenheit gehört zu seinen Hauptpflichten und
dient sowohl dem öffentlichen Interesse, insbesondere dem Schutz der
dienstlichen Belange der Behörde als auch dem Schutz des von
Amtshandlungen betroffenen Bürgers.« [En01] 1
[Straftat:] Soweit es sich
bei der Verletzung der Pflicht zur Amtsverschwiegenheit um eine Straftat
handelt, ist
§ 353b StGB (Verletzung des Dienstgeheimnisses und
einer besonderen Geheimhaltungspflicht) maßgeblich.
[Dienstpflichtverletzung:]
Unabhängig davon ist die Pflicht zur Amtsverschwiegenheit auch in den
Beamtenstatusgesetzen von Bund und Ländern geregelt, siehe z.B.
§ 37
BeamtStG (Verschwiegenheitspflicht). Disziplinarmaßnahmen wegen
Verstöße gegen § 37 BeamtStG kommen aber grundsätzlich nur dann in
Betracht, wenn ein Strafverfahren eingestellt wurde, siehe zum Beispiel
siehe
§ 14 LDG NRW (Zulässigkeit von Disziplinarmaßnahmen nach
Straf- oder Bußgeldverfahren), oder offensichtlich - wegen
Geringfügigkeit - nicht in Betracht kommt.
Damit eine Verletzung der Pflicht
des Beamten zur Amtsverschwiegenheit als Straftat verfolgt werden
kann, muss eine im § 353b Abs. 4 StGB genannte Stelle die dafür
erforderliche Ermächtigung erteilen.
In der Regel wird es sich dabei um
oberste Behörden handeln.
wenn
Dienstgeheimnisse von Amtswaltern nachgeordneter Behörden preisgegeben
werden. Selbstverständlich kann die »Verfolgungsermächtigung« auch von
den obersten Behörden selbst erteilt werden, wenn eigenes Personal
Dienstgeheimnisse verletzt.
Als Täter im Sinne von § 353b Abs.
1 StGB kommen in Betracht:
Als Täter für tatbestandliches
Handeln auf der Grundlage von § 353b Abs. 2 StGB kommt nur ein
eingeschränkter Personenkreis in Betracht:
-
Personen, die auf Grund des
Beschlusses eines Gesetzgebungsorgans des Bundes oder eines Landes
oder eines seiner Ausschüsse verpflichtet sind oder
-
Personen, die sich aufgrund
einer Verpflichtungserklärung zur Geheimhaltung verpflichtet haben.
Bei dieser Verpflichtungserklärung handelt es sich um einen
belastenden Verwaltungsakt, der nur aufgrund eines Gesetzes oder mit
Einwilligung des Betroffenen ergehen kann.
In jedem Fall aber handelt es sich
bei dem Tatbestand der Verletzung des Dienstgeheimnisses und einer
besonderen Geheimhaltungspflicht im Sinne von § 353b StGB um eine
Straftat im Amt.
Die Straftat selbst ist dadurch
gekennzeichnet, dass durch die unbefugte Handlung eines Amtswalters
Geheimnisse (Informationen) an die Öffentlichkeit gelangen, die wichtige
öffentliche Interessen gefährden.
Dazu später mehr.
[Hinweis:] Erteilt die
oberste Behörde keine »Verfolgungsermächtigung« im Sinne von § 353b Abs.
4 StGB (Verletzung des Dienstgeheimnisses und einer besonderen
Geheimhaltungspflicht), kann die Tat nur als Dienstpflichtverletzung im
Sinne des geltenden Beamtenrechts verfolgt werden.
Wird eine Verfolgungsermächtigung
erteilt, ruht das Disziplinarverfahren, das gegen den Amtswalter
eingeleitet wird, solange, bis dass das Strafverfahren abgeschlossen
ist. Im Anschluss daran kann das Disziplinarverfahren weiter betrieben
werden.
Eine Doppelbestrafung aufgrund des
gleichen Vorwurfs ist grundsätzlich nicht möglich.
02 § 353b Abs. 1 StGB
TOP
Tatbestandlich im Sinne von
§ 353b
Abs. 1 StGB(Verletzung des Dienstgeheimnisses und einer
besonderen Geheimhaltungspflicht) handelt, wer ein Geheimnis, das ihm
als
-
Amtsträger,
-
für den öffentlichen Dienst
besonders Verpflichteten oder
-
Person, die Aufgaben oder
Befugnisse nach dem Personalvertretungsrecht wahrnimmt,
anvertraut worden oder sonst
bekanntgeworden ist, unbefugt offenbart und dadurch wichtige öffentliche
Interessen gefährdet. Für diese Tat droht das Gesetz Freiheitsstrafe bis
zu fünf Jahren oder Geldstrafe an. Hat der Täter durch die Tat
fahrlässig wichtige öffentliche Interessen gefährdet, wirkt sich das
strafmindernd aus.
[Schutzzweck der Regelung:]
§ 353b StGB dient nicht dem Schutz der Individualsphäre. Nach
herrschender Auffassung ist eine Bestrafung auf der Grundlage dieser
Norm nur dann erforderlich, wenn durch die Verletzung der
Verschwiegenheitspflicht wichtige öffentliche Interessen gefährdet
werden oder gefährdet werden können.
Damit der Gefahr einer »unnötigen«
Strafverfolgung durch die Weitergabe von Informationen auf Fälle
beschränkt werden kann, die solch eine Vorgehensweise tatsächlich
rechtfertigen, sieht das Gesetz vor, dass die Strafverfolgung eine
»Verfolgungsermächtigung« einer im § 353b StGB selbst benannten obersten
Dienstbehörden voraussetzt. Dadurch soll sichergestellt werden, dass
»mögliche Empfindlichkeiten vor Ort« nicht dazu führen, jeglicher Form
der Weitergabe dienstlicher Informationen nach außen sofort mit der
ganzen Härte des Strafrechts zu verfolgen.
Durch die gesetzlich vorgesehene
»Verfolgungsermächtigung durch oberste Behörden« wird die Strafbarkeit
nicht materiellrechtlich, sondern lediglich prozessrechtlich
reguliert. Dennoch ist festzustellen, dass eine Verfolgung dieser
Straftat nur dann in Betracht kommt, wenn die Stelle, die eine
»Verfolgungsermächtigung« erteilen kann, den ihr zustehenden
Beurteilungs- und Ermächtigungsrahmen pflichtgemäß ausgeübt hat.
Teilt die oberste Behörde
(Ermächtigungsbehörde) nicht die Rechtsauffassung der Behörde, in der es
zu einer Verletzung eines Dienstgeheimnisses gekommen ist, kann gegen
den jeweils in Betracht kommenden Amtswalter ein Strafverfahren nicht
eingeleitet werden. In solchen Fällen stehen dem Dienstherrn vor Ort nur
die Disziplinierungsmittel zur Verfügung, die sich aus dem Beamtenrecht
und der diesen Bereich regelnden Disziplinarordnung ergeben.
Dazu später mehr.
Im Folgenden werden die einzelnen
Begrifflichkeiten und Tatbestandsmerkmale von
§ 353b
Abs. 1 StGB
erörtert.
02.1 Geheimnis
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Die Tathandlung besteht in dem
Offenbaren eines Geheimnisses, das dem Täter in seiner Eigenschaft als
Amtsträger, als besonders Verpflichtetem usw. anvertraut oder sonst
bekannt geworden ist. Es kann aus dienstlichem oder privatem Bereich
stammen. Durch seine Offenbarung müssen wichtige öffentliche Interessen
gefährdet werden. Dienstgeheimnisse sind Tatsache, Gegenstände oder
Erkenntnisse, die aufgrund von Rechtsvorschriften, Anordnungen oder
ihrer Natur nach geheim zu halten sind (LK-StPO, § 353b StGB - Vormbaum
- Rn. 6).
Mit anderen Worten:
Geheimnisse sind Tatsachen,
Gegenstände oder Erkenntnisse, die nicht nur tatsächlich geheim, das
heißt in ihrem Zusammenhang nur einem beschränkten Kreis von Personen
bekannt sind, sondern ihrer Natur nach oder
aufgrund einer Anordnung der »Geheimhaltung bedürfen«. Dienstgeheimnisse
sind Tatsachen, die dem Täter gerade auf Grund seiner Zugehörigkeit zur
Behörde oder Einrichtung und/oder in Ausübung seines Amtes zugänglich
geworden sind, wobei die Geheimhaltungsverpflichtung regelmäßig auf
einer Rechtsvorschrift oder auf innerbehördlicher Anordnung beruht.
Der Begriff des Geheimnisses in §
353b StGB geht weiter als der Begriff des Staatsgeheimnisses in § 93
StGB, daher kann auch ein sogenanntes »Mosaikgeheimnis« ein
Dienstgeheimnis darstellen (MK-StGB, § 353b StGB - Graf - Rn. 19).
[Geheimnis:] Eine solche
Bezeichnung verdient nur eine Information von einiger Bedeutung.
[BGH 2000:] Im Urteil des
BGH vom 22.06.2000 - 5 StR 268/99 heißt es u.a.:
[Rn. 14:] Sinngemäß:
Geheimnis im Sinne des § 353b Abs. 1 StGB sind personenbezogene
Umstände, die vertraulich und nicht über einen begrenzten Personenkreis
hinaus bekannt waren.
[Rn. 16:] Sinngemäß: Eine
Gefährdung wichtiger öffentlicher Interessen im Sinne des § 353b Abs. 1
StGB kommt mittelbar in Betracht, wenn durch das Offenbaren der Daten
das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Integrität (einer Behörde = AR)
beeinträchtigt wäre. Eine (...) mittelbare Gefährdung kann nach der
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes grundsätzlich ausreichen (...).
[Rn. 24:] Sinngemäß: Eine
Diensthandlung liegt bereits dann vor, wenn die Handlung zu den
dienstlichen Obliegenheiten des Amtsträgers gehört (...). [En02]
2
[Beschränkter Personenkreis:]
Nur einem beschränkten Kreis von Personen dürfen die oben beschriebenen
Tatsachen bekannt oder zugänglich sein. Dabei kann es sich sowohl um
eine Einzelperson als auch um einen zahlenmäßig großen Personenkreis
handeln. So sind zum Beispiel in einer Polizeibehörde alle im Innen- und
Außendienst tätigen Beamtinnen und Beamten, die Datenabfragen im
polizeilichen Informationssystem (INPOL) durchführen dürfen,
Geheimnisträger in Bezug auf Inhalte, die sie unter Nutzung dieses
Systems in Erfahrung bringen.
Dazu später mehr.
[BGH 2002:] Geheimnisse im
Sinne dieser Vorschrift sind Tatsachen, die nur einem begrenzten
Personenkreis bekannt und zudem geheimhaltungsbedürftig sind. Darunter
fallen auch personenbezogene Umstände, die vertraulich zu behandeln
sind. Sie müssen dem betreffenden Amtsträger im inneren Zusammenhang mit
seiner Diensttätigkeit bekannt geworden sein (...). [En03] 3
02.2 Amtsträger
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Da es sich bei
§ 353b StGB
(Verletzung des Dienstgeheimnisses und einer besonderen
Geheimhaltungspflicht) um eine Straftat im Amt handelt, kommt als
möglicher Täterkreis nur ein »privilegierter« Personenkreis in Betracht.
[Amtsträger:] Gemäß
§ 11
Abs. 1 Nr. 2 StGB (Personen- und Sachbegriffe) sind Amtsträger
Personen, die nach deutschem Recht:
-
Beamte oder Richter sind
-
in einem sonstigen
öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnis steht oder
-
sonst dazu bestellt sind, bei
einer Behörde oder bei einer sonstigen Stelle oder in deren Auftrag
Aufgaben der öffentlichen Verwaltung unbeschadet der zur
Aufgabenerfüllung gewählten Organisationsform wahrzunehmen.
Dazu gehören u.a.:
-
Beamte, Polizeibeamte,
Zollbeamte, Finanzbeamte, Staatsanwälte etc.
-
Berufsrichter und
ehrenamtliche Richter
-
Minister
-
Parlamentarische
Staatssekretäre
-
Notare und Notarassessoren
-
der Wehrbeauftragte des
Deutschen Bundestages
-
die Datenschutzbeauftragten
des Bundes und der Länder
-
Offiziere und Unteroffiziere,
§ 48 Abs. 1 WStG (Verletzung anderer Dienstpflichten)
-
alle anderen Soldaten gem.
§ 48 Abs. 2 WStG (Verletzung anderer Dienstpflichten)
-
Vorstandsmitglieder einer
Landesbank
-
Mitglieder der Organe von
Sparkassen.
02.3 Besonders verpflichtete
Personen
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Dabei handelt es sich entweder um
Amtswalter, die aufgrund einer besonderen Verpflichtung zur
Geheimhaltung verpflichtet sind oder um nicht beamtete Personen, die auf
der Grundlage des Verpflichtungsgesetzes bzw. vergleichbarer
Verordnungen zur Geheimhaltung förmlich verpflichtet werden. Danach soll
auf die gewissenhafte Erfüllung seiner Obliegenheiten verpflichtet
werden, wer, ohne Amtsträger (§ 11 Abs. 1 Nr. 2 des Strafgesetzbuches)
zu sein, bei einer Behörde oder bei einer sonstigen Stelle, die Aufgaben
der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt, beschäftigt oder für sie tätig
ist.
Zum letztgenannten Personenkreis
gehören:
soweit diese
Personen zur Geheimhaltung verpflichtet wurden.
Zu den verpflichteten Personen
gehören auch:
[Hinweis:] Ein Ausscheiden
aus dem Amt führt nicht zum Erlöschen der Verschwiegenheit, das ist in
den einschlägigen Bestimmungen des Beamtenstatusgesetzes so geregelt,
siehe
§ 37 Abs. 1 BeamtStG (Verschwiegenheitspflicht).
02.4 Tathandlungen
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Tatbestandliches Handeln im Sinne
von
§ 353b StGB (Verletzung des Dienstgeheimnisses und einer
besonderen Geheimhaltungspflicht) setzt voraus, dass der Täter
vertrauliche Informationen
-
unbefugt offenbart oder
-
öffentlich bekanntmacht
und dadurch
wichtige öffentliche Interessen gefährdet werden.
[Voraussetzungen
tatbestandlichen Handelns:] Das Geheimnis muss dem Geheimnisträger
in seiner Eigenschaft als Amtswalter entweder anvertraut oder sonst
bekanntgeworden sein.
[Anvertrauen:] Aus dem
Wortsinn ergibt sich, dass eine Information dem Empfänger unter Hinweis
auf die dafür erforderliche Bereitschaft zur Verschwiegenheit anvertraut
wird. Gleiches gilt für Informationen, die einer Person im Wege einer
vertraulichen Mitteilung zugänglich gemacht werden (vertrauliche Akten,
Vorgänge, die nur einem zur Vertraulichkeit verpflichteten Personenkreis
zugänglich gemacht werden, etc.).
[Bekanntwerden:]
Vertrauliche Informationen können auch Personen bekannt werden, ohne
dass diese Informationen »anvertraut« wurden. Gemeint sind damit alle
sonstigen Fälle der Kenntnisnahme über Informationen, die der
Vertraulichkeit unterliegen. Es reicht aus, wenn ein Amtsträger solche
Informationen infolge eigener Wahrnehmungen und daraus sich ergebenden
Rückschlüssen zufällig oder aufgrund tatsächlicher Anwesenheit erhält.
Tathandlungen des § 353b StPO:
[Offenbaren:] Durch
Offenbaren vermittelt der Täter ein Wissen, das - aus Sicht des Täters -
noch verborgen ist. Durch die Weitergabe entsprechender Informationen
wird ein anderer von einem Tatbestand in Kenntnis gesetzt, über den er
keine Kenntnis haben kann. Für diese Begehungsart reicht es aus, wenn
nur eine einzige Person entsprechend in Kenntnis gesetzt wird.
Die Bekanntgabe der vertraulichen Information an eine breite
Öffentlichkeit ist für das Tatbestandsmerkmal »offenbaren« nicht
erforderlich.
[Veröffentlichen:] Im
Gegensatz zum Offenbaren wird durch Veröffentlichen von vertraulichen
Informationen einer Personenmehrheit die Möglichkeit gegeben, der
Amtsverschwiegenheit unterliegende Informationen zur Kenntnis zu nehmen.
Von einer Veröffentlichung kann bereits dann ausgegangen werden, wenn
vertrauliche Informationen im Internet publiziert oder in sozialen
Netzwerken gepostet werden.
Als Tathandlung kommt auch das
Aushändigen von vertraulichen Unterlagen an andere in Betracht, ohne
dass dabei Worte ausgetauscht werden. Das ist immer dann der Fall, wenn
Akten, Schriftstücke oder vertrauliche Unterlagen unbefugten Personen
zur Einsichtnahme zur Verfügung gestellt oder diesem Personenkreis
außerhalb gesetzlicher Ansprüche auf Akteneinsichtnahme gewährt werden.
[Unbefugt:] Erfolgt die
Weitergabe von Informationen, die der Vertraulichkeit unterliegen ohne
dafür erforderliche Genehmigung, ist von einer unbefugten Weitergabe
auszugehen. Das ist nicht der Fall, wenn Personen durch erteilte
Aussagegenehmigungen von ihrer Pflicht zur Verschwiegenheit befreit
sind.
[Taterfolg:] Damit ein
Taterfolg im Sinne von
§ 353b StGB (Verletzung des
Dienstgeheimnisses und einer besonderen Geheimhaltungspflicht) eintreten
kann, ist es erforderlich, dass durch die Tathandlung wichtige
öffentliche Interessen gefährdet werden.
Dazu mehr in der folgenden
Randnummer.
02.5 Wichtige öffentliche
Interessen
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Das Wort »wichtig« ist ein Indiz
dafür, dass es sich bei tatbestandlichem Handeln im Sinne von
§ 353b StGB (Verletzung des Dienstgeheimnisses und einer besonderen
Geheimhaltungspflicht) um »Belange von einigem Rang« handeln
muss.
Davon kann ausgegangen werden,
wenn die Geheimhaltung des Inhalts aus wichtigen öffentlichen Interessen
geboten ist.
Durch das Offenbaren der
Dienstgeheimnisse müssen wichtige öffentliche Interessen von Rang
konkret gefährdet werden. Eine solche Gefährdungslage ist gegeben, wenn
durch die Preisgabe des Dienstgeheimnisses öffentliche Interessen
unmittelbar beeinträchtigt werden.
In einem Urteil des OLG Köln vom
20.12.2011 - III-1 RVs 218, 222-223/11 55 heißt es dazu u.a.:
[Rn. 56:] Wichtige
öffentliche Interessen können aber auch dadurch gefährdet werden, dass
die Tatsache des Geheimnisbruchs aufgedeckt und allgemein bekannt wird,
und dass sodann als mittelbare Folge der Tat das Vertrauen der
Öffentlichkeit in das Ansehen und die Verschwiegenheit der Verwaltung
erschüttert wird (...). Ob in diesem Sinne wichtige öffentliche
Interessen gefährdet worden sind, kann nicht allgemein beurteilt
werden, sondern ist Tatfrage des Einzelfalls. Hierbei ist immer darauf
abzustellen, ob konkret eine Gefahr entstanden ist. Die Gefährdung
liegt nicht schon dann vor, wenn mit ihr nur nach allgemeinen
Erfahrungssätzen (abstrakt) zu rechnen ist (..). Es müssen vielmehr
konkrete Feststellungen dazu getroffen werden, ob und inwieweit das
Ansehen bzw. das Vertrauen in die Verschwiegenheit der fraglichen
Behörde in der Öffentlichkeit durch das Aufdecken und Bekanntwerden des
Vorfalls erschüttert worden ist oder ob dieser Vorgang als »Einzelfall«
gewertet worden ist. Es müssen Tatsachen vorliegen, die geeignet sind,
eine konkrete Gefährdung durch Erschütterung des Ansehens oder
Vertrauens zu untermauern (z.B. Reaktion in der seriösen Presse,
zahlreiche schriftliche oder mündliche Proteste aus der Bevölkerung
etc.). [En04] 4
02.6 Gerechtfertigte Weitergabe
von Dienstgeheimnissen
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Es sind Fälle denkbar, in denen
Amtsträger dazu berechtigt, in Einzelfällen sogar dazu verpflichtet
sind, bekannt gewordene (illegale) Dienstgeheimnisse bekannt zu geben.
-
Handelt es sich bei dem
bekannt gewordenen Dienstgeheimnis um eine Straftat im Sinne von
§ 138 StGB (Nichtanzeige geplanter Straftaten) würde sich ein
Amtswalter strafbar machen, wenn er die Tat nicht anzeigen
würde.
-
Vergleichbares gilt auch für
die Fälle, in denen ein Amtswalter von Korruptionsdelikten Kenntnis
erhält, denn durch das Legalitätsprinzip sind insbesondere
Polizeibeamte dazu verpflichtet, beim Bekanntwerden einer Straftat
entsprechend tätig zu werden.
Beamtenrechtliche Vorschriften
sehen aber vor, dass solche »Problemfälle« zuvor mit vorgesetzten
Stellen zu erörtern sind, vergleiche
§ 36 BeamtStG (Verantwortung
für die Rechtmäßigkeit).
[Whistleblower:] Im
Hinblick auf so genannte illegale Geheimnisse sind Fälle denkbar, in
denen Amtswalter für sich »Rechtfertigenden Notstand« in Anspruch nehmen
können, wenn sie der Verschwiegenheit unterliegende Informationen
bekannt macht.
»Nach
allgemeiner Rechtsauffassung gilt im Bereich des öffentlichen Dienstes
die Verschwiegenheitspflicht des Bediensteten nicht
uneingeschränkt. Er hat sich bei Gefährdung der freiheitlichen
demokratischen Grundordnung für deren Erhaltung einzusetzen. Außerdem
hat auch der Inhaber eines öffentlichen Amtes, wie jeder Staatsbürger,
grundsätzlich das Recht, Amtshandlungen, die unter Verstoß gegen die
Verfassung begangen worden sind, der Öffentlichkeit zu unterbreiten.«
(LK-StPO - 12. Auflage - Vormbaum, § 353b StGB - Rn. 35).
Welche Voraussetzungen gegeben
sein müssen, um die Öffentlichkeit sofort über festgestellte Missstände
informieren zu können, hat der BGH 1965 entscheiden.
Im Urteil des BGH vom 08.11.1965 -
8 StE 1/65 heißt es u.a.:
-
Das Grundrecht der freien
Meinungsäußerung (Art. 5 Abs. 1 GG) umfasst das Recht, Missstände im
öffentlichen Leben, insbesondere Gesetzes- und Verfassungsverstöße
von Behörden, mit dem Ziel ihrer Abstellung zu rügen.
-
Bringt diese Rüge die
Erörterung von Staats- oder Amtsgeheimnissen mit sich, so handelt
der Rügende nur dann nicht rechtswidrig, wenn er a) die Preisgabe
auf das Notwendige beschränkt und b) zunächst die (auch in Art. 17
GG genannten) Wege über die zuständige Stelle und die
Volksvertretung geht, bevor er die Öffentlichkeit anruft.
-
Handelt es sich jedoch um
schwere (nicht nur unbedeutende) Verstöße gegen die
»verfassungsmäßige Ordnung« (im Sinne von »freiheitlicher
demokratischer Grundordnung«, vgl. BGHSt 7,222; 9,285), so darf die
Öffentlichkeit unmittelbar angerufen werden.
Dies gilt trotz der erhöhten
Treupflicht auch für Beamte und Behördenangestellte. Ob die Preisgabe
von Geheimnissen auch in diesem Ausnahmefall nur nicht rechtswidrig ist
(vgl. oben zu 2.) oder ob sie darüber hinaus nicht tatbestandsmäßig ist,
bleibt unentschieden. [En05] 5
[Einbeziehung vorgesetzter
Stellen:] Die Pflicht zur Einbeziehung vorgesetzter Stellen enthält
auch ein Beschluss des BVerfG vom 28.04.1970 - 1 BvR 690/65.
Dort heißt es in den Leitsätzen:
-
§ 353 b StGB ist mit dem
Grundgesetz vereinbar.
-
Es verstößt nicht gegen Art. 5
Abs. 1 GG, wenn dem Beamten oder Angestellten des öffentlichen
Dienstes, der glaubt, ein verfassungswidriges Handeln seiner Behörde
in einem Einzelfall festgestellt zu haben, grundsätzlich zur Pflicht
gemacht wird, zunächst die in der institutionellen Ordnung des
demokratischen Staates liegenden Abhilfemöglichkeiten auszuschöpfen,
bevor er die Öffentlichkeit unterrichtet.
[Beamte oder Angestellte:]
Diesbezüglich heißt es in dem Beschluss:
[Rn. 21:] Allerdings
unterscheiden sich - auch im Bereich des öffentlichen Dienstes - Beamte
und Angestellte in ihrem Rechtsstatus wesentlich voneinander. Das
bedeutet aber nicht, dass es schlechthin unzulässig wäre, bestimmte
Beamtenpflichten auch den Angestellten aufzuerlegen. Die öffentlichen
Verwaltungen beschäftigen in weitem Maße neben den Beamten auch
Angestellte. Diese werden immer mehr auch mit hoheitlichen Aufgaben
betraut. Das Grundgesetz hat in
Art. 33 Abs. 4 dieser Entwicklung
Rechnung getragen, indem es die Übertragung hoheitsrechtlicher
Befugnisse an Angestellte - wenn auch grundsätzlich nur als Ausnahme -
zulässt (...). Nehmen aber in der Behördenarbeit Beamte und Angestellte
in weitem Umfang dieselben Funktionen wahr, so ist selbstverständlich,
dass Pflichten, die sich bereits aus der Natur des Dienst- und
Treueverhältnisses zum Staat ergeben, aber auch die Qualität der von der
öffentlichen Verwaltung zu erbringenden Leistung wesentlich
beeinflussen, für beide Gruppen gelten müssen. Dies gilt auch und
besonders für die Verschwiegenheitspflicht. Es bedarf keiner näheren
Begründung, dass die öffentliche Verwaltung nur dann rechtsstaatlich
einwandfrei, zuverlässig und unparteiisch arbeiten kann, wenn
sichergestellt ist, dass über die dienstlichen Vorgänge vonseiten der
Behördenbediensteten nach außen grundsätzlich Stillschweigen bewahrt
wird. Auf die Verschwiegenheit dieser Dienstkräfte hat insbesondere der
Bürger Anspruch, der sich mit einem Anliegen an eine Behörde wendet oder
dessen Lebenssphäre sonst wie von der Tätigkeit der Behörde betroffen
wird. Er hat keinen Einfluss darauf, ob ein Beamter oder ein
Angestellter seine Angelegenheit bearbeitet; deshalb muss er darauf
vertrauen dürfen, dass im einen wie im anderen Fall Dienstgeheimnisse
nicht offenbart werden. Es versteht sich von selbst, dass die Tätigkeit
mancher Zweige der Staatsverwaltung, vor allem derjenigen, denen die
Sorge für Bestand und äußere Sicherheit des Staates obliegt, in
besonderem Maße auf die Verschwiegenheit aller ihrer Bediensteten
angewiesen ist. Es wäre sinnwidrig, hier einen Unterschied zwischen den
Beamten und den mit denselben Dienstaufgaben betrauten Angestellten des
öffentlichen Dienstes zu machen.
[Rn. 35:] Ist ein Beamter
oder Angestellter nach seinem allgemeinen Bildungsstand und nach dem
durch seine Tätigkeit im Bundesamt für Verfassungsschutz gewonnenen
Erfahrungswissen unzweifelhaft in der Lage zu erkennen, dass gerade im
Hinblick auf seinen besonderen Pflichtenkreis die unmittelbare
Offenbarung dienstlicher Vorgänge an Außenstehende, namentlich an einer
Geheimhaltungspflicht nicht unterworfene Journalisten, den Arbeitserfolg
des Bundesamts gefährden, insbesondere die Zusammenarbeit mit den
Alliierten erheblich erschweren musste. Es bedarf keiner weiteren
Begründung, dass bei Beamten und Angestellten, deren Tätigkeit
nachrichtendienstlicher Natur ist und die in einer Behörde arbeiten, zu
deren Dienstaufgaben der Schutz des Staates nach außen gehört, der
Pflicht zur unbedingten Geheimhaltung der ihnen dienstlich
bekanntgewordenen Vorgänge ganz besondere Bedeutung zukommt. Der
Beschwerdeführer ist darüber auch eingehend und mehrfach belehrt worden.
[En06] 6
02.7 Vorsatz - Versuch - Irrtum
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Um eine Straftat im Sinne von
§ 353b StGB (Verletzung des Dienstgeheimnisses und einer besonderen
Geheimhaltungspflicht) begehen zu können, muss der Täter mindestens
bedingt vorsätzlich handeln, siehe
§ 15 StGB (Vorsätzliches
und fahrlässiges Handeln).
Vorsätzlich im Sinne von § 15 StGB
ist abhängig von dem jeweiligen Täterwillen und der Vorstellung des
Täters von seiner Tat.
Vorwerfbar im Sinne von
§ 353b StGB (Verletzung des Dienstgeheimnisses und einer besonderen
Geheimhaltungspflicht) handelt, wer
[Bedingter Vorsatz:] Das
bedeutet, dass dem Täter bei der Begehung seiner Tat die möglichen
Konsequenzen seines Handelns bewusst sind. In Anlehnung an die
Billigungstheorie des Bundesgerichtshofes heißt das: Der Täter nimmt den
Taterfolg billigend in Kauf.
Mit anderen Worten
Der Täter hält den Taterfolg:
Nach der herrschenden
Einwilligungs- oder Billigungstheorie reicht es aus, dass der Täter den
Erfolgseintritt als möglich und nicht ganz fernliegend erkannt und ihn
billigend in Kauf genommen hat. Unbestritten ist, dass die Wortwendung
des »billigend in Kaufnehmens« keine positive emotionale Stellungnahme
i.S. eines Gutheißens beinhaltet, sondern lediglich bedeutet, dass der
Täter sich mit dem Erfolg abfindet, auch wenn dieser ihm letztlich
unerwünscht ist (vgl. Tröndle/Fischer § 15 Rdnr. 10a).
[Versuch:] Der Versuch ist
strafbar, soweit er nicht auf Fahrlässigkeit beruht. Es reicht somit
aus, wenn der Täter durch seine Handlung zur Verwirklichung des
gesetzlichen Tatbestandes unmittelbar angesetzt, die Tat aber noch nicht
zur Vollendung geführt hat, siehe
§ 22 StGB (Begriffsbestimmung).
[Irrtum:] Geht der Täter
irrtümlich von einer Befugnis zur Weitergabe des Geheimnisses aus, weil
er zum Beispiel irrig annimmt, dass seine Ausführungen noch von einer
erteilten Aussagegenehmigung umfasst sind, handelt er nicht vorsätzlich.
Insoweit ist § 16 StGB (Irrtum über Tatbestände) einschlägig.
Glaubt hingegen ein ehemaliger
Amtsträger nach seinem Ausscheiden aus der beruflichen Position keiner
Schweigeverpflichtung mehr zu unterliegen, handelt es sich um einen
(vermeidbaren) Verbotsirrtum, siehe
§ 17 StGB (Verbotsirrtum).
02.8 Beispiele im Überblick
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Öffentliche Interessen sind durch
das Offenbaren und Bekanntmachen von Dienstgeheimnissen durch Amtsträger
zweifelsohne gefährdet, wenn:
-
Staatsgeheimnisse
weitergegeben werden
-
Vertrauliche Fernschreiben
oder Dokumente bekannt werden
-
Durch die Weitergabe
vertraulicher Informationen die Sicherstellung eines ungestörten und
effektiven Ablaufs von Ermittlungen gefährdet werden
-
Die Durchführung staatlicher
Prüfungen gefährdet sind (Preisgabe von Prüfungsaufgaben etc.)
-
Daten aus polizeilichen
Informationssystemen an unbefugte Personen weitergegeben werden
-
Personen über bevorstehende
Polizeieinsätze informiert werden, um sich darauf vorbereiten zu
können
-
der Geheimhaltung
unterliegende Einsatzkonzepte bekannt gemacht oder
-
der Presse Informationen
zugespielt werden, die der Geheimhaltung unterliegen etc. Näheres
dazu siehe Randnummer 04: Beihilfe durch Journalisten ist nicht
möglich.
[Hinweis:] Erhält die
Presse von Dienstgeheimnissen Kenntnis, handeln die im
§ 53 Absatz 1
Satz 1 Nummer 5 StPO genannten Personen nicht rechtswidrig, wenn sie
sich auf die Entgegennahme, Auswertung oder Veröffentlichung des
Geheimnisses oder des Gegenstandes oder der Nachricht, zu deren
Geheimhaltung eine besondere Verpflichtung besteht, beschränken, siehe
§ 353b
Abs. 3a StGB (Verletzung des Dienstgeheimnisses und einer
besonderen Geheimhaltungspflicht).
02.8.1 Preisgabe von
Prüfungsaufgaben
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Durch die Preisgabe von
Prüfungsaufgaben kann es auch im Bereich der Polizei zu Verletzungen von
Dienstgeheimnissen im Sinne von
§ 353b StGB (Verletzung des
Dienstgeheimnisses und einer besonderen Geheimhaltungspflicht) kommen.
Beispiele:
Anlässlich
eines Auswahlverfahrens, das über die Besetzung einer höher dotierten
Stelle entscheidet, wird der »gewünschte« Kandidat entsprechend
»gebrieft«, damit er im Verfahren nichts Falsches sagt.
[Hinweis:] Normalerweise
fallen solche Taten nicht auf, aber auch hier gilt Murphys Gesetz: Wenn
etwas schiefgehen kann, dann wird es auch schiefgehen.
Wäre das nicht so, dann hätte es
das nachfolgend skizzierte BGH-Urteil vom 19.06.1958 - 4 StR 151/58
niemals gegeben.
Dem Urteil lag folgender
Sachverhalt zugrunde.
[Anlass:]
Ein Realschullehrer hatte anlässlich einer Aufnahmeprüfung in der
Realschule, in der er unterrichtete, Einsicht in die Prüfungsaufgaben
genommen und vor der Prüfung seinem Sohn und einem anderen Schüler X die
Geschichte erzählt, über die eine Nacherzählung zu schreiben war. Als in
der Prüfung die Nacherzählung den Prüflingen bekanntgegeben wurde, sagte
der Schüler X sofort: »Die Geschichte kenne ich schon, die hat Herr
Lehrer F mit uns geübt.« Daraufhin ordnete der Direktor der Schule an,
die Nacherzählung für die beiden wiederholen zu lassen. Gegen den Lehrer
wurde ein Strafverfahren eingeleitet.
[Gefährdung öffentlicher
Interessen:] Die Strafkammer der Erstinstanz war davon ausgegangen,
dass durch die Preisgabe der Prüfungsaufgabe Amtsgeheimnisse bekannt und
öffentliche Interessen gefährdet worden seien.
Begründet worden war das damit,
dass »durch die unbefugte Preisgabe des Amtsgeheimnisses öffentliche
Interessen gefährdet worden seien, bei denen es sich um solche von
Wichtigkeit gehandelt habe. Es bestehe ein dringendes Interesse der
Allgemeinheit daran, das in einer Schule mit Ausleseprinzip nur Schüler
aufgenommen werden, deren Eignung durch Prüfungen unter gleichen
Bedingungen für alle Prüflinge festgestellt werden müsste, damit
besserbegabte Schüler nicht durch mindergeeignete vom Schulbesuch
ausgeschlossen würden«.
Dieser Rechtsauffassung folgten
die Richter des BGH nicht, denn es sei ungewiss, das infolge des
Geheimnisbruchs die Gefahr bestanden habe, dass die beiden Prüflinge zu
Unrecht in die Realschule aufgenommen wurden.
Im Urteil heißt es:
Das wird deutlich, wenn man sich
den Fall vergegenwärtigt, dass der Geheimnisbruch des Angeklagten
unentdeckt geblieben wäre. Dann hätten möglicherweise die beiden
Prüflinge zu Unrecht ihre Aufnahme in die Realschule erreicht. Die
dadurch verletzten öffentlichen Interessen wären jedoch nicht von
solcher Bedeutung gewesen, wie sie § 353b StGB schon gegen eine
Gefährdung schützen will. Zwar ist die Aufnahmeprüfung in eine höhere
Schule das erste und ein wichtiges Auslesemittel.
Bekanntermaßen aber entscheidet sie allein noch nicht über den dortigen
Verbleib eines Schülers. Vielmehr muss er sich während einer der
Aufnahmeprüfung folgenden Bewährungszeit erproben, in der seine Eignung
häufig besser festgestellt werden kann, als in einer kurzen
Aufnahmeprüfung. Die etwaige Untauglichkeit für die höhere Schule hätte
sich deshalb bei beiden Prüflingen bald herausgestellt, und sie wären
des in der Aufnahmeprüfung zu Unrecht erlangten Vorteils, der überdies
nur in einem Fach bestanden hätte, bald wieder verlustig gegangen.«
[Fazit:] Aus dieser Sicht
betrachtet erkannten die Richter des BGH keine Gefahr für
öffentliche Interessen durch die Preisgabe von Prüfungsaufgaben.
[Andere Fallkonstellationen
führen zu anderen Ergebnissen:] Für den Fall aber, dass es sich bei
der Aufnahmeprüfung um eine Prüfung gehandelt hätte, die für die spätere
Laufbahn von entscheidender Wichtigkeit gewesen sei, insbesondere im
Hinblick auf eine staatliche Anstellung, heißt es im o.g. Urteil:
»Es besteht ein erhebliches
öffentliches Interesse daran, dass keine ungeeigneten Bewerber in
öffentliche Ämter berufen werden. Demgemäß müsste auch die Gefährdung
wichtiger öffentlicher Interessen bejaht werden, wenn ein solcher
Prüfling durch einen Geheimnisbruch in die Lage versetzt würde, ohne die
erforderliche Eignung eine wichtige Abschlussprüfung zu bestehen.«
[Gefährdung wichtiger
öffentlicher Interessen durch Vertrauensverlust in die Integrität der
Verwaltung:] Diesbezüglich heißt es in dem o.g. Urteil: »Die
Strafkammer sieht allerdings in einem weiteren Umstand eine Gefährdung
wichtiger öffentlicher Interessen, nämlich darin, dass durch das
bekanntgewordene Verhalten des Angeklagten das Vertrauen der
Öffentlichkeit in die Schulverwaltung erschüttert worden sei; sein
Vorgehen habe nämlich »zu heftigen Auseinandersetzungen innerhalb des
Ortes geführt«. Es mag der Strafkammer zugegeben werden, dass es sich
bei dem Vertrauen der Bevölkerung - sei es auch nur einer einzelnen
Stadt - in die Unparteilichkeit der Schulverwaltung, um ein wichtiges
öffentliches Interesse handelt. Mag dieses Interesse auch nicht
unmittelbar nämlich schon durch die Preisgabe des Amtsgeheimnisses an
die beiden Prüflinge, sondern erst nach der Aufdeckung und dem
Bekanntwerden des Geheimnisbruchs berührt worden sein, so war diese
Gefährdung doch die wenn auch nur mittelbare Folge der Tat des
Angeklagten.
An anderer Stelle heißt es:
»Die Feststellungen der
Strafkammer lassen es aber zweifelhaft erscheinen, ob der Angeklagte
vorsätzlich gehandelt hat. Die Strafkammer nimmt das zwar an, weil er
sich bewusst gewesen sei, dass sich die Möglichkeit eines Bekanntwerdens
seiner Handlungsweise nicht ausschließen ließ.
Offenbar meint die Strafkammer
damit den bedingten Vorsatz, der allerdings für die vorsätzliche
Begehungsform bei § 353b StGB genügen würde. Selbst wenn aber der
Angeklagte an die Möglichkeit gedacht haben sollte, dass sein Verhalten
aufgedeckt werde - eine Annahme, die fast erfahrungswidrig ist, wenn man
bedenkt, dass er offenbar durch das ehrliche Geständnis des Schülers Sch
überrascht wurde, also an eine solche Möglichkeit nicht dachte, so ist
im Urteil nichts darüber gesagt, ob er diese Möglichkeit auch für den
Fall ihres Eintritts billigte. Diese Prüfung wird die Strafkammer
nachzuholen haben.« [En07] 7
02.8.2 Daten aus polizeilichen
Informationssystemen
TOP
[BGH 2001:] Mit Urteil vom
23. März 2001 - 2 StR 488/00 hat der BGH solch ein Fehlverhalten eines
Polizeibeamten als Verletzung des Dienstgeheimnisses gemäß § 353b Abs. 1
Satz 1 Nr. 1 StGB gewertet.
[Anlass:]
Ein Polizeibeamter, der Zugang zum polizeilichen Informationssystem
hatte, führte in mehreren Fällen für den Inhaber eines Bordells
Personenüberprüfungen durch. Wenn keine Einträge registriert waren,
wurde dieses Ergebnis dem Bordellbetreiber durch Übermittlung des
Buchstabens »N« (für Negativauskunft) mitgeteilt.
Der BGH bestätigte das zuvor
ergangene Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main, das den
Polizeibeamten wegen Verletzung des Dienstgeheimnisses in sieben Fällen
zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt
hatte.
Nach den Feststellungen des
Landgerichts hatte der Beamte im Rahmen seiner dienstlichen Tätigkeit
mittels seiner Personalnummer und eines ihm bekannten Codes Zugriff auf
den Datenbestand des polizeilichen Informationssystems Hepolis. Hierbei
handelt es sich um eine von der hessischen Polizei landesweit
betriebene, automatisierte kriminalpolizeiliche Sammlung, in der
personenbezogene Daten von bereits polizeilich in Erscheinung getretenen
Personen sowie fallbezogene Informationen über Straftaten und sonstige
im Rahmen polizeilicher Ermittlungen bekanntgewordene Umstände
gespeichert waren.
»Die Tatsache«, so der BGH, »dass
in der Erfüllung repressiver und präventiver polizeilicher Aufgaben
dienenden Datensammlung Hepolis zu bestimmten Personalien keine
Erkenntnisse vorliegen, ist ein Geheimnis im Sinne des § 353 b Abs. 1
StGB.«
[Rn. 7:] Dort heißt es
sinngemäß: Es handelt sich um einen Umstand, der wegen der beschränkten
Zugriffsmöglichkeit auf das Informationssystem nur einem begrenzten
Personenkreis bekannt und geheimhaltungsbedürftig ist. Das
Geheimhaltungsbedürfnis resultiert daraus, dass das Wissen über fehlende
polizeiliche Erkenntnisse im Einzelfall beispielsweise für Personen, die
Straftaten planen oder begangen haben, im Hinblick auf ihr weiteres
Verhalten von erheblicher Bedeutung sein kann.
Insbesondere der Auf- und Ausbau
organisierter krimineller Strukturen kann durch Informationen darüber,
dass in dem polizeilichen Informationssystem keine Einträge vorhanden
sind, wesentlich gefördert werden, weil es den Beteiligten die
Möglichkeit eröffnet, das Kontroll- und Entdeckungsrisiko zu minimieren.
[Rn. 12:] Haben Personen,
die Straftaten begangen haben oder begehen werden oder die für eine
polizeipflichtwidrige Gefahrenlage verantwortlich sind, Kenntnis
darüber, dass der Polizei keine Erkenntnisse über sie vorliegen,
brauchen sie nicht mit einem polizeilichen Einschreiten zu rechnen.
Dieses Wissen beseitigt den durch die verstärkte Kontrolltätigkeit der
Polizei zur Bekämpfung des kriminellen Milieus gezielt erzeugten
Kontrolldruck mit der Folge, dass die entsprechenden polizeilichen
Maßnahmen insoweit wirkungslos bleiben. Hierin liegt eine Gefährdung
wichtiger öffentlicher Interessen. [En08] 8
02.8.3 Daten aus jedermann
zugänglichen Systemen
TOP
Nicht jede Weitergabe von Daten
aus Datensystemen, auf die die Polizei Zugriff hat, erfüllt den
Tatbestand von
§ 353b StGB (Verletzung des Dienstgeheimnisses und
einer besonderen Geheimhaltungspflicht).
[BGH 2012:] Mit Urteil des
BGH vom 15.11.2012 - BGH 2 StR 388/12 hat das Gericht darüber
entschieden, welche Datenbestände bei pflichtwidrigem Gebrauch durch
Amtswalter nicht als strafbare Handlungen anzusehen sind.
[Halterdaten im Zentralen
Fahrzeugregister:] Auf die nach
§ 33 Abs. 1 StVG im Zentralen
Fahrzeugregister gespeicherten Halterdaten, die im Rahmen einer
einfachen Registerauskunft nach
§ 39 Abs. 1 StVG jedermann zu den
gesetzlich genannten Zwecken übermittelt werden dürfen, ist § 353b StGB
nicht anwendbar.
Im Urteil heißt es:
[Rn. 15:] Bei den (...) in
ZEVIS recherchierten Halterdaten handelte es sich nicht um Geheimnisse
im Sinne des § 353b Abs. 1 StGB. Unter Geheimnissen sind Tatsachen zu
verstehen, die nur einem begrenzten Personenkreis bekannt und zudem
geheimhaltungsbedürftig sind (...). Dies trifft auf die nach
§ 33
Abs. 1 StVG im Zentralen Fahrzeugregister gespeicherten Halterdaten,
die im Rahmen einer einfachen Registerauskunft nach
§ 39 Abs. 1 StVG
jedermann zu den gesetzlich genannten Zwecken übermittelt werden dürfen,
nicht zu.
[Rn. 16:] Es handelt sich
bei den in § 39 Abs. 1 StVG genannten Daten eines Kfz-Halters wie dessen
Name und Anschrift jedenfalls um keine Tatsachen, die ihrer Bedeutung
nach der Geheimhaltung bedürfen und daher auch nicht der
Amtsverschwiegenheit unterliegen (vgl. § 37 Abs. 2 Ziff. 2 BeamtStG).
Dies folgt schon daraus, dass Zugangsvoraussetzung für den eine
Halterauskunft nach § 39 Abs. 1 StVG Verlangenden lediglich die
Darlegung eines berechtigten Interesses ist, das nicht einmal glaubhaft
gemacht werden muss.
[Auskünfte aus Melderegister:]
Daten, die im Rahmen einer einfachen Melderegisterauskunft auf der
Grundlage von
§
44 MRRG von jedermann eingeholt werden können,
sind ebenfalls nicht als Dienstgeheimnisse im Sinne von § 353b StGB
anzusehen, wenn sie von Amtswaltern an Privatpersonen weitergegeben
werden.
Im Urteil heißt es:
[Rn. 20:] Diese Daten, die
im Rahmen einer einfachen Melderegisterauskunft nach § 21 Abs. 1 MRRG
auf Antrag ohne weiteres jedermann erhalten kann, sind offenkundig und
damit keine Geheimnisse (...).
[Hinsichtlich der Weitergabe
von Negativauskünften aus polizeilichen Informationssystemen:]
Diesbezüglich bestätigte der BGH seine bisherige Rechtsprechung.
Amtswalter, die Informationen weitergeben, die in polizeilichen
Informationssystemen vorgehalten werden, handeln tatbestandlich im Sinne
von § 353b StGB.
Im Urteil heißt es:
[Rn. 9:] Dabei sind auch
Negativauskünfte über fehlende Einträge in der polizeilichen
Datensammlung geheimhaltungsbedürftig, da auch sie nachteilige
Auswirkungen auf die polizeilichen Aufgabenerfüllungen haben können.
[Rn. 10:] Sinngemäß: Für
eine effektive Wahrnehmung der ihr obliegenden präventiven und
repressiven Aufgaben kommt der Integrität der Polizei und ihrer Beamten
gerade auch in dem häufig durch zwangsweise Ausbeutung gekennzeichneten
Prostitutionsmilieu besondere Bedeutung zu. Daher kann in der
Erschütterung des Vertrauens in die Polizeiarbeit eine konkrete
Gefährdung wichtiger öffentlicher Interessen gesehen werden. [En09]
9
02.8.4 Selbst geschaffene
Dienstgeheimnisse
TOP
Dienstgeheimnisse, die durch
Amtswalter selbst geschaffen werden, um sie dann der Öffentlichkeit
zugänglich zu machen, fallen nicht unter die Regelung von § 353b StGB
(Verletzung des Dienstgeheimnisses und einer besonderen
Geheimhaltungspflicht).
Über den nachfolgend skizzierten
Fall hat das OLG Dresden mit Beschluss vom 11.09.2007 - 2 WS 163/07
entschieden:
[Anlass:]
Ein Staatsanwalt hatte wegen des Verdachts der Untreue gegen einen
ehemaligen Staatsminister wegen des Verdachts der Untreue ein
Strafverfahren eingeleitet. Auf Antrag des StA erließ das Amtsgericht
Dresden zwei Durchsuchungsbeschlüsse, einen davon hinsichtlich des
beschuldigten ehemaligen Staatsministers. Am Abend vor der Durchsuchung
teilte der StA einem bei der Dresdner Morgenpost tätigen Journalisten
telefonisch mit, dass die Staatsanwaltschaft Dresden ein
Ermittlungsverfahren gegen den ehemaligen Staatsminister führe und dass
am nächsten Morgen dessen Anwesen durchsucht werden würde. Der
Journalist und ein Fotograf waren daraufhin bei dieser Durchsuchung
anwesend. Die Dresdner Morgenpost berichtete am folgenden Tag über die
Durchsuchung in Wort und Bild.
Hat sich der StA strafbar gemacht?
Im Beschluss des OLG Dresden vom
11.09.2007, Aktenzeichen: 2 Ws 163/07
»Wenn der Staatsanwalt selbst den
Durchsuchungstermin festgelegt hat, so beruht die Existenz des
Geheimnisses auf seiner eigenverantwortlichen Entscheidung. Es wurde
also durch ihn selbst erst geschaffen. Die Mitteilung dieser Tatsache
ist keine Verletzung des Dienstgeheimnisses, da es an dem
Tatbestandsmerkmal des Anvertrautseins fehlt. Denn eigene
Entscheidungen, die die Geheimnistatsachen erst schaffen, sind dem
Amtsträger weder »anvertraut« noch »sonst bekannt geworden«.
02.8.5 Wahrnehmungen in der
Silvesternacht in Köln
TOP
Im Zusammenhang mit den
massenhaften sexuellen Übergriffen auf Frauen in der Silvesternacht in
Köln gelangten Schilderungen von Polizeibeamten über die Ereignisse an
die Öffentlichkeit, die eine bundesweite Debatte über den Umgang mit
Flüchtlingen auslöste.
Aus der Sicht des
nordrhein-westfälischen Innenministers offenbarte sich dadurch das Bild
einer Polizei, die sich seiner Kontrolle entzog. Schilderungen
polizeilicher Augenzeugen, die ein anderes Bild zeichneten, störten da
nur. Folge davon war, dass sich der polizeiinterne Druck erhöhte und
polizeiintern veranlasst wurde, dass keine Ermittlungsergebnisse mehr an
die Öffentlichkeit gelangen durften, die für eine »Veröffentlichung«
nicht freigegeben worden waren.
[Polizei ermittelt gegen
Polizei:] In der Süddeutschen.de vom 22.02.2016 heißt es in diesem
Zusammenhang, dass nunmehr wegen der Berichte von Polizeibeamten über
die Vorfälle in der Silvesternacht wegen Verletzung des
Dienstgeheimnisses ermittelt werde.
Ermittelt wird wegen:
-
Äußerungen eines leitenden
BGS-Beamten über einen Mob betrunkener Männer, der Frauen sexuell
belästigt habe. Er berichtete von Verdächtigen, die zur Polizei
gesagt hätten: »Ich bin Syrer, ihr müsst mich freundlich behandeln!
Frau Merkel hat mich eingeladen.« Einen »Brandbeschleuniger« nannte
die FAZ den Text. Klar ist: Er veränderte die Diskussion über
Flüchtlinge in Deutschland. Vermutlich millionenfach wurde der Text
in den sozialen Medien geteilt. Manche machten aus dem Beamten einen
Helden, weil er die Verhältnisse der Nacht realistisch beschrieb,
ohne Rücksicht auf Nationalitäten.
-
Außerdem wird geprüft, wie
interne Berichte an die Öffentlichkeit gelangen konnten. Darunter
auch der des Führers einer Einsatzhundertschaft. Darin war zu lesen,
dass sich bei Personalfeststellungen vor dem Hauptbahnhof der
ȟberwiegende Teil der Personen lediglich mit dem
Registrierungsbeleg als Asylsuchender des Bamf« ausweisen konnte. [En10]
10
Ob es sich bei eigenen
Wahrnehmungen von Beamten, die diese im öffentlichen Raum machen, um
Geheimnisse im Sinne von
§ 353b StGB (Verletzung des
Dienstgeheimnisses und einer besonderen Geheimhaltungspflicht) handeln
kann, lässt sich zurzeit nicht beantworten, denn diesbezüglich sind die
besonderen Umstände des jeweiligen Einzelfalls sorgfältig zu prüfen.
Für tatbestandliches Handeln im
Sinne von § 353b StGB sprechen folgende Überlegungen:
Sollten die bekannt gewordenen
Geheimnisse dem Amtswalter anvertraut worden sein, das heißt unter der
ausdrücklichen Auflage, zumindest aber in der Erwartung der
Verschwiegenheit oder im Vertrauen auf berufstypischen sorgfältigen
Umgang mit dienstlichen Erkenntnissen anvertraut worden sein, dürfte
tatbestandliches Handeln problemlos nachzuweisen sein.
Wahrscheinlicher aber ist, dass es
sich bei den Informationen, die Amtsträger weitergegeben haben, diesem
Personenkreis »sonst bekannt geworden ist«.
[Sonst bekannt geworden ist:]
Dieses Tatbestandsmerkmal des § 353b StGB ist als ein
»Auffangtatbestand zu verstehen, der alle
sonstigen Fälle der Kenntnisnahme umfasst. Bekannt werden können
Erkenntnisse auch durch übermittelte Indiskretionen oder zufällig beim
Ausüben einer amtlichen Tätigkeit wahrgenommenen Beobachtungen. Das
Vorliegen einer typischerweise auf Verschwiegenheit angelegten
Sonderbeziehung ist nicht erforderlich. Ausreichend ist auch eine
Erfassung von Informationen durch den Amtsträger infolge eigener
Wahrnehmungen, Untersuchungen und darauf beruhender Rückschlüsse«
(MK-StGB - Band 5 - 2012 - Graf - § 353b - Rn. 30).
Eine genaue Abgrenzung zwischen
dem »anvertrauten« und dem »sonst bekanntgewordenen« Geheimnis ist im
Übrigen für die Frage der Tatbestandserfüllung im Sinne von § 353b StGB
auch weniger bedeutsam, denn:
»Das
Geheimnis ist dem Täter als Amtsträger, besonders Verpflichtetem usw.
anvertraut oder bekannt geworden, wenn ein Zusammenhang zwischen dem
Bekanntwerden des Geheimnisses und der Eigenschaft des Täters als eines
Amtsträgers, eines besonders Verpflichteten usw., besteht
(Amtskausalität). Die Voraussetzung wird in der Regel erfüllt sein, wenn
der Täter die Angelegenheit im dienstlichen Bereich, nicht nur als
Privatmann, erfahren hat. Eine unmittelbare Verknüpfung mit der
dienstlichen Tätigkeit braucht nicht zu bestehen. Geschützt ist auch das
Geheimnis, das ihm - weil er Amtsträger ist - ein Kollege mitteilt«
(LK-StGB - Band 13 - 2012 - Vormbaum - § 353b - Rn. 15)
Die oben skizzierte Sichtweise
legt nahe, dass polizeiinterne Ermittlungen gegen Amtswalter aufgrund
des Vorwurfs der Verletzung von Dienstgeheimnissen, nicht grundlos
geführt werden.
[Dienstgeheimnis:]
Ob der Vorwurf der Verletzung von Dienstgeheimnissen die Einleitung von
Strafverfahren gegen die ermittelten Amtswalter zu rechtfertigen vermag,
darf dennoch bezweifelt werden, soweit es sich bei den Informationen,
die diese Amtswalter bekanntgemacht haben, um Informationen handelt, die
unter das Informationsfreiheitsgesetz NRW (IFG NRW) fallen.
Der Wortlaut der einschlägigen
Befugnis des IFG NRW werden im Folgenden wiedergegeben:
§ 4 IFG NRW (Informationsrecht)
(1) Jede natürliche Person hat
nach Maßgabe dieses Gesetzes gegenüber den in § 2 genannten Stellen
Anspruch auf Zugang zu den bei der Stelle vorhandenen amtlichen
Informationen.
(2) Soweit
besondere Rechtsvorschriften über den Zugang zu amtlichen Informationen,
die Auskunftserteilung oder die Gewährung von Akteneinsicht bestehen,
gehen sie den Vorschriften dieses Gesetzes vor. Im Rahmen dieses
Gesetzes entfällt die Pflicht zur Amtsverschwiegenheit.
[Hinweis:] Soweit
Amtswalter dienstlich erlangte Informationen der Öffentlichkeit
zugänglich machen, die aufgrund eines bestehenden Informationsrechts (§
4 IFG NRW) eingefordert werden können, dürfte die Einleitung von
Strafverfahren gegen Amtswalter unzulässig sein, wenn es sich bei den
weitergegebenen Informationen handelt, wenn das IFG NRW (Bund und die
anderen Länder haben vergleichbare Gesetze) greift und durch die
Weitergabe von Informationen der Schutz personenbezogener Daten nicht
verletzt wird, siehe § 9 IFG NRW (Schutz personenbezogener Daten).
Sollte das im Rahmen der
Ermittlungen festgestellte Fehlverhalten von Amtswaltern für eine
Anklage auf der Grundlage von § 353b StGB nicht ausreichen, könnten
unabhängig davon Disziplinarmaßnahmen auf der Grundlage des
Landesdisziplinargesetzes des Landes NRW (LDG NRW)
getroffen werden, siehe
§ 14 LDG NRW (Zulässigkeit von
Disziplinarmaßnahmen nach Straf- oder Bußgeldverfahren).
03 § 353b Abs. 2 StGB
TOP
Bei dem Absatz 2 des
§ 353b StGB (Verletzung des Dienstgeheimnisses und einer besonderen
Geheimhaltungspflicht) handelt es sich um eine
Strafverschärfungsregelung.
Betroffen davon sind Personen, die
einer besonderen Geheimhaltungsverpflichtung unterliegen.
-
Personen, die auf Grund des
Beschlusses eines Gesetzgebungsorgans des Bundes oder eines Landes
oder eines seiner Ausschüsse verpflichtet sind oder
-
Personen, die von einer
anderen amtlichen Stelle unter Hinweis auf die Strafbarkeit der
Verletzung der Geheimhaltungspflicht förmlich verpflichtet wurden.
[Sicherheitsüberprüfungsgesetz:] In diesem Gesetz ist geregelt, wie
Informationen, die besonders schutzbedürftig sind, gegen unbefugte
Weitergabe zu schützen sind. Gemäß
§ 4 SÜG (Verschlusssachen)
sind als Verschlusssachen im öffentlichen Interesse
geheimhaltungsbedürftige Tatsachen, Gegenstände oder Erkenntnisse,
unabhängig von ihrer Darstellungsform zu behandeln.
Sie werden entsprechend ihrer
Schutzbedürftigkeit von einer amtlichen Stelle oder auf deren
Veranlassung eingestuft.
Das SÜG sieht vier Kategorien von
Verschlusssachen vor:
Die näheren Einzelheiten sind in
Verschlusssachenanweisungen geregelt.
[Verschlusssachenanweisung:]
Bei der hier zu Anwendung kommenden allgemeinen Verwaltungsvorschrift
handelt es sich um die »Allgemeine Verwaltungsvorschrift des
Bundesministeriums des Innern zum materiellen und organisatorischen
Schutz von Verschlusssachen (VS-Anweisung-VSA) vom 31. März 2006. [En11]
11
Vergleichbare
Verschlusssachenanweisungen gibt es in allen Bundesländern.
-
Gemäß § 1 VS-Anweisung
(Geltungsbereich) ist diese Anweisung zu beachten und Vorkehrungen
zu ihrem Schutz sind zu treffen.
-
Gemäß § 2 VS-Anweisung
(Begriff der Verschlusssache) handelt es sich bei Verschlusssachen
um im öffentlichen Interesse geheimhaltungsbedürftige Tatsachen,
Gegenstände oder Erkenntnisse unabhängig von ihrer Darstellungsform
(z.B. Schriftstücke, Zeichnungen, Karten, Fotokopien,
Lichtbildmaterial, elektronische Dateien und Datenträger,
elektrische Signale, Geräte, technische Einrichtungen oder das
gesprochene Wort). Sie werden entsprechend ihrer Schutzbedürftigkeit
von einer amtlichen Stelle oder auf deren Veranlassung in
Geheimhaltungsgrade eingestuft.
-
Gemäß § 4 VS-Anweisung (Allgemeine
Grundsätze) dürfen nur Personen Kenntnis erhalten, die aufgrund
ihrer Dienstpflichten von ihr Kenntnis haben müssen. Keine Person
darf über eine VS umfassender oder eher unterrichtet werden, als
dies aus dienstlichen Gründen unerlässlich ist. Es gilt der
Grundsatz »Kenntnis nur, wenn nötig. Jeder, dem eine VS anvertraut
oder zugänglich gemacht worden ist, trägt ohne Rücksicht darauf, wie
die VS zu seiner Kenntnis oder in seinen Besitz gelangt ist, die
persönliche Verantwortung für ihre sichere Aufbewahrung und
vorschriftsmäßige Behandlung sowie für die Geheimhaltung ihres
Inhalts gemäß den Bestimmungen dieser VS-Anweisung.
-
Gemäß § 6 VS-Anweisung
(Geheimschutzdokumentation) hat jede Dienststelle, die nicht nur
gelegentlich mit VS arbeitet, für eine Geheimschutzdokumentation zu
sorgen, in der alle wesentlichen Konzepte, Vorschriften und
dienststellenspezifischen Maßnahmen zum Zwecke des Geheimschutzes
dokumentiert werden.
04 Beihilfe durch Journalisten ist
nicht strafbar
TOP
[BGH 1965:] Einem Urteil
des BGH vom 08.11.1965 - 8 StE 1/65 (Fall Pätsch)
kann entnommen werden, dass die Veröffentlichung von Staatsgeheimnissen
durch die Presse nicht strafwürdig sein muss, wenn hierdurch öffentliche
Missstände offen gelegt werden.
[Hinweis:] Anlass für
dieses Urteil war ein ehemaliger Mitarbeiter des deutschen
Verfassungsschutzes, der 1963 eine Abhöraffäre aufdeckte.
Bei den folgenden »blau markierten
Texten« handelt es sich um Zitate, der Website der Anwaltskanzlei
Ferner.
[Presse darf Staatsgeheimnisse
veröffentlichen:] »Allgemein lässt sich
feststellen, dass grundsätzlich die Veröffentlichung von
Staatsgeheimnissen durch die Presse dann nicht strafbar ist, wenn
hierdurch öffentliche Missstände offen gelegt werden. Der BGH sieht hier
ein abgestuftes Modell, wobei er – auch aus Lehre aus der Geschichte –
der Auffassung ist, dass bei erheblichen Verstößen des Staates, die als
Gefährdung der »freiheitlich demokratischen Grundordnung« einzustufen
sind, immer die unmittelbare Kommunikation mit der Bevölkerung gesucht
werden darf.«
[Hinweis:] Ein mindestens
gleiches Schutzbedürfnis nehmen als »Verschlusssachen« eingestufte
Dokumente für sich in Anspruch. Eine Behörde, die feststellt, dass
Verschlusssachen in Medien veröffentlicht werden, haben zwei Fragen zu
klären.
Die 1. Frage lautet:
Wer ist dafür verantwortlich?
Antwort:
Der oder die Amtswalter, die
Verschlusssachen an Medien weitergeleitet haben.
Die 2. Frage lautet:
Wann macht sich derjenige
strafbar, der diese Verschlusssachen veröffentlicht?
Antwort:
Medien, denen das Recht auf
Pressefreiheit zusteht, können für die Veröffentlichung nur dann wegen
Landesverrats strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden, wenn sie
Staatsgeheimnisse veröffentlichen und dadurch die Gefahr eines schweren
Nachteils für die äußere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland
herbeiführen.
Zwei Urteile des BVerfG aus dem
Jahre 2007 und 2015 machen dies deutlich.
[BVerfG 2007:] Im so
genannten Cicero-Urteil des BVerfG vom 27. Februar 2007 - 1 BvR 2045/06
heißt es zur Pressefreiheit:
[Rn. 43:] Die Freiheit der
Medien ist konstituierend für die freiheitliche demokratische
Grundordnung (...). Eine freie Presse und ein freier Rundfunk sind daher
von besonderer Bedeutung für den freiheitlichen Staat (...).
Dementsprechend gewährleistet Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG den im Bereich von
Presse und Rundfunk tätigen Personen und Organisationen Freiheitsrechte
und schützt darüber hinaus in seiner objektiv-rechtlichen Bedeutung auch
die institutionelle Eigenständigkeit der Presse und des Rundfunks (...).
Die Gewährleistungsbereiche der Presse- und Rundfunkfreiheit schließen
diejenigen Voraussetzungen und Hilfstätigkeiten mit ein, ohne welche die
Medien ihre Funktion nicht in angemessener Weise erfüllen können.
Geschützt sind namentlich die Geheimhaltung der Informationsquellen und
das Vertrauensverhältnis zwischen Presse beziehungsweise Rundfunk und
den Informanten (...). Dieser Schutz ist unentbehrlich, weil die Presse
auf private Mitteilungen nicht verzichten kann, diese Informationsquelle
aber nur dann ergiebig fließt, wenn sich der Informant grundsätzlich auf
die Wahrung des Redaktionsgeheimnisses verlassen kann (...).
[Rn. 48:] Die in den
angegriffenen Beschlüssen herangezogene Strafrechtsnorm des § 353 b StGB
sowie die darauf bezogene Beihilfevorschrift des § 27 StGB sind
allgemeine Gesetze. § 353 b StGB dient für sich allein, aber auch im
Zusammenwirken mit § 27 StGB, dem Schutz vor der unbefugten Offenbarung
von Dienstgeheimnissen und vor der Verletzung besonderer
Geheimhaltungspflichten. Diese Schutzgüter sind in der Rechtsordnung
allgemein durch Strafsanktionen geschützt, unabhängig davon, ob sie
durch Meinungsäußerungen oder durch Presseorgane verletzt werden (...).
Auch bei Auslegung und Anwendung von Strafvorschriften ist aber der
Bedeutung der Pressefreiheit Rechnung zu tragen (...). Dabei gebietet es
die Verfassung nicht, Journalisten generell von strafprozessualen
Maßnahmen auszunehmen (...).
[Rn. 58:] Die Tat des § 353 b StGB
kann nur durch einen Geheimnisträger begangen werden und ist mit der
Mitteilung der geheimen Information an einen Außenstehenden vollendet.
Die daran anschließende Veröffentlichung eines Dienstgeheimnisses in der
Presse – hier des Berichts des Bundeskriminalamts in CICERO – erfolgt
notwendig zeitlich nach der Vollendung der Straftat. Nach der in der
Rechtspraxis herrschenden Auffassung ist die Tat des Amtsträgers dann,
wenn es ihm um die Veröffentlichung des Geheimnisses geht, zwar mit der
Offenbarung an den Journalisten vollendet, aber erst mit der -
plangemäßen - Veröffentlichung beendet; so lange kann nach dieser
Auffassung durch den Journalisten eine so genannte sukzessive Beihilfe
geleistet werden (...). [En12] 12
[BVerfG 2015:] Beschluss
des BVerfG vom 13. Juli 2015 - 1 BvR 1089/13 anlässlich einer
Durchsuchung in den Presseräumen der Tageszeitung Berliner Morgenpost
[Rn. 25:] Durch das Gesetz
zur Stärkung der Pressefreiheit im Straf- und Strafprozessrecht (PrStG)
vom 25. Juni 2012 (BGBl I S. 1374) hat der Gesetzgeber mittlerweile
geregelt, dass ein Verdacht der Beihilfe zum Geheimnisverrat nach
Maßgabe des § 353b Abs. 3a StGB nicht mehr als rechtswidrig anzusehen
ist.
Strafbar bleibt demgegenüber die
Anstiftung zum Geheimnisverrat sowie Beihilfehandlungen, die der
Vollendung der Haupttat vorausgehen oder über das Entgegennehmen und
Veröffentlichen der Information hinausgehen (...). [En13] 13
05 Dienstpflichtverletzung nach
BeamtStG
TOP
Seit der Neuordnung von
Disziplinarverfahren in den Disziplinarordnungen von Bund und Ländern
(in NRW 2010), lässt sich die Frage, ob sich an ein Strafverfahren, das
mit einer Verurteilung endete, sich zwangsläufig auch ein
Disziplinarverfahren anzuschließen hat, nicht mehr eindeutig
beantworten, denn ein solches »Verbot einer Doppelbestrafung« gibt es
nicht.
Kommt es im Strafverfahren zu
einer Bestrafung oder zu einer Einstellung des Verfahrens gegen Zahlung
einer Buße, so ist eine disziplinarrechtliche Ahndung wegen desselben
Sachverhalts deshalb auch heute in NRW noch nicht unbedingt
ausgeschlossen, aber nur noch unter bestimmten Bedingungen zulässig,
siehe
§ 14 LDG NRW (Zulässigkeit von Disziplinarmaßnahmen nach
Straf- oder Bußgeldverfahren).
Der Begriff einer Doppelbestrafung
greift allein deshalb nicht, weil das Gesetz eine Disziplinarmaßnahme
nicht als eine Strafe ansieht, denn Disziplinarmaßnahmen verfolgen
andere Zwecke als die von Strafgerichten verhängten Strafen.
VG Trier, Urteil vom 22.09.15 – 3
K 66/15.TR
Keine Disziplinarmaßnahme
zusätzlich zur Strafe bei demselben Sachverhalt.
Hat ein
Beamter ein Dienstvergehen begangen und ist dafür strafgerichtlich
verurteilt worden, hat er nicht für denselben Sachverhalt mit einer
Disziplinarmaßnahme zu rechnen. Eine zusätzliche Disziplinierung ist nur
dann möglich, wenn sie zur Pflichtenmahnung erforderlich ist.
Ein Dienstvergehen, das Grundlage
für eine strafgerichtliche Verurteilung gewesen ist, kann nicht
gleichzeitig mit einer Kürzung der Dienstbezüge geahndet werden, wenn
der Ausspruch dieser Disziplinarmaßnahme auf denselben Sachverhalt
gestützt ist, es sei denn, die Disziplinierung ist zusätzlich
erforderlich, um den Beamten zur zukünftigen Erfüllung seiner Pflichten
anzuhalten.
Mit dieser Begründung hat das VG
Trier eine Disziplinarverfügung des Landes Rheinland-Pfalz gegen eine
Polizeikommissarin aufgehoben, die personenbezogene im
Polizeidatensystem POLIS ohne dienstlichen Anlass abgefragt und alsdann
an Dritte weitergegeben hatte. Dafür war sie von einem Strafgericht zu
einer Geldstrafe verurteilt worden.
Das beklagte Land verhängte als
zusätzliche Disziplinarmaßnahme die Kürzung der Dienstbezüge.
Im Urteil heißt es:
»Zwar habe die Klägerin mit ihrem
Verhalten ein Dienstvergehen begangen. Wegen der strafgerichtlichen
Verurteilung bleibe das Dienstvergehen jedoch ohne disziplinarrechtliche
Konsequenz.
Die einschlägige Vorschrift im
Landesdisziplinargesetz verbiete die Verhängung einer
Disziplinarmaßnahme, wenn derselbe Lebenssachverhalt bereits Gegenstand
einer strafgerichtlichen Verurteilung gewesen sei. Die unbefugte
Datenabfrage und die nachfolgende Weitergabe an Dritte stellten sich im
zu entscheidenden Fall als einheitlicher Lebenssachverhalt in diesem
Sinne dar.
Entgegen der vom Land vertretenen
Auffassung könne man diesen einheitlichen Sachverhalt auch nicht deshalb
aufspalten, weil die Klägerin die unbefugte Datenabfrage nur zum Teil
selbst durchgeführt und zum anderen Teil Kollegen hierfür eingesetzt
habe. Wollte man in dem Einsatz der Kollegen als gutgläubige Werkzeuge
einen getrennten Lebenssachverhalt sehen, würde dies zu einer
unnatürlichen Aufspaltung eines zusammengehörenden Geschehens führen.
Im Falle der Klägerin sei eine
zusätzliche Disziplinarmaßnahme auch nicht zur Pflichtenmahnung
erforderlich. Vielmehr habe sie erkennbar das lange Strafverfahren, die
gegen sie verhängte Geldstrafe, den Lauf des überlangen
Disziplinarverfahrens, ihre Suspendierung und nicht zuletzt die
Außenwirkung ihres Fehlverhaltens, derart erzieherisch auf sich
einwirken lassen, dass mit weiteren Verfehlungen in Zukunft nicht zu
rechnen sei.« [En14] 14
05.1 Verschwiegenheitspflicht in
dienstlichen Angelegenheiten
TOP
Beamtinnen und Beamte haben über
die ihnen bei ihrer amtlichen Tätigkeit oder bei Gelegenheit ihrer
amtlichen Tätigkeit bekannt gewordenen dienstlichen Angelegenheiten
Verschwiegenheit zu bewahren.
Tatbestandlich geht es bei der
Verschwiegenheitspflicht um »dienstliche Angelegenheiten«. Als
»Angelegenheit« ist jede Tatsache oder Bewertung zu verstehen. Eine
Angelegenheit ist für Beamte dienstlich, wenn sie einen Bezug zu ihrer
amtlichen Tätigkeit hat.
Deshalb ist im Zweifel nicht von
einer dienstlichen Angelegenheit auszugehen, ohne dass nachgewiesen
werden müsste, es wäre eine private Angelegenheit.
Eine amtliche Tätigkeit definiert
sich im Sinne von
§ 3 Abs. 2 BeamtStG (Beamtenverhältnis). Es
muss sich somit um eine hoheitsrechtliche Aufgabe oder um eine Aufgabe
handeln, die aus Gründen der Sicherung des Staates oder des öffentlichen
Lebens nicht ausschließlich Personen übertragen werden dürfen, die in
einem privatrechtlichen Arbeitsverhältnis stehen.
Der Grundsatz der
Amtsverschwiegenheit gilt unabhängig von der Zuordnung der jeweils
wahrgenommenen Aufgabe, über die berichtet wird und ist auch nicht
abhängig von der Person, der gegenüber Auskunft gegeben werden könnte.
Dem Beamten ist bei de3r
Verfolgung seiner dienstlichen und personellen Belange die »Flucht in
die Öffentlichkeit« regelmäßig verwehrt; er hat die Möglichkeit des
Dienstwegs, ihm steht das Petitionsrecht zu und er kann
erforderlichenfalls eine verwaltungsgerichtliche Klärung herbeiführen.
Dass die Verschwiegenheitspflicht
auch im Zusammenhang mit personalvertretungsrechtlichen Fragen besteht,
sei hier nur der Vollständigkeit halber angemerkt.
Die Verschwiegenheitspflicht
besteht auch noch nach Beendigung des Beamtenverhältnisses.
[Ausnahmen im Hinblick auf die
Verpflichtung zur Verschwiegenheit:] Die Verschwiegenheitspflicht
gilt nicht:
-
für Mitteilungen im
dienstlichen Verkehr
-
für offenkundige Tatsachen
(etwas, was allgemein bekannt ist oder allenthalben in Erfahrung
gebracht werden könnte)
-
der Bedeutung nach keiner
Geheimhaltung bedarf
-
Weitergabe von Tatsachen, die
den Verdacht eines Korruptionsdeliktes nach den §§ 331 - 337 StGB
betreffen
-
Anzeigepflicht geplanter
Straftaten im Sinne von § 138 StGB
-
Pflicht zur Erhaltung der
freiheitlichen demokratischen Grundordnung einzutreten
Bei erteilter Ausnahmegenehmigung
Wird eine Ausnahmegenehmigung
verweigert, handelt es sich dabei um einen eigenständigen
Verwaltungsakt, der der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle unterliegt.
[Pflicht zur Herausgabe von
Materialien:] Verlangt der Dienstherr die Herausgabe von
Materialien, hat er diese näher zu bezeichnen, welche amtlichen
Schriftstücke, Zeichnungen, bildliche Darstellungen oder Aufzeichnungen
jeder Art über dienstliche Vorgänge herauszugeben sind. Dazu gehören
auch Daten.
05.2 Eine beamtenrechtliche
Hauptpflicht
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[VG Trier:] In dem
Beschluss des VG Trier vom 14.05.2013 - 3 L 388/13.TR heißt es zur
Amtsverschwiegenheit:
»Die Pflicht des Beamten zur
Amtsverschwiegenheit gehört zu seinen Hauptpflichten und dient sowohl
dem öffentlichen Interesse, insbesondere dem Schutz der dienstlichen
Belange der Behörde als auch dem Schutz des von Amtshandlungen
betroffenen Bürgers.
So liegt in der Verletzung des
Amtsgeheimnisses ein schwerwiegender Treuebruch, der durchaus geeignet
ist, die Vertrauenswürdigkeit eines Beamten infrage zu stellen.
Wegen der großen Spannbreite der
Verhaltensweisen hinsichtlich einer derartigen Pflichtverletzung lassen
sich jedoch feste Regeln für eine Disziplinarmaßnahme nicht aufstellen.
Je nach der Bedeutung der
vertraulich zu behandelnden amtlichen Vorgänge und dem Grad des
Verschuldens kann ein Verstoß gegen die Verschwiegenheitspflicht
unterschiedliches Gewicht haben (...). Erstere wird dabei maßgeblich
durch die möglichen Folgen einer unbefugten Offenbarung, letzterer
insbesondere durch die dienstliche Stellung und den funktionalen
Aufgabenbereich des Beamten beeinflusst (...). Ein Beamter, zu dessen
funktionalen Aufgaben gerade die Wahrung bestimmter Geheimnisse gehört,
verstößt gegen den Kernbereich seiner Dienstpflichten, wenn er der
Geheimhaltungspflicht nicht nachkommt (...)«. [En15] 15
[VG München:] Im Urteil des
VG München vom 4. September 2012 · Az. M 13 DK 11.5161 heißt es zur
Amtsverschwiegenheit:
[Rn. 34:] Das Gebot der
Amtsverschwiegenheit hat eine Hauptpflicht des Beamten zum Gegenstand,
die zu den hergebrachten und nach Art. 33 Abs. 5 GG zu
berücksichtigenden Grundsätzen des Berufsbeamtentums gehört (...). Sie
dient der Aufrechterhaltung und dem einwandfreien Funktionieren einer
geordneten öffentlichen Verwaltung, die nur dann rechtsstaatlich
einwandfrei, zuverlässig und unparteiisch arbeiten kann, wenn
Gewähr geleistet ist, dass
über dienstliche Vorgänge nach außen grundsätzlich Schweigen bewahrt
wird (...). Die Schwere des Verstoßes gegen diese Pflicht richtet sich
einmal nach dem Grad der jeweils bestehenden
Geheimhaltungsbedürftigkeit.
Dieser wird seinerseits durch die
möglichen Folgen einer unbefugten Offenbarung beeinflusst (...). So
kommt etwa dem Verrat polizeilicher Maßnahmen mit dem Ziel, den
Betroffenen zu warnen und damit den angestrebten Erfolg zu vereiteln,
großes Gewicht zu. Die Bewertung der Pflichtverletzung wird zum anderen
durch die dienstliche Stellung und den funktionalen Aufgabenbereich des
Beamten beeinflusst. Ein Beamter, zu dessen funktionalen Aufgaben gerade
die Wahrung bestimmter Geheimnisse gehört, verstößt gegen den
Kernbereich seiner Dienstpflichten, wenn er der Geheimhaltungspflicht
nicht nachkommt (...). Diese gilt insbesondere für einen Polizeibeamten,
zu dessen Aufgaben in besonderem Maß die Verhütung, Unterbindung,
Bekämpfung oder Verfolgung strafbarer Handlungen gehört. [En16]
16
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06 Quellen
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Endnote_01 Amtsverschwiegenheit Urteil VG Münster vom
18.03.2014 - 13 K 3156/12.0
https://www.justiz.nrw.de/nrwe/ovgs/vg_muenster/
j2014/13_K_3156_12_O_Urteil_20140318.html Rn. 37 Aufgerufen am
21.03.2016 Zurück
Endnote_02
Dienstgeheimnis BGH 5 StR 268/99 - Urteil v. 22. Juni 2000 (LG
Berlin) http://www.hrr-strafrecht.de/hrr/5/99/5-268-99.php3
Aufgerufen am 21.03.2016 Zurück
Endnote_03 Geheimnis BGH 5 StR 276/02 -
Urteil vom 9. Dezember 2002 (LG Dresden)
http://www.hrr-strafrecht.de/hrr/5/02/5-276-02.php3 Aufgerufen am
21.03.2016 Zurück
Endnote_04
Wichtiges öffentliches Interesse OLG Köln, Urteil vom 20.12.2011 -
III-1 RVs 218, 222-223/11
https://www.justiz.nrw.de/nrwe/olgs/koeln/j2011/III_
1_RVs_218_222_223_11_Urteil_20111220.html Aufgerufen am 21.03.2016
Zurück
Endnote_05
Information der Öffentlichkeit über Missstände BGH, Urteil vom
08.11.1965 - 8 StE 1/65 Zitiert nach:
http://www.ferner-alsdorf.de/rechtsanwalt/strafrecht/
strafrecht-bgh-zur-veroeffentlichung-von-staatsgeheimnissen
-durch-die-presse/18670/ Aufgerufen am 21.03.2016
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Endnote_06 Information
der Öffentlichkeit über Missstände BVerfGE 28, 191 - Pätsch-Fall
http://www.servat.unibe.ch/dfr/bv028191.html Aufgerufen am 21.03.2016
Zurück
Endnote_07
Bekanntgabe von Prüfungsaufgaben als Preisgabe eines Amtsgeheimnisses
BGH, Urteil vom 19.06.1958 - 4 StR 151/58 BGH, 11, 401 - 404
Zurück
Endnote_08
Auskunft aus polizeilichen Datensammlungen BGH 2 StR 488/00 - Urteil
v. 23. März 2001 http://www.hrr-strafrecht.de/hrr/2/00/2-488-00.php3
Aufgerufen am 21.03.2016 Zurück
Endnote_09 Weitergabe von Halter und Meldedaten
Kein Geheimnisverrat im Sinne von § 353b StGB BGH 2 StR 388/12 -
Urteil vom 15. November 2012 (LG Koblenz)
http://www.hrr-strafrecht.de/hrr/2/12/2-388-12.php Aufgerufen am
21.03.2016 Zurück
Endnote_10
Polizei ermittelt gegen Polizei Verletzung des Dienstgeheimnisses im
Zusammenhang mit Schilderungen über die Ereignisse in der Silvesternacht
in Köln (31.12.2015). Süddeutsche.de vom 22.02.2016
http://www.sueddeutsche.de/politik/uebergriffe-an-silvester
-uebergriffe-in-koeln-polizei-ermittelt-gegen-polizei-1.2875165
Aufgerufen am 21.03.2016 Zurück
Endnote_11 VS-Anweisung-VSA des BMI
http://www.bmi.bund.de/SharedDocs/Downloads/DE/Themen/Sicherheit/
SicherheitAllgemein/VSA.pdf?__blob=publicationFile Aufgerufen am
30.09.2015 Zurück
Endnote_12
Cicero-Urteil BVerfG, Urteil vom 27. Februar 2007 - 1 BvR 2045/06
https://www.bundesverfassungsgericht.de/
entscheidungen/rs20070227_1bvr053806.html Aufgerufen am 21.03.2016
Zurück
Endnote_13
Pressefreiheit BVerfG: Beschluss vom 13. Juli 2015 - 1 BvR 1089/13
http://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/ Entscheidungen/DE/
2015/07/rk20150713_1bvr108913.html Aufgerufen am 21.03.2016
Zurück
Endnote_14 Keine
Disziplinarmaßnahme zusätzlich zur Strafe bei selbem Sachverhalt VG
Trier, Urteil vom 22.09.15 – 3 K 66/15.TR
http://www.michaelbertling.de/recht/dis/bdg/bdgv22.htm Aufgerufen am
21.03.2016 Zurück
Endnote_15
Amtsverschwiegenheit als eine wesentliche beamtenrechtliche Hauptpflicht
Beschluss, VG Trier vom 14.05.2013 - 3 L 388/13.TR
http://www3.mjv.rlp.de/rechtspr/DisplayUrteil_
neu.asp?rowguid={416E3127-7713-4DF 9-AA29-B5AD2CF196AD} Aufgerufen
am 21.03.2016 Zurück
Endnote_16 Beamtenrechtliche Hauptpflicht VG München
· Urteil vom 4. September 2012 · Az. M 13 DK 11.5161
https://openjur.de/u/542401.html Aufgerufen am 21.03.2016
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