Allgemeiner Teil des
Strafgesetzbuches 08 Rechtfertigende Notstände
Egbert Rodorf
01 Rechtfertigende Notstände
(Überblick)
TOP
Folgende rechtfertigende Notstände sind zu unterscheiden:
- § 34 StGB (Strafrechtlicher Notstand)
- § 16 OWiG (Notstand im Ordnungswidrigkeitenrecht)
- § 228 BGB (Zivilrechtlicher verteidigender Notstand)
- § 904 BGB (Zivilrechtlicher angreifender Notstand)
§
34 StGB
§ 16 OWiG
§ 228 BGB
§ 904 BGB
Rechtfertigende Notstandsfälle sind ebenfalls Rechtfertigungsgründe.
Wer im rechtfertigenden Notstand auf Personen oder Sachen einwirkt, handelt
rechtmäßig. Dabei ist es gleichgültig, welcher der oben genannten Notstandsfälle in
Anspruch genommen wird.
Rechtfertigende Notstände sind dadurch gekennzeichnet, dass eine Güterabwägung
zwischen den kollidierenden Interessenlagen erforderlich ist. Handeln im Notstand
rechtfertigt nur, wenn die Güterabwägung richtig entschieden wurde.
Ferner muss beachtet werden, dass Notstandsfälle nur diejenigen Maßnahmen
rechtfertigen, die von der jeweiligen Vorschrift zugelassen sind.
Bedeutung für die polizeiliche Praxis
Die Polizeigesetze aller Bundesländer enthalten Hinweise, dass auch die zivil- und
strafrechtlichen Wirkungen über Notstand unberührt bleiben. Insoweit gelten die
Ausführungen zur Notwehr entsprechend. Auch hier sind nur wenige Fälle denkbar, die
nicht zugleich auch auf der Grundlage hoheitlicher Befugnisnormen bewältigt werden
können.
Beispiel
Ein Polizeibeamter hat bei beginnender Dunkelheit einen Autoknacker auf frischer Tat
verfolgt. Der Verdächtige flüchtet in eine Fahrzeughalle der Firma X. In der Halle
stolpert der Beamte über eine Fahrzeugdeichsel und stürzt in eine Grube. Dabei bricht er
sich ein Bein. Der Verdächtige entkommt. Der Verletzte kann sich vor Schmerzen kaum
bewegen. Weil sich auf Hilferufe niemand meldet, schießt er in die Decke, um auf sich
aufmerksam zu machen. Kann der Beamte wegen Sachbeschädigung belangt werden?
Durch die Schüsse wurde eine fremde Sache (Decke)
vorsätzlich beschädigt. Auf der Grundlage der polizeirechtlichen Zwangsbefugnisse war
der Schusswaffengebrauch nicht zulässig, weil die Voraussetzungen nicht erfüllt waren.
Notwehr war nicht gegeben, weil der Beamte durch niemanden angegriffen wurde. Die
Beschädigung war jedoch gemäß § 34 StGB gerechtfertigt. Im Übrigen sind für
Polizeibeamte die Notstandsvorschriften von Bedeutung, um das Verhalten von Bürgern
richtig beurteilen zu können.
02 Strafrechtlicher Notstand
TOP
Gemäß § 34 StGB ist rechtfertigender Notstand nur gegeben, wenn folgende
Voraussetzungen erfüllt sind:
- Gegenwärtige Gefahr für ein Rechtsgut
- Gefahr kann nur durch die vorgenommene Handlung abgewehrt werden
- Geschütztes Rechtsgut muss das beeinträchtigte Rechtsgut wesentlich überwiegen
(Güterabwägung)
- Wille, die Gefahr von sich oder einem anderen abzuwehren
§
34 StGB
§ 34 StGB ist eine schwer zu verstehende Vorschrift. Absicht des Gesetzgebers ist es,
nur in Ausnahmefällen eine Berufung auf rechtfertigenden Notstand zuzulassen. Sind jedoch
die Voraussetzungen von § 34 StGB gegeben, begeht der im Notstand Handelnde keine
Straftat. Fehlt eine Voraussetzung, ist die Handlung durch rechtfertigenden Notstand
gemäß § 34 StGB nicht gerechtfertigt. Das schließt nicht aus, dass ein anderer
Rechtfertigungsgrund eingreifen kann.
03 Geschütztes Rechtsgut
TOP
Voraussetzung ist zunächst, dass eine Gefahr für ein geschütztes Rechtsgut besteht.
Die geschützten Rechtsgüter sind nur zum Teil im Gesetz ausdrücklich benannt.
Ausdrücklich benannt sind die Rechtsgüter des Einzelnen, nämlich: Leben, Gesundheit,
Freiheit, Ehre, Eigentum und Besitz.
Rechtfertigender Notstand ist aber auch zum Schutz anderer Rechtsgüter zulässig. Was
andere Rechtsgüter sind, sagt das Gesetz nicht. Anerkannt ist jedoch, dass auch folgende
"Rechtsgüter der Allgemeinheit" Rechtsgüter gemäß § 34 StGB sind:
- Schutz der inneren und äußeren Sicherheit
- Strafverfolgungsanspruch des Staates
- Aufrechterhaltung der Produktion
Beispiel
Seit Tagen wird nach dem ausgebrochenen Mörder M öffentlich gefahndet. Heute sieht A im
U-Bahnhof einen Mann, auf den die Personenbeschreibung eindeutig zutrifft. Kurz
entschlossen nimmt er ihn fest und ruft die Polizei. Es stellt sich heraus, dass A sich
nicht geirrt hat. Rechtslage?
A hat die Fortbewegungsfreiheit eines Menschen eingeschränkt
(§ 239 StGB). Notwehr ist nicht gegeben, weil es nicht darum ging, einen gegenwärtigen
rechtswidrigen Angriff von sich oder einem anderen abzuwehren. Jedoch könnte A durch
rechtfertigenden Notstand gerechtfertigt sein. Voraussetzung ist, dass für ein
geschütztes Rechtsgut eine Gefahr bestand. Laut Sachverhalt war ein verurteilter
Straftäter ausgebrochen. Folglich bestand so lange eine Gefahr für den
Strafverfolgungsanspruch des Staates, so lange der Entflohene sich in Freiheit befindet.
Der Strafverfolgungsanspruch des Staates ist im Rahmen von § 34 StGB als geschütztes
Rechtsgut anerkannt. Da auch die übrigen Voraussetzungen von § 34 StGB erfüllt sind,
ist die Tat (Freiheitsberaubung i.S.v. § 239 StGB) durch rechtfertigenden Notstand
gerechtfertigt.
04 Gegenwärtige Gefahr
TOP
Eine Gefahr ist gegenwärtig, wenn mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit
jeden Augenblick ein Schaden eintreten kann, wenn nicht sofort gehandelt wird.
Der Schaden muss einem geschützten Rechtsgut drohen. Auf rechtfertigenden Notstand
kann man sich aber noch nicht berufen, wenn der Schaden nicht augenblicklich droht. Auf
rechtfertigenden Notstand kann man sich nicht mehr berufen, wenn der Schaden bereits
eingetreten ist und weitere gegenwärtige Gefahren nicht erkennbar sind.
Beispiel
Aus Protest gegen den Krieg in X will sich im Bahnhof ein Mann mit Benzin übergießen, um
sich zu verbrennen. Den Kanister und ein Feuerzeug hält er bereits in der Hand. Zurzeit
erklärt er den Anwesenden, warum er in dieser Gesellschaft nicht weiterleben wolle und
dass er ein Fanal gegen Krieg und Unrecht setzen müsse. Eindringliche Aufforderungen von
Passanten, die unsinnige Tat zu unterlassen, beeindrucken ihn nicht. Es muss jeden
Augenblick damit gerechnet werden, dass er sich verbrennt. Besteht eine gegenwärtige
Gefahr für geschützte Rechtsgüter?
Offensichtlich besteht eine Gefahr für Leib und Leben des
Mannes und umstehender Passanten. Ferner besteht eine Gefahr für erhebliche Sachwerte
(Eigentum) sowohl der Verkehrsgesellschaft als auch für Dritte. Weil mit an Sicherheit
grenzender Wahrscheinlichkeit der Schaden jeden Augenblick eintritt, wenn nicht sofort
etwas dagegen getan wird, ist eine gegenwärtige Gefahr gegeben. Damit auf der Grundlage
von § 34 StGB Maßnahmen gegen den Mann getroffen werden dürfen, müssen auch die
übrigen Voraussetzungen dieser Vorschrift erfüllt sein.
05 Erforderliche Maßnahmen
TOP
Ist eine Notstandslage i.S.v. § 34 StGB gegeben, dürfen nur solche
Gefahrenabwehrmaßnahmen getroffen werden, die unbedingt zur Gefahrenabwehr erforderlich
sind.
§
34 StGB
Sind mildere Mittel zur Gefahrenabwehr vorhanden, dürfen schwerere Mittel nicht
eingesetzt werden.
Fortsetzung des Beispiels
Weil jeden Augenblick damit zu rechnen ist, dass der Mann sich mit Benzin übergießt,
greift ein Passant (P) überraschend von hinten zu, überwältigt den Mann, nimmt ihm den
Kanister weg, erklärt ihn für festgenommen und übergibt ihn beim Eintreffen der Polizei
den Beamten. Rechtslage?
Sicher war es erforderlich, zuzugreifen und dem Mann den Kanister wegzunehmen. Das
hätte zur Gefahrenabwehr ausgereicht. Eine Festnahme und Übergabe an die Polizei war zur
Gefahrenabwehr nicht erforderlich und folglich durch § 34 StGB nicht gerechtfertigt.
Fortsetzung des Beispiels
Der Mann wehrt sich gegen die Wegnahme des Kanisters und droht an, sich vor einen Zug
zu werfen. Daraufhin hält P ihn fest, bis die Polizei eintrifft. War die Festnahme zur
Gefahrenabwehr erforderlich?
Weil auf mildere Weise der angedrohte Selbstmord nicht verhindert werden konnte, war
das Festhalten zur Abwehr der Notstandslage erforderlich. Bei dieser Fallkonstellation war
P durch § 34 StGB gerechtfertigt. Welche Maßnahmen im Einzelfall erforderlich sind, kann
nur unter Berücksichtigung der jeweiligen Gesamtumstände entschieden werden.
06 Güterabwägung
TOP
Wer sich auf rechtfertigenden Notstand beruft, muss eine Güterabwägung vornehmen. Das
geschützte Rechtsgut muss das beeinträchtigte Rechtsgut wesentlich überwiegen. Nur das
höherwertige Rechtsgut darf auf Kosten eines minder bedeutsamen Rechtsgutes geschützt
werden. Sind das geschützte und das beeinträchtigte Rechtsgut gleichwertig oder ist das
durch den Handelnden beeinträchtigte Rechtsgut höherwertiger, ist rechtfertigender
Notstand gemäß § 34 StGB nicht gegeben.
Beispiel
A wurde vor zwei Tagen im Bahnhof Zeuge eines Ladendiebstahls (Wert ca. 20 Euro). Der
jugendliche Täter konnte entkommen. Heute sieht A ihn im Bahnhof X-Straße wieder. Er
nimmt ihn fest und ruft die Polizei. War die Festnahme rechtmäßig?
Aufgrund von § 127 Abs. 1 StPO durfte A den Jugendlichen
nicht festnehmen, weil er ihn nicht mehr auf frischer Tat betroffen oder verfolgt hat.
Jedoch könnte
§ 34 StGB als Rechtfertigungsgrund eingreifen. Offensichtlich besteht eine
gegenwärtige Gefahr für den Strafverfolgungsanspruch des Staates, wenn A nichts
unternimmt. Eine vorübergehende Festnahme wäre zur Abwehr dieser Gefahr erforderlich.
Jedoch ist ein Ladendiebstahl von geringwertigen Sachen keine besonders schwer wiegende
Straftat und zudem ein Antragsdelikt. Die Festnahme würde aber die Freiheit,
möglicherweise auch die körperliche Unversehrtheit des Jugendlichen beeinträchtigen.
Der Strafanspruch des Staates überwiegt demgegenüber nicht wesentlich. Die Festnahme
kann also nicht auf rechtfertigenden Notstand gestützt werden.
Anders wäre die Situation zu bewerten, wenn dem Jugendlichen ein Verbrechen oder aber
ein schweres Vergehen vorgeworfen werden könnte.
Beispiel
Als A sein Stammlokal betreten will, sieht er den B, der schwer torkelnd auf seinen Pkw
zusteuert. A fordert B auf, den Pkw stehen zu lassen, weil er doch viel zu betrunken sei.
B lässt sich jedoch nicht beeindrucken und will fahren. Weil B den Fahrzeugschlüssel
nicht herausgeben will, nimmt A ihm den Schlüssel unter Anwendung einfacher Gewalt ab.
Rechtsgrundlage?
Als Rechtsgrundlage kommt auch hier § 34 StGB in Betracht.
Wenn ein Betrunkener Auto fährt ist die Sicherheit des Straßenverkehrs erheblich
gefährdet. Die Sicherheit des Straßenverkehrs gehört zur inneren Sicherheit. Folglich
ist ein geschütztes Rechtsgut gefährdet. Das geschützte Rechtsgut überwiegt auch
wesentlich das durch den Zugriff beeinträchtige Rechtsgut "Freiheit" des B. Die
Wegnahme des Schlüssels ist zur Abwehr der Gefahr erforderlich. A handelt auch mit dem
Willen, die Gefahr abzuwehren.
07 Gefahrenabwehrwille
TOP
Der Handelnde muss das weniger bedeutsame Rechtsgut zu dem Zweck beeinträchtigen, um
von einem höherwertigen Rechtsgut eine gegenwärtige Gefahr abzuwehren.
Es muss also mit Gefahrenabwendungswillen gehandelt werden. Wer aus sachfremden Motiven
handelt, kann sich nicht auf rechtfertigenden Notstand berufen.
Beispiel
A nimmt einen gesuchten Bankräuber fest, um ihn zu erpressen. Kann die Festnahme auf
rechtfertigenden Notstand gestützt werden?
Eine gegenwärtige Gefahr für ein geschütztes Rechtsgut ist
gegeben (Strafverfolgungsanspruch). Eine Festnahme wäre auch zur Abwehr dieser Gefahr
erforderlich. Da Bankraub ein Verbrechen ist, überwiegt der Strafverfolgungsanspruch auch
wesentlich das Rechtsgut Freiheit des Täters.
A hat jedoch nicht zu dem Zweck gehandelt, die Gefahr abzuwehren. Weil er aus
sachfremden, eigennützigen Motiven gehandelt hat, ist die Festnahme durch § 34 StGB
nicht gerechtfertigt.
Hätte der Festnehmende den gesuchten Räuber zu dem Zweck festgenommen, ihn den
Strafverfolgungsbehörden zu übergeben, wäre die Festnahme über rechtfertigenden
Notstand gemäß § 34 StGB zulässig gewesen. An beiden Beispielen wird deutlich, dass
fehlender Gefahrenabwendungswille nur schwer nachgewiesen werden kann.
08 Rechtfertigender Notstand gemäß § 16 OWiG
TOP
§ 16 des Ordnungswidrigkeitengesetzes (OWiG) rechtfertigt die Begehung von
Ordnungswidrigkeiten, wenn die Voraussetzungen des Notstandes erfüllt sind .Weil die
Voraussetzungen von § 16 OWiG inhaltlich mit den Voraussetzungen von § 34 StGB identisch
sind, wird hier auf die Ausführungen zum strafrechtlichen rechtfertigenden Notstand
verwiesen.
§ 16 OWiG
Beispiel
Bei einem Verkehrsunfall in einem abgelegenen Waldgebiet ist ein Fußgänger angefahren
und erheblich verletzt worden. Ohne zu zögern setzt B ihn in seinen Pkw, um ihn zum
Krankenhaus zu fahren. Er fährt mit überhöhter Geschwindigkeit. Durfte B auf der
Grundlage von § 16 OWiG mit überhöhter Geschwindigkeit fahren?
Es bestand eine gegenwärtige Gefahr für die Gesundheit des
Fußgängers. Die Gefahr konnte nur abgewehrt werden, indem die Geschwindigkeitsbegrenzung
nicht eingehalten wurde. Leben und Gesundheit des Fußgängers sind eindeutig
höherwertigere Rechtsgüter als die Einhaltung der Geschwindigkeitsvorschriften. Die
Geschwindigkeitsüberschreitung erfolgte auch mit dem Willen, die Gefahr von dem
Fußgänger abzuwenden.
Zu bedenken ist jedoch, dass durch die gefahrenabwehrenden Maßnahmen keine größeren
Gefahren verursacht werden dürfen, als diejenigen, die abgewehrt werden sollen. Im
Beispielsfall müsste B folglich so fahren, dass keine neuen, möglicherweise größeren
Gefahren entstehen.
09 Zivilrechtlicher "verteidigender" Notstand
TOP
Droht von einer fremden Sache eine Gefahr, darf gemäß § 228 BGB die gefährliche
Sache beschädigt oder zerstört werden, wenn das zur Abwehr der Gefahr erforderlich ist.
Der "verteidigende Notstand" i.S.v. § 228 BGB ist ein rechtfertigender
Notstand.
§
228 BGB
Zulässigkeitsvoraussetzungen sind:
- Gefährliche Sache
- Erforderlichkeit der Verteidigung
- Angemessenes Verhältnis.
Sachen sind alle körperlichen Gegenstände (§ 90 BGB). Tiere sind keine Sachen,
jedoch sind die für Sachen geltenden Vorschriften auf Tiere anwendbar (§ 90 a BGB).
Tiere sind keine Sachen. Sie werden durch besondere Gesetze geschützt. Auf sie sind
die für Sachen geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden, soweit nicht etwas anderes
bestimmt ist.
Beispiel
A wurde auf der Straße von einem bissigen Hund angefallen. Wem der Hund gehört, kann im
Augenblick nicht festgestellt werden. Um die Gefahr von sich abzuwenden, tritt A den Hund.
Dabei wird dem Tier der rechte Hinterlauf gebrochen. Ist das Verhalten durch § 228 BGB
gerechtfertigt?
Ein Hund ist zwar keine Sache, auf Tiere sind jedoch die für
Sachen geltenden Vorschriften anwendbar. Folglich ist § 228 BGB auch auf Tiere anwendbar.
Von dem Hund ging eine Gefahr für A aus. Die Beschädigung des Tieres war zur Abwehr der
Gefahr erforderlich. Da die Gesundheit des A höher zu bewerten ist als die Unversehrtheit
des Hundes, war die Verteidigungshandlung angemessen.
Anmerkung
Gegen "angreifende" und "gefährliche Sachen" ist Notwehr nicht
zulässig. Einwirkungen auf gefährliche Sachen sind jedoch rechtmäßig, wenn die
Voraussetzungen von § 34 StGB oder von § 228 BGB erfüllt sind. Da im Falle von § 228
BGB in der Regel zugleich die Voraussetzungen von § 34 StGB erfüllt sind, wird § 228
BGB hier nicht weiter im Detail erörtert.
10 Zivilrechtlicher "angreifender" Notstand
TOP
Zur Abwehr von Gefahren dürfen Sachen unbeteiligter Personen in Anspruch genommen
werden, wenn die Voraussetzungen von § 904 BGB erfüllt sind.
§
904 BGB
Der "angreifende Notstand" i.S.v. § 904 BGB ist ebenfalls ein
rechtfertigender Notstand.
Zulässigkeitsvoraussetzungen sind:
- Gegenwärtige Gefahr
- Erforderlichkeit des Zugriffs auf fremde Sachen zur Abwehr einer Gefahr
- Angemessenes Verhältnis.
Im Falle von § 904 BGB kann die Gefahr von Personen oder Sachen ausgehen. Die
Vorschrift rechtfertigt zum Zwecke der Verteidigung den Zugriff auf fremde Sachen.
Beispiel
A wird im Bahnhof von einer Gruppe Fußballfans mit Baseballschlägern angegriffen. Zum
Zwecke der Verteidigung nimmt er aus der Auslage eines Verkaufsstandes zwei Weinflaschen
und schlägt damit auf die Angreifer ein. Die Flaschen zerspringen. Durfte A auf die Fans
einschlagen?
Weil die Fans den A gegenwärtig und rechtswidrig angriffen,
durfte A diese Angriffe gemäß § 32 StGB (Notwehr) abwehren.
Durfte A die Flaschen ergreifen und zerstören?
Als Rechtsgrundlage kommt § 904 BGB in Betracht. Es bestand eine gegenwärtige Gefahr
für die Gesundheit des A. Der Zugriff auf die fremden Sachen war zur Verteidigung
erforderlich. Im Verhältnis zur Gesundheit ist die Zerstörung von zwei Flaschen nicht
unangemessen. Der Zugriff auf die Flaschen war folglich gem. § 904 BGB gerechtfertigt.
Jedoch kann der Eigentümer der Weinflaschen Ersatz des ihm entstandenen Schadens
verlangen.
TOP
StGB AT: Rechtfertigende Notstände
Wenn Sie Fragen stellen möchten, Fehler gefunden
haben oder eine Anregung loswerden möchten, schreiben Sie mir bitte eine
Mail.
Geben Sie bitte das Thema an, damit ich
weiß, von welcher Seite Sie mir schreiben. |