Allgemeiner Teil des
Strafgesetzbuches0 02 Deliktsarten
Egbert Rodorf
01 Deliktsarten (Überblick)
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Folgende Delikte werden begrifflich unterschieden:
- Offizialdelikte
- Antragsdelikte
- Ermächtigungsdelikte
- Erfolgsdelikte
- Privatklagedelikte
- Gefährdungsdelikte
- Begehungsdelikte
- Tätigkeitsdelikte
- Unterlassungsdelikte
- Dauerdelikte.
- Unternehmensdelikte
Die Begriffe lassen sich nicht genau voneinander abgrenzen. So sind z.B. viele Delikte
zugleich Erfolgsdelikte und einige Privatklagedelikte zugleich Antragsdelikte.
Eine genaue Abgrenzung ist allerdings auch nicht notwendig. Gleichwohl ist es
erforderlich, einen Überblick über Inhalt und Voraussetzungen der Deliktsarten zu
bekommen.
02 Offizialdelikte
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Offizialdelikte sind Straftaten, die von Amts wegen zu verfolgen sind. Grundsätzlich
sind alle Straftaten von Amts wegen zu verfolgen, es sei denn, dass ein Strafgesetz
ausdrücklich einen Strafantrag als Verfolgungsvoraussetzung verlangt.
Offizialdelikte sind zum Beispiel:
- Gefährliche und schwere Körperverletzung (§ 224, 226 StGB)
- Diebstahl (§§ 242, 243, 244, 244a StGB)
- Raub (§ 249 StGB)
- Räuberische Erpressung (§ 255 StGB)
- Räuberischer Diebstahl (§ 252 StGB)
- Mord, Totschlag (§§ 211, 212 StGB)
- Trunkenheit im Straßenverkehr (§ 316 StGB)
- Verkehrsgefährdung (§ 315 c StGB) u.a.
- Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte (§ 113 StGB)
- Betrug (§ 263 StGB)
- Urkundenfälschung (§ 267 StGB)
- Nötigung (§ 240 StGB)
- Freiheitsberaubung (§ 239 StGB) u.a.
Polizeibeamte, die in dienstlichem Zusammenhang von Offizialdelikten Kenntnis erhalten,
müssen gemäß § 163 StPO (Legalitätsprinzip) eine Strafanzeige vorlegen und
unumgängliche strafprozessuale Ermittlungen einleiten.
§
163 StPO
Den Behörden und Beamten des Polizeidienstes steht insoweit weder Entschließungs-
noch Auswahlermessen zu (BGHSt 4, 170). Kommen Polizeibeamte dieser Pflicht nicht nach,
können sie wegen Strafvereitelung (§ 258 a StGB) strafrechtlich zur Verantwortung
gezogen werden.
§
258a StGB
Erfahren Polizeibeamte außer Dienst Offizialdelikte, müssen sie nicht in jedem Fall
eine Anzeige vorlegen und Ermittlungen einleiten. Anzeigen müssen jedoch vorgelegt
werden, wenn sie außer Dienst von Verbrechen oder schwer wiegenden Vergehen Kenntnis
erhalten (BGH 5 StR 294/53).
03 Antragsdelikte
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Antragsdelikte sind Straftaten, die strafrechtlich nur verfolgt werden können, wenn
der Antragsberechtigte den vom Gesetz geforderten Strafantrag gestellt hat. Der
Strafantrag ist Prozessvoraussetzung. Wird ein erforderlicher Strafantrag nicht gestellt,
darf die Straftat nicht strafrechtlich verfolgt werden. Hat sich der Antragsberechtigte
noch nicht entschieden, dürfen die zur Sicherung der Strafverfolgung erforderlichen
Ermittlungshandlungen angeordnet und durchgeführt werden, sofern die Voraussetzungen der
jeweils erforderlichen Befugnisnorm erfüllt sind. Auch eine vorläufige Festnahme ist bei
Antragsdelikten zulässig, wenn ein Strafantrag noch nicht gestellt ist, im Übrigen aber
die Voraussetzungen von § 127 StPO gegeben sind.
Das StGB unterscheidet:
- Antragsdelikte, die ausnahmslos nur verfolgt werden können, wenn der Antragsberechtigte
einen Strafantrag gestellt hat (absolute Antragsdelikte).
Dazu zählen zum Beispiel:
Hausfriedensbruch (§ 123 Abs. 2 StGB) und
Beleidigung (§ 194 Abs. 1 StGB).
Diebstahl und Unterschlagung in Haus und Familie (§ 247 StGB)
Unbefugter Gebrauch eines Kraftfahrzeuges oder Fahrrades (§ 248 b StGB)
- Antragsdelikte, die sowohl auf Strafantrag, als auch von Amts wegen verfolgt werden
können (relative Antragsdelikte). In solchen Fällen ist ein Strafantrag nicht
erforderlich, wenn die Staatsanwaltschaft wegen des besonderen öffentlichen Interesses
ein Einschreiten von Amts wegen für geboten hält.
Dazu zählen zum Beispiel:
vorsätzliche (§ 223 StGB) und fahrlässige (§ 229 StGB) Körperverletzung
Diebstahl und Unterschlagung geringwertiger Sachen (§ 248 a StGB)
Sachbeschädigung (§ 303 StGB).
Von besonderem öffentlichen Interesse kann in den genannten Fällen ausgegangen
werden, wenn die Tat in die Öffentlichkeit ausstrahlt (z.B. wenn Randalierer Scheiben
einwerfen, Autos beschädigen usw.).
Öffentliches Interesse ist ebenfalls zu bejahen, wenn jemand wiederholt oder
gewerbsmäßig Sachen von geringem Wert stiehlt oder unterschlägt oder wenn durch die Art
der Diebstähle die Allgemeinheit belastet wird, wie das zum Beispiel bei organisierten
Taschen- oder Ladendiebstählen der Fall ist.
Aber auch wenn durch Fahrlässigkeit im Zusammenhang mit Verkehrsunfällen erheblichere
Personenschäden verursacht wurden, ist von öffentlichem Interesse auszugehen.
Bedeutung für die polizeiliche Praxis:
Polizeibeamte, die mit Antragsdelikten befasst sind, sollten bemüht sein, in jedem
Fall einen schriftlichen Strafantrag des Antragsberechtigten zu erwirken. Will der
Antragsberechtigte keinen Strafantrag stellen, sollte auch insoweit eine schriftliche
Erklärung erbeten werden. Stellt der Antragsberechtigte keinen Strafantrag, ist wie folgt
zu verfahren:
Handelt es sich um ein absolutes Antragsdelikt, darf das Delikt nicht weiter verfolgt
werden, weil eine Prozessvoraussetzung fehlt. Handelt es sich um ein relatives
Antragsdelikt und bestehen Anhaltspunkte, dass die Staatsanwaltschaft mit
Wahrscheinlichkeit zunächst besonderes öffentliches Interesse an der Strafverfolgung
erkennt, ist das Delikt von Amts wegen zu verfolgen. Die Entscheidung der
Staatsanwaltschaft ist unverzüglich einzuholen.
Antragsberechtigte
Gemäß § 77 StGB sind antragsberechtigt:
- der Verletzte (der von der Tat Betroffene),
- der gesetzliche Vertreter,
- bestimmte Rechtsnachfolger, wenn der Verletzte verstorben ist.
§
77 StGB
Gem. § 77 a StGB sind antragsberechtigt:
- der Dienstvorgesetzte, dem der Betreffende zur Zeit der Tat unterstellt war, wenn die
Tat auf Antrag des Dienstvorgesetzten verfolgbar ist
- dei Berufsrichtern der, der die Dienstaufsicht führt
- bei Soldaten der Disziplinarvorgesetzte
- hat der Betreffende keinen Dienstvorgesetzten, die Dienststelle, für die er tätig war
- die Bundesregierung für Mitglieder der Bundesregierung
- die Landesregierung für Mitglieder der Landesregierung
§
77a StGB
Für Polizeibeamte ist die oben zuerst genannte Regelung (§ 77 a Abs. 1 StGB) von
besonderer Bedeutung, weil Beleidigungen (§ 194 StGB) und Körperverletzungen (§ 230
StGB) zum Nachteil eines Beamten, die während der Ausübung des Dienstes oder in
Beziehung auf seinen Dienst begangen werden, auch auf Antrag des Dienstvorgesetzten
verfolgt werden. Der Dienstvorgesetzte hat in den genannten Fällen ein eigenes
Antragsrecht. Er kann es auch ausüben, wenn der betroffene Beamte auf die Strafverfolgung
keinen Wert legt. Andererseits muss sich der Dienstvorgesetzte einem gestellten
Strafantrag des Beamten nicht anschließen. Der Dienstvorgesetzte kann pflichtgemäß
entscheiden, ob er von seinem Antragsrecht Gebrauch macht oder nicht.
Antragsfrist
Gemäß § 77 b StGB muss der Antragsberechtigte bis zum Ablauf einer Frist von 3
Monaten den Strafantrag stellen. Die Frist beginnt mit Ablauf des Tages, an dem der
Berechtigte von der Tat und der Person des Täters Kenntnis erlangt.
Beispiel
Seit 2 Monaten bekommt A beleidigende Briefe. Am 4.5. stellt sich heraus, dass B die
Briefe geschrieben hat. Bis wann muss A Strafantrag stellen?
Beleidigung ist ein Antragsdelikt (§ 194 StGB). Von den
Taten hat A bereits seit 2 Monaten Kenntnis. Jedoch beginnt die Frist erst zu dem
Zeitpunkt, zu dem er von Tat und Täter Kenntnis hat. Die Antragsfrist beginnt also erst
mit Ablauf des 4.5. Von diesem Datum an hat der Verletzte 3 Monate Zeit. Ein gestellter
Strafantrag kann zurückgenommen werden. Ein zurückgenommener Antrag kann nicht nochmals
gestellt werden (§ 77 d StGB).
04 Ermächtigung, Strafverlangen
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Das StGB enthält Straftaten, die nur mit Ermächtigung oder auf Strafverlangen
verfolgt werden, z.B.:
- Beleidigungen, die sich gegen ein Gesetzgebungsorgan des Bundes oder eines Landes
richten (§ 184 Abs. 4 StGB)
- Verunglimpfung des Bundespräsidenten (§ 90 Abs. 4 StGB)
- Verunglimpfung von Verfassungsorganen (§ 90 b Abs. 2 StGB)
- Straftaten gegen ausländische Staaten (§ 104 a StGB)
- Verletzung des Dienstgeheimnisses/Geheimhaltungspflicht (§ 353 b Abs. 4 StGB) u.a.
Ist eine Tat nur mit Ermächtigung oder auf Strafverlangen verfolgbar, gelten gem. §
77 e StGB die §§ 77 und 77 d entsprechend.
05 Privatklagedelikte
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Folgende Delikte werden auf dem Privatklageweg verfolgt, wenn kein öffentliches
Interesse besteht (§ 374 StPO):
- Hausfriedensbruch (§ 123 StGB)
- Beleidigung (§ 185 StGB)
- Körperverletzung (§§ 223, 229 StGB)
- Sachbeschädigung (§ 303 StGB)
- Nötigung (§ 240 StGB)
- Bedrohung (§ 241 StGB) u.a.
Privatklagedelikte können vom Verletzten selbst verfolgt werden, ohne dass die
Staatsanwaltschaft Klage erhebt (Privatklage).
§
374 StPO
Die öffentliche Klage wird von der Staatsanwaltschaft wegen der o. a. Delikte nur
erhoben, wenn dies im öffentlichen Interesse liegt. Wird öffentliche Klage nicht
erhoben, ist wegen o. a. Delikte die Erhebung der Privatklage erst zulässig, wenn beim
zuständigen Schiedsmann ein Sühneversuch erfolglos geblieben ist (§ 380 Abs. 1 StPO).
§
380 StPO
Eine Bescheinigung des Schiedsmannes über die Erfolglosigkeit des Sühneversuchs, muss
mit der Klage eingereicht werden.
Bedeutung für die polizeiliche Praxis
Ist damit zu rechnen, dass die StA öffentliches Interesse anerkennt, weil das Delikt
z. B. in der Öffentlichkeit Aufsehen erregt hat, ist Anzeige aufzunehmen. Der
Anzeigende ist zu bitten, schriftlich Strafantrag zu stellen. Der Strafantrag kann auf dem
Anzeigenvordruck gestellt und unterschrieben werden.
Die Entscheidung über die Verweisung auf den Privatklageweg trifft die
Staatsanwaltschaft. Besteht nach Ansicht der Polizei kein öffentliches Interesse an der
Strafverfolgung, so legt sie die Anzeige ohne weitere Ermittlungen der Staatsanwaltschaft
vor (Nr. 87 RiStBV).
Wird ein Privatklagedelikt angezeigt, bezüglich dessen mit hoher Wahrscheinlichkeit
öffentliches Interesse ausscheidet, weil etwa die Tat innerhalb der Familie, der
Nachbarschaft, unter Angetrunkenen oder im Eifer sportlicher Wettkämpfe begangen wurde,
dürfen Polizeibeamte den Geschädigten auf den Privatklageweg hinweisen.
Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte dürfen dem Anzeigenerstatter erklären, dass das
angezeigte Delikt mangels öffentlichen Interesses nicht von Amts wegen verfolgt werden
kann und deshalb beim Amtsgericht Privatklage zu erheben ist, wenn das Delikt
strafrechtlich verfolgt werden soll.
In Fällen von Beleidigung, Hausfriedensbruch, Körperverletzung, Bedrohung und
Sachbeschädigung, darf auch darüber aufgeklärt werden, dass vor Erhebung der
Privatklage ein Sühneversuch beim Schiedsmann erforderlich ist (§ 380 StPO).
Gibt sich der Geschädigte mit dieser Auskunft zufrieden, braucht die Anzeige nicht
aufgenommen zu werden. Gibt sich der Anzeigenerstatter nicht zufrieden oder will er trotz
Hinweises auf den Privatklageweg Anzeige erstatten, ist die Anzeige aufzunehmen und ohne
weitere Bearbeitung der StA zuzustellen.
Im Zweifelsfall ist eine Anzeige aufzunehmen. Die Polizei darf den Bürger nicht
auf den Privatklageweg verweisen (das darf nur die StA); die Polizei darf lediglich
auf den Privatklageweg hinweisen.
Polizeibeamte, die Anzeigenerstatter auf den Privatklageweg "verweisen" und
keine Anzeige aufnehmen, obwohl der Anzeigenerstatter darauf besteht, müssen mit einer
Anzeige wegen Strafvereitelung im Amt (§ 258 a StGB) rechnen.
Beispiel
Der etwa 40-jährige C kommt zur Wache und teilt einer Polizeibeamtin mit: "Jetzt
reicht es mir. Ich war in der Gaststätte G und habe am Tresen ein paar Bier getrunken.
Neben mir stand der 25-jährige O. Wir haben uns zunächst ganz vernünftig über
Asylanten unterhalten. Plötzlich wurde O ausfallend. Er hat mich als Idioten bezeichnet,
nur weil ich anderer Meinung war als er. Beleidigen lasse ich mich von dem nicht, deshalb
will ich Anzeige erstatten." Wie sollte sich die Polizeibeamtin verhalten?
Die Beamtin weiß, dass Beleidigung eine Straftat ist, für
deren Verfolgung ein Strafantrag erforderlich ist (absolutes Antragsdelikt) und die auf
dem Privatklageweg verfolgt werden kann, falls kein öffentliches Interesse besteht.
Da die Beleidigung unter Biertrinkern während eines Kneipengesprächs erfolgte, ist
öffentliches Interesse nicht anzunehmen.
Die Beamtin sollte deshalb den Anzeigenerstatter etwa wie folgt auf den Privatklageweg hinweisen.
"Herr C. Es ist bedauerlich, dass Sie beleidigt wurden. Die Beleidigung ist jedoch
in diesem Falle als geringfügige Straftat anzusehen, zumal sie beim Biertrinken im
Zusammenhang mit einer Kneipendiskussion erfolgte. Ich möchte Sie deshalb darauf
aufmerksam machen, dass die Staatsanwaltschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit kein
öffentliches Interesse an der strafrechtlichen Verfolgung des von Ihnen vorgetragenen
Vorgangs erkennen und Sie auf den Privatklageweg verweisen wird.
Deshalb möchte ich Ihnen empfehlen, den Privatklageweg zu wählen, falls Sie den O
strafrechtlich verfolgen wollen. Das setzt voraus, dass Sie zunächst zum zuständigen
Schiedsmann gehen müssen. Für Sie wäre der Schiedsmann S, X-Straße 5, zuständig. Dort
müssen Sie einen Sühnetermin beantragen. Können Sie sich im Rahmen des Sühnetermins
mit O nicht verständigen, lassen Sie sich vom Schiedsmann darüber eine schriftliche
Bestätigung geben. Sie können dann beim Amtsgericht Privatklage erheben. Die
Bestätigung müssen Sie der Klage beifügen."
Gibt C sich mit dieser Aufklärung zufrieden, ist für die Beamtin die Angelegenheit
abgeschlossen. Besteht dagegen Herr C auf Aufnahme einer Anzeige, könnte die Beamtin etwa
wie folgt reagieren:
"Schade, dass Sie so uneinsichtig sind. Da Sie sich mit meiner Auskunft nicht
zufrieden geben, werde ich jetzt die Anzeige aufnehmen. In der Anzeige unterschreiben Sie
dann bitte auch, dass Sie Strafantrag stellen. Ich werde die Anzeige allerdings
unbearbeitet an die Staatsanwaltschaft weiterleiten. Von der Staatsanwaltschaft bekommen
Sie dann weiteren Bescheid."
06 Begehungsdelikte
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Als Begehungsdelikt wird eine Straftat bezeichnet, wenn durch aktives Tun die Merkmale
eines Straftatbestandes erfüllt werden können."Begehen" durch aktives Tun ist
der Normalfall. Kann der Straftatbestand durch schlichte Tätigkeit erfüllt werden,
werden Begehungsdelikte als Tätigkeitsdelikte bezeichnet.
Begehungsdelikte sind zum Beispiel:
- Meineid (§ 154 StGB)
- Falsche uneidliche Aussage (§ 153 StGB)
- Trunkenheit im Verkehr (§ 316 StGB).
§
316 StGB
07 Erfolgsdelikte
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Wird die Herbeiführung eines bestimmten Erfolges unter Strafe gestellt, wird ein
solches Begehungsdelikt als Erfolgsdelikt bezeichnet. Erfolgsdelikte sind zum Beispiel
- Sachbeschädigung (§ 303 StGB)
- Körperverletzung (§§ 223 ff StGB)
- konkrete Gefährdungsdelikte (z.B. §§ 315 a - c StGB).
§
303 StGB
08 Gefährdungsdelikte
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Eine besondere Art der Erfolgsdelikte sind die so genannten "konkreten
Gefährdungsdelikte". Der vom Gesetz in solchen Fällen geforderte "Erfolg"
muss zumindest eine konkrete Gefahr sein. Konkrete Gefährdungsdelikte sind z.B.:
- Gefährliche Eingriffe in den Straßenverkehr (§ 315 b StGB) und
- Gefährdung des Straßenverkehrs (§ 315 c StGB).
Zusätzlich zu den jeweils vom Gesetz ausdrücklich benannten
Tatbestandsvoraussetzungen (z. B. Fahren unter Alkoholeinfluss oder grob verkehrswidrige
und rücksichtslose Missachtung der Vorfahrt), muss der Täter durch sein Verhalten Leib
oder Leben eines anderen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert konkret gefährden. Diese
Folge ist selbstverständlich auch eingetreten, wenn es zu einem Schaden der o. a.
Rechtsgüter gekommen ist.
09 Unterlassungsdelikte
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Straftaten können auch durch Unterlassen begangen werden. Das StGB unterscheidet:
- Echte Unterlassungsdelikte
- Unechte Unterlassungsdelikte
Eine Straftat wird als echtes Unterlassungsdelikt bezeichnet, wenn eine Strafrechtsnorm
ein Unterlassen ausdrücklich unter Strafe stellt. Beispiele sind:
- Unterlassene Hilfeleistung (§ 323 c StGB)
- Nichtanzeige geplanter Straftaten (§ 138 StGB)
- Hausfriedensbruch (§ 123 StGB), wenn jemand auf Aufforderung des Berechtigten nicht
geht, also unbefugt in der Wohnung verbleibt.
Unechte Unterlassungsdelikte sind dagegen Begehungsdelikte, die unter den in § 13 StGB
genannten Voraussetzungen durch Unterlassen begangen werden können.
Wer es unterlässt, einen Erfolg abzuwenden, der zum Tatbestand eines Strafgesetzes
gehört, ist nach diesem Gesetz nur dann strafbar, wenn er rechtlich dafür einzustehen
hat, dass der Erfolg nicht eintritt und wenn das Unterlassen der Verwirklichung des
gesetzlichen Tatbestandes durch ein Tun entspricht.
Wesentliche Voraussetzung ist, dass der "Unterlassende" rechtlich dafür
einzustehen hat, dass der strafrechtlich bedeutsame Erfolg nicht eintritt.
Das ist der Fall, wenn der Unterlassende eine sogenannte "Garantenstellung"
hat.
Eine Garantenstellung und damit eine Rechtspflicht i.S.v. § 13 StGB kann sich z.B.
ergeben aus:
- Gesetz
- Gewährsübernahme zugunsten Dritter
- vorausgegangenes gefahrbegründendes oder gefahrerhöhendes Tun
§
13 StGB
Gesetz
So sind z. B. Ehegatten gemäß § 1353 BGB verpflichtet, Lebens- bzw.
Gesundheitsgefahren voneinander abzuwehren.
Gemäß §§ 1618 a, 1626 ff. BGB sind Eltern verpflichtet, Gefahren von ihren Kindern
abzuwehren.
Gemäß den Vorschriften der Polizeigesetze sind Polizeibeamte kraft "öffentlich
rechtlicher Pflichtenstellung" verpflichtet, Gefahren für die öffentliche
Sicherheit und damit auch für die Rechtsgüter des Einzelnen abzuwehren. Polizeibeamte,
die eine polizeiliche Gefahr nicht abwehren, obwohl sie dazu in der Lage sind, können
wegen Unterlassens für die eingetretenen Folgen strafrechtlich zur Verantwortung gezogen
werden.
So begehen Polizeibeamte zum Beispiel Körperverletzung durch Unterlassen und nicht
lediglich unterlassene Hilfeleistung (§ 323 c StGB), wenn sie einer hilflosen Person
nicht helfen und die Person aufgrund des Untätigbleibens (Unterlassens)
Gesundheitsschäden erleidet.
§
323c StGB
Zur Verhinderung von Straftaten kann die Garantenpflicht aus öffentlich rechtlicher
Pflichtenstellung auch bestehen, wenn Polizeibeamte außerhalb des Dienstes davon Kenntnis
erhalten, dass mit der Begehung weiterer gewichtiger Straftaten zu rechnen ist, die - wie
Dauerdelikte oder auf ständige Wiederholung angelegte Delikte während ihrer
Dienstausübung fortwirken (BGH 2 StR 326/99 v. 03.11.1999).
In solchen Fällen kommt eine Bestrafung der Beamten wegen Beihilfe durch Unterlassen
in Betracht. Ferner ist zu prüfen, ob Strafvereitelung im Amte gegeben ist (§§ 258, 258
a StGB).
Gewährsübernahme zugunsten Dritter
Eine Gewährsübernahme kann vertraglich vereinbart sein (z. B. Dienstvertrag zur
Beaufsichtigung von Kindern oder Kranken); es reicht aber auch aus, dass rein tatsächlich
Gewähr übernommen wurde.
Vorausgegangenes gefahrbegründendes oder gefahrerhöhendes Tun
Wer zum Beispiel an einem abgelegenen Ort mit seinem Pkw einen Fußgänger anfährt und
verletzt, hat dem Verletzten gegenüber eine Garantenpflicht, größere
Gesundheitsgefahren von ihm abzuwenden.
Lässt der Unfallverursacher den Verletzten vorsätzlich liegen, so dass der
Geschädigte stirbt, hat der Pkw-Fahrer nicht nur eine Verkehrsunfallflucht, sondern durch
Unterlassen auch einen Totschlag begangen.
10 Dauerdelikte
TOP
Dauerdelikte sind Straftaten, die sich nicht nur in einer tatbestandlichen Handlung
erschöpfen, sondern die so lange andauern, bis die tatbestandliche Handlung wieder
aufgegeben wird.
Ein Diebstahl (§ 242 StGB) ist z.B. vollendet, wenn der Dieb eine fremde bewegliche
Sache weggenommen hat. Danach dauert die Diebstahlshandlung nicht fort. Anders ist das im
Falle der Freiheitsberaubung (§ 239 StGB). Eine Freiheitsberaubung ist vollendet, wenn
jemand widerrechtlich einen anderen Menschen einsperrt oder des Gebrauchs seiner
persönlichen Freiheit beraubt.
Die Tat dauert jedoch so lange fort, bis das Opfer wieder frei ist. Das kann lange
dauern. Auch Geiselnahme (§ 239 b StGB) und Nötigung (§ 240 StGB) sind Dauerdelikte.
§
242 StGB
Bedeutung für die polizeiliche Praxis:
Ob ein Delikt ein Dauerdelikt ist oder nicht, ist in der polizeilichen Praxis (z. B. im
Polizeirecht) bedeutsam. Solange ein Delikt fortdauert, besteht eine Gefahr für das
Sicherheitsgut Rechtsordnung, die es abzuwehren gilt. Sachbeschädigungen,
Körperverletzungen und Diebstähle kann man nicht mehr abwehren, nachdem sie begangen
sind. Insoweit kann man nur erneut drohende Taten verhindern.
11 Unternehmensdelikte
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In einigen Straftatbeständen wird unter Strafe gestellt, wenn der Täter die im
Tatbestand beschriebene Handlung "unternimmt".
Für die Polizei bedeutsam ist in diesem Zusammenhang der Tatbestand von
§ 357 StGB.
Danach wird ein Vorgesetzter u.a. bestraft, wenn er einen Untergebenen zu einer
rechtswidrigen Tat im Amte verleitet oder zu verleiten unternimmt.
Gem. § 11 Abs. 1 Nr. 6 StGB ist Unternehmen einer Tat sowohl deren Versuch als auch
deren Vollendung.
§ 357 StGB ist ein Delikt, das nur von Vorgesetzten begangen werden kann. Im
polizeilichen Vollzugsdienst ist bereits der Streifenführer Vorgesetzter im Sinne des §
357 StGB.
§
357 StGB
Gemäß § 357 StGB wird bestraft:
- Das Verleiten zu einer rechtswidrigen Tat im Amt.
- Das Unternehmen zur Verleitung einer rechtswidrigen Tat im Amt und damit auch die
versuchte Anstiftung zu einer rechtswidrigen Tat.
- Das Geschehenlassen rechtswidriger Taten im Amt.
§ 357 StGB qualifiziert also Teilnahmehandlungen von Vorgesetzten an Delikten, die von
nachgeordneten Amtsträgern begangen werden oder begangen werden sollen als selbständige
Tat des Vorgesetzten.
Untergebene, die einen Vorgesetzten zu rechtswidrigen Taten verleiten, können gemäß
§ 357 StGB nicht belangt werden. Sie begehen jedoch Anstiftung zu der
"verleiteten" Tat. Das sollten Vorgesetzte und Untergebene bedenken, bevor sie
der Versuchung nicht widerstehen und sich etwa zu Vorteilsannahme (§ 331 StGB),
Freiheitsberaubung (§ 239 StGB) oder Körperverletzung im Amte (§§ 223, 340 StGB)
verleiten lassen.
Beispiel
In der Innenstadt haben sich viele Stadtstreicher "niedergelassen".
Geschäftsleute und Bürger beschweren sich häufig. Auch die Beamten der zuständigen
Polizeidienststelle sind überzeugt, dass das so nicht weitergehen kann. Der DGL hat
deshalb beschlossen, die Stadtstreicher auf seine Weise zu "vertreiben".
Zunächst einmal ordnet er an, herumlungernde Stadtstreicher "einzusammeln" und
etwa 10 km entfernt irgendwo im Wald auszusetzen. Eine Polizeibeamtin fragt sich, ob sie
das mitmachen muss.
Polizeibeamte müssen Anordnungen von Vorgesetzten befolgen,
wenn diese rechtmäßig sind. Unterstellt, dass die Voraussetzungen einer Gewahrsamnahme
im einzelnen Falle erfüllt sind, besteht allerdings für die Art der Durchführung keine
Befugnis. Eine Gewahrsamnahme in dieser Weise durchzuführen, erfüllt den Tatbestand der
Freiheitsberaubung (§ 239 StGB) und möglicherweise auch der Aussetzung (§ 221 StGB).
Da im Ausgangsfall der DGL von seinen nachgeordneten Mitarbeitern die Begehung von
Straftaten verlangt hat, dürfen diese Anordnungen nicht beachtet werden.
Allein durch das Verlangen erfüllt der DGL bereits den Tatbestand von § 357 StGB,
denn er hat dadurch eine Verleitung zu rechtswidrigen Taten unternommen, selbst wenn seine
Anordnungen nicht befolgt werden. Auch eine versuchte Anstiftung erfüllt die Merkmale des
Unternehmens.
TOP
StGB AT: Deliktsarten
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