01
Allgemeines
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Die Hinterlegung von Sicherheitsleistungen zur Sicherstellung des
Verfahrens und der zu erwartenden Strafe/Geldbuße durch Hinterlegung
einer Sicherheitsleistung, ist in zwei Befugnissen der StPO geregelt:
-
§ 127a StPO
(Freilassung gegen Sicherheit) und
-
§ 132 StPO (Sicherheitsleistung,
Zustellungsbevollmächtigter)
§ 127a StPO kann auf Ordnungswidrigkeiten nicht
angewendet werden. Die Befugnis macht es aber möglich, auf die Anordnung
einer vorläufigen Festnahme zu verzichten oder aber eine bereits
angeordnete vorläufige Festnahme zu beenden - auch durch die Polizei -
wenn der Beschuldigte sich durch die Hinterlegung einer
Sicherheitsleistung sozusagen freikauft, weil die begangene Strafe keine
richterlich angeordnete U-Haft erwarten lässt.
§ 132 StPO
hingegen kann nur angewendet werden, wenn zum Zeitpunkt der Feststellung
einer Ordnungswidrigkeit oder einer Straftat von geringer Bedeutung ein
Ausländern ohne festen Wohnsitz oder Aufenthalt eine Sicherheitsleistung
zu leisten hat, weil die Voraussetzungen eines Haftbefehls nicht
greifen. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn eine vorläufige Festnahme
nicht in Betracht kommt, weil sie unverhältnismäßig wäre, oder aber der
Ausländer als Hauptstrafe lediglich eine Geldstrafe zu erwarten hat.
Soweit zu den grundsätzlichen Unterschieden
Gemäß
§ 132 StPO
(Sicherheitsleistung, Zustellungsbevollmächtigter) darf die Festsetzung
einer Sicherheitsleistung angeordnet werden, wenn ein Beschuldigter, der
einer Straftat dringend verdächtig ist,
Gleiches gilt gegenüber den
Betroffenen von Ordnungswidrigkeiten.
Eine Sicherheitsleistung auf der
Grundlage von
§ 132 StPO
(Sicherheitsleistung,
Zustellungsbevollmächtigter) setzt voraus, dass die Voraussetzungen
eines Haftbefehls nicht gegeben sind.
Hat ein Beschuldigter in
Deutschland keinen festen Wohnsitz oder Aufenthalt, ist das an sich eine
Tatsache, die ausreicht, um den Haftgrund »Fluchtgefahr« begründen zu
können. Die Voraussetzungen eines Haftbefehls greifen aber deshalb
nicht, weil eine vorläufige Festnahme unverhältnismäßig wäre oder aus
Rechtsgründen nicht zulässig ist.
Im
§ 46 Abs. 3 OWiG (Anwendung der Vorschriften über
das Strafverfahren) heißt es u.a. dass Verhaftung und vorläufige
Festnahme unzulässig sind.
[Beispiel:] Ein angetrunkener Mann hat in einer Kneipe ein volles
Bierglas gegen die Wand geworfen (Sachbeschädigung). Bei der Überprüfung
durch die herbeigerufene Polizei stellt sich heraus, dass der Mann
vagabundiert, aber genügend Bargeld bei sich hat. Der Wirt erstattet
Strafanzeige. Rechtslage?
[Festnahme ist
unverhältnismäßig:] Obwohl der Mann zurzeit in Deutschland keinen
festen Wohnsitz bzw. Aufenthalt hat, ist ein Haftbefehl wegen einer
einfachen Sachbeschädigung unverhältnismäßig, zumal es sich bei dem
Delikt um ein Antrags- und Privatklagedelikt handelt.
Eine vorläufige
Festnahme hat deshalb zu unterbleiben.
[Sicherheitsleistung:]
Zur
Sicherung der zu erwartenden Geldstrafe und der damit verbundenen
Verfahrenskosten dürfen jedoch Ermittlungspersonen der
Staatsanwaltschaft gemäß
§ 132 StPO
(Sicherheitsleistung,
Zustellungsbevollmächtigter) bei Gefahr im Verzuge eine angemessene
Sicherheitsleistung anordnen, zumal der Mann genügend Bargeld mit sich
führt.
[Beispiel:] Ein Ausländer beleidigt einen Bundesbürger mit den
Worten: »Du dummes Schwein!« Der Geschädigte verlangt von der
herbeigerufenen Polizei, dass der Ausländer festgenommen wird.
Rechtslage?
Eine Festnahme mit dem Ziel, einen
Haftbefehl zu erwirken, scheidet auch in diesem Falle aus, weil die Tat
viel zu geringfügig ist. Zulässig ist es jedoch, die Identität der Person
festzustellen und, vorausgesetzt der Geschädigte stellt Strafantrag
(absolutes Antragsdelikt), von
dem Ausländer eine Sicherheitsleistung nach § 132 StPO festzusetzen.
Auch zur Verfolgung und Ahndung
von Verkehrsordnungswidrigkeiten können Sicherheitsleistungen erhoben
werden. Dazu mehr in der folgenden Randnummer.
02 Anlasstaten
TOP
Die Festsetzung einer
Sicherheitsleistung auf der Grundlage von
§ 132 StPO
(Sicherheitsleistung, Zustellungsbevollmächtigter) kommt nur dann in
Betracht, wenn es sich um die nachfolgend aufgeführten Delikte handelt:
-
Es muss sich um eine
Straftat handeln, die so geringfügig ist, dass bei einer Vorführung
vor einen Richter nicht mit einem Haftbefehl zu rechnen ist
oder
-
Durch Festsetzung einer
Sicherheitsleistung die Voraussetzungen für die Durchführung eines
Bußgeldverfahrens in Abwesenheit des Betroffenen sichergestellt
werden sollen.
[Geringfügige Straftaten:]
Die nachfolgend aufgeführten Delikte sind so geringfügig, dass
grundsätzlich kein Richter in Deutschland auf der Grundlage solcher
Straftaten eine Person in U-Haft nehmen würde:
In der Regel handelt es sich dabei
um Delikte, die auch auf dem Privatklageweg verfolgt werden können.
Welche Delikte auf dem Privatklageweg verfolgt werden können, sind im
§ 374 StPO (Zulässigkeit der Privatklage) aufgeführt.
Bei allen im
§
374 StPO aufgeführten Delikten handelt es sich um Antragsdelikte.
[Antragsdelikte:]
Antragsdelikte sind Straftaten, die grundsätzlich strafrechtlich nur
verfolgt werden können, wenn der Antragsberechtigte den vom Gesetz
geforderten Strafantrag gestellt hat. Der Strafantrag ist
Prozessvoraussetzung. Wird ein erforderlicher Strafantrag nicht
gestellt, darf die Straftat nicht strafrechtlich verfolgt werden. Hat
sich der Antragsberechtigte noch nicht entschieden, dürfen die zur
Sicherung der Strafverfolgung erforderlichen Ermittlungshandlungen
angeordnet und durchgeführt werden, sofern die Voraussetzungen der
jeweils erforderlichen Befugnisnorm erfüllt sind.
Das StGB unterscheidet:
[Absolute Antragsdelikte:]
Dabei handelt es sich um Antragsdelikte, die ausnahmslos nur verfolgt
werden können, wenn der Antragsberechtigte einen Strafantrag gestellt
hat (absolute Antragsdelikte).
Dazu zählen zum Beispiel:
-
Hausfriedensbruch (§ 123
Abs. 2 StGB)
-
Beleidigung (§ 194 Abs. 1
StGB).
-
Diebstahl und Unterschlagung
in Haus und Familie (§ 247 StGB)
-
Unbefugter Gebrauch eines
Kraftfahrzeuges oder Fahrrades (§ 248 b StGB).
[Relative Antragsdelikte:]
Dabei handelt es sich um Straftaten, die sowohl auf Strafantrag, als
auch von Amts wegen verfolgt werden können. In solchen Fällen ist ein
Strafantrag nicht erforderlich, wenn die Staatsanwaltschaft wegen des
besonderen öffentlichen Interesses ein Einschreiten von Amts wegen für
geboten hält.
Dazu zählen zum Beispiel:
-
vorsätzliche (§ 223 StGB)
und fahrlässige Körperverletzung (§ 229 StGB)
-
Diebstahl und Unterschlagung
geringwertiger Sachen (§ 248a StGB)
-
Sachbeschädigung (§ 303
StGB).
[Öffentliches Interesse:]
Von besonderem öffentlichen Interesse kann in den genannten Fällen
ausgegangen werden, wenn die Tat in die Öffentlichkeit ausstrahlt
(z.B. wenn Randalierer Scheiben einwerfen, Autos beschädigen usw.).
Öffentliches Interesse ist
ebenfalls zu bejahen, wenn jemand wiederholt oder gewerbsmäßig Sachen
von geringem Wert stiehlt oder unterschlägt oder wenn durch die Art der
Diebstähle die Allgemeinheit beunruhigt wird, wie das zum Beispiel bei
organisierten Taschen- oder Ladendiebstählen der Fall ist.
Aber auch wenn durch
Fahrlässigkeit im Zusammenhang mit Verkehrsunfällen erheblichere
Personenschäden verursacht wurden, ist von öffentlichem Interesse
auszugehen.
[Hinweis:]
Ist die Anlasstat, bei der es sich um
eine Straftat handeln muss, so schwerwiegend, dass aufgrund bestehender
Fluchtgefahr ein Haftbefehl erlassen werden könnte, kann dennoch zur
Abwendung von Untersuchungshaft auf der
Grundlage von
§ 127a StPO (Freilassung gegen Sicherheit)
mit dem Einverständnis des davon Betroffenen eine Sicherheitsleistung
festgesetzt werden.
Durch
Hinterlegung einer Sicherheitsleistung kann sich der Betroffene der
Maßnahme sozusagen freikaufen.
Die Höhe der Sicherheitsleistung ist so zu bemessen, dass damit die zu
erwartende Geldstrafe und die Kosten des Verfahrens abgedeckt sind.
Näheres
zur Sicherheitsleistung auf der Grundlage von
§ 127a StPO steht in einem eigenen Kapitel
zur Verfügung.
[Hinweis:] Heute dürfte es zur gängigen Gerichtspraxis
gehören, auch solche Straftaten ausschließlich mit Geldstrafen zu
ahnden, die nicht mehr als geringfügig angesehen werden können. Insoweit
ist stets im Einzelfall, erforderlichenfalls durch Rücksprache beim StA
oder beim zuständigen Amtsgericht in Erfahrung zu bringen, ob eine
vorläufige Festnahme verhältnismäßig wäre oder eben nicht. Kommt nur
Geldstrafe in Betracht, dann ist es von Vorteil, § 132 StPO anzuwenden,
weil die dort aufgeführten Rechtsfolgen andere Optionen beiten:
Durchsuchung und Beschlagnahme von Gegenständen, die sich als Wertersatz
für Bargeld eignen.
02.1 Ordnungswidrigkeiten
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Sicherheitsleistungen auf der
Grundlage von
§ 132 StPO
(Sicherheitsleistung,
Zustellungsbevollmächtigter) sind zur Sicherung des
Bußgeldverfahrens zulässig. Im polizeilichen Berufsalltag ergeben sich
im Zusammenhang mit der Feststellung von Verkehrsordnungswidrigkeiten
dazu vielfältige Anlässe.
[Beispiel:] Anlässlich einer Geschwindigkeitsüberwachung innerhalb
geschlossener Ortschaften wird ein ausländischer Pkw-Fahrer geblitzt.
Der Fahrer hat die zulässige Höchstgeschwindigkeit um 40 km/h
überschritten. Laut Bußgeldkatalog ist dafür ein Bußgeld in Höhe von 160
Euro vorgesehen. Wird solch ein Verstoß von einem deutschen
Fahrzeugführer begangen, wird das Fehlverhalten zudem noch mit einem
Punkt beim Kraftfahrtbundesamt und mit einem Fahrverbot von 1 Monat
belegt. Rechtslage?
Anlässlich festgestellter
Ordnungswidrigkeiten gelten im Sinne von
§ 46 OWiG (Anwendung der
Vorschriften über das Strafverfahren) sinngemäß die Vorschriften der
allgemeinen Gesetze über das Strafverfahren, namentlich die der
Strafprozessordnung.
Das bedeutet, dass
Sicherheitsleistungen auch zur Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten
zulässig sind.
Im oben genannten Beispiel kann somit eine Sicherheitsleistung
festgesetzt werden, die sowohl die Höhe des Bußgeldes als auch die
Verfahrenskosten umfasst, die im Rahmen des
Ordnungswidrigkeitenverfahrens anfallen, das in Abwesenheit des
ausländischen Fahrzeugführers durchgeführt wird.
[Opportunitätsprinzip und
Ermessen:] Da im Ordnungswidrigkeitenrecht das Opportunitätsprinzip
gilt, steht einschreitenden Polizeibeamten bei der Festsetzung und
Durchsetzung von Sicherheitsleistungen Ermessen zu.
[Beispiel:] Trotz intensiven Bemühens kann von einem betroffenen
Ausländer nur ein Betrag in Höhe von 50 Euro aufgebracht werden, obwohl
laut Bußgeldkatalog eine Geldbuße von 75 Euro festzusetzen wäre. Darf
der anordnende Polizeibeamte sich mit 50 Euro begnügen?
Das Opportunitätsprinzip lässt es
in Ausnahmefällen zu, die Höhe der zu erhebenden Sicherheitsleistung
nach unten hin zu verändern oder in begründeten Einzelfällen auf die
Erhebung einer Sicherheitsleistung ganz zu verzichten.
Grundsätzlich sollte auch im
Ordnungswidrigkeitenrecht eine Gleichbehandlung der Betroffenen angestrebt werden. Wenn das aber tatsächlich nicht möglich
ist, weil z. B. ein Durchsetzen des staatlichen Anspruches um jeden
Preis unverhältnismäßig wäre, besteht der oben angedeutete Freiraum.
Der anordnende Polizeibeamte kann
also vor Ort nach pflichtgemäßem Ermessen eigenverantwortlich eine vom
Bußgeld-/Verwarnungsgeld abweichende Sicherheitsleistung festsetzen,
wenn der volle Betrag nicht geleistet werden kann.
Diese Besonderheit
sollte jedoch im Vorgang vermerkt werden,
damit andere Funktionsträger diese Entscheidung nachvollziehen können
und sich somit unnötige Nachfragen erübrigen.
[Beispiel:] Im Rahmen einer Radarmessung wird ein ausländischer
Fahrzeugführer innerorts mit 18 km/h Geschwindigkeitsüberschreitung
gemessen. Der Verwarnungsgeldkatalog sieht für dieses Fehlverhalten ein
Verwarnungsgeld in Höhe von 30 Euro vor. Der ausländische
Verkehrsteilnehmer ist mit dem Verwarnungsgeld nicht einverstanden.
Welche Möglichkeiten stehen zur Verfügung?
Wird die Zahlung eines
Verwarnungsgeldes abgelehnt, kann eine Sicherheitsleistung in Höhe des
Verwarnungsgeldes erhoben werden.
Weigert sich der Betroffene, die Sicherheitsleistung zu bezahlen, wäre
es rechtlich zulässig, die Person des Betroffenen als auch von ihm
mitgeführte Sachen zu durchsuchen, um die erforderliche Summe Bargeld
aufzufinden, oder aber um Sachen sicherstellen zu können, die als
Geldersatz einbehalten werden können.
Das Einbehalten von Gegenständen
anlässlich festgestellter geringfügiger Ordnungswidrigkeiten dürfte
jedoch daran scheitern, dass der mit der Verwertung entstehende
Verwaltungsaufwand völlig außer Verhältnis zur Höhe des einzubehaltenden
Verwarnungsgeldes steht. Dazu später mehr.
Auch ist fraglich, ob solch ein Vorgehen bei geringfügigen
Verkehrsorndungswidrigkeiten dem Grundsatz der Verhätlnismäßigkeit
entspricht.
Unverhältnismäßig wäre es sicherlich, eine solche Maßnahme mit Zwang
durchzusetzen.
Problematisch sind
auch die Fälle, in
denen der Betroffene zwar zahlen will, jedoch angibt, nicht über entsprechende
Barmittel zu verfügen.
In der Regel muss in solchen Fällen aus Gründen
der Verhältnismäßigkeit auf die Anordnung einer Sicherheitsleistung
verzichtet werden.
02.2 Beschuldigter / Betroffener
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Beschuldigter im Sinne von
§ 132 StPO
(Sicherheitsleistung, Zustellungsbevollmächtigter) ist
sowohl ein Tatverdächtiger, gegen den sich strafprozessuale Maßnahmen
richten, als auch der Betroffene einer Ordnungswidrigkeit.
Die Beschuldigteneigenschaft
beginnt mit dem Zeitpunkt, an dem strafprozessuale Ermittlungshandlungen
sich gegen einen Verdächtigen »als Beschuldigten« richten. Die
Beschuldigteneigenschaft endet erst nach vollständiger Beendigung des
Verfahrens.
[Beschuldigteneigenschaft als
Willensakt der Strafverfolgungsbehörden:] Sobald die
Strafverfolgungsbehörden gegen einen Tatverdächtigen strafverfolgende
Maßnahmen einleiten, wird diese Person dadurch zwangsläufig zum
Beschuldigten.
Beschuldigter ist somit ein Tatverdächtiger, gegen den
das Verfahren als Beschuldigten betrieben wird.
Die Beschuldigteneigenschaft kann
somit nur ein Willensakt der zuständigen Strafverfolgungsbehörde
auslösen, denn der Tatverdacht für sich allein gesehen begründet weder
die Beschuldigteneigenschaft, noch zwingt er ohne Weiteres zur
Einleitung von Ermittlungen.
[Beispiel:] Anlässlich einer Auseinandersetzung hat ein Ausländer
einem Bundesbürger ein »blaues Auge« geschlagen. Die Polizei wird
hinzugezogen. Der Geschädigte erstattet Strafanzeige und unterschreibt
einen Strafantrag. Nach Feststellung der Identität der beiden
»Streitparteien« fragt sich der Polizeibeamte vor Ort, ob zur
Sicherung der Durchführung des Strafverfahrens eine Sicherheitsleistung
erhoben werden kann. Rechtslage?
Bei einfachen Körperverletzungen
handelt es sich um so genannte relative Antragsdelikte. In diesem Fall
stellt der Geschädigte einen Strafantrag, so dass in diesem Fall das
Strafverfahren einzuleiten ist.
Bei dem Anlassdelikt handelt es
sich um eine geringfügige Straftat, die es nicht rechtfertigen würde,
den Tatverdächtigen in U-Haft zu nehmen.
Folglich kann zur Sicherung der
Durchführung des Strafverfahrens von dem Beschuldigten nur eine
Sicherheitsleistung auf der Grundlage von
§ 132 StPO
(Sicherheitsleistung, Zustellungsbevollmächtigter) verlangt werden, wenn
die Voraussetzungen dieser Befugnis greifen.
[Betroffener:] Betroffene
im Ordnungswidrigkeitenverfahren sind Personen, in deren Rechte die
Bußgeldentscheidung unmittelbar eingreifen kann. Es handelt sich somit
um Personen, gegen die sich das Ordnungswidrigkeitenverfahren bei
bestehendem Tatverdacht richtet. Die Stellung des Betroffenen erhält die
Person, die eine Ordnungswidrigkeit begangen hat oder die in diesem
Verdacht steht, erst mit der Einleitung des Ermittlungsverfahrens, wobei
es nicht darauf ankommt, ob die Person von der Einleitung Kenntnis
erhält. Das OWiG verwendet den Begriff »Betroffener« für alle
Verfahrensstadien im Ordnungswidrigkeitenverfahren. [En01]
1
Betroffener einer Verkehrsordnungswidrigkeit ist auf jeden Fall die
Person, die von Polizeibeamten im Anschluss an eine
Verkehrsordnungswidrigkeite angehalten und entsprechend belehrt wurde.
Im Folgenden werden die weiteren Ermächtigungsvoraussetzungen von
§ 132 StPO erläutert:
02.3 Dringender Tatverdacht
TOP
Dringender Tatverdacht besteht,
wenn zum Zeitpunkt der Anordnung einer strafprozessualen Maßnahme
aufgrund erkennbarer Umstände die hohe Wahrscheinlichkeit besteht, dass
der Verdächtige als Täter oder Teilnehmer einer Straftat in Betracht
kommt.
Dringender Tatverdacht besteht
auch, wenn jemand auf frischer Tat betroffen oder verfolgt wird.
Dringender Tatverdacht kann aber
auch unabhängig von Betreffen oder Verfolgen auf frischer Tat gegeben
sein, dann nämlich, wenn erkennbare Umstände mit hoher
Wahrscheinlichkeit auf Täterschaft schließen lassen.
Solche Umstände können z. B. sein:
Bloße Vermutungen reichen zur
Begründung des dringenden Tatverdachts nicht aus.
Mit dem Wort »dringend« wird ein
deutlich intensiverer Tatverdacht eingefordert, als das beim so
genannten »einfachen« Anfangsverdacht im Sinne von
§ 160 Abs. 1 StPO
(Pflicht zur Sachverhaltsaufklärung) bzw.
§ 152 Abs. 2 StPO (Offizial- und
Legalitätsprinzip) der Fall ist.
Dringender Tatverdacht ist
gegeben, wenn der Schluss naheliegt, dass eine Person an einer
rechtswidrigen Tat in einer »verurteilbaren« Weise
beteiligt ist, sich sozusagen als »Täter« aufdrängt. »Eine Prognose,
dass eine Verurteilung wahrscheinlich ist, verlange der »dringende
Tatverdacht« nicht. Es genüge die Möglichkeit der Verurteilung«. [En02]
2
02.4 Keinen festen Wohnsitz oder
Aufenthaltsort
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Keinen festen Wohnsitz zu haben
ist das Gegenteil davon, über einen festen Wohnsitz oder Aufenthalt zu
verfügen. Damit ist ein tatsächlicher Aufenthalt von einer gewissen
Dauer gemeint.
Ausländer, die sich auf der
Durchreise oder als Tourist im Bundesgebiet aufhalten, oder sich nur
kurzfristig im Bundesgebiet zur Erledigung von Arbeiten aufhalten
(Montage), verfügen weder über einen festen Wohnsitz noch über einen
tatsächlichen Aufenthalt im Inland.
[Beispiel:] Ein ausländischer Landarbeiter, der sich für Dauer der
Spargelernte auf dem Hof eines großen Spargelbauern aufhält, wird bei
der Begehung eines Ladendiebstahls auf frischer Tat vom Ladendetektiv
gestellt. Der Landarbeiter hat Waren im Wert von 25 Euro entwendet. Der
Ladendetektiv erstattet Strafanzeige. Rechtslage?
Der Landarbeiter steht im
Verdacht, tatbestandlich im Sinne von
§ 248a StGB (Diebstahl und
Unterschlagung geringwertiger Sachen) begangen zu haben. Die Tat wird
nur auf Antrag verfolgt. Ein solcher Strafantrag wurde vom Ladendetektiv
gestellt. Da es sich um eine Straftat handelt, die U-Haft nicht
rechtfertigt, setzt die Durchführung des anstehenden Strafverfahrens
voraus, dass der Tatverdächtige sowohl für die zu erwartende Geldstrafe
als auch für die Verfahrenskosten die dafür erforderliche Sicherheit zu
hinterlegen hat, denn der ausländische Landarbeiter verfügt im Inland
nicht über einen festen Wohnsitz bzw. einen dauernden Aufenthalt.
Sobald die Spargelernte beendet
ist, wird der Landabreiter wieder in seine Heimat zurückkehren und somit
für das Strafverfahren nicht mehr zur Verfügung stehen.
Auf der Grundlage von
§ 132 StPO
(Sicherheitsleistung, Zustellungsbevollmächtigter) kann der für
das Verfahren erforderliche Geldbetrag eingefordert werden.
02.5 Voraussetzungen eines
Haftbefehls liegen nicht vor
TOP
Dies ist das wesentliche Kriterium
im Zusammenhang mit der Festsetzung einer Sicherheitsleistung auf der
Grundlage von
§ 132 StPO
(Sicherheitsleistung,
Zustellungsbevollmächtigter).
Dadurch unterscheidet sich diese
Sicherheitsleistung von der, die im
§ 127a StPO (Freilassung
gegen Sicherheit) geregelt ist. Siehe Kapitel zu diesem Thema.
Welche Anlasstaten für eine
Sicherheitsleistung auf der Grundlage von § 132 StPO in Betracht kommen,
wurde bereits auf dieser Seite erörtert.
In der Regel handelt es sich dabei
um Antragsdelikte oder Ordnungswidrigkeiten.
In jedem Fall aber um Delikte, die
so geringfügig sind, dass U-Haft nicht in Betracht kommt oder vom Gesetz
nicht zugelassen sind (Beispiel: Ordnungswidrigkeit) oder einfach
unverhältnismäßig sind oder aber im Regelfall nur mit Geldstrafe
geahndet werden.
Übrigens:
Der Vorteil von § 132 StPO liegt darin, Ersatzgegenstände nicht nur
beschlagnahmen, sondern auch danach suchen zu können.
Das ist nicht mehr der Fall, wenn ein Beschuldigter von der Polizei
vorläufig festgenommen wurde, siehe § 127a StPO.
Mit anderen Worten:
§ 132 StPO hat, wenn er anwendbar ist, mehr Vorteile als § 127 StPO die
bietet.
02.6 Festsetzung einer
Sicherheitsleistung
TOP
Die Höhe der Sicherheitsleistung
richtet sich nach der zu erwartenden Geldstrafe/Geldbuße und den
voraussichtlichen Verfahrenskosten.
In der Praxis werden Polizeibeamte
wohl kaum dazu in der Lage sein, sowohl die Höhe der zu erwartenden
Geldstrafe als auch die Höhe der anfallenden Verfahrenskosten selbst
bestimmen zu können.
[Mit der StA abgestimmte
Listen:] Im Zusammenhang mit Straftaten ist die Höhe der
festzusetzenden Geldstrafen (und der Verfahrenskosten) deshalb in der
Regel mit der Staatsanwaltschaft zuvor abgestimmt worden.
Entsprechende
Listen werden bei Einsatzleitstelle der Polizei vorgehalten.
Insoweit
ist es Polizeibeamten möglich, die Höhe der einzubehaltenden
Sicherheitsleistung problemlos bestimmen zu können.
Stehen entsprechende Listen nicht
zur Verfügung, sollte die Höhe der einzubehaltenden Sicherheitsleistung
in Absprache mit der StA oder aber nach Rücksprache mit einem Richter
festgesetzt werden. Die Höhe des vereinbarten Betrages ist im Vorgang
zu vermerken.
[Festsetzung einer
Sicherheitsleistung anlässlich von OWi:] Ausschlaggebend für die
Höhe der festzusetzenden Sicherheitsleistung zur Verfolgung von
Verkehrsordnungswidrigkeiten ist das im Bußgeldkatalog für den
jeweiligen Regelverstoß festgesetzte Bußgeld. Sollte es sich um eine
geringfügige Verkehrsordnungswidrigkeit handeln, das ebenfalls im
Bußgeldkatalog festgesetzte Verwarnungsgeld.
Die für die Durchführung eines Ordnungswidrigkeitenverfahrens
erforderlichen Verfahrenskosten sind der Polizei ebenfalls bekannt.
-
Der Bußgeldbescheid
selber kostet mit Auslagen in den meisten Bundesländern einheitlich
28,50 Euro.
-
Die Gerichtskosten
richten sich grundsätzlich nach der Höhe der Geldbuße und betragen
10 Prozent von dessen Höhe, mindestens aber 40,00 Euro.
02.7 Akzeptierte Zahlungsmittel
TOP
Wegen der Art der Sicherheit gilt
§ 116a Abs. 1 StPO (Aussetzung gegen Sicherheitsleistung)
entsprechend.
Danach kann die
Sicherheitsleistung erbracht werden durch Hinterlegung in:
-
Bargeld
-
Wertpapieren
-
Pfandbestellung
-
Bürgschaft.
Die Sicherheit ist so zu bemessen,
dass dadurch sowohl die Kosten für das Verfahren selbst als auch die zu
verhängende Strafe beglichen werden können. Darüber hinausgehend
enthalten die Erlassregelungen über »Sicherheitsleistungen« in den
Ländern ergänzende Regelungen.
[Erlassregelung NRW:] Der
als Sicherheitsleistung festgesetzte Geldbetrag ist grundsätzlich unbar
in Euro bis zum Zahlungslimit der eingesetzten Girocard, Kredit- oder
Flottenkarte, jedoch nicht über 10.000,-- Euro zu verlangen (Bargeldloser
Einzug von Verwarnungsgeldern und Sicherheitsleistungen durch das
Verfahren BARVUS).
Näheres dazu siehe Randnummer
05 auf dieser Seite:
RiStBV und Erlass NRW.
02.8 Zugelassene Rechtsfolgen
TOP
Im Zusammenhang mit der
Durchführung einer Sicherheitsleistung auf der Grundlage von
§ 132 StPO
(Sicherheitsleistung, Zustellungsbevollmächtigter) sind die nachfolgend aufgeführten
Rechtsfolgen möglich:
-
Festhalten der Person für
die Dauer der Sicherheitsleistung
-
Suche nach Gegenständen in
der Kleidung des Beschuldigten und von ihm mitgeführter Sachen zur
Auffindung von beschlagnahmefähigen Gegenständen
-
Beschlagnahme von
Gegenständen zur Sicherung des Verfahrens.
[Festhalten für die Dauer der
Maßnahme:] Bei der Überprüfung von ausländischen Straftätern bzw.
von Betroffenen von Ordnungswidrigkeiten ist grundsätzlich davon
auszugehen, dass die Voraussetzungen eines Festhaltens so lange
bestehen, bis Klarheit über die Höhe der einzubehaltenden
Sicherheitsleistung besteht.
Diese Verweildauer ergibt sich aus der
Befugnis, auf deren Grundlage die Kontrolle durchgeführt wird. In der
Regel ist das der
§ 163b StPO
(Identitätsfeststellung).
Ist der Beschuldigte / Betroffene
dazu bereit, die Sicherheitsleistung zu leisten, was Freiwilligkeit
voraussetzt, kann davon ausgegangen werden, dass die Person auch
freiwillig mit zur Polizei kommen wird, denn dort sind oftmals die für
die Beschaffung der Sicherheitsleistung erforderlichen
Maßnahmen (Telefonate etc.) leichter zu realisieren als das zum Beispiel
am Kontrollort der Fall ist.
[Verweigerung der
Sicherheitsleistung:] Für den Fall, dass ausländische
Beschuldigte/Betroffene ohne festen Wohnsitz oder Aufenthaltsort im
Inland die Hinterlegung einer Sicherheitsleistung verweigern, können
Polizeibeamte den Beschuldigten/Betroffenen und die von ihm mitgeführten
Sachen vor Ort:
02.9 Beschlagnahme
von Sachen als Geldwertersatz
TOP
Befolgt der Beschuldigte eine
gemäß
§ 132 StPO
(Sicherheitsleistung,
Zustellungsbevollmächtigter) erfolgte Anordnung zur Sicherheitsleistung
nicht, können beschlagnahmt werden:
-
Beförderungsmittel
und/oder
-
andere Sachen, die der
Beschuldigte mit sich führt und die ihm gehören
-
Auch gefundenes Geld kann beschlagnahmt
werden.
Das danach
auch gesucht werden kann, setzt die Beschlagnahme voraus.
Im Gesetz ist nicht ausdrücklich
geregelt, dass nach Gegenständen, die zur Sicherheitsleistung
beschlagnahmt werden können, auch gesucht werden darf.
Es ist jedoch anerkannt, dass die
Beschlagnahmebefugnis gemäß § 132 Abs. 3 StPO auch die Befugnis enthält,
nach Beschlagnahmegegenständen zu suchen. Insoweit ist es vertretbar,
die §§ 102 ff. StPO entsprechend anzuwenden.
[Hinweis:]
In diesem Zusammenhang ist anzumerken, dass es Fälle gibt, in denen eine
Abgrenzung zu
§ 127a StPO (Absehen von der Anordnung oder
Aufrechterhaltung der vorläufigen Festnahme) erforderlich wird,
denn diese Befugnis enthält ebenfalls die Möglichkeit, eine
Sicherheitsleistung festzusetzen, die zu hinterlegen ist, um sich
sozusagen freizukaufen (Freikauf von der vorläufigen Festnahme).
Die Besonderheit von § 127a StPO bestehen darin, dass, im
Gegensatz zu § 132 StPO, nach Geld oder
Ersatzgegenständen nicht gesucht und solche Sachen
somit auch
nicht
beschlagnahmt werden können, wenn der Beschuldigte damit nicht
einverstanden ist, weil
§ 127a StPO diese Rechtsfolgen nicht vorsieht/zulässt.
Das folgende Beispiel zeigt auf, wie sachgerechte Entscheidungen im oben
skizzierten Abgrenzungsbereich getroffen werden können.
[Beispiel:] Zwei
Polizeibeamte, deren Aufgabe es ist, mit einem Zivilfahrzeug, das mit
einer Action-Videokamera ausgerüstet ist, schwerwiegende
Verkehrsverstöße auf BAB festzustellen und zu ahnden, werden trotz
starken Verkehrsaufkommens auf einer Autobahn plötzlich und völlig
unerwartet von zwei Pkw zeitgleich unter Benutzung des rechten
Seitenstreifens mit hoher Geschwindigkeit überholt.
Den Fahrern fällt nicht auf, dass die
Zivilstreife ihnen sofort folgt und den weiteren Verlauf der Ereignisse
videografiert, denn die beiden Fahrer tragen erkennbar ein Rennen aus,
das ihre gesamte Aufmerksamkeit in Anspruch nimmt. Beide versuchen, jede
sich bietende Gelegenheit zu nutzen, den jeweils anderen mit hoher
Geschwindigkeit und unter Missachtung auch anderer Verkehrsregeln zu
überholen. Mal versucht es der eine links, mal der andere rechts.
Die aufleuchtenden Bremslichter anderer
Fahrzeuge machen deutlich, dass die Fahrer überholter
Fahrzeuge erschrocken auf diese Fahrweise reagieren und auch die Beamten
im Zivilfahrzeug registrieren das Hupen sowie die eindeutigen
Fingerzeige erboster Fahrzeugführer, die auch den verfolgenden Beamten entweder den Mittelfinger
zeigen, die Fäuste recken oder aber den typischen beleidigenden
Fahrergruß praktizieren, das sie dieses Fahrverhalten als Rowdytum
einstufen.
Irgendwie gelingt es der Polizei dann doch,
die beiden Rennfahrer anzuhalten. Bei dem einen handelt es sich um einen
Deutschen, der ein in Deutschland zugelassenes Fahrzeug fährt, bei dem
anderen um einen Niederländer, der ein in den Niederlanden zugelassenes
Fahrzeug benutzt.
Während nach Feststellung der Identität des
Deutschen gegen diese Person das Strafverfahren eingeleitet (Anzeige)
wird und er im Anschluss daran weiterfahren kann, ist die Weiterfahrt
dem Niederländer erst im Anschluss an eine von ihm geleistete
Sicherheitsleistung zu gestatten.
Eine Sicherheitsleistung aber will der
Niederländer nicht zahlen.
Daraufhin durchsuchen Beamte den Pkw des
Niederländers und finden dabei eine hochwertige Videokamera im Wert von
ca. 1000 Euro. Kann diese Kamera als Sicherheitsleistung beschlagnahmt
werden?
Rechtslage?
Unklar ist, welche Straftaten den beiden Fahrzeugführern vorgeworfen
werden können.
In Betracht kommt tatbestandliches Handeln sowohl im
Sinne von
§ 315c Abs. 2 StGB (Gefährdung des Straßenverkehrs)
als auch eine Straftat im Sinne von
§ 315d StGB (Verbotene Kraftfahrzeugrennen).
Nach der hier vertretenen Rechtsauffassung handelt es sich bei beiden in
Betracht kommenden Verkehrsstraftaten nicht um Straftaten, die
als so schwerwiegend anzusehen sind, dass bei einer Richtervorführung
ein Haftbefehl ausgestellt werden wird.
Vielmehr ist damit zu rechnen, dass der Richter auf Geldstrafe erkennen
wird.
Wie dem auch immer sei.
Bei beiden Taten handelt es sich, nach der hier vertretenen
Rechtsauffassung, um Straftaten im Sinne von
§ 132 StPO (Sicherheitsleistung, Zustellungsbevollmächtigter),
wenn es nicht zu bedeutsamen Folgeschäden gekommen ist, so dass die
Festsetzung einer Sicherheitsleistung auf der Grundlage von § 132
StPO in Betracht kommt, weil die Voraussetzungen
eines Haftbefehls beim Vorliegen dieser Straftaten nicht
gegeben sind, so dass die Polizei kein Interesse daran haben kann, die
Person vorläufig festzunehmen, um sie dann einem Richter vorzuführen,
weil das sowieso erfolglos wäre.
Weil der ausländische "Rennfahrer" im Beispielsfall eine auf § 132 StPO gestützte
Anordnung, eine Sicherheitsleistung zu hinterlegen, nicht befolgen will, ist die
Beschlagnahme von Gegenständen gemäß § 132 StPO zulässig, wenn solche
Gegenstände von dem Beschuldigten mitgeführt werden.
Das sieht § 132 StPO so vor.
Polizeibeamte dürfen folglich im Beispielsfall die Person des Ausländers
und die von ihm mitgeführten Sachen (Auto, Koffer, Handtasche) zu dem
Zweck durchsuchen, um Gegenstände aufzufinden, die dazu geeignet sind,
daraus die Höhe der Verfahrenskosten einschließlich der zu erwartenden
Geldstrafe abdecken zu können.
Die Durchsuchung des Pkw, die der Beschlagnahme
in der Regel vorausgeht, folgt aus §§ 102, 105 StPO.
Gehören die Gegenstände, die im Rahmen einer Durchsuchung gefunden
wurden dem Beschuldigten nicht, ist eine Beschlagnahme zur
Sicherheitsleistung unzulässig. Dieser Fall ist anzutreffen, wenn
ausländische Lkw-Fahrer Straftaten begehen, so dass die mitgeführte
Ladung nicht beschlagnahmt werden kann, weil sie einem Spediteur gehört.
Werden geeignete Wertgegenstände gefunden, wie z. B. Uhren, Schmuck,
eine Kamera oder aber vergleichbare Gegenstände, dann können diese
Gegenstände, die den Geldwert der einzubehaltenden Sicherheitsleistung
verkörpern, einbehalten werden.
Sollte Geld gefunden werden, kann es in Höhe der einzubehaltenden
Sicherheitsleistung selbstverständlich auch beschlagnahmt werden.
Werden Gegenstände als Geldwertersatz einbehalten, sollte der Wert der
einbehaltenen Gegenstände nicht außer Verhältnis zur Höhe der
einzubehaltenden Sicherheitsleistung stehen.
Mit anderen Worten:
Eine Rolex im Wert von 10 000 Euro darf nicht als Gegenwert für eine zu
erwartende Geldstrafe in Höhe von 500 Euro beschlagnahmt
werden.
[Hinweis:] Wenn die Polizei aufgrund des Tatvorwurfs
gegen die beiden »Rennfahrer« die festgestellten Straftaten für so schwerwiegend
halten würde, dass
die Voraussetzungen für eine vorläufige Festnahme auf der Grundlage von
§ 127 StPO (Vorläufige Festnahme) gegeben sind, dann kommt die Festsetzung
einer Sicherheitsleistung auf der Grundlage von § 132 StPO nicht mehr in
Betracht, wohl aber eine - zur Vermeidung der Fortdauer einer vorläufigen
Festnahme -
auf der Grundlage von § 127a StPO.
Das setzt aber voraus, dass dem Beschuldigten gegenüber von den
einschreitenden Polizeibeamten erklärt wurde, dass er vorläufig
festgenommen ist. So lange, wie diese Maßnahme nicht artikuliert wurde,
steht diese mögliche, aber noch nicht ausgesprochene Maßnahme, aus. Das
bietet den Vorteil, noch alle Möglichkeiten die § 132 StPO bietet, zur
Anwendung kommen zu lassen, als da sind: Durchsuchung nach und
Beschlagnahme von Gegenständen, die als Ersatz für die
Sicherheitsleistung dienen können.
Mit anderen Worten:
Eine unnötigerweise zu früh ausgesprochene vorläufige Festnahme hat in
solchen Fällen mehr Nachteile als Vorteile:
Im § 127a StPO heißt es u.a.:
(1) Hat der Beschuldigte im Geltungsbereich
dieses Gesetzes keinen festen Wohnsitz oder Aufenthalt und liegen die
Voraussetzungen eines Haftbefehls nur wegen Fluchtgefahr vor, so kann
davon abgesehen werden, seine Festnahme anzuordnen oder
aufrechtzuerhalten, wenn
1. nicht damit zu rechnen ist, daß wegen der
Tat eine Freiheitsstrafe verhängt oder eine freiheitsentziehende
Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet wird und
2. der Beschuldigte eine angemessene
Sicherheit für die zu erwartende Geldstrafe und die Kosten des
Verfahrens leistet.
Mit anderen Worten:
Auch der deutsche "Rennfahrer" könnte/müsste sich freikaufen, wenn er obdachlos
wäre, also keinen festen Wohnsitz oder Aufenthalt im Inland
hätte.
Davon soll hier aber nicht ausgegangen werden, so dass § 127a StPO für den
deutschen "Rennfahrer" nicht, wohl aber für den niederländischen
"Rennfahrer" greifen könnte, weil der ja in den Niederlanden und somit im
Ausland wohnt.
Insoweit könnte nur im Hinblick auf den niederländischen "Rennfahrer" die
Regelung des § 127a StPO angewendet werden, was Folgendes bedeutet:
Ausländische Beschuldigte, die sich partout durch die Hinterlegung einer
Sicherheitsleistung nicht aus einer vorläufigen Festnahme freikaufen wollen, müssen dann - ob
sie das nun wollen oder auch nicht - die Konsequenzen ihrer
Verweigerungshaltung ertragen.
In einem solchen Fall dauert die vorläufige Festnahme dann so lange an,
bis ein Richter darüber entschieden hat, was zu veranlassen ist.
Das ist notwendig, weil es im § 127a StPO keine Regelung gibt, die mit §
132 Abs. 3 StPO vergleichbar ist, die da lautet:
Befolgt der Beschuldigte die Anordnung nicht, so können
Beförderungsmittel und andere Sachen, die der Beschuldigte mit sich
führt und die ihm gehören, beschlagnahmt werden.
Wie dem auch immer sei.
Wenn § 132 StPO nicht greift, weil das Delikt zu bedeutsam ist und
der (angenommen) nunmehr auf der Grundlage von § 127a StPO vorläufig festgenommene Beschuldigte sich weiger, sich
freizukaufen, was Voraussetzung für die Beendigung der vorläufigen
Festnahme durch die Polizei wäre, dann ist
ihm seitens der Polizei nicht mehr zu helfen, denn § 127a StPO sieht die
Rechtsfolgen von § 132 Abs. 3 StPO i.V.m. § 102 StPO (Durchsuchung und
Beschlagnahme) nicht vor.
Der Ausländer ist dann einem Richter vorzuführen.
Hier wird davon ausgegangen, dass in solch einem Fall ein Richter dem
Beschuldigten erneut vor die Wahl stellen wird, die da lautet:
-
Untersuchungshaft oder Hinterlegung der zu erwartenden
Verfahrenskosten plus Geldstrafe oder
-
Hinterlegung von Wertsachen, die ausreichen, das Verfahren betreiben zu können.
Und wenn der Beschuldigte sich weiter verweigert, ist es Aufgabe
des Richters, nicht der Polizei, darüber zu entscheiden, was jetzt
zu veranlassen ist.
[Belehrung des Ausländers:] Die
Ausführungen in dieser Randnummer machen deutlich, dass im Zusammenhang
mit der Erhebung von Sicherheitsleistungen ausführliche und sorgfältige
Belehrungen notwendig sind, um ausländische Beschuldigte umfassend über
die bestehende Rechtslage in Deutschland zu informieren.
Diesbezüglich stehen der Polizei Merkblätter zur Verfügung, die in
vielen Sprachen über die Maßnahme der Sicherheitsleistung informieren
und die ausländischen Beschuldigten auszuhändigen sind.
[Höhe der Sicherheitsleistung im Beispielsfall:] Hier
wird davon ausgegangen, dass die festgestellten Delikte durch Festsetzung
einer Sicherheitsleistung verfolgt werden können.
Sollten mit der StA für solche Delikte die Höhe der zu hinterlegenden
Sicherheitsleistung abgesprochen sein, ist die Sicherheitsleistung
entsprechend festzusetzen. Sollte das nicht der Fall sein, ist die Höhe der einzufordernden Sicherheitsleistung
telefonisch mit der StA, und wenn die nicht erreichbar sein
sollte, in Absprache mit dem zuständigen Amtsgericht abzustimmen.
[Hinweis:]
Für gängige Delikte, die von Ausländern begangen werden und durch
Erhebung von Sicherheitsleistungen verfolgt werden können, stehen auf
den Leitstellen der Polizei Listen zur Verfügung, die mit der StA zuvor
abgestimmt wurden und denen die Höhe der jeweils festzusetzenden
Sicherheitsleistung entnommen werden kann.
Abgrenzung § 132 und 127a StPO im Überblick:
Essenz von § 132 StPO:
-
Es liegt eine OWi
oder eine Straftat
vor, die eine richterliche Haftanordnung nicht erwarten
lässt.
-
Die Voraussetzungen für einen Haftbefehl
sind nicht gegeben.
-
Der Beschuldigter leistet eine
Sicherheitsleistung, damit das gegen ihn einzuleitende
Strafverfahren in seiner Abwesenheit durchgeführt werden kann.
-
Im
Fall der Weigerung, eine Sicherheitsleistung zu hinterlegen, können von dem Beschuldigten mitgeführte Sachen und Beförderungsmittel
beschlagnahmt werden.
-
Nach diesen Surrogaten
(Gegenständen) kann auf der Grundlage von § 102 ff StPO auch
gesucht werden.
-
Die Beschlagnahme des Pkw selbst kommt in der
Regel nicht in Betracht.
Essenz von § 127a StPO
-
Es liegt eine Straftat vor.
-
Die Schwere dieser Straftat ließe es
zu, die Person vorläufig festzunehmen, um
-
sie dann einem
Richter vorzuführen.
-
Die vorläufige Festnahme kann jedoch
von der Polizei aufgehoben werden, wenn der Beschuldigte freiwillig dazu bereit
ist,
-
eine Sicherheitsleistung zur Abwendung der vorläufigen
Festnahme zu hinterlegen, so genanntes Freikaufen.
-
Verweigert sich der
Beschuldigte, dann
-
erfolgt die Vorführung vor einen Richter.
-
Durchsuchung und Beschlagnahme von Surrogaten sieht das Gesetz
nicht vor.
02.10 Belehrung
TOP
Bei der Beschlagnahme von
Gegenständen ist der Beschuldigte / Betroffene darauf hinzuweisen, dass
einbehaltene Gegenstände innerhalb eines Monats jederzeit ausgelöst
werden können, indem der Geldwert der festgelegten Sicherheitsleistung
gezahlt wird.
Geht der Geldbetrag innerhalb
dieser Frist ein, wird der Geldwertersatz (beschlagnahmter Gegenstand)
dem Beschuldigten / Betroffenen zurückgegeben.
Das Kraftfahrzeug sollte nicht
beschlagnahmt werden, wenn andere geeignete Gegenstände zur Verfügung
stehen.
Nicht beschlagnahmt werden sollen
ferner Gegenstände, die während der Beschlagnahme verderben oder aber
einen hohen Pflegeaufwand erfordern.
Gegenstände, die aufgrund ihrer
Beschaffenheit nicht weiterveräußert werden können, z. B. alte Autos,
oder sonstiges stark abgenutztes Gerät, das sozusagen nur noch einen
Gebrauchswert aber keinen Verkaufswert hat, sollte ebenfalls nicht
beschlagnahmt werden.
[Hinweis:]
Selbstverständlich ist jeder Beschuldigte / Betroffene im Zusammenhang mit
der Festsetzung einer Sicherheitsleistung darüber zu belehren, warum und
zu welchem Zweck diese Maßnahme angeordnet wird.
Sollte der Gegenüber
der deutschen Sprache nicht mächtig sein, ist dem
Beschuldigten / Betroffenen eine »schriftliche Belehrung in seiner
Landessprache« auszuhändigen. Solche »schriftlichen Belehrungen« stehen
in allen gängigen Sprachen zur Verfügung.
02.11 Verhältnismäßigkeit
TOP
Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz
hat Verfassungsrang. Er ist auch im Zusammenhang mit
Sicherheitsleistungen zu beachten.
Im Aufgabenbereich der
Strafverfolgung sind unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit
zwei Problembereiche von Bedeutung.
[Bagatelldelikte:] Wird
eine Sicherheitsleistung zum Zweck der Verfolgung einer Straftat
erforderlich, greift das Legalitätsprinzip, so dass die Polizei nicht
selbst darüber entscheiden kann, ob sie von solch einer Maßnahme im
Einzelfall absehen kann. Das schließt aber nicht aus, dass anlässlich
von Bagatelldelikten im Einzelfall nach Absprache mit dem Richter oder
einem Staatsanwalt auf eine Sicherheitsleistung verzichtet werden kann.
[Abweichung von Regelsätzen:]
Es gibt auch Einzelfälle, in denen der Beschuldigte zwar zahlen will,
aber nicht in vollem Umfang die Höhe der Sicherheitsleistung realisieren
kann. Nach Rücksprache mit einem Richter oder Staatsanwalt ist es in
solch einem Fall wahrscheinlich, dass der vor Ort realisierbare
Geldbetrag als Sicherheitsleistung akzeptiert wird. Ist das der Fall,
sollte folgender Hinweis im Vorgang vermerkt werden:
»Nach Rücksprache mit Herrn
Richter/Staatsanwalt................................................
wurde eine Sicherheitsleistung in Höhe von
.....................................Euro festgesetzt, weil der
Beschuldigte nicht über weitere Barmittel verfügte.«
Bei der Realisierung der
Sicherheitsleistung ist auch darauf Rücksicht zu nehmen, dass dem
Beschuldigten noch genug Geld zur Verfügung steht, um in sein Heimatland
zurückreisen zu können.
[Opportunitätsprinzip bei
Verkehrsordnungswidrigkeiten:] In diesen Fällen können Polizeibeamte
nach pflichtgemäßem Ermessen selbst darüber entscheiden, ob sie in
begründeten Einzelfällen auf die Festsetzung einer Sicherheitsleistung
verzichten oder sich mit einem geringeren Betrag »zufrieden« geben.
03 Anordnungsbefugnis
TOP
Polizeibeamte dürfen
Sicherheitsleistungen auf der Grundlage von
§ 132 StPO
(Sicherheitsleistung, Zustellungsbevollmächtigter) anlässlich
festgestellter Straftaten nur anordnen, wenn
Gefahr im Verzuge besteht und sie Ermittlungspersonen der
Staatsanwaltschaft sind.
[Gefahr im Verzug:] Diese
Gefahr besteht, wenn den Umständen nach zu befürchten ist, dass die
Anordnung des Richters nicht rechtzeitig herbeigeführt werden kann,
insbesondere weil:
-
sich der Beschuldigte
(Ausländer) auf der Durchreise befindet
-
der Richter nicht erreichbar
ist
-
der Beschuldigte nicht dazu
bereit ist, einen Richter aufzusuchen.
In der polizeilichen Praxis wird
in der Regel von Gefahr im Verzug auszugehen sein, denn in den meisten
Fällen handelt es sich dabei um Sofortlagen, die es nicht zulassen,
eine richterliche Anordnung einzuholen.
[Anordnung bei Ordnungswidrigkeiten:] Gemäß
§ 46 Abs. 1 OWiG (Anwendung der Vorschriften des
Strafverfahrens) gelten für das Ordnungswidrigkeitenrecht die Regelungen
der StPO entsprechend. Da Bußgelder im Vorverfahren nicht von einem
Richter festgesetzt werden, sondern von der Verfolgungsbehörde, sind die
Rechtsbegriffe »Gefahr im Verzug« und »Richtervorbehalt« im
OWi-Verfahren entsprechend auszulegen.
Nur wenn der Betroffene versichern würde, eine richterliche Entscheidung
über den festgestellten Sachverhalt abwarten zu wollen, weil er
Rechtsmittel gegen den erhobenen Vorwurf einzulegen gedenkt, wäre ein
Richter für den Abschluss des Ordnungswidrigkeitenverfahrens zuständig.
Erfolgt diese Versicherung bei der Verhandlung anwesend zu sein - die
zudem glaubhaft gemacht werden müsste - nicht, kann von Gefahr im Verzug
ausgegangen werden.
Anordnungsbefugt zur Festsetzung einer Sicherheitsleistung auf der
Grundlage von
§ 132 StPO
(Sicherheitsleistung, Zustellungsbevollmächtigter) zur Verfolgung einer
Ordnungswidrigkeiten ist jeder Polizeibeamte, der den
Status eines Ermittlungsbeamten der Staatsanwaltschaft hat.
Das ist praktisch jeder
Polizeibeamte bzw. jede Polizeibeamtin, die im Polizeivollzugsdienst
verwendet wird.
[Anordnungsregelung Erlassregelung NRW:] Verfolgung von
Verkehrsverstößen durch die Polizei und Erhebung von
Sicherheitsleistungen bei Ordnungswidrigkeiten und Straftaten Verfolgung
und Ahndung von Verkehrsordnungswidrigkeiten durch die Ordnungsbehörden
RdErl. d. Ministeriums für Inneres und Kommunales – 43.8 – 57.04.16 - v.
2.11.2010
Dort heißt es:
Die Anordnung dürfen gemäß § 46 OWiG i.V.m. § 132 Absatz 2 StPO nur der
Richter, bei Gefahr im Verzug auch die Verwaltungsbehörde i.S.d. § 36
OWiG oder die Polizeivollzugsbeamten treffen, die Ermittlungspersonen
der Staatsanwaltschaft sind (§ 152 GVG). Siehe hierzu die Verordnung
über die Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft vom 30.04.1996 (SGV.
NRW. 311).
04
Zustellungsbevollmächtigter
TOP
Im Zusammenhang mit
Sicherheitsleistungen ist ein Zustellungsbevollmächtigter zu bestellen.
Dies gilt sowohl für Sicherheitsleistungen gemäß
§ 127a StPO als auch
für Sicherheitsleistungen gemäß
§ 132 StPO.
Der Zustellungsbevollmächtigte
übernimmt stellvertretend für bundesdeutsche Behörden die Aufgabe,
Zustellungen an den Beschuldigten rechtsverbindlich entgegenzunehmen und
ihn über den Stand des Verfahrens zu informieren.
Als Zustellungsbevollmächtigter
kommen Angehörige der Verwaltungsbehörde, Rechtsanwälte oder aber
sonstige geeignete Personen in Betracht.
Jede Polizeidienststelle sollte
über eine Liste geeigneter Personen verfügen.
Falls der Beschuldigte einen
Rechtsanwalt beauftragt, ist er darauf hinzuweisen, dass für ihn dadurch Kosten
entstehen können.
Es ist Aufgabe des
Zustellungsbevollmächtigten, Schriftstücke von Gerichten oder
Bußgeldstellen zu empfangen und diese weiterzuleiten.
Der
Zustellungsbevollmächtigte ist nicht dazu berechtigt, für den Ausländer
Rechtsmittel einzulegen. Dies kann nur ein vom Ausländer mit der
Wahrnehmung von Verteidigerrechten beauftragter Rechtsanwalt.
Der Zustellungsbevollmächtigte
informiert den Ausländer auch über Verfahrensbeschlüsse. Er ist die
Kontaktadresse für staatliche Stellen im Rahmen der
Verfahrensabwicklung.
Eine Zustellungsvollmacht muss
schriftlich durch Gegenzeichnung auf dem Vordruck »Niederschrift
Sicherheitsleistung« erteilt werden.
Der Zustellungsbevollmächtigte ist
für die Behörden genauso bedeutsam wie für den Beschuldigten selbst.
[Hinweis:] Eine bundesdeutsche Behörde ist
zum Beispiel entlastet, wenn sie dem Zustellungsbevollmächtigten
behördliche Entscheidungen zustellt. Der Beschuldigte kann dann nicht
mehr geltend machen, einen Beschluss nicht erhalten zu haben, wenn der
Beschluss dem Zustellungsbevollmächtigten zugestellt wurde.
05 RiStBV und Erlass NRW
TOP
60 RiStBV
Besondere Maßnahmen zur Sicherung
der Strafverfolgung und Strafvollstreckung
Im Rahmen der besonderen Maßnahmen
(§§ 127a, 132 StPO) zur Sicherung der Strafverfolgung und der
Strafvollstreckung gegen Beschuldigte, die im Geltungsbereich der StPO
keinen Wohnsitz haben, sind bei der Bemessung der Sicherheitsleistung
die bei einschlägigen Straftaten erfahrungsgemäß festgesetzten Beträge
für Geldstrafen und Kosten zu Grunde zu legen. Kann der Beschuldigte
einen Zustellungsbevollmächtigten eigener Wahl zunächst nicht benennen,
so ist er darauf hinzuweisen, dass er einen Rechtsanwalt oder einen
hierzu bereiten Beamten der Geschäftsstelle des zuständigen Amtsgerichts
bevollmächtigen kann.
Erlass NRW
4
Erhebung von Sicherheitsleistungen
4.1
Allgemeines
Sind Personen, die in Deutschland
keinen festen Wohnsitz oder Aufenthalt haben, einer Straftat oder
Ordnungswidrigkeit dringend verdächtig, kann die Polizei oder die
Ordnungsbehörde nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen
Sicherheitsleistungen erheben, um den Verfolgungsanspruch des Staates zu
sichern.
Sind die Beschuldigten/Betroffenen
mit der Sicherheitsleistung einverstanden, ist nach 4.4.3 zu verfahren.
4.2
Ordnungswidrigkeiten
Soll die Ordnungswidrigkeit mit
einer Geldbuße geahndet werden oder erklärt sich der Betroffene bei
einer geringfügigen Ordnungswidrigkeit mit einer Verwarnung unter
Erhebung eines Verwarnungsgeldes nicht einverstanden, ist er nach seiner
Bereitschaft zur Leistung einer Sicherheit und zur Bestellung eines
Zustellungsbevollmächtigten zu befragen. Gibt er eine entsprechende
Erklärung nicht ab, kann nach § 46 Absatz 1 OWiG i.V.m. § 132 StPO
angeordnet werden, dass er eine Sicherheit leistet und einen
Zustellungsbevollmächtigten bestellt. Die Anordnung dürfen gemäß § 46
OWiG i.V.m. § 132 Absatz 2 StPO nur der Richter, bei Gefahr im Verzug
auch die Verwaltungsbehörde i.S.d. § 36 OWiG oder die
Polizeivollzugsbeamten treffen, die Ermittlungspersonen der
Staatsanwaltschaft sind (§ 152 GVG). Siehe hierzu die Verordnung über
die Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft vom 30.04.1996 (SGV. NRW.
311). Gefahr im Verzug ist anzunehmen, wenn den Umständen nach zu
befürchten ist, dass die Anordnung des Richters nicht rechtzeitig
herbeigeführt werden kann, insbesondere wenn
-
der Betroffene sich nur auf
der Durchreise durch Deutschland befindet und
-
der Richter nicht erreichbar
oder
-
der Betroffene nicht bereit
ist, den Richter aufzusuchen.
Die Gründe sind entsprechend zu
dokumentieren.
4.3
Sicherheitsleistungen bei
Verkehrsvergehen und anderen Straftaten
Sicherheitsleistungen können
erhoben werden, um das Strafverfahren zu sichern
(§ 132 StPO) oder um
eine Festnahme abzuwenden (§ 127 a StPO). Für den ersten Fall gelten die
Vorschriften unter Nummer 4.2 entsprechend.
Von einer Festnahme nach § 127
StPO kann gemäß § 127 a StPO abgesehen werden.
Die Entscheidung nach § 127 a StPO
kann die Polizei treffen. Nummer 4.4. ist entsprechend anzuwenden. Die
Polizei soll den Beschuldigten festnehmen und die Entscheidung des
Richters am Amtsgericht herbeiführen, wenn Zweifel bestehen, ob die
genannten Voraussetzungen vorliegen. Ebenso ist zu verfahren, wenn die
Höhe der Sicherheitsleistung durch die Polizei nicht bestimmt werden
kann.
Weigert sich der Beschuldigte, die
angeordnete Sicherheit zu leisten oder einen Zustellungsbevollmächtigten
zu benennen, so ist er vorläufig festzunehmen und es ist gemäß § 128
Absatz 1 StPO die Entscheidung des Richters beim Amtsgericht
herbeizuführen.
4.4
Höhe und Art der
Sicherheitsleistung
4.4.1
Höhe der Sicherheitsleistung
Die Höhe der Sicherheitsleistung
richtet sich nach der zu erwartenden Geldstrafe oder Geldbuße und den
voraussichtlichen Kosten des Verfahrens. Anhaltspunkte für die zu
erwartende Geldbuße gibt der BT-KAT-OWI.
4.4.2
Kosten des Verfahrens
Zu den Kosten des Verfahrens
gehören die Transaktionskosten gemäß Anlage 1 Nummer 1.9 und bei
Ordnungswidrigkeiten die Auslagen für Dolmetscher und Übersetzer, da
Art. 6 Absatz 3 Buchstabe e) der Konvention zum Schutze der
Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) nicht für
Ordnungswidrigkeitenverfahren gilt.
Im Strafverfahren sind diese
Auslagen ausdrücklich durch diese Vorschrift von den Verfahrenskosten
ausgenommen.
4.4.3
Zahlungsmittel
Der als Sicherheitsleistung
festgesetzte Geldbetrag ist grundsätzlich unbar in Euro bis zum
Zahlungslimit der eingesetzten Girocard, Kredit- oder Flottenkarte,
jedoch nicht über 10.000,- Euro zu verlangen (Bargeldloser Einzug von
Verwarnungsgeldern und Sicherheitsleistungen durch das Verfahren
BARVUS).
Es ist jedoch zulässig,
-
einen Reisescheck, der auf den
festgesetzten Euro-Betrag oder auf einen dem Euro-Betrag etwa
entsprechenden Betrag in ausländischer Währung ausgestellt ist, oder
-
einen Kreditbrief der AIT
(Alliance Internationale de Tourisme), der mindestens auf den
festgesetzten Euro-Betrag oder auf einen dem Euro-Betrag etwa
entsprechenden Betrag in ausländischer verkehrsfähiger Währung
lautet,
entgegenzunehmen.
4.4.4
Art der Sicherheitsleistung
Über andere Arten der
Sicherheitsleistung (z.B. Hinterlegung von Wertpapieren,
Pfandbestellung, Bürgschaft geeigneter Personen gemäß § 132 Absatz 1
Satz 2 i.V.m. § 116 a Absatz 1 StPO) ist nach pflichtgemäßem Ermessen zu
entscheiden. Dabei ist insbesondere zu prüfen, ob anstelle einer
Sicherheit i.S.d. Nummer 4.4.3 der Zweck der Maßnahme auch durch eine
angebotene andere Art der Sicherheitsleistung erfüllt werden kann.
4.4.5
Bargeld
Wenn auf andere Weise die
Sicherheitsleistung nicht zu erlangen ist, kann ausnahmsweise auch
Bargeld in Euro oder ein dem Euro-Betrag entsprechender Betrag in
ausländischer verkehrsfähiger Währung entgegengenommen werden.
Wird als Sicherheit Bargeld
entgegen genommen (ggf. auch eine andere Art der Sicherheit), ist es von
der Polizei unverzüglich der Kasse der für die Ahndung zuständigen
Ordnungsbehörde oder der zuständigen Gerichtskasse zuzuleiten.
4.4.6
Niederschrift
Über die Erhebung der
Sicherheitsleistung ist eine Niederschrift gemäß Vordruck
„Quittung/Niederschrift über eine Sicherheitsleistung“ (Anlage 2) zu
fertigen. Die Niederschrift wird zum Vorgang gegeben. Je eine
Ausfertigung der Niederschrift ist für die Verfahrensakte, für den
Zustellungsbevollmächtigten, für die Polizei sowie für den
Beschuldigten/Betroffenen bestimmt.
4.4.7
Belehrung
Dem Beschuldigten/Betroffenen ist
das Formular „Hinweise/Belehrung zur Niederschrift über eine
Sicherheitsleistung“ (Anlage 4) auszuhändigen.
4.4.8
Fehlende Sicherheit
Kann im Einzelfall keine
Sicherheit erlangt und kein dem Beschuldigten/Betroffenen gehörender
Gegenstand gemäß Nummer 4.6 beschlagnahmt werden, ist ein entsprechender
Vermerk in die Anzeige aufzunehmen. Das Ausfüllen des Vordruckes
„Quittung/Niederschrift über eine Sicherheitsleistung“ (Anlage 2)
beschränkt sich dann auf die Benennung des Zustellungsbevollmächtigten.
4.4.9
Überweisung an die Kasse der
Ordnungsbehörde
In Ordnungswidrigkeitenverfahren
(Nr. 4.2 ff.) sind die Überweisung an die Kasse der für die Ahndung
zuständigen Ordnungsbehörde und die Übersendung des Vorgangs an die
Ordnungsbehörde unverzüglich zu veranlassen. Gleiches gilt für die
Überweisung an die Gerichtskasse in Strafsachen (Nr.4.3 ff.). Es ist
sicherzustellen, dass die Staatsanwaltschaft hierüber eine entsprechende
Information erhält.
4.5
Zustellung
4.5.1
Zustellungsbevollmächtigte Person
Neben der Sicherheitsleistung ist
anzuordnen, dass der Beschuldigte/Betroffene eine im Bezirk des
zuständigen Gerichts (§ 68 OWiG) wohnende Person zum Empfang von
Zustellungen bevollmächtigt.
Die Anordnung, eine
zustellungsbevollmächtigte Person zu benennen, ist auch dann zu treffen,
wenn im Einzelfall keine Sicherheitsleistung erlangt und kein dem
Beschuldigten/Betroffenen gehörender Gegenstand beschlagnahmt werden
kann. Name und Anschrift der zustellungsbevollmächtigten Person werden
in der Anzeige vermerkt.
4.5.2
Andere Zustellungsbevollmächtigte
Als Zustellungsbevollmächtigte
kommen in Ordnungswidrigkeitenverfahren Angehörige der Ordnungsbehörde,
im Übrigen Rechtsanwälte, Vertreter von Automobilverbänden oder sonstige
geeignete Personen in Betracht. Die Polizeibehörden haben im
Einvernehmen mit den Verwaltungs- und Justizbehörden eine entsprechende
Liste zu führen.
Falls der Beschuldigte/Betroffene
einen Rechtsanwalt als Zustellungsbevollmächtigten bestellen will, ist
er darauf hinzuweisen, dass er den Rechtsanwalt beauftragen muss und
dass hierdurch für ihn Kosten entstehen. Für den Fall, dass der
Rechtsanwalt den Auftrag nicht annimmt, ist vorsorglich eine weitere
zustellungsbevollmächtigte Person zu bestellen.
4.6
Beschlagnahme
4.6.1
Sachen und Bargeld
Befolgt der
Beschuldigte/Betroffene die Anordnung der Sicherheitsleistung nicht oder
lehnt er es ab, eine zustellungsbevollmächtigte Person zu bestellen, so
können Beförderungsmittel und andere Sachen (auch Bargeld), die der
Beschuldigte/Betroffene mit sich führt und die ihm gehören, gemäß § 46
Absatz 1 OWiG i.V.m. § 132 Absatz 3 StPO beschlagnahmt werden.
4.6.2
Auswahl
Bei der Entscheidung, welche
Sachen zu beschlagnahmen sind, ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit
zu beachten. Würde die Beschlagnahme eine unverhältnismäßige Härte für
den Beschuldigten/Betroffenen zur Folge haben, ist von einer
Beschlagnahme abzusehen.
Im Einzelnen gilt Folgendes:
Der Wert der beschlagnahmten
Sachen soll nicht mehr als das Doppelte der geforderten Sicherheit
betragen. Das Kraftfahrzeug des Beschuldigten/Betroffenen soll nicht
beschlagnahmt werden, wenn andere geeignete Gegenstände zur Verfügung
stehen. Nicht beschlagnahmt werden sollen ferner Gegenstände, die
während der Beschlagnahme verderben oder erheblich an Wert verlieren
können oder deren Aufbewahrung, Pflege oder Erhaltung mit
unverhältnismäßig hohen Aufwendungen oder Schwierigkeiten verbunden ist.
Nicht beschlagnahmt werden sollen
Sachen, die gemäß § 811 ZPO unpfändbar sind.
4.6.3
Niederschrift
Über die Beschlagnahme ist eine
Niederschrift unter Benutzung des Vordruckes „Quittung/Niederschrift
über eine Sicherheitsleistung“ (Anlage 2) aufzunehmen. Die Nummern 4.4.6
bis 4.4.8 gelten sinngemäß. [En03] 3
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§ 132 StPO
(Sicherheitsleistung anlässlich von Bagatelldelikten)
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06 Quellen
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Die Quellen wurden am angegebenen Zeitpunkt
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Endnote_01
Betroffener
Erich Göhler
Ordnungswidrigkeitengesetz
10. Auflage, S. 429, Rn. 49
Zurück
Endnote_02
Dringender Tatverdacht
SK-StPO II
Paeffgen, § 112 StPO
Seite 710 Rn. 9
Zurück
Endnote_03
Verfolgung von Verkehrsverstößen durch die Polizei und Erhebung von
Sicherheitsleistungen bei Ordnungswidrigkeiten und Straftaten Verfolgung
und Ahndung von Verkehrsordnungswidrigkeiten durch die Ordnungsbehörden
RdErl. d. Ministeriums für Inneres und Kommunales – 43.8 – 57.04.16 - v.
2.11.2010
https://recht.nrw.de/lmi/owa/br_vbl_detail_text?anw_nr=7&vd_id=12400&vd_back=N786&sg=&menu=1
Aufgerufen am 15.05.2015
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