VVPolG NRW zu
§ 1
TOP
1
Aufgaben der Polizei (zu § 1)
1.1 (zu Absatz 1)
1.11
Nach dem Polizeigesetz des Landes
Nordrhein-Westfalen ist es Aufgabe der Polizei, Gefahren sowohl
für die öffentliche Sicherheit als auch für die öffentliche
Ordnung abzuwehren.
Die
öffentliche Sicherheit bezieht sich auf die Unversehrtheit der
gesamten materiellen Rechtsordnung, von Rechten und Rechtsgütern
des Einzelnen und von Einrichtungen und Veranstaltungen des
Staates.
Unter
öffentlicher Ordnung ist die Gesamtheit jener ungeschriebener
Regeln für das Verhalten der Einzelnen in der Öffentlichkeit
anzusehen, deren Beachtung nach den jeweils herrschenden
Anschauungen als unerlässliche Voraussetzung eines geordneten
staatsbürgerlichen Gemeinschaftslebens betrachtet wird.
In Bezug auf
die öffentliche Ordnung ist die Polizei legitimiert, im
Einzelfall gegen belästigendes Verhalten in der Öffentlichkeit,
das noch unter der Schwelle einer Ordnungswidrigkeit gemäß §§
116 ff. OWiG bleibt, einzuschreiten. Sie kann - ebenso wie die
Ordnungsbehörden - Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, die
geeignet sind das Sicherheitsgefühl der Bürgerinnen und Bürger
in der Öffentlichkeit zu beeinträchtigen, unterbinden.
Die
vorrangige Zuständigkeit der Ordnungsbehörden, Gefahren für die
öffentliche Ordnung abzuwehren, bleibt erhalten.
1.12
§ 1 Abs. 1 stellt auf die
abstrakte Gefahr ab und umfasst damit auch alle Fälle,
in denen bereits eine konkrete Gefahr vorliegt.
1.13
Die Vorsorge für die Verfolgung
künftiger Straftaten wurde aus dem Aufgabenkatalog der Polizei
entfernt, da sie systematisch zu den Regelungen des
gerichtlichen Verfahrens zählt, und damit der
Gesetzgebungskompetenz des Bundes unterliegt.
01 Behördenzuständigkeit
TOP
Polizeiliche Aufgaben
werden in Polizeibehörden von dort tätigen Amtswaltern ausgeübt.
Diese nehmen an der Zuständigkeit der Behörden teil, in denen
sie ihren Dienst versehen, siehe
§ 1 PolG NRW
(Aufgaben der Polizei).
[Behördenzuständigkeit:] Hoheitliche Aufgaben werden in der
Bundesrepublik Deutschland von Behörden ausgeübt. Behörde im
Sinne der Legaldefinition des Verwaltungsverfahrensgesetzes,
siehe
§ 1 Abs. 4 VwVfG (Anwendungsbereich), ist jede
Stelle, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrzunehmen
hat.
Das VwVfG geht von einem
weiten Behördenbegriff aus.
Danach sind - ohne
Rücksicht auf ihre Bezeichnung - alle Stellen als Behörden
anzusehen - die im eigenen Namen und in eigener Zuständigkeit
hoheitliche Maßnahmen treffen können.
Polizeibehörden erfüllen
diese Voraussetzungen.
[Träger der Polizei:]
In Deutschland ist die Polizei grundsätzlich Angelegenheit der
Länder. Das bedeutet, dass jedes Bundesland über eine eigene
Polizei verfügt. Unabhängig davon unterhält der Bund zwei eigene
Polizeien: die Bundespolizei und das Bundeskriminalamt. Aus
Gründen der sprachlichen Vereinfachung wird im Folgenden nur von
Länderpolizeien gesprochen.
Träger der Polizei ist
stets das Land (bzw. der Bund). In dieser Eigenschaft obliegt es
dem jeweiligen Träger der Polizei, sein Personal zu
»alimentieren«. Das heißt, für die Besoldung und Versorgung
seiner Beamtinnen und Beamten zu sorgen und die Kosten für die
Ausrüstung, Bewaffnung, den Fahrzeugpark und für den Bau, die
Anmietung und den Unterhalt von Polizeidienststellen zu tragen.
[Oberste
Landesbehörden:] Oberste Behörde einer jeden Landespolizei
ist das Landesinnenministerium (Innensenat). Diese obersten
Behörden üben über alle nachgeordneten Polizeibehörden die
Dienst- und Fachaufsicht aus und sind dazu berechtigt, durch
Erlasse das Handeln nachgeordneter Behörden zu regeln.
Ministerielle Erlasse
müssen von den weisungsgebundenen Polizeibehörden beachtet
werden. Gleiches gilt für die Amtswalter der Behörden.
Durch Erlasse kann das
Ermessen von Behörden eingeschränkt werden.
[Polizeibehörden in
NRW:] In Nordrhein-Westfalen gibt es insgesamt 47
Kreispolizeibehörden (18 Polizeipräsidien und 29 Landräte).
Diesen Polizeibehörden ist ein örtlich genau kartografierter
Zuständigkeitsbereich zugeordnet. Polizeibeamtinnen und
Polizeibeamte, die in Kreispolizeibehörden ihren Dienst
versehen, machen die Polizei für dort lebende Menschen
erfahrbar.
Darüber hinausgehend gibt
es weitere Polizeibehörden, die aber vernachlässigt werden
können, wenn es darum geht, das polizeiliche Eingriffsrecht zu
erörtern.
Dennoch sollen sie hier
namentlich aufgeführt werden:
-
Landeskriminalamt NRW
(LKA NRW)
-
Landesamt für Zentrale
Polizeiliche Dienste (LZPD)
-
Landesamt für
Ausbildung, Fortbildung und Personalangelegenheiten der
Polizei (LAFP)
-
Präsidium der
Wasserschutzpolizei.
Überwiegend wird »Polizei«
in den Kreispolizeibehörden von Menschen erfahren, bei der
Wasserschutzpolizei und im Zuständigkeitsbereich des
Landeskriminalamtes dort, wo sich »Menschen und
Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte« ebenfalls täglich begegnen.
[Hinweis:] Auch das
Landesamt für Ausbildung, Fortbildung und
Personalangelegenheiten (LAFP NRW) und das Landesamt für
Zentrale polizeiliche Dienste (ZPD) sind Polizeibehörden im
Sinne des Polizeiorganisationsgesetzes NRW (POG NRW).
Dieses
Gesetz überträgt allen Polizeibehörden dort näher beschriebene
Aufgaben.
Dazu später mehr.
[Amtswalter nehmen an
der Behördenzuständigkeit teil:] Angewendet wird das
polizeiliche Eingriffsrecht von Polizeibeamtinnen und
Polizeibeamten, die als Amtswalter von Polizeibehörden Maßnahmen
anordnen und durchsetzen. Deren Maßnahmen werden den
Polizeibehörden zugeordnet, für die diese Amtswalter tätig
werden.
Das hat für die
Betroffenen polizeilicher Maßnahmen von Vorteil, dass sie sich
direkt an die zuständige Polizeibehörde wenden können, wenn es
darum geht, Ansprüche geltend zu machen.
[Beispiel:] In einer Polizeibehörde ist es zu einem
Schusswechsel mit bewaffneten Straftätern gekommen. Ein Mann,
der zufällig am Fenster stand, wurde von einem Querschläger
getroffen und schwer verletzt. Es stellt sich heraus, dass die
Kugel aus einer Polizeipistole abgefeuert wurde. Rechtslage?
Der Mann wurde von einer
Kugel getroffen, die aus einer Polizeiwaffe abgefeuert wurde.
Dieser Schaden verursacht nicht nur Schmerzen, sondern auch
erhebliche Kosten. Da der Verletzte für die Ursache seiner
Verletzung nicht verantwortlich ist, kann er die Polizeibehörde
in Anspruch nehmen, die diesen Schaden durch einen ihrer
Amtswalter verursacht hat. Für alle Ansprüche, die dem
Geschädigten aus diesem »Sonderopfer« entstehen, hat das Land
als Träger der Polizei einzustehen.
Das folgt unmittelbar aus
Art. 34 GG.
Dort heißt es:
Verletzt jemand in
Ausübung eines ihm anvertrauten öffentlichen Amtes die ihm einem
Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so trifft die
Verantwortlichkeit grundsätzlich den Staat oder die
Körperschaft, in deren Dienst er steht. Bei Vorsatz oder grober
Fahrlässigkeit bleibt der Rückgriff vorbehalten. Für den
Anspruch auf Schadensersatz und für den Rückgriff darf der
ordentliche Rechtsweg nicht ausgeschlossen werden.
Der Geschädigte kann also
die Polizeibehörde verklagen, seine Klage muss sich nicht gegen
den Beamten richten, der den Schuss abgefeuert hat. Diesen
Nachweis könnte die von dem Querschläger verletzte Person auch
gar nicht erbringen.
[Persönliche
Verantwortung:] Polizeibeamte können für die Folgen ihres
Handelns nur dann in Regress genommen werden, wenn sie
vorsätzlich oder »grob fahrlässig« gehandelt haben. Das ergibt
sich aus § 48 BeamtStG (Pflicht zum Schadenersatz).
[Beispiel:]
Um seine Streifentätigkeit aufnehmen zu können, öffnet ein
Polizeibeamter das Tor einer Garagenhalle in der Vorstellung,
dass hinter dem Garagentor der Streifenwagen steht, der ihm
zugewiesen wurde. Das ist leider nicht der Fall. Sein
Streifenwagen steht zwei Garagentore weiter links.
Gedankenverloren setzt sich der Beamte hinter das Steuer des ihm
zugeordneten Dienstfahrzeuges und legt den Rückwärtsgang ein,
ohne daran zu denken, dass das Garagentor hinter ihm noch
geschlossen ist. Das bemerkt er erst, als das Tor beim
Rückwärtsfahren sich beim Zusammenprall mit einem kreischenden
Geräusch »aus seiner Halterung verabschiedet«. Der Schaden
beläuft sich auf 10 000 Euro. Rechtslage?
Für den Schaden kann der
Beamte nur dann in Regress genommen werden, wenn er vorsätzlich,
zumindest aber grob fahrlässig gehandelt hat. Anzunehmen ist,
dass der Beamte den Schaden nicht absichtlich herbeigeführt hat,
so dass Vorsatz ausscheidet. Zu prüfen ist aber, ob dem Beamten
grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen ist.
Grob fahrlässig handelt,
wer »die im Verkehr erforderliche Sorgfalt gröblich außer Acht
lässt.«
Mit anderen Worten:
Bei grober Fahrlässigkeit
handelt es sich »schlechthin um eine unentschuldbare
Pflichtverletzung, die das gewöhnliche Maß erheblich
übersteigt.« Das setzt »unbekümmertes und leichtfertiges
Handeln« voraus. Grob fahrlässig handelt schließlich auch
derjenige, der »einfachste Überlegungen nicht anstellt und keine
Maßnahmen ergreift, die jedermann einleuchten müssen.«
Grob fahrlässig ist ein
Handeln immer dann, wenn sich jeder vernünftige Mensch an den
Kopf fasst und sagt: »Wie kann man nur!«
[Auch rechtswidrige
Maßnahmen von Polizeibeamten werden der Polizeibehörde
zugeordnet:] Mit Urteil vom 18.11.2015 hat zum Beispiel das
VG Stuttgart entschieden, dass der Wasserwerfereinsatz im
Stuttgarter Schlossgarten am 30.09.2010 rechtswidrig war. Bei
diesem Wasserwerfereinsatz hatte ein Mann fast sein gesamtes
Augenlicht verloren. [En01] 1
Für die sich aus diesem
Einsatz ergebenden zivilen Rechtsansprüche wird die
Polizeibehörde aufkommen müssen.
Ob die handelnden
Polizeibeamten dafür von der Polizeibehörde in Regress genommen
werden, liegt im Ermessen der Polizeibehörde.
[Strafbefehle gegen
Polizeibeamte:] Bereits im August 2013 hatte das Amtsgericht
Stuttgart Strafbefehle gegen drei Polizisten erlassen, die im
September 2010 an einem Wasserwerfereinsatz gegen Demonstranten
am Stuttgarter Hauptbahnhof beteiligt waren. Nach Informationen
der Stuttgarter Zeitung erhielten der Staffelführer und ein
Kommandant je sieben Monate Freiheitsstrafe auf Bewährung. Ein
zweiter Kommandant soll eine Geldstrafe von 120 Tagessätzen
zahlen. [En02] 2
[Fazit:] Maßnahmen
von Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten werden den
Polizeibehörden zugeordnet, für die Amtswalter tätig werden bzw.
tätig geworden sind. Nur bei vorsätzlichem oder grob
fahrlässigem Handeln kann die in »Anspruch genommene Behörde«
den für sie handelnden Amtswalter in Regress nehmen.
[Hinweis:] Im
Zusammenhang mit Maßnahmen von Polizeibeamten, die auf
Anforderung anderer Länder dort eingesetzt werden, wird die
Frage der Zuordnung polizeilicher Maßnahmen noch einmal
aufgegriffen.
Dazu später mehr.
01.1 Polizeiliche Aufgaben
im Überblick
TOP
Aufgaben (oder
Zuständigkeiten) werden der Polizei durch Gesetz oder
Rechtsverordnungen übertragen.
[Aufgaben im
Überblick:] Aufgabe der Polizei ist es, Gefahren abzuwehren
und Straftaten und Ordnungswidrigkeiten zu verfolgen. Außerdem
ist die Polizei zuständig für die Überwachung des
Straßenverkehrs und für den Schutz friedlich verlaufender
Versammlungen. Unter gewissen Voraussetzungen hat die Polizei
auch private Rechtsansprüche zu sichern. Außerdem leistet die
Polizei Vollzugshilfe, wenn andere Behörden sie darum ersuchen.
Hinzu kommen die durch Gesetz und Rechtsverordnungen
übertragenen weiteren Aufgaben.
[Aufgabenübertragung
durch Gesetz:] Bevor die o.g. Aufgaben im Einzelnen
erläutert werden, gilt es Folgendes festzustellen:
Die polizeiliche
Aufgabenzuweisung erfolgt immer auf der Grundlage einer
gesetzlichen Regelung. Diese können den Verordnungsgeber dazu
ermächtigen, Zuständigkeitsfragen auch in Rechtsverordnungen
oder speziellen Zuständigkeitsverordnungen zu bestimmen.
Im Folgenden werden zuerst
einmal die gesetzlich geregelten polizeilichen
Kern-Zuständigkeiten erörtert:
[§ 1 PolG NRW:] Bis
zum Inkrafttreten des Polizeiorganisationsgesetzes NRW am 5.
Juli 2002 (POG NRW) waren alle polizeilichen Zuständigkeiten
direkt im Polizeigesetz geregelt, siehe
§ 1 PolG NRW
(Aufgaben der Polizei).
Das POG NRW hat dies
geändert, indem den Polizeibehörden des Landes einzelne
Zuständigkeiten in diesem Gesetz detaillierter zugewiesen
wurden. Es handelt sich dabei aber weitgehend um die gleichen
Zuständigkeiten, die auch heute noch im § 1 PolG NRW (Aufgaben
der Polizei) benannt sind.
Für die nachfolgend
aufgeführten Aufgaben ergibt sich die polizeiliche Zuständigkeit
weiterhin nur aus § 1 PolG NRW:
-
Verhütung von
Straftaten
-
Vorbeugende Bekämpfung
von Straftaten
-
Vorbereitung für die
Hilfeleistung und das Handeln in Gefahrenfällen
-
Zuständigkeit der
Ordnungsbehörden
-
Schutz privater Rechte
-
Vollzugshilfe.
Diese Zuständigkeiten
kennt das POG NRW nicht.
[Regelungen des POG
NRW:] Bei den im Polizeiorganisationsgesetz NRW enthaltenen
Regelungen zur sachlichen und örtlichen Zuständigkeit handelt es
sich um spezialgesetzliche Normen.
Daraus kann abgeleitet
werden, dass entsprechend dem Grundsatz »spezielle Regelung vor
allgemeiner Regelung« für den Nachweis der polizeilichen
Zuständigkeit ausschließlich die Regelungen des POG NRW
maßgeblich sind, soweit es sich um Zuständigkeiten handelt, die
das POG NRW benennt.
Für die dort nicht
geregelten Aufgaben ergibt sich folglich die sachliche Zuständigkeit
weiterhin aus
§ 1 PolG NRW
(Aufgaben der Polizei).
[PolG NRW oder POG
NRW?] Sowohl beim PolG NRW als auch beim POG NRW handelt es
sich um - vom Landesparlament NRW verabschiedete - gleichrangige
Gesetze. Deshalb ist es aus rechtstheoretischer Sicht eigentlich
unbedeutend, aus welcher gesetzliche Zuständigkeitsregelung sich
polizeiliche Zuständigkeiten ableiten lassen.
Im Interesse gesetzlicher
Klarheit wird vorgeschlagen, immer die gesetzlichen
Zuständigkeitsregelungen zur Anwendung kommen zu lassen, die
detaillierter gefasst sind.
[Komplexität von
Zuständigkeitsragen:] Zuständigkeiten sind nicht immer
leicht nachzuweisen. Oftmals handelt es sich dabei um lange
Paragraphenketten.
01.2 Bedeutung der
Zuständigkeit
TOP
In einem Rechtsstaat hat
ein jedermann einen Anspruch auf das Handeln der zuständigen
Behörde. Dieser Anspruch ist so bedeutsam, dass niemand darauf
verzichten kann.
Mit anderen Worten:
Ein Verzicht auf die
Einhaltung von Zuständigkeitsregelungen lässt das Gesetz nicht
zu.
Für Amtswalter von
Behörden bedeutet das, dass Zuständigkeitsregelungen zu beachten
sind. Das gilt sowohl für die »örtliche« als auch für die
»sachliche« Zuständigkeit.
Maßnahmen, die von nicht
zuständigen Beamten getroffen werden, sind deshalb in der Regel
rechtswidrig.
[Beispiel:] Polizeibeamte erlassen keine Steuerbescheide.
[Hinweis:] In den
folgenden Randnummern werden nur die Fragen zur Zuständigkeit
erörtert, die aus polizeilicher Sicht für rechtmäßiges
Einschreiten bedeutsam sind.
Nicht erörtert werden:
-
Instanzielle
Zuständigkeitsprobleme, die dadurch gekennzeichnet sind,
dass Aufgaben unterschiedlichen Verwaltungsebenen zugeordnet
sind
-
Funktionale
Zuständigkeiten, die im Geschäftsverteilungsplan einer
Behörde geregelt sind und die erkennen lassen, welche
polizeilichen Aufgaben von welcher Organisationseinheit zu
erledigen sind, zum Beispiel: Mordkommission,
Spurensicherung, SEK etc.
-
Auch
Zuständigkeitskonflikte, die die Einbeziehung von
Aufsichtsbehörden zur Entscheidungsfindung erforderlich
machen, werden nicht thematisiert
-
Gleiches gilt für die
Verpflichtung von Behörden zur Weiterleitung des Vorgangs an
zuständige Stellen, wenn eine Behörde feststellt, dass sie
nicht zuständig ist.
[Fazit:] Die
Vorschriften über die Zuständigkeit der Behörden dienen nicht
nur der guten Ordnung in der Behördenorganisation, sondern auch
dem Schutz des Bürgers.
Mit anderen Worten:
Es gibt sowohl eine
gesetzliche Pflicht als auch ein Recht auf Wahrung der
Behördenzuständigkeit.
02 Örtliche Zuständigkeit
TOP
Örtlich zuständig ist die
Polizeibehörde, in deren Zuständigkeitsbereich polizeilich zu
schützende Interessen gefährdet sind.
Das ergibt sich aus
§ 7
POG NRW (Örtliche Zuständigkeit der
Polizeibehörden und der Polizeivollzugsbeamtinnen und
Polizeivollzugsbeamten in Nordrhein-Westfalen).
Hinweis:] Die
Überschrift von § 7 POG NRW lässt vermuten, dass es neben der
»Behördenzuständigkeit« auch eine »Amtswalterzuständigkeit«
gibt. Das ist jedoch nicht der Fall. Die direkte Einbeziehung
von Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten ist nichts anderes als
der Hinweis darauf, dass diese Amtswalter an der
»Behördenzuständigkeit« teilnehmen, erforderlichenfalls sogar
landesweit (§ 7 Abs. 3 POG NRW).
[Bedeutung der
örtlichen Zuständigkeit:] Die Beachtung der örtlichen
Zuständigkeit liegt nicht nur im öffentlichen Interesse einer
arbeitsteilig organisierten »öffentlichen Verwaltung«. Durch die
örtliche Begrenzung des Handlungsbereiches einer Behörde wird
sichergestellt, dass anlassbezogen auch ortsbezogene
Erkenntnisse mit in zu treffende polizeiliche Maßnahmen
einfließen.
Werden Fragen, die die
örtliche Zuständigkeit betreffen nicht beachtet, hat das
grundsätzlich zur Folge, dass die getroffene Maßnahme dadurch
rechtswidrig wird.
Mit anderen Worten:
Jede in einem
Polizeibezirk sich aufhaltende Person hat einen Anspruch darauf,
dass die örtlich zuständige Polizeibehörde tätig wird, wenn
polizeilich zu schützende Interessen polizeiliches Einschreiten
erfordern.
Diese Aussage wird jedoch
dadurch relativiert, dass Maßnahmen, die unter Verletzung von
Vorschriften über das Verfahren, die Form oder die »örtliche
Zuständigkeit« zustande gekommen sind, dennoch Bestand haben
können, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung (der
örtlichen Zuständigkeit) die Entscheidung der zuständigen
Behörde nicht beeinflusst hätte, wenn sie tätig geworden
wäre.
Siehe
§ 46 VwVfG
(Folgen von Verfahrens- und Formfehlern).
Das bedeutet, dass
Maßnahmen nicht zwangsläufig rechtswidrig werden, nur weil eine
nicht örtlich zuständige Behörde gehandelt hat. Eine solche
Maßnahme hat Bestand, wenn sie auch von der örtlich zuständigen
Behörde getroffen worden wäre.
Im polizeilichen Berufsalltag
sind jedoch kaum Fälle denkbar, in denen aufgrund mangelnder
örtlicher Zuständigkeit getroffene polizeiliche Maßnahmen
rechtswidrig werden.
02.1 Land NRW als
Zuständigkeitsbereich
TOP
§ 7 Abs. 3 POG NRW enthält
folgende Regelung: »Jede
Polizeivollzugsbeamtin und jeder Polizeivollzugsbeamte darf
Amtshandlungen im ganzen Land Nordrhein-Westfalen vornehmen,
wenn dies zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr, zur Erforschung
und Verfolgung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten auf
frischer Tat sowie zur Verfolgung und Wiederergreifung
Entwichener erforderlich ist«.
Damit wird zum Ausdruck
gebracht, dass die Polizeibeamten, deren Dienstherr das Land NRW
ist, im gesamten Land NRW örtlich zuständig sind, wenn eine
Situation eilbedürftig ist und deshalb nicht so lange gewartet
werden kann, bis die Beamten der Kreispolizeibehörde
einschreiten können, in deren Zuständigkeitsbereich polizeilich
zu schützende Rechtsgüter verletzt sind.
Dennoch sind die
Amtswalter einer örtlich nicht zuständigen Polizeibehörde
gehalten, begonnene Maßnahmen möglichst schnell an die
»zuständige Kreispolizeibehörde« abzugeben. Deshalb ist die
örtlich zuständige Behörde grundsätzlich zu benachrichtigen,
wenn Polizeibeamte aus anderen Polizeibehörden in »fremden«
Bereichen tätig werden bzw. dort tätig geworden und
Folgemaßnahmen zu treffen sind.
[Hinweis:] Es muss
davon ausgegangen werden, dass diese Regelung nur dann im vollen
Umfang greifen kann, wenn Polizeibeamte während ihres Dienstes
und als solche erkennbar, zum Beispiel anlässlich einer
Dienstreise, mit Situationen konfrontiert werden, die sofortiges
Einschreiten erforderlich machen.
Polizeibeamte, die als
solche nicht erkennbar sind, können nicht davon ausgehen, dass
Personen auf ihr Einschreiten so reagieren, wie das zu erwarten
ist, wenn zum Beispiel uniformierte Beamte einschreiten oder
sich mit einem Dienstausweis als Polizeibeamte ausweisen.
Für Polizeivollzugsbeamte,
die sich nicht im Dienst befinden, bedeutet dies insbesondere im
Zusammenhang mit der Verfolgung von Straftaten, dass das
»In den Dienst Versetzen« für sie selbst möglicherweise mit gewissen Risiken verbunden sein
kann.
Warum das so ist, soll an
zwei Beispielen illustriert werden:
[Beispiel:] Ein Polizeibeamter, der seinen Dienst in Münster
versieht, hält sich zurzeit privat in Köln auf und ist Zeuge,
als ein Jugendlicher einer alten Frau die Handtasche aus der
Hand reißt. Als der Jugendliche mit seiner Beute wegrennen will,
greift der Polizist aus Münster beherzt zu. Er hält den auf
frischer Tat Betroffenen fest und benachrichtigt per Handy die
örtlich zuständige Polizei. Als die örtlich zuständigen Beamten
am Einsatzort eintreffen, übernimmt die Kölner Polizei die
weitere Bearbeitung des Falls. Rechtslage?
Der Polizeibeamte aus
Münster ist in Köln grundsätzlich nicht örtlich zuständig, denn
er befindet sich ausschließlich aus privaten und nicht aus
dienstlichen Gründen in der Domstadt am Rhein. Dennoch handelt
der Beamte aus Münster für die örtlich zuständige Polizeibehörde
Köln.
Dass es sich bei einem
Handtaschenraub um eine Straftat handelt, ist offensichtlich.
Folglich durfte der Beamte aus Münster die zur Verfolgung der
Straftat erforderlichen Maßnahmen treffen, denn die Polizei ist
zur Verfolgung von Straftaten sachlich zuständig.
Um die weitere Bearbeitung
des Falls in zuständige Hände zu geben, hat der Beamte aus
Münster unverzüglich die Kölner Polizei um Einschreiten zu
ersuchen. Beim Eintreffen der Polizeibeamten aus Köln wird der
Beamte aus Münster die örtlich zuständigen Polizeibeamten um
weitere Bearbeitung des Sachverhalts ersuchen.
[Beispielsabwandlung:] Als der Beamte aus Münster - der sich
aus privaten Gründen in Köln befindet - den Jugendlichen
ergreift, zieht dieser ein Messer und verletzt damit den Beamten
- der für ihn nicht als Polizeibeamter zu erkennen ist - schwer,
bevor er sich auf Nimmerwiedersehen verabschiedet. Die dem
Beamten zugefügten Verletzungen führen dazu, dass der Beamte
dauerhaft polizeidienstuntauglich wird und folglich aus dem
Polizeidienst ausscheiden muss. Der Beamte, der gerade sein
Studium beendet und erst seit wenigen Monaten im
Polizeipräsidium in Münster Polizeidienst versieht macht
geltend, einen Dienstunfall im Sinne des
Beamtenversorgungsgesetzes (BeamtVG) erlitten zu haben.
Rechtslage?
Es würde zu weit führen,
das aufgeworfene Rechtsproblem mehr als grob zu skizzieren:
Gemäß
§ 4 BeamtVG
(Entstehen und Berechnung des Ruhegehalts) wird ein Ruhegehalt
nur gewährt, wenn der Beamte 1. eine Dienstzeit von mindestens
fünf Jahren abgeleistet hat oder 2. infolge Krankheit,
Verwundung oder sonstiger Beschädigung, die er sich ohne grobes
Verschulden bei Ausübung oder aus Veranlassung des Dienstes
zugezogen hat, dienstunfähig geworden ist.
Und im
§ 31 BeamtVG
(Dienstunfall) heißt es: (4) Dem durch Dienstunfall verursachten
Körperschaden ist ein Körperschaden gleichzusetzen, den ein
Beamter außerhalb seines Dienstes erleidet, wenn er im Hinblick
auf sein pflichtgemäßes dienstliches Verhalten oder wegen seiner
Eigenschaft als Beamter angegriffen wird.
Ob es dem Beamten gelingen
wird, seine
Versorgungsansprüche durchsetzen zu können, ist mehr als
fraglich, denn sein Dienstherr wird geltend machen, dass er
eingeschritten ist, ohne als Polizeibeamter erkennbar gewesen zu sein
und auch nicht über die Einsatzmittel verfügte, die
Polizeibeamten normalerweise zur Verfügung stehen:
Dienstpistole, Schlagstock und Reizstoffsprühgerät.
[Fazit:]
Polizeibeamte, die sich im Dienst befinden, können im gesamten
Land NRW tätig werden, wenn dazu ein Anlass gegeben ist.
Polizeibeamte, die zurzeit keinen Dienst versehen, weil sie
dienstfrei haben, handeln nach der hier vertretenen
Rechtsauffassung jedoch mehr oder weniger auf »eigene Gefahr«, wenn bei
ihrem Einschreiten schwer wiegende Folgen für sie selbst
eintreten sollten.
Gleiches gilt, wenn
Polizeibeamte in ihrer Freizeit zur Strafverfolgung in anderen
Bundesländern Maßnahmen treffen und dabei selbst zu Schaden
kommen.
Mit anderen Worten:
Örtliche Zuständigkeitsfragen sind für Polizeibeamte nicht
unbedeutend.
02.2 Polizeibehörden
TOP
Örtlich zuständig zur
Erledigung polizeilicher Aufgaben ist grundsätzlich die
Polizeibehörde, in deren Zuständigkeitsbereich (Ortsbereich)
polizeiliches Einschreiten erforderlich ist.
Als Behörde ist jede
organisatorisch selbständige Einrichtung anzusehen, die Aufgaben
der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt. Diesbezüglich ist von
einem weitgefassten Behördenbegriff auszugehen. Polizeibehörden
sind in NRW die Polizeipräsidenten und die Landräte als
Kreispolizeibehörden.
[Beispiel:] Im Innenstadtbereich der Kreispolizeibehörde
Münster, bei der es sich um ein Polizeipräsidium handelt,
ereignet sich ein schwerer Verkehrsunfall. Von der Leitstelle
des PP Münster erhält die Besatzung eines Streifenwagens den
Auftrag, den Unfall aufzunehmen. Rechtslage?
Die Unfallstelle liegt im
Zuständigkeitsbereich der Kreispolizeibehörde Münster (PP
Münster). Polizeilich zu schützende Interessen sind dort
gefährdet. Aufgabe der örtlich zuständigen Polizeibehörde ist es
folglich, den Verkehrsunfall aufzunehmen. Neben der Abwehr von
Gefahren, die von Unfallstellen für andere Verkehrsteilnehmer
ausgehen können, ist es auch polizeiliche Aufgabe, die dem
Unfall zugrunde liegende Unfallursache zu ermitteln. Der
Verursacher des Unfalls hat damit zu rechnen, dass gegen ihn ein
Straf- oder ein Ordnungswidrigkeitenverfahren eingeleitet wird.
Vergleichbares gilt für
alle anderen im Zuständigkeitsbereich einer Polizeibehörde
anfallenden Einsätze.
Hier nur einige Beispiele:
Der örtliche
Zuständigkeitsbereich einer Polizeibehörde ist genau festgelegt.
Das bedeutet, dass der
»Grenzverlauf« zu Nachbarbehörden exakt kartografiert ist.
Innerhalb dieses festgelegten Gebietes ist eine Polizeibehörde
»örtlich« zuständig.
[Rechtsfreie Räume:]
Rechtsfreie Räume darf es innerhalb einer Polizeibehörde nicht
geben. Dennoch gibt es in einigen Großstädten in NRW (Duisburg,
Essen, Dortmund) so genannte Problemviertel.
In der Antwort der
Landesregierung auf eine Kleine Anfrage heißt es im Dezember 2015
wörtlich:
Die Landesregierung stellt
klar, »dass es in Nordrhein-Westfalen keine sogenannten
rechtsfreien Räume gibt. Straftätern wird nachhaltig
verdeutlicht, dass das Gewaltmonopol ausschließlich beim Staat
und seiner Polizei liegt. Die Polizeibehörden in
Nordrhein-Westfalen werden auch weiterhin alle erforderlichen
und rechtlich zulässigen Maßnahmen treffen, um gegen Störer und
Straftäter konsequent vorzugehen und die öffentliche Sicherheit
zu gewährleisten.« [En03] 3
»Ein interner Bericht des
Polizeipräsidiums Duisburg vom vergangenen Sommer spricht
allerdings eine andere Sprache: Demnach gibt es vor allem in
Duisburg mehrere Viertel, in denen kriminelle Clans Bürger und
Beamte einschüchtern. Ähnliche Tendenzen sind laut
Polizeigewerkschaftern ansatzweise auch schon in anderen
Ruhrgebietsstädten wie Gelsenkirchen, Essen und Dortmund zu
beobachten. Als problematisch gelten demnach vor allem
Libanesen-Clans. In Duisburg wird die Polizei deswegen seit
Jahresbeginn von einer Einsatzhundertschaft unterstützt - auch
die Polizei in Gelsenkirchen wird verstärkt.« [En04]
4
[Tätigwerden in
Nachbarbehörden:] Aus gegebenem Anlass kann es notwendig
werden, dass Polizeibeamte bei der Erledigung zugewiesener
Aufgaben auch in den Zuständigkeitsbereichen von Nachbarbehörden
tätig werden.
[Beispiel:] Im Rahmen einer Verfolgungsfahrt verlässt ein
flüchtender Fahrzeugführer den örtlichen Zuständigkeitsbereich
der Kreispolizeibehörde Essen, der von Polizeibeamten aus dieser
Behörde verfolgt wird. Den Beamten aus Essen gelingt es, den
flüchtigen Fahrer im Zuständigkeitsbereich der
Kreispolizeibehörde Gelsenkirchen zu stellen. Diese Behörde
grenzt unmittelbar an den Zuständigkeitsbereich der
Kreispolizeibehörde Essen an. Die Beamten aus Essen stellen
fest, dass der von ihnen auf »fremdem« Gebiet angehaltene
Fahrzeugführer erkennbar unter Alkoholeinwirkung steht, so dass
die Entnahme einer Blutprobe anzuordnen und von einem Arzt
durchzuführen ist. Rechtslage?
Mehrere Lösungen sind
denkbar:
[Lösungsmöglichkeit 1:]
Wenn die Beamten aus Essen nicht wissen, wo in Gelsenkirchen
die Entnahme einer Blutprobe durchgeführt werden kann, werden
sie sich an die Leitstelle der örtlich zuständigen
Polizeibehörde wenden, in der sie den Fahrzeugführer angehalten
haben und um Unterstützung ersuchen. Beim Eintreffen der
»örtlich zuständigen Beamten« wird der »Fall« dann an diese
Beamten abgegeben und von nunmehr örtlich zuständigen Beamten
abgeschlossen.
[Lösungsmöglichkeit 2:]
Die Beamten aus Essen wissen, dass sich nur wenige Kilometer vom
Anhalteort entfernt ein Krankenhaus befindet. Die Beamten aus
Essen informieren die Leitstelle in Gelsenkirchen darüber, dass
sie im Zuständigkeitsbereich des PP Gelsenkirchen einen
Fahrzeugführer angehalten haben, der Alkohol getrunken hat. Die
Beamten aus Essen bitten den Leitstellenbeamten des PP
Gelsenkirchen darum, das Krankenhaus in Gelsenkirchen davon in
Kenntnis zu setzen, dass die Polizei mit einem unter
Alkoholeinwirkung stehenden Fahrzeugführer zur Blutentnahme
kommt.
Für diesen Fall enthält
das POG NRW folgende Regelung: »Die
Polizeibehörden können durch ihre Polizeivollzugsbeamtinnen und
Polizeivollzugsbeamten auch außerhalb ihres Polizeibezirks tätig
werden« (§ 7 Abs. 2 POG NRW).
Das ist der Fall, wenn
Polizeibeamte aus Essen in einem Krankenhaus, das sich im
Zuständigkeitsbereich der KPB Gelsenkirchen befindet, eine
Blutprobe entnehmen lassen.
[Lösungsmöglichkeit 3:]
Der im Zuständigkeitsbereich der KPB Gelsenkirchen angehaltene
alkoholisierte Fahrzeugführer wird von den Beamten aus Essen in
ein Krankenhaus nach Essen gebracht, das ebenfalls ganz in der
Nähe des Anhalteortes liegt.
Auch solch eine
Vorgehensweise ist zulässig.
[Anmerkung:] Die
Beispiele machen deutlich, dass für die Begründung der örtlichen
Zuständigkeit oftmals praktische Überlegungen den Ausschlag
geben. Deshalb ist es kaum vorstellbar, dass in NRW wegen
fehlender »örtlicher Zuständigkeit« eine polizeiliche Maßnahme
rechtswidrig wird.
Eine andere Frage ist, ob
die örtlich zuständige Polizeibehörde davon in Kenntnis zu
setzen ist, wenn Beamte aus anderen Behörden in »fremden«
Zuständigkeitsbereichen tätig werden.
Davon sollte Gebrauch
gemacht werden, wenn das anlassbezogen erforderlich ist. Nicht
jedes Überschreiten von "Behördengrenzen" muss der
Nachbarbehörde mitgeteilt werden, das wäre grotestk.
Fälle, in denen eine Benachrichtigung erforderlich wird:
[Beispiel:] Polizeibeamte aus Münster verfolgen auf der
Autobahn einen flüchtigen Räuber. Der Mann kann von den Beamten
gestellt werden, als er in Wuppertal die Autobahn verlässt.
Rechtslage?
Wuppertal ist von Münster
ca. 100 km entfernt. Bei ihrer Verfolgung haben die Beamten aus
Münster mehrere polizeiliche Zuständigkeitsbereiche
»durchfahren«. Folge davon ist, dass der Räuber im
Zuständigkeitsbereich einer Polizeibehörde angehalten wird, in
dem sich die Polizeibeamten aus Münster nicht auskennen. In
solch einem Fall ist es selbstverständlich, dass Beamte aus der
örtlich zuständigen Polizeibehörde angefordert werden, so dass
beim Eintreffen der Polizeibeamten aus Wuppertal der Räuber
den Beamten der zuständigen Polizei übergeben wird.
02.3 Kriminalhauptstellen
TOP
Kriminalitätshauptstellen
sind Polizeibehörden, deren örtlicher Zuständigkeitsbereich
erweitert ist.
In NRW ist die dafür
maßgebliche Regelung die Kriminalhauptstellenverordnung.
KriminalhauptstellenVO
In dieser Verordnung ist
festgelegt, welche besonders schweren Straftaten nicht von der
eigentlich örtlich zuständigen Polizeibehörde, sondern von der
dafür extra eingerichteten Kriminalhauptstelle zu
bearbeiten sind.
Kriminalhauptstellen
müssen, weil sie über eine spezielle Logistik und über Amtswalter
mit speziellen Kenntnissen verfügen, die Bearbeitung der
nachfolgend aufgeführten Delikte der Schwerstkriminalität
übernehmen:
-
Tötungsdelikte mit Vorsatz
-
Bildung
krimineller Vereinigungen
-
Illegale
Herstellung von Betäubungsmitteln
-
Organisierte Kriminalität und Geldwäsche
-
Erpressungen
-
Bombendrohungen
-
Wirtschaftsstraftaten sowie ausgewählte Delikte der
-
Computerkriminalität.
Zusätzlich übernehmen
Kriminalhauptstellen (unterstützend) Aufgaben der
Kriminalprävention zur Verhütung von Straftaten.
In NRW gibt es
insgesamt 15 Kriminalhauptstellen.
Das Polizeipräsidium Münster
ist z.B. als Kriminalhauptstelle zuständig für den Bereich des
Polizeipräsidiums Münster sowie in den Polizeibezirken der
Kreispolizeibehörden Borken, Coesfeld, Steinfurt und Warendorf.
Die »örtlich zuständigen
Behörden« treffen beim Bekanntwerden von Delikten, deren
Bearbeitung den Kriminalhauptstellen vorbehalten ist, nur
Maßnahmen des ersten Zugriffs.
[Beispiel:] Polizeiliche Ermittlungen in der
Kreispolizeibehörde Borken erhärten den Verdacht, dass dort im
Rahmen organisierter Kriminalität bandenmäßig mit Drogen
gehandelt wird. Rechtslage?
Die Bearbeitung
organisierter Kriminalität fällt nicht in den
Zuständigkeitsbereich der Kreispolizeibehörde Borken. Dafür ist
die 65 km entfernte Kriminalhauptstelle Münster zuständig. Diese
Behörde ist zu benachrichtigen, so dass Mitarbeiter der
Kriminalhauptstelle Münster die weitere Bearbeitung übernehmen
können.
Das ist sinnvoll, denn
Kriminalhauptstellen verfügen über »Mobile Einsatzkommandos
(MEK)«, die bei Bedarf notwendig werdende langfristige
Observationen durchführen können.
Die Entscheidung darüber, ob
ein MEK eingesetzt wird, muss die Kriminalhauptstelle Münster
treffen. Aufgabe der Kriminalhauptstelle ist es auch, die dafür
erforderlichen richterlichen Beschlüsse zu beantragen.
02.4 Sonderregelungen
TOP
Im Zusammenhang mit
polizeilichen Großlagen, die sich über mehrere
Kreispolizeibehörden erstrecken können, kann es erforderlich
werden, einer Polizeibehörde die gesamte Einsatzleitung zu
übertragen.
Diesbezüglich enthält das
POG NRW folgende Regelung:
»Das
Innenministerium kann einer Polizeibehörde für einen im
Einzelnen bestimmten Aufgabenbereich die Weisungsbefugnis
gegenüber anderen Polizeibehörden übertragen, soweit eine
einheitliche Handhabung in diesem Aufgabenbereich erforderlich
ist« (§ 5 Abs. 3 POG NRW - Aufsicht - Dienst- und
Fachaufsicht).
Was damit gemeint ist,
soll an einem Beispiel illustriert werden.
[Hinweis:] Am 23.
August 1989 formten Millionen Litauer, Letten und Esten eine
rund 600 km lange Menschenkette durch ihre Länder, um friedlich
für die Unabhängigkeit von der Sowjetunion zu protestieren. Das
Ereignis gilt als längste Menschenkette der Geschichte. Zwei
Jahre später erlangten alle drei Staaten ihre Unabhängigkeit und
wurden international anerkannt.
[Beispiel:] Heute meldet der Leiter einer Versammlung in der
Kreispolizeibehörde Münster eine Demonstration an, die aus einer
Menschenkette bestehen soll. Die Menschenkette soll die Städte
Münster und Köln verbinden und zeigen, dass auch in der
Bundesrepublik Deutschland Hunderttausende dazu aktiviert werden
können, die völlige Gleichstellung von Schwulen und Lesben durch
friedlichen Protest zu erzwingen. Welche Behörde leitet diesen
Einsatz?
Sollten für die
Gleichstellung von Schwulen und Lesben tatsächlich
Hunderttausende eine ununterbrochene Menschenkette von Münster
bis Köln »auf die Füße« stellen, wäre rechtzeitig vor
Veranstaltungsbeginn vom Innenministerium NRW zu klären, welche
Polizeibehörde diesen Einsatz verantwortlich leiteten soll.
Da die Menschenkette die
örtlichen Zuständigkeitsbereiche mehrerer Polizeibehörden
berührt, wird sich das Polizeipräsidium Münster zur Klärung
dieser Frage an das Innenministerium NRW wenden.
Das Innenministerium in
Düsseldorf entscheidet dann, welche Polizeibehörde den
Großeinsatz leitet. Dadurch wird für die Dauer des Einsatzes die
örtliche Zuständigkeit der damit beauftragten Behörde erweitert.
02.5 Bundesgebiet
TOP
Polizeibeamte können unter
bestimmten Voraussetzungen auch im gesamten Bundesgebiet örtlich
zuständig sein.
Zur Erforschung und
Verfolgung von Straftaten sind Polizeibeamte im gesamten
Bundesgebiet sowohl örtlich als auch sachlich zuständig.
Geregelt ist diese Besonderheit in einem Bund-Länderabkommen und
im Gerichtsverfassungsgesetz (GVG).
Diese Regelungen erweitern
die Zuständigkeit der Polizei bei der Strafverfolgung.
In dem Abkommen ist
geregelt, dass die Polizeibeamten eines jeden
vertragsschließenden Landes dazu berechtigt sind, Amtshandlungen
in anderen Bundesländern vorzunehmen, wenn einheitliche
Ermittlungen notwendig erscheinen und Gefahr im Verzuge besteht.
Gefahr im Verzuge besteht
immer, wenn sofort gehandelt werden muss und aus Zeitgründen
nicht auf das Einschreiten der örtlich zuständigen Polizei
gewartet werden kann.
Dieses Abkommen wurde von
allen Ländern unterzeichnet.
Darüber hinaus sieht es geltendes
Recht vor, dass die Polizeibeamten eines jeden deutschen Landes
dazu befugt sind, die Verfolgung eines Flüchtigen auf das Gebiet
eines anderen deutschen Landes fortzusetzen und den Flüchtigen
dort zu ergreifen. Eine solche Regelung enthält das
Gerichtsverfassungsgesetz (§ 167 GVG).
Selbstverständlich müssen
Polizeibeamte bei länderübergreifenden Einsätzen und Maßnahmen
die jeweils zuständige Polizeibehörde davon in Kenntnis zu
setzen.
[Beispiel:] Polizeibeamte aus Münster verfolgen einen
Straftäter auf der BAB-A1. Der Fahrer kann angehalten werden,
als er in Osnabrück die BAB verlässt. Osnabrück ist eine Stadt
in Niedersachsen. Rechtslage?
Die Verfolgung eines
Tatverdächtigen über die eigenen Landesgrenzen hinaus ist
zulässig. Die Beamten aus Münster (NRW) durften den flüchtigen
Fahrer verfolgen und beim Verlassen der BAB in Osnabrück
(Niedersachsen) den Fahrer anhalten und festnehmen.
Selbstverständlich ist die
örtlich zuständige Polizeibehörde davon in Kenntnis zu setzen.
Das ist in diesem Fall die
Polizei in Osnabrück, weil dort der Flüchtige angehalten wird.
Sollten Folgemaßnahmen erforderlich werden, erfolgt die weitere
Bearbeitung dieser Angelegenheit durch Beamte der örtlich
zuständigen Polizeibehörde.
[Beispiel:] Beamte eines »Mobilen Einsatzkommandos« der
Kriminalhauptstelle Münster observieren im Rahmen einer
langfristig angelegten Observation eine Zielperson, die
bundesweite Kontakte pflegt. Heute traf sich diese Zielperson in
verschiedenen Orten mit bisher unbekannten Personen. Die »Reise«
ging über Köln nach Mainz, im Anschluss danach wurde Freiburg
angefahren und erst in München übernachtete die Zielperson in
einem Hotel. Rechtslage?
Festzustellen ist, dass
Beamte des MEK Münster im Laufe eines Tages in mehreren
Bundesländern eine Zielperson observierten. Das ist eine
polizeiliche Maßnahme, die normalerweise örtlich zuständigen
Polizeibehörden vorbehalten ist.
Besondere Delikte machen
es aber erforderlich, dass die Polizei dazu in der Lage ist,
flexibel auf die Gegebenheiten einer Situation reagieren zu
können.
Für Beamte, die ihren
Dienst in einem »Mobilen Einsatzkommando der Polizei« versehen,
gehört es zum normalen Berufsalltag, bundesweit tätig zu werden.
Die dafür vorhandenen gesetzlichen Regelungen lassen das zu.
[Benachrichtigung
anderer Bundesländer:] In der Regel wird beim Überschreiten
von Landesgrenzen durch den Kommandoführer eines »MEK« die
Leitstelle der jeweiligen Landespolizei davon in Kenntnis
gesetzt, dass Polizeibeamte eines MEK aus einem anderen Bundesland im
jeweiligen »Gastland« polizeiliche Aufgaben wahrnehmen.
[Einschreiten zur
Strafverfolgung außer Dienst:] Im Zusammenhang mit der
örtlichen Zuständigkeit zur Strafverfolgung, die für
Polizeibeamte in NRW greift, wurde bereits auf die damit
verbundenen Gefahren hingewiesen, die entstehen können, wenn
sich Beamte dabei - in ihrer Freizeit - schwere gesundheitliche
Schäden zufügen. Das gilt auch dann, wenn dieser Schaden in
einem anderen Bundesland eingetreten ist.
02.6 Schengenstaaten
TOP
Ein Europa mit offenen
Grenzen macht es erforderlich, dass die Polizei flexibel auf
Straftäter reagieren kann, die jederzeit unkontrolliert in
andere EU-Länder ein- und ausreisen können.
1985 trat das Schengener
Abkommen in Kraft.
Seitdem dürfen
Polizeibeamte der vertragsabschließenden Länder, zum Beispiel
Observation im Hoheitsgebiet eines anderen Landes weiterführen,
wenn der Observation auf Grund eines zuvor gestellten
Rechtshilfeersuchens zugestimmt wurde.
Außerdem dürfen
Polizeibeamte die Verfolgung eines auf frischer Tat bei schweren
Verbrechen oder Vergehen betroffenen Straftäters auf dem
Hoheitsgebiet einer anderen Vertragspartei fortzusetzen, wenn
die zuständigen Behörden wegen der besonderen Dringlichkeit
zuvor nicht unterrichtet werden konnten.
Gleiches gilt, wenn die
verfolgte Person sich in Untersuchungshaft oder Strafhaft befand
und aus der Haft geflohen ist.
Wenn kein
Einstellungsverlangen vorliegt und die örtlichen Behörden nicht
rechtzeitig herangezogen werden können, dürfen die »nacheilenden«
Beamten die Person festhalten, bis die Beamten der jeweiligen
Landespolizei die Identitätsfeststellung oder die Festnahme
vornehmen. Die nacheilenden Beamten dürfen ihre Dienstwaffen mit
sich führen, jedoch nur im Falle der Notwehr gebrauchen.
Spätestens beim
Grenzübertritt nehmen die nacheilenden Beamten Kontakt mit der
zuständigen Behörde des jeweiligen Schengenstaates auf. Die
Verfolgung ist einzustellen, sobald die Vertragspartei auf deren
Hoheitsgebiet die Verfolgung stattfinden soll, dies verlangt.
[Beispiel:] Raubüberfall in Aachen. Der motorisierte Täter
flüchtet über die Grenze nach Belgien. Deutsche Polizeibeamte
verfolgen das Fluchtfahrzeug und können den Täter in Plombières,
etwa 10 km hinter der deutsch-belgischen Grenze in Belgien
stellen. Eine Information an die belgischen Stellen konnte zuvor
nicht durchgeführt werden. Rechtslage?
Die verfolgenden
Polizeibeamten sind Amtswalter des PP Aachen. Dort sind sie
örtlich und sachlich zuständig, wenn es darum geht, polizeiliche
Aufgaben zu erledigen.
Diese Zuständigkeit greift
in Belgien nicht.
Dort können polizeiliche
Maßnahmen nur durchgeführt werden, wenn die Voraussetzungen des
Schengen-Abkommens erfüllt sind.
Dieses Abkommen sieht vor, dass
zum Beispiel die Verfolgung von Straftätern zulässig ist, die
auf frischer Tat bei einer schweren Straftat betroffen wurden
und deshalb verfolgt werden. Zu den schweren Straftaten gehören
auch die Raubdelikte.
Polizeibeamte aus NRW
durften deshalb den Flüchtigen auf das Hoheitsgebiet von Belgien
verfolgen.
Beim Grenzübertritt müssen
die Beamten jedoch sofort Kontakt zu den belgischen Stellen
aufnehmen. Unabhängig davon können die Beamten den
Tatverdächtigen weiter verfolgen und ihn auf belgischem
Hoheitsgebiet anhalten und dort so lange festhalten, bis die
belgische Polizei die Identitätsfeststellung oder Festnahme
vornimmt.
Ein Einstellungsverlangen
setzt voraus, dass die Polizei des »Gastlandes« verlangt, dass
Maßnahmen von Polizeibeamten aus NRW sofort beendet werden
müssen. Solange das nicht der Fall ist, können deutsche
Polizeibeamte auf dem Gebietsbereich angrenzender
Schengen-Staaten tätig werden.
2008 hat auch die Schweiz
dieses Abkommen unterzeichnet.
Damit ist sichergestellt,
dass deutsche Polizeibeamte in allen angrenzenden Ländern
polizeiliche Maßnahmen treffen können, wenn die Voraussetzungen
des Schengen-Abkommens greifen.
02.7 Art. 41 Nacheile
TOP
Hinsichtlich der Art und
Weise zulässiger Nacheile im Bereich der
Schengen-Staaten wird an dieser Stelle der einschlägige Artikel
41 des Schengener Durchführungsabkommens auszugsweise
zitiert, in dem die Nacheile geregelt ist.
Um die Lesbarkeit dieses sehr umfangreichen Artikels zu
»verbessern« wurden geringe sprachliche Veränderungen
vorgenommen.
Artikel 41
(1) Beamte einer
Vertragspartei, die in ihrem Land eine Person verfolgen, die auf
frischer Tat bei der Begehung von oder der Teilnahme an einer
Straftat nach Absatz 4 betroffen wird, sind befugt, die
Verfolgung auf dem Hoheitsgebiet einer anderen Vertragspartei
ohne deren vorherige Zustimmung fortzusetzen, wenn die
zuständigen Behörden der anderen Vertragspartei wegen der
besonderen Dringlichkeit der Angelegenheit nicht zuvor mit einem
der in Artikel 44 vorgesehenen Kommunikationsmittel unterrichtet
werden konnten oder nicht rechtzeitig zur Stelle sind, um die
Verfolgung zu übernehmen. Gleiches gilt, wenn die verfolgte
Person sich in Untersuchungshaft oder Strafhaft befand und aus
der Haft geflohen ist. Spätestens beim Grenzübertritt nehmen die
nacheilenden Beamten Kontakt mit der zuständigen Behörde des
Gebietsstaates auf. Die Verfolgung ist einzustellen, sobald die
Vertragspartei, auf deren Hoheitsgebiet die Verfolgung
stattfinden soll, dies verlangt. Auf Ersuchen der nacheilenden
Beamten ergreifen die örtlich zuständigen Behörden die
betroffene Person, um ihre Identität festzustellen oder die
Festnahme vorzunehmen.
(2) Die Nacheile wird
gemäß einer der nachfolgenden Modalitäten ausgeübt:
-
Die nacheilenden
Beamten können die Person festhalten, bis die Beamten des
Gebietsstaates, die unverzüglich zu unterrichten sind, die
Identitätsfeststellung oder die Festnahme vornehmen.
Das gilt für folgende
Straftaten:
-
Mord
-
Totschlag
-
Vergewaltigung
-
Vorsätzliche
Brandstiftung
-
Falschmünzerei
-
Schwerer Diebstahl,
Hehlerei und Raub
-
Erpressung
-
Entführung und
Geiselnahme
-
Menschenhandel
-
Unerlaubter Verkehr
mit Betäubungsmitteln
-
Verstoß gegen die
gesetzlichen Vorschriften über Waffen und Sprengstoffe
-
Vernichtung durch
Sprengstoffe
-
Unerlaubter Verkehr
mit giftigen und schädlichen Abfällen
-
Unerlaubtes Entfernen
nach einem Unfall mit schwerer Körperverletzung oder
Todesfolge
-
auslieferungsfähige
Straftaten.
Die Nacheile darf nur
unter folgenden allgemeinen Voraussetzungen ausgeübt werden:
-
Die nacheilenden
Beamten sind an die Bestimmungen dieses Artikels und das
Recht der Vertragspartei, auf deren Hoheitsgebiet sie
auftreten, gebunden; sie haben Anordnungen der örtlich
zuständigen Behörden zu befolgen.
-
Die Nacheile findet
lediglich über die Landgrenzen statt.
-
Das Betreten von
Wohnungen und öffentlich nicht zugänglichen Grundstücken ist
nicht zulässig.
Die nacheilenden Beamten
müssen als solche eindeutig erkennbar sein, entweder durch eine
Uniform, eine Armbinde oder durch an dem Fahrzeug angebrachte
Zusatzeinrichtungen; das Tragen von Zivilkleidung unter
Benutzung eines getarnten Polizeifahrzeuges ohne die vorgenannte
Kennzeichnung ist nicht zulässig; die nacheilenden Beamten
müssen jederzeit in der Lage sein, ihre amtliche Funktion
nachzuweisen.
Die nacheilenden Beamten
dürfen ihre Dienstwaffe mit sich führen; der Gebrauch ist - mit
Ausnahme des Falles der Notwehr - nicht zulässig.
Die ergriffene Person darf
im Hinblick auf ihre Vorführung vor die örtlichen Behörden
lediglich einer Sicherheitsdurchsuchung unterzogen werden; es
dürfen ihr während der Beförderung Handschellen angelegt werden;
die von der verfolgten Person mitgeführten Gegenstände dürfen
sichergestellt werden.
Die nacheilenden Beamten
melden sich nach jedem Einschreiten bei den örtlich zuständigen
Behörden der Vertragspartei, auf deren Hoheitsgebiet sie
gehandelt haben und erstatten Bericht; auf Ersuchen dieser
Behörden sind sie verpflichtet, sich bis zur Klärung des
Sachverhalts bereitzuhalten; Gleiches gilt auch, wenn die
verfolgte Person nicht festgenommen werden konnte.
02.8 Europol - INTERPOL
TOP
In einer zunehmend sich
»globalisierenden Welt« muss auch die Polizei dafür Sorge
tragen, dass Kriminalität auch grenzüberschreitend effektiv
verfolgt werden kann. Während das europäische Polizeiamt
(Europol) europaweit agiert, ist INTERPOL weltweit vernetzt.
Das europäische Polizeiamt
(Europol) ist eine europäische Polizeibehörde mit Sitz in Den
Haag. Sie soll die Arbeit der nationalen Polizeibehörden Europas
im Bereich der grenzüberschreitenden organisierten Kriminalität
(OK) koordinieren und den Informationsaustausch zwischen den
nationalen Polizeibehörden fördern. Die Einzelheiten der
Zusammenarbeit sind in EU-Verträgen geregelt. Auf dieser
Grundlage erlassene Verordnungen haben allgemeine Gültigkeit
innerhalb der EU. Ihre Regelungen sind in allen Mitgliedsländern
verbindlich.
Seit 2002 ist Europol
befugt, sich an gemeinsamen Ermittlungsgruppen der
Mitgliedstaaten zu beteiligen und kann einzelne Mitgliedstaaten
auffordern, Ermittlungen aufzunehmen.
Die »International
Criminal Police Organization (ICPO, Organisation internationale
de Police Criminelle – OIPC), oder INTERPOL, ist eine weltweit
tätige Polizei-Organisation mit Sitz in Lyon/Frankreich.
Den insgesamt 182
Mitgliedstaaten stellt INTERPOL Datenbanken zur Verfügung.
Genutzt werden können
folgende Datensätze: gesuchte Personen, gestohlene Autos und
Kunstwerke, vermisste Personen.
Benötigte Auskünfte aus
diesem Datenbestand werden in der Regel unbürokratisch zur
Verfügung gestellt (unter Beachtung vorhandener
Datenschutzregelungen).
Ein Kooperationsabkommen
zwischen INTERPOL und Europol regelt den Datenaustausch zwischen
diesen Behörden. Außerdem können Mitgliedstaaten
Verbindungsbeamte entsenden.
Deutsche
Verbindungsbeauftragte nehmen deren Aufgaben für die Bundesrepublik
Deutschland wahr. Das BKA hat eigene Verbindungsbeamte bei
INTERPOL.
02.9 Anforderung aus
anderen Bundesländern
TOP
Anlässlich besonderer
Einsatzlagen können alle Länderpolizeien sowohl die
Bundespolizei als auch Polizeikräfte aus anderen Bundesländern
anfordern.
Die angeforderten
Unterstützungskräfte treffen für das jeweils ersuchende
Bundesland polizeiliche Maßnahmen.
Diese Maßnahmen richten sich
nach dem Polizeirecht des Bundeslandes, in dem polizeiliche
Maßnahmen zu treffen sind, siehe
§ 9 POG NRW
(Amtshandlungen von Polizeivollzugsbeamtinnen und
Polizeivollzugsbeamten anderer Länder und des Bundes sowie von
Angehörigen des Polizeidienstes anderer Staaten in
Nordrhein-Westfalen).
Großdemonstrationen und
andere Großveranstaltungen machen es oftmals erforderlich, dass
ein Bundesland zur polizeilichen Lagebewältigung aus anderen
Bundesländern Polizeikräfte zur Verstärkung anfordert.
[Beispiel:] Eine angemeldete Großdemonstration in Dresden
(Sachsen) könnte nach Einschätzung der Lage durch die Polizei
eskalieren und einen gewaltsamen Verlauf nehmen. Um zu
erwartende Ausschreitungen bewältigen zu können, werden
Einsatzkräfte aus Niedersachsen, Bremen und Nordrhein-Westfalen
zur Unterstützung angefordert. Rechtslage?
Solche oder andere
polizeiliche Großlagen können es erforderlich machen, dass
Polizeibeamte aus NRW in anderen Bundesländern eingesetzt
werden.
[Rechtslage:]
Polizeibeamte aus anderen Bundesländern, die aufgrund einer
Anforderung in Bundesländern polizeiliche Maßnahmen zu treffen
haben, in denen sie normalerweise keinen Polizeidienst versehen,
nehmen an der Zuständigkeit der Polizei des jeweils anfordernden
Bundeslandes teil.
Maßnahmen, die sie in den
anfordernden Bundesländern treffen, richten sich nach den
Befugnissen des jeweiligen Landes, in dem polizeiliches
Einschreiten erforderlich ist.
Das aber setzt voraus,
dass angeforderte Polizeikräfte aus anderen Bundesländern mit
den jeweils gültigen Länderpolizeigesetzen und den darin
enthaltenen Befugnissen vertraut sind. Das ist aber nicht
leistbar und im Übrigen auch nicht notwendig, denn die
wesentlichen Eingriffsbefugnisse sind in allen
Länderpolizeigesetzen durchaus »vergleichbar« geregelt.
Grund dafür ist, dass sich
die Landesgesetzgeber bei der Formulierung ihrer Polizeigesetze
an dem »Musterentwurf eines einheitlichen Polizeigesetzes«
orientierten, der von der Konferenz der Innenminister von 1972
bis 1976 erarbeitet und im November 1977 beschlossen wurde.
Dennoch hat es
hinsichtlich der Verantwortlichkeiten anlässlich solcher
Einsätze unterschiedliche Rechtsauffassungen gegeben, so dass
die Verantwortlichkeit letztendlich im Juni 2015 vom BVerfG
entschieden wurde.
Siehe folgende Randnummer.
02.10 Verantwortlichkeit
für getroffene Maßnahmen
TOP
Polizeibeamtinnen und
Polizeibeamte werden anlässlich von besonderen polizeilichen
Einsatzlagen oftmals im Zuständigkeitsbereich anderer
Bundesländer eingesetzt.
Hinsichtlich der
Verantwortlichkeiten enthält das Urteil des BVerfG vom
02.06.2015 - 2 BvE 7/11 diesbezüglich wichtige Feststellungen.
Bevor aus dem Urteil
zitiert wird, einige Bemerkungen zum Anlass.
[Anlass:] Rund 20 000 Demonstranten hatten im Februar 2011
in Dresden der Neonaziszene eine klare Niederlage bereitet. Der
geplante Aufmarsch der extremen Rechten wurde vereitelt. Das
Einsatzkonzept der sächsischen Polizei – die von Einheiten der
Bundespolizei unterstützt wurde – sah die rigorose Abschottung
der Gegendemonstranten vor. Dabei kam es mitunter zu äußerst
gewaltsamem und eskalierendem Vorgehen durch einschreitende
Polizeibeamte, das durch zahlreiche Videos im Internet und durch
Augenzeugenberichte dokumentiert wurde. Insbesondere wurde Klage
über massiven und ohne Vorwarnung erfolgten Einsatz von
Pfefferspray bzw. Pepperball sowie von Wasserwerfern geführt.
Um einen besonders
eklatanten Fall von Polizeigewalt handelte es sich (so steht es
in dem o.g. Urteil) beim anlasslosen Einsatz eines Wasserwerfers
auf eine Menschenmenge, die sich friedlich über eine Kreuzung
bewegte.
Das dazugehörige Video ist
etwas langatmig, die Beschreibung aber mit wenigen Worten
möglich. Menschen, die erkennbar friedlich auf einer großen und
weiträumigen Promenade unterwegs sind, werden ohne erkennbaren
Anlass von der Polizei durch den Einsatz von Wasserwerfern
auseinandergetrieben.
Im Urteil des BVerfG vom
02. Juni 2015 - 2 BvE 7/11 heißt es in den Leitsätzen:
-
Das jeweilige Land (in
diesem Fall Sachsen = AR) trägt für das auf Weisung seiner
Beamten erfolgende Handeln der Beamten der Bundespolizei die
Verantwortung. Dem staatlichen Handeln wird in diesen Fällen
demokratische Legitimation durch die Verantwortlichkeit der
Landesregierung gegenüber der Volksvertretung des Landes
verliehen.
-
Der Bund trägt
allerdings – ungeachtet der Weisungsbefugnis des Landes –
die dienstrechtliche Verantwortung für etwaiges
rechtswidriges Verhalten seiner eingesetzten Beamten, denn
diese sind gemäß Art. 20 Abs. 3 GG an Gesetz und Recht
gebunden.
Mit anderen Worten:
Fordert ein Land zur
Unterstützung anlässlich von Großeinsätzen Verstärkungskräfte
aus anderen Ländern oder von der Bundespolizei an, dann haftet
das anfordernde Land für die Folgen alle Maßnahmen,
die von den eingesetzten
Beamten getroffen wurden.
Das gilt auch für die
Folgen rechtswidriger Maßnahmen.
Unabhängig davon obliegt
die Wahrnehmung dienstrechtlicher Verantwortung dem
jeweiligen Dienstherrn, der Verstärkungskräfte zur Verfügung
stellt. Das ist entweder die Bundespolizei oder das
Innenministerium des Landes, das Einsatzkräfte zu Einsätzen in
andere Bundesländer vorübergehend entsendet.
[Dienstrechtliche
Verantwortung:] Die dienstrechtliche Verantwortung verbleibt
bei den Ländern, die Verstärkungskräfte zur Verfügung gestellt
haben. Diese dienstrechtliche Verantwortung umfasst auch den
Schutz des Beamten im Zusammenhang mit qualifizierten
Dienstunfällen.
[Beispiel:] Anlässlich einer gewaltsam verlaufenen
Demonstration in Sachsen wurde eine Polizeibeamtin aus NRW von
einem Stein so unglücklich am Knie getroffen, dass sie dadurch
dienstunfähig wurde. Rechtslage?
In solch einem Fall hat
der Dienstherr der Beamtin, also die Polizei des Landes NRW, für
die Versorgungsansprüche der Beamtin aufzukommen, falls die
Beamtin
dauerhaft dienstunfähig werden sollte.
03 Sachliche Zuständigkeit
TOP
Polizeibeamtinnen und
Polizeibeamte erlassen keine Steuerbescheide und erteilen auch
keine Baugenehmigungen. Sie sind nur für die Aufgaben zuständig,
die der Polizei durch Gesetz und Rechtsverordnung übertragen
worden sind.
Die sachliche
Zuständigkeit der Polizeibehörden ist im
§ 1 PolG NRW
(Aufgaben der Polizei) und in den §§ 10 - 14 des
Polizeiorganisationsgesetzes NRW (POG NRW) geregelt.
-
§ 10 POG NRW
(Allgemeine sachliche Zuständigkeit der Polizeibehörden)
-
§ 11 POG NRW (Sachliche
Zuständigkeit der Kreispolizeibehörden)
-
§ 12 POG NRW
(Autobahnpolizei)
-
§ 13 POG NRW (Sachliche
Zuständigkeit des Landeskriminalamts)
-
§ 13a POG NRW (Sachliche
Zuständigkeit des Landesamtes für Zentrale Polizeiliche
Dienste)
-
§ 13b POG NRW (Sachliche
Zuständigkeit des Landesamtes für Ausbildung, Fortbildung
und Personalangelegenheiten der Polizei)
-
§ 14 POG NRW
(Außerordentliche
Zuständigkeit).
Im hier zu erörternden
Sachzusammenhang werden ausschließlich die Zuständigkeiten der
Kreispolizeibehörden erörtert.
Gemäß
§ 11 POG NRW
(Sachliche Zuständigkeit der
Kreispolizeibehörden) sind die Kreispolizeibehörden zuständig:
-
für die Gefahrenabwehr
insbesondere nach dem Polizeigesetz des Landes
Nordrhein-Westfalen
-
für die Erforschung
und Verfolgung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten; die
Wasserschutzpolizei insoweit nach Maßgabe einer vom
Innenministerium zu erlassenden Rechtsverordnung
-
für die Überwachung
des Straßenverkehrs.
Die Formulierung
»insbesondere« im § 11 POG NRW zeigt, dass der Polizei durch
Gesetz oder Rechtsverordnung auch weitere Aufgabenbereiche
übertragen sein können.
Schaut man sich die
Zuständigkeitsregelungen in ihrer Gesamtheit an, kann
festgestellt werden, dass die Regelungen über die sachliche
Zuständigkeit der Kreispolizeibehörden kompliziert geregelt
sind. Das liegt daran, dass es eine Vielzahl von
Zuständigkeitsverordnungen gibt, in denen zum Teil akribische
Regelungen enthalten sind.
Als Beispiele seien
nur folgende Zuständigkeitsverordnungen (VO) genannt:
-
VO für die Verfolgung
und Ahndung von Verkehrsordnungswidrigkeiten
-
VO über die Bestimmung
der zuständigen Behörden nach der GefahrgutVO-Straße
-
VO für die Verfolgung
und Ahndung von Ordnungswidrigkeiten
-
VO zur Regelung von
Zuständigkeiten auf dem Gebiet des Arbeits-, Immissions- und
technischen Gefahrenschutzes
-
VO über
Zuständigkeiten nach dem Versammlungsgesetz
-
VO zur Durchführung
des Waffengesetzes
-
VO zur Regelung von
Zuständigkeiten nach dem Jugendschutzgesetz und dem Gesetz
über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften.
[POG NRW oder PolG NRW:]
Seit dem Inkrafttreten des POG NRW sind polizeiliche
Zuständigkeiten in zwei Gesetzen geregelt. Im Gegensatz zum PolG
NRW regelt das POG NRW die Zuständigkeiten genauer, dafür aber
nicht abschließend, so dass sich Zuständigkeiten aus beiden
Gesetzen ergeben können.
Polizeiliche Aufgabe ist
es:
-
Gefahren
abzuwehren (§ 1 PolG NRW und § 11 POG NRW)
-
Straftaten
und Ordnungswidrigkeiten zu erforschen und zu verfolgen (§ 1
PolG NRW und § 11 POG NRW)
-
Private
Rechte zu sichern, wenn die dafür erforderlichen
Voraussetzungen gegeben sind (§ 1 PolG NRW)
-
Behörden
Vollzugshilfe zu leisten (§ 1 PolG NRW)
-
Durch
Gesetz und Rechtsverordnung übertragene Aufgaben
wahrzunehmen, wozu auch versammlungsrechtliche Aufgaben
gehören (§ 1 PolG NRW und § 11 POG NRW in Verbindung mit der
VO über Zuständigkeiten nach dem Versammlungsgesetz).
03.1 Prinzip der
Zuständigkeit
TOP
Durch die Übertragung von
Aufgaben an Behörden wird sichergestellt, dass nur kompetente
und fachkundige Amtswalter Sachaufgaben erledigen. Wegen der
Vielfältigkeit hoheitlicher Aufgaben gibt es »unzählige« Gesetze
und Verordnungen, die solche Zuständigkeitsregelungen enthalten.
Unabhängig davon greift
innerhalb der Behördenstruktur auch noch die so genannte
»instanzielle Zuständigkeit«.
[Funktionale
Zuständigkeit aufgrund des Geschäftsverteilungsplans:] Damit
ist gemeint, dass innerhalb einer Behörde Aufgaben grundsätzlich
von Amtswaltern erledigt werden müssen, denen diese Aufgabe
durch den Geschäftsverteilungsplan übertragen worden ist.
[Beispiel:] Uniformierte Polizeibeamte finden am Kanal eine
Wasserleiche. Die Beamten fragen sich, was zu veranlassen ist,
nachdem sie die Leiche ans Ufer gezogen haben?
»Leichensachen« sind von
speziell dafür ausgebildeten Polizeibeamten zu bearbeiten.
Außerdem könnte es sich um Mord oder um ein anderes
Tötungsdelikt handeln. Die Beamten, die den Leichenfund gemacht
haben, benachrichtigen deshalb ihre Leitstelle und die
veranlasst, dass sich »zuständige Kriminalbeamte« aus der
Behörde sich zuerst einmal um diese
polizeiliche Lage kümmern.
Die Kriminalbeamten der
örtlich und sachlich zuständigen Kreispolizeibehörde werden die
Sachbearbeitung aber sofort an die Kriminalhauptstelle abgeben, wenn sich
herausstellen sollte, dass die Leiche Opfer eines
Gewaltverbrechens ist.
03.2 Nicht zuständig
TOP
Im Folgenden wird ein
Beispiel vorgestellt, für deren Bearbeitung die Polizei nicht
zuständig ist.
[Hinweise aus der
Bevölkerung nach den Attentaten von Paris:] Auf der
BKA-Tagung am 18.11.2015 in Mainz wird Bundesinnenminister
Thomas de Maizière in dem Wirtschaftsmagazin »Business
Panorama.de« wie folgt zitiert:
»Die
Bedrohungslage für Deutschland und Europa ist ernst, wirklich
ernst«. Zugleich rief der Innenminister dazu auf, »unsere
Lebensweise« wegen der Terrorgefahr nicht aufzugeben.« [En05]
5
Der Minister sagte:
»Wir
dürfen nicht die Augen verschließen, wir dürfen uns nicht
schämen zu sagen, wenn sich jemand in unserem Umfeld verändert
hat oder sich radikalisiert. Es ist kein Verrat am eigenen Sohn,
an der eigenen Tochter, an der eigenen Familie, am eigenen
Kollegen. Kein Verrat am Mitschüler sondern ein Ausdruck von
Sorge und ein Zeichen von Liebe und Gemeinschaft. Wenn man dafür
sorgt, dass solche Radikalisierungsprozesse abgebrochen werden,
unterbrochen werden, dass wir die Menschen zurückholen in unsere
Gesellschaft.« [En06] 6
Das nachfolgende Beispiel
macht deutlich, was von der Polizei in Zeiten des Terrors
erwartet wird, obwohl das, gelinde gesagt, rechtlich sehr
fragwürdig ist.
[Beispiel:] Eine Lehrerin teilt der Polizei mit, dass sich
einer ihrer Schüler erkennbar radikalisiert. Er weigert sich, am
Musikunterricht teilzunehmen, weil Allah das verbietet und auch
seine Mitschülerinnen fordert der Schüler auf, gefälligst
Kopftücher zu tragen. »Wenn das so weitergeht«, so die Lehrerin,
»weiß ich nicht, wo das enden wird.« Hat die Polizei diesem
Hinweis nachzugehen?
Fraglich ist, ob durch die
Hinweise der Lehrerin überhaupt polizeiliche Aufgaben tangiert
sind.
Dagegen spricht:
Nach der hier vertretenen
Rechtsauffassung fällt der Hinweis der Lehrerin im Beispielsfall
nicht in den Zuständigkeitsbereich der Polizei.
Dennoch kann davon ausgegangen werden, dass solch ein Hinweis
von der Polizei nicht unbearbeitet bleibt, denn in
Zweifelsfällen sind Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte
zumindest immer gut beraten, solch einen Hinweis zu Protokoll zu
nehmen, diesen in den Geschäftsgang zu geben um dann
"Bürokraten" darüber entscheiden zu lassen, was zu tun, bzw. was
zu lassen ist.
Mit anderen Worten:
Es wäre nicht das erste Mal, dass Polizeibeamten vorgeworfen
wurde, einen Hinweis nicht ernst genommen zu haben.
03.3 Gefahrenabwehr
- Polizei und Ordnungsbehörde
TOP
Die sachliche
Zuständigkeit zur Gefahrenabwehr ergibt sich aus § 1 PolG NRW
iVm den §§ 10 und 11 POG NRW.
-
§ 1 PolG NRW
(Aufgaben der Polizei) Die Polizei hat die Aufgabe, Gefahren
für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung abzuwehren
(Gefahrenabwehr).
-
§ 10 POG NRW
(Allgemeine sachliche Zuständigkeit der Polizeibehörden) Die
Polizeibehörden haben die Aufgaben zu erfüllen, die ihnen durch
Gesetz oder Rechtsverordnung übertragen sind.
-
§ 11 POG NRW (Sachliche
Zuständigkeit der Kreispolizeibehörden) Die
Kreispolizeibehörden sind zuständig 1. für die Gefahrenabwehr
insbesondere nach dem Polizeigesetz des Landes
Nordrhein-Westfalen,
[Anmerkung:]
Vornehmste polizeiliche Aufgabe ist es, Gefahren abzuwehren.
Diese polizeiliche Zuständigkeit hat in der Geschichte der
Polizei eine lange Tradition. Bereits im »Allgemeinen Landrecht
für die preußischen Staaten von 1794« heißt es:
»Die nöthigen Anstalten
zur Erhaltung der öffentlichen Ruhe, Sicherheit und Ordnung und
zur Abwendung der dem Publiko oder einzelnen Mitgliedern
desselben bevorstehenden Gefahr zu treffen, ist das Amt der
Polizey.«
[Zuständigkeit der
Polizei zur Gefahrenabwehr:] Die Polizei ist immer dann zur
allgemeinen Gefahrenabwehr zuständig, wenn diese Aufgabe von den
originär zuständigen Ordnungsbehörden nicht rechtzeitig
wahrgenommen werden kann.
Im Gegensatz dazu ist die
Polizei zur:
originär
zuständig.
[Subsidiäre
polizeiliche Zuständigkeit zur allgemeinen Gefahrenabwehr:]
Sind neben der Polizei zur Gefahrenabwehr andere Behörden
zuständig, hat die Polizei in eigener Zuständigkeit tätig zu
werden, soweit ein Handeln der anderen Behörden nicht oder nicht
rechtzeitig möglich erscheint; dies gilt insbesondere für die
den Ordnungsbehörden obliegende Aufgabe, Gefahren abzuwehren,
siehe
§ 1 OBG NRW (Aufgaben der Ordnungsbehörde).
Die Polizei hat die
zuständigen Behörden, insbesondere die Ordnungsbehörden,
unverzüglich von allen Vorgängen zu unterrichten, die deren
Eingreifen erfordern.
Diese so genannte
Doppelzuständigkeit zur Gefahrenabwehr geht davon aus, dass die
Polizei zur allgemeinen Gefahrenabwehr nur subsidiär zuständig
ist.
Fälle, in denen die
Polizei trotz bestehender Doppelzuständigkeit zuständig ist:
-
Müssen außerhalb der
Dienstzeiten originär zuständiger Behörden Sofortmaßnahmen
getroffen werden, ist die Polizei zuständig.
-
Das gilt auch, wenn
situationsbedingt vorübergehende polizeiliche
Sofortmaßnahmen bis zum »Eintreffen der zuständigen Behörde
am Ort der Gefahr« erforderlich werden.
-
Gelingt es der Polizei
ohne Inanspruchnahme anderer Behörden eine Gefahr endgültig
abzuwehren, die in den originären Zuständigkeitsbereich
einer anderen Behörde fällt, braucht die zuständige Behörde
darüber nicht in Kenntnis gesetzt zu werden. Eine
Benachrichtigungspflicht besteht nur dann, wenn
Folgemaßnahmen erforderlich werden.
[Doppelzuständigkeit -
Polizei und Ordnungsbehörden:] Nach dem Wortlaut des
Gesetzes (§ 1 PolG NRW) geht die Zuständigkeit anderer Behörden
zur Gefahrenabwehr der polizeilichen Zuständigkeit voraus. Das
heißt: Die Zuständigkeit dieser Behörden ist »originär«, während
die der Polizei »subsidiär« ist.
Im Folgenden werden
Beispiele erörtert, die aufzeigen, wann die Polizei allein zur
Gefahrenabwehr zuständig ist und wann sie gut beraten ist, die
Hilfe der originär zuständigen Behörden in Anspruch zu nehmen.
[Beispiel:] Kinder befinden sich auf dem brüchigen Eis des
Stadtsees. Ein Polizeibeamter fordert die Kinder auf, die
Eisfläche sofort zu verlassen. Ist der Beamte dafür zuständig?
Sollten die Kinder
einbrechen, befinden sie sich in Lebensgefahr, zumindest aber
kann davon ausgegangen werden, dass folgenschwere
Gesundheitsgefahren zu erwarten sind. Zur Abwehr dieser Gefahr
ist nach dem Wortlaut von § 1 PolG NRW die örtliche
Ordnungsbehörde vorrangig (originär) zuständig. Da Amtswalter
der originär zuständigen Behörde nicht anwesend sind, die Gefahr
aber sofort abgewehrt werden muss, weil nicht so lange
gewartet werden kann, bis die eigentlich zuständige Behörde dazu
in der Lage ist, ist es Aufgabe der Polizei, die zur
Gefahrenabwehr erforderlichen Sofortmaßnahmen zu treffen.
Es wird davon ausgegangen,
dass durch den einschreitenden Polizeibeamten die Gefahr
abschließend abgewehrt werden kann, so dass die zur Abwehr
dieser Gefahr originär zuständige Ordnungsbehörde nicht zu
benachrichtigen ist.
[Beispiel:] Im Innenstadtbereich ist es zu einem
Wasserrohrbruch gekommen. Eine Hauptverkehrsstraße steht unter
Wasser. Polizeibeamte leiten den Verkehr um. Außerdem wird die
zuständige Behörde (Bauhof) benachrichtigt und aufgefordert, den
Rohrbruch zu reparieren. Die Polizei ist dazu nicht in der Lage.
Da die Reparaturarbeiten längere Zeit in Anspruch nehmen, wird
die zuständige Behörde von der Polizei aufgefordert, eine
Umleitungsstrecke einzurichten (Aufstellen von Verkehrszeichen,
Barken etc.). Für solch eine Beschilderung fehlen der Polizei
ebenfalls die dazu erforderlichen Mittel. Rechtslage?
Als das Wasser die Straße
überflutete, mussten von der Polizei sofort Maßnahmen getroffen
werden, um die Sicherheit und Leichtigkeit des Straßenverkehrs
gewährleisten zu können. Diese Sicherungsmaßnahmen wurden von
der Polizei in eigener Zuständigkeit so lange getroffen, bis die
dafür eigentlich zuständige Stelle (Städtischer
Bauhof) mit einem Reparaturteam am Einsatzort eingetroffen ist.
Da ein Wasserrohrbruch in
der Regel eine längere Reparaturzeit in Anspruch nimmt, wird die
Polizei (zur Entlastung des eigenen Personals) Wert darauf
legen, dass die Mitarbeiter des »Städtischen
Bauhofs« auch eine Umleitungsstrecke ausschildern, so dass
verkehrsregelnde Maßnahmen durch Polizeibeamte nicht mehr
erforderlich sind.
[Hinweis:] Solange
wie die Polizei anlässlich von erforderlich werdenden
Sofortmaßnahmen die Gefahr selbst abschließend beseitigen kann,
wird sie andere Behörden nicht in Anspruch nehmen. Die
Inanspruchnahme anderer (originär zur Gefahrenabwehr
zuständiger) Behörden setzt in der Regel voraus, dass nur die
»zuständige Behörde« über die dafür erforderlichen Mittel und
Möglichkeiten verfügt, die festgestellte Gefahr dauerhaft
abzuwehren.
[Beispiel:] Anlässlich eines Hilfeersuchens aus einer
Wohnung stellen einschreitende Polizeibeamte fest, dass nicht
nur ein Mann seine Frau geschlagen hat, sondern auch zwei Kinder
im Alter von 2 bis 3 Jahren in völlig »unzumutbaren«
Verhältnissen leben. Die Beamten können sich selbst davon
überzeugen, dass die Nasen der Kinder bluten und eine Vielzahl
»blauer Flecke« die Arme und Beine der Kinder bedecken.
Offenkundig ist, dass die Kinder in einem verwahrlosten
Zustand leben und mit hoher Wahrscheinlichkeit von ihren Eltern
misshandelt werden. Was ist zu tun?
Zwei Möglichkeiten kommen
in Betracht:
-
Die Beamten halten es
für notwendig, das örtliche Jugendamt davon in Kenntnis zu
setzen, in welchen Lebensumständen die Kinder leben, damit
eine zuständige Behörde (Jugendamt), deren Aufgabe es ist,
erforderlich werdende Maßnahmen zum Schutz von Kindern oder
Jugendlichen zu treffen, darüber entscheiden kann, welche
Maßnahmen zur Wahrung des Kindeswohls zu treffen sind.
oder
-
Die Notlage der Kinder
ist so gravierend, dass sofort Maßnahmen zur Gefahrenabwehr
erforderlich sind. In solch einem Fall werden die Beamten zu
entscheiden haben, ob ärztliche Hilfe in Anspruch genommen
werden muss, oder ob es ausreicht, die Kinder in die Obhut
einer Stelle zu übergeben (Haus für Kinder und Jugendliche
etc.), wo die Kinder in Sicherheit sind.
[Hinweis:] In
eilbedürftigen Fällen sind die Jugendämter und die ihrer
Aufsicht unterstehenden »Kinderhäuser« dazu verpflichtet,
gefährdete Kinder auf der Grundlage von
§ 42 SGB VIII
(Inobhutnahme von Kindern und Jugendlichen) aufzunehmen.
Polizeibeamtinnen und
Polizeibeamten sollten immer dann das örtliche Jugendamt über
»untragbare Lebensumstände von Kindern« informieren, wenn sie im
Rahmen polizeilicher Einsatzlagen (Familienstreitigkeiten etc.)
davon Kenntnis erhalten und davon überzeugt sind, dass
festgestellte untragbare Zustände sofortiges Handeln einfordern.
Die zuständige Behörde
wird dann prüfen, welche Dauerlösung zu veranlassen ist.
[Beispiel:] Zitiert nach RP Online vom
22. Juni 2014: Vater lässt Dreijährige als Pfand in Kneipe: Ein
betrunkener Mann hat seine dreijährige Tochter in einer Kneipe
im niederbayerischen Plattling als Pfand für die Zeche
zurückgelassen - und nicht wieder abgeholt. Wie die Polizei am
Sonntag, den 22.6.2014, mitteilte, konnte der 31-Jährige nicht
zahlen und sagte, er wolle Geld holen. Das Mädchen ließ er bei
der Bedienung. Als der Mann auch nach einer Stunde nicht wieder
aufgetaucht war und die Kleine unaufhörlich weinte, rief die
Bedienung die Polizei. Die Beamten konnten schließlich eine
Tante ausfindig machen, die sich um das Kind kümmerte. Das
Jugendamt wurde eingeschaltet. Der 31-Jährige wurde wegen
Zechbetrugs angezeigt. Rechtslage?
Es liegt in der Natur der
Sache, dass zu treffende Sofortmaßnahmen durch Polizeibeamte
getroffen und veranlasst werden. Selbstverständlich ist in solch
einem Fall auch, das Jugendamt von dem Einsatz zu unterrichten,
damit dort geprüft werden kann, welche Maßnahmen zu treffen
sind.
[Längerfristige Platzverweisungen nur durch Polizei:]
Auf der Grundlage von
§ 34 Abs. 2 PolG NRW
(Platzverweisung) kann es erforderlich werden, Personen für
längere Zeit das Betreten von bestimmten Örtlichkeiten für eine
längere Zeit zu betreten.
[Beispiel:] Drogensüchtigen, die einen
Kinderspielplatz zum Konsumort für Drogen gemacht haben, wird
von der Polizei der Aufenthalt an diesem Ort für längere Zeit
verboten, weil die Personen dort mehrfach von der Polizei
angetroffen wurden. Rechtslage?
Diese Rechtsfolge
dürfen Polizeibeamte zur Abwehr von Gefahren, die von
Drogensüchtigen erkennbar ausgehen, die auf Kinderspielplätzen
Drogen konsumieren, verfügen.
Für solch eine Form der
Platzverweisung ist nur die Polizei zuständig.
Mitarbeitern des Ordnungsamtes wäre es nicht erlaubt, solch
eine Platzverweisung anzuordnen. Das lässt das OBG NRW nicht zu.
Gemäß
§ 24 Nr. 12 OGB NRW (Geltung des
Polizeigesetzes) darf die Ordnungsbehörde Platzverweisungen
gemäß § 34 Abs. 2 PolG NRW nicht verfügen.
Auf diese Alternative des § 34 PolG NRW können sich
Ordnungsbehörden nicht berufen. Das sieht das
Gesetz so vor.
Mit anderen Worten:
Wenn einer Behörde gesetzlich untersagt wird, Maßnahmen zu
treffen, dann kann sie für untersagte Maßnahmen auch nicht
zuständig sein.
In der VVPolG NRW zu § 1 heißt es in Bezug auf
Gefahrenabwehr:
1
Aufgaben der Polizei (zu § 1)
1.1 (zu Absatz 1)
1.11
Nach dem Polizeigesetz des Landes
Nordrhein-Westfalen ist es Aufgabe der Polizei, Gefahren sowohl
für die öffentliche Sicherheit als auch für die öffentliche
Ordnung abzuwehren.
Die
öffentliche Sicherheit bezieht sich auf die Unversehrtheit der
gesamten materiellen Rechtsordnung, von Rechten und Rechtsgütern
des Einzelnen und von Einrichtungen und Veranstaltungen des
Staates.
Unter
öffentlicher Ordnung ist die Gesamtheit jener ungeschriebener
Regeln für das Verhalten der Einzelnen in der Öffentlichkeit
anzusehen, deren Beachtung nach den jeweils herrschenden
Anschauungen als unerlässliche Voraussetzung eines geordneten
staatsbürgerlichen Gemeinschaftslebens betrachtet wird.
In Bezug auf
die öffentliche Ordnung ist die Polizei legitimiert, im
Einzelfall gegen belästigendes Verhalten in der Öffentlichkeit,
das noch unter der Schwelle einer Ordnungswidrigkeit gemäß §§
116 ff. OWiG bleibt, einzuschreiten. Sie kann - ebenso wie die
Ordnungsbehörden - Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, die
geeignet sind das Sicherheitsgefühl der Bürgerinnen und Bürger
in der Öffentlichkeit zu beeinträchtigen, unterbinden.
Die
vorrangige Zuständigkeit der Ordnungsbehörden, Gefahren für die
öffentliche Ordnung abzuwehren, bleibt erhalten.
1.12
§ 1 Abs. 1 stellt auf die
abstrakte Gefahr ab und umfasst damit auch alle Fälle,
in denen bereits eine konkrete Gefahr vorliegt.
03.3a Ein
ungeeigneter Fahrzeugführer
TOP
An diesem Beispiel soll dargestellt werden, wie die
Zusammenarbeit zwischen Polizei und Ordnungsbehörden anlässlich ungewöhnlicher Fälle funktioniert, bzw. funktionieren sollte.
Im Beispielsfall geht es um die Zusammenarbeit zwischen Polizei
und Straßenverkehrsbehörde.
[Beispiel:] Im
Rahmen einer Geschwindigkeitsüberwachung mittels Laser hält ein
Polizeibeamter an einem Sonntag um 13.45 h, einen jungen Mann
an, der in einer 50iger Zone mit 95 km/h gemessen wurde. Der
Fahrer verhält sich gegenüber dem Kontrollbeamten ungewöhnlich,
denn er sagt zu dem Beamten bei der Anzeigenaufnahme im
Streifenwagen, dass die Verkehrsregeln für ihn nicht gelten und
er immer so schnell fahre, wie ihm das gerade in den Kopf kommt.
»Schließlich«, so sagt er, » muss jeder zuerst einmal auf sich
selbst aufpassen, und wenn einer zur Seite springen muss, na
gut, dann hat er nicht aufgepasst. Das ist dann sein Pech.« Auf
den Einwand des Polizeibeamten, dass solch eine Einstellung sehr
teuer werden könnte, sagt der junge Fahrer: »Bußgelder
interessieren mich gar nicht. Ich bin ein freier Mann und ich
mache, was ich will. Und jetzt geben Sie mir die Papiere zurück,
ich hab es sehr eilig. Und auf den Bußgeldbescheid freue ich
mich, den können Sie sich übrigens in die Haare schmieren.
Dieser Staat ist für mich sowieso ein Unrechtsstaat.«
Daraufhin
fordert der Polizeibeamte den Fahrer auf, noch einen kleinen
Moment im Streifenwagen sitzen zu bleiben. Entschlossen geht der
Beamte zum Pkw des Betroffenen, zieht den Fahrzeugschlüssel aus
dem Zündschloss und sagt zu dem Mann: »Hiermit stelle ich die
Fahrzeugschlüssel sicher. Den bekommen sie erst wieder, wenn
sorgfältig geprüft wurde, ob Sie überhaupt dazu geeignet sind,
ein Fahrzeug im öffentlichen Straßenverkehr zu führen.«
Der
Betroffene schäumt vor Wut.
Währenddessen stellt der Beamte in
aller Seelenruhe eine Bescheinigung über die erfolgte
Sicherstellung aus und gibt die dem Betroffenen mit dem Hinweis,
dass er die Fahrzeugschlüssel erst dann wiederbekommen wird,
wenn das zuständige Straßenverkehrsamt darüber entschieden hat,
ob er weiterhin als Fahrzeugführer geeignet ist oder nicht.
Diese Prüfung könne einige Tage in Anspruch nehmen, da heute, am
Sonntag, diese Frage nicht geklärt werden könne.
Durften die Fahrzeugschlüssel
sichergestellt werden?
Das setzt voraus,
dass die Polizei dafür zuständig und ermächtigt ist und wann
sie, stellvertretend für das zuständige Straßenverkehrsamt,
Maßnahmen treffen kann, für die sie nur im Eilfall originär
zuständig ist.
[Prüfung der Eignung als Fahrzeugführer:] Die
Prüfung der Eignung als Fahrzeugführer fällt nicht in den
Zuständigkeitsbereich der Polizei, wohl aber in den der
Straßenverkehrsbehörde.
Würde die Straßenverkehrsbehörde
von dem Ablauf der oben skizzierten Verkehrskontrolle in
Kenntnis gesetzt, dann hätte die Straßenverkehrsbehörde zu
prüfen, ob der kontrollierte Pkw-Fahrer weiterhin dazu geeignet
ist, ein Fahrzeug im öffentlichen Straßenverkehr führen zu
dürfen.
-
Im
§ 3 StVG (Entziehung der Fahrerlaubnis)
heißt es u.a.: (1) Erweist sich jemand als ungeeignet oder
nicht befähigt zum Führen von
Kraftfahrzeugen, so hat ihm die Fahrerlaubnisbehörde die
Fahrerlaubnis zu entziehen.
-
Und im
§ 4 StVG (Fahreignungs-Bewertungssystem)
ist geregelt, unter welchen Voraussetzungen jemand
sich als ungeeignet erweisen kann.
-
Letztendlich gibt es
auch noch zu beachtende Ausführungsvorschriften, siehe
§ 6
StVG (Ausführungsvorschriften), in denen es im Absatz 1 u.a.
heißt: (1) Das Bundesministerium für Verkehr und
digitale Infrastruktur wird ermächtigt,
Rechtsverordnungen mit Zustimmung des Bundesrates zu erlassen
über 1. die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr,
insbesondere über a, b, c, etc. q) die
Maßnahmen bei bedingt geeigneten oder ungeeigneten oder bei
nicht befähigten Fahrerlaubnisinhabern oder bei
Zweifeln an der Eignung oder Befähigung nach § 3 Abs.
1 sowie die Ablieferung, die Vorlage und die weitere
Behandlung der Führerscheine nach § 3 Abs. 2.
Soweit zu den Möglichkeiten der Straßenverkehrsbehörde.
Kommt diese Behörde bei sorgfältiger Prüfung des oben
geschilderten Falls zu dem Ergebnis, dass der Fahrzeugführer
ungeeignet ist, ein Fahrzeug im öffentlichen Straßenverkehr zu
führen, dann wird die Straßenverkehrsbehörde den Führerschein
des Mannes einziehen, der meint, sich im Straßenverkehr nicht an
Verkehrsregeln halten zu müssen.
Straßenverkehrsbehörde ist nicht erreichbar:
Wie aber ist zu verfahren, wenn die Straßenverkehrsbehörde
nicht erreichbar ist, aufgrund festgestellter Umstände aber
sofort entschieden werden muss, was zur Gefahrenabwehr jetzt zu
veranlassen ist?
Immerhin haben die »Kopfschütteln
verursachenden Äußerungen des Fahrzeugführers« deutlich zu
erkennen gegeben, dass von ihm Gefahren ausgehen, die abgewehrt
werden müssen, zumal diese Gefahren gegenwärtig sind, denn wenn
der Fahrer weiterfährt, wird er sich, so seine Einlassung,
weiterhin so verhalten, wie er das will, auch wenn geltende
Verkehrsregeln das nicht zulassen, so dass anzunehmen ist, dass
es anderen Personen vielleicht doch nicht gelingt, sich
rechtzeitig in Sicherheit zu bringen.
Mit
anderen Worten:
Die Einlassungen des Fahrers
rechtfertigen die Annahme, von einer gegenwärtigen Gefahr für
die Rechtsordnung ausgehen zu können, denn eine gegenwärtige
Gefahr ist eine Gefahr, bei der die Einwirkung des schädigenden
Ereignisses bereits begonnen hat oder bei der diese Einwirkung
unmittelbar oder in allernächster Zeit mit einer an Sicherheit
grenzenden Wahrscheinlichkeit bevorsteht.
Bei der
Gefahr, die von besonderer zeitlicher Dringlichkeit sein muss,
um gegenwärtig sein zu können, handelt es sich ansonsten um
nichts anderes, als um eine Gefahr im Sinne von
§ 8 PolG NRW (Allgemeine Befugnisse;
Begriffsbestimmung). Zur konkreten Gefahr des § 8 PolG NRW
gehört auch die Anscheinsgefahr, also eine Sachlage, die bei
verständiger Würdigung eines objektiven Betrachters den Anschein
einer konkreten Gefahr erweckt, siehe AVVPolG NRW Nr. 8.11.
Im Beispielsfall verfügt der einschreitende Beamte über
wirklichkeitsbezogene Tatsachen (Aussagen des Betroffenen) auf
deren Grundlage eine glaubwürdige Gefahrenprognose erstellt
werden kann, dass 1. mit an Sicherheit grenzender
Wahrscheinlichkeit Rechtgutverletzungen zu erwarten sind und 2.
darüber hinausgehend der Eintritt von Sach- und/oder
Personenschäden möglich ist, weil die im Zusammenhang mit
Verkehrsverstößen eintreten können, so dass nachvollziehbar und
überzeugend eine konkrete Gefahr sowohl für die Sicherheitsgüter
der Allgemeinheit als auch eine nicht nur abstrakte Gefahr für
die Sicherheitsgüter des Einzelnen begründet werden können.
Auf jeden Fall wird auch hinsichtlich bestehender Gefahren für
die Sicherheitsgüter des Einzelnen die Schwelle zum bloße
Gefahrenverdacht deutlich überschritten.
Festzustellen ist darüber hinausgehend die Tatsache, dass die
Rechtsverordnung gegenwärtig gefährdet ist, denn die Aussagen
des Betroffenen lassen keine andere Erwartungshaltung zu, so
dass die festgestellte Gefahr nur jetzt und nicht erst
irgendwann abgewehrt werden kann.
Diese Tatsache wirft an einem Sonntag eine Fülle von Fragen auf,
denn sonntags ist das Straßenverkehrsamt geschlossen, so dass
keine Möglichkeit besteht, die originär zuständige Behörde
darüber entscheiden zu lassen, was zu veranlassen ist, um dieser
Gefahrensituation angemessen begegnen zu können.
Was ist zu tun?
Nunmehr ist die
Polizei originär zuständig, denn diesbezüglich heißt es im
§ 1
Abs. 1 Satz 3 PolG NRW
(Aufgaben der
Polizei) wie folgt: »Sind außer in
den Fällen des Satzes 2 neben der Polizei andere Behörden für
die Gefahrenabwehr zuständig, hat die Polizei in eigener
Zuständigkeit tätig zu werden, soweit ein Handeln der anderen
Behörden nicht oder nicht rechtzeitig möglich erscheint; dies
gilt insbesondere für die den Ordnungsbehörden obliegende
Aufgabe, gemäß § 1 Ordnungsbehördengesetz Gefahren für die
öffentliche Ordnung abzuwehren. Die Polizei hat die zuständigen
Behörden, insbesondere die Ordnungsbehörden, unverzüglich von
allen Vorgängen zu unterrichten, die deren Eingreifen
erfordern.«
Um solch einen
Fall handelt es sich im Ausgangsbeispiel.
Zwischenbetrachtung:
Anders wäre die
Situation zu beurteilen, wenn sich das Beispiel an einem Montag
um 14.30 h ereignet hätte, denn dann wäre es möglich gewesen,
telefonisch Kontakt zum Straßenverkehrsamt aufzunehmen, um
abzuklären, welche Sofortmaßnahmen die Straßenverkehrsbehörde
für angemessen hält.
Sollte die Straßenverkehrsbehörde
auf sofortige Gefahren abwehrende Maßnahmen verzichten, dann
wäre es erforderlich, das Amt darüber zu informieren, dass auch
für die Straßenverkehrsbehörde das Ordnungsbehördengesetz NRW
Anwendung findet und dort im
§ 24 OBG NRW (Geltung des Polizeigesetzes)
nachzulesen sei, dass folgende Vorschriften des Polizeigesetzes
des Landes Nordrhein-Westfalen entsprechend auch für die
Ordnungsbehörden gelten, soweit dies zur Erfüllung ihrer
Aufgaben erforderlich ist, wozu auch der § 43 PolG NRW
(Sicherstellung) gehört, der es der Polizei erlauben würde, zur
Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr Gegenstände sicherzustellen,
siehe § 24 Nr. 13 OBG (Geltung des Polizeigesetzes).
Sollte das Straßenverkehrsamt dennoch an der Vorstellung
festhalten, dass eine Sicherstellung des Fahrzeugschlüssels für
die Dauer der Prüfung der Fahreignung des Fahrzeugführers nicht
in Betracht käme, dann ist, zur Entlastung der Polizei, das
Straßenverkehrsamt aufzufordern, diese Entscheidung der Polizei
unverzüglich in Schriftform zukommen zu lassen.
Dazu
reicht eine E-Mail aus.
Ob dazu die
Straßenverkehrsbehörde bereit wäre, ist eine Frage, die an
dieser Stelle unbeantwortet bleiben muss.
Zu solch einer
Regelung kann es im entscheidungserheblichen Zeitpunkt aber gar
nicht kommen, weil Sonntag ist.
Folglich ist es
Angelegenheit der Polizei, zu entscheiden, was geeignet,
erforderlich und verhältnismäßig ist, um der Gefahrensituation angemessen begegnen zu können.
Dass eine
gegenwärtige Gefahr begründet werden kann, wurde oben bereits
erörtert. Ist solch eine Gefahr nachvollziehbar begründbar, und
das ist sie im Beispielsfall zweifelsohne, dann eröffnet
§ 43 Nr. 1 PolG NRW (Sicherstellung) die
Möglichkeit, Gegenstände sicherstellen zu können, von denen
gegenwärtige Gefahren ausgehen. Zwar gehen von den
Fahrzeugschlüsseln selbst keine gegenwärtigen Gefahren aus, wohl
aber von dem Pkw, der aber ohne die Fahrzeugschlüssel nicht in
Betrieb genommen werden kann.
Eine Einziehung der
Fahrerlaubnis kommt nicht in Betracht, weil
solch eine Rechtsfolge von der Polizei nicht veranlasst und
somit auch nicht durchgesetzt werden kann. Folglich muss die
Polizei andere Rechtsfolgen setzen, um eine erkannte Gefahr
abwehren zu können.
Hier wird davon ausgegangen, dass die
Sicherstellung der Fahrzeugschlüssel die mildeste Maßnahme zur
Abwehr von gegenwärtigen Gefahren sowohl für die Rechtsordnung
als auch für Personen ist, die, so der Wortlaut des Fahrers
»aufpassen und zur Seite springen müssen, damit ihnen nichts
passiert, wenn er von seinen Freiheiten Gebrauch macht.«
Diesen in naher Zukunft mit an Sicherheit grenzender
Wahrscheinlichkeit zu erwartende Schadenseintritt gilt es
abzuwehren, denn es kann nicht davon ausgegangen werden, dass es
sich bei den Einlassungen des Fahrers um »Verhaltenssatire«
handelt.
Würde dem Fahrer die Weiterfahrt erlaubt, und
käme es tatsächlich einige Minuten später zu einem
folgenschweren Verkehrsunfall, verursacht durch den oben
beschriebenen »Reichsbürger«, dann würde sich nicht nur der
Polizeibeamte, der die Weiterfahrt zuließ, Vorwürfe machen.
Sollte es dem »Reichsbürger« sogar gelingen, nachzuweisen,
dass ihm die Weiterfahrt von einem Polizeibeamten in Kenntnis
seines Charakters erlaubt wurde, als Fahrer seines Pkw den
Kontrollort zu verlassen, obwohl er zum Führen eines Pkw
erkennbar und offenkundig ungeeignet ist, dann kann nicht
ausgeschlossen werden, dass die Behörde für dieses vorwerfbare
Unterlassen ihres Amtswalters sogar in Regress genommen werden
könnte, denn gegenwärtige Gefahren reduzieren in der Regel
eingeräumtes Ermessen auf null.
Mit anderen
Worten:
Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte,
die gegenwärtige Gefahren für bedeutsame Rechtsgüter nicht im
Rahmen ihrer Möglichkeiten abwehren, obwohl sie dazu in der Lage
sind, handeln vorwerfbar, denn sie missachten die ihnen
übertragene Garantenpflicht, bedeutende Rechtsgüter immer dann
zu schützen, wenn das erforderlich ist.
In Eilfällen heißt das: sofort.
[Hinweis:]
Dass im Anschluss an die oben skizzierte Kontrolle vom
einschreitenden Polizeibeamten ein ausführlicher Bericht
geschrieben wird, der geeignet ist, die Straßenverkehrsbehörde
in die Lage zu versetzen, sachgerecht über die Fahreignung des
kontrollierten Pkw-Fahrers entscheiden zu können, dürfte
offenkundig sein. Dass in solch einem Bericht - im Rahmen des
Möglichen - Gesprächsinhalte so wiedergegeben werden, wie sie
sich tatsächlich ereignet haben, dürfte ebenfalls außer Frage
stehen. Wie dann die Straßenverkehrsbehörde abschließend
entscheidet, ist nicht mehr Aufgabe der Polizei.
Die Herausgabe der sichergestellten Fahrzeugschlüssel an
Personen, die im Besitz einer gültigen Fahrerlaubnis sind und
sich als Berechtigte ausweisen (Halter, Ehefrau, Eltern etc.),
ist jederzeit möglich.
[Ergänzung:]
Sollte die Herausgabe der Fahrzeugschlüssel an Berechtigte nicht
möglich sein der Pkw aber an einer Örtlichkeit stehen, wo
damit zu rechnen ist, dass er als Objekt für Straftaten in
Betracht kommt (Sachbeschädigung, Vandalismus, Diebstähle aus
Pkw, etc.), dann hat die Polizei dieser Gefahr dadurch
zu begegnen, indem sie den Pkw durch einen beauftragten
Abschleppdienst sicherstellen lässt, denn sichergestellte
Gegenstände (wozu auch ein Pkw gehört, den der Fahrer aufgrund
polizeilicher Maßnahmen zurzeit nicht mehr benutzen kann) sind
vor Wertminderung zu schützen.
Sollte der Pkw durch einen
Abschleppdienst sichergestellt werden müssen, dann trägt
derjenige die damit verbundenen Kosten, gegen den sich diese
Maßnahme richtet.
In diesem Fall der »Reichsbürger«.
03.4 Verhütung von
Straftaten
TOP
Zur Gefahrenabwehr gehört
auch die Verhütung von Straftaten. Soweit Straftaten konkret
bevorstehen, ist das unbestritten. In den Länderpolizeigesetzen
wird diese polizeiliche Zuständigkeit ausdrücklich benannt.
Im
§ 1 PolG NRW
(Aufgaben der Polizei) heißt es u.a.:
»Die Polizei hat die
Aufgabe, Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung
abzuwehren (Gefahrenabwehr). Sie hat im Rahmen dieser Aufgabe
Straftaten zu verhüten sowie vorbeugend zu bekämpfen und die
erforderlichen Vorbereitungen für die Hilfeleistung und das
Handeln in Gefahrenfällen zu treffen.«
Für den Bereich der Verhütung künftiger Straftaten schränkt die
VVPolG NRW zu § 1 jedoch die Zuständigkeit ein.
Dort heißt es:
1.13
Die Vorsorge für die Verfolgung
künftiger Straftaten wurde aus dem Aufgabenkatalog der Polizei
entfernt, da sie systematisch zu den Regelungen des
gerichtlichen Verfahrens zählt, und damit der
Gesetzgebungskompetenz des Bundes unterliegt.
Vorsorge ist etwas anderes als Verhütung. Nach der hier
vertretenen Rechtsauffassung kann und darf es nicht Aufgabe der
Polizei sein vorsorglich Daten zu erheben, um diese später zur
Strafverfolgung zu nutzen.
Die in der VVPolG NRW gemeinte Vorsorge betrifft nicht die die
Erhebung von Daten im Sinne der Gefahrenvorsorge, siehe
§ 11 PolG NRW (Erhebung von Personaldaten
zur Vorbereitung für die Hilfeleistung und das Handeln in
Gefahrenfällen).
Als vorsorglich im Sinne der Vorsorge
für die Verfolgung zukünftiger Straftaten kann jedoch die
Vorratsdatenspeicherung von Telekommunikationsdaten angesehen
werden. Diese Daten sind von den
Telekommunikationsdiensteanbietern auf der Grundlage von
§ 113b TKG (Pflichten zur Speicherung von
Verkehrsdaten) zu speichern.
Aber:
Am 28. Juni 2017 erklärte die Bundesnetzagentur die Aussetzung
der Vorratsdatenspeicherung bis zum ordentlichen Abschluss eines
Hauptsacheverfahrens, denn bereits kurz zuvor hatte das OVG
Münster die Vorratsdatenspeicherung kurz vor ihrer Einführung
für unzulässig erklärt, vergl. Beschluss des OVG Münster vom
22.06.2017 - 13 B 238/17.
Eine für 2018 in Aussicht gestellte Entscheidung des BVerfG
steht zurzeit noch aus.
Zurück zur sachlichen Zuständigkeit:
[Beispiel:] Die Polizei erhält Hinweise darüber, dass heute,
um 14.00 h, mit einem Überfall auf die Sparkasse X zu rechnen
ist. Rechtslage?
Aufgrund der bekannt
gewordenen glaubwürdigen Information steht ein Überfall auf eine
Sparkasse bevor. Die zuständige Polizeibehörde wird alles tun,
um das zu verhindern und um die Täter festzunehmen, sobald diese
als Tatverdächtige in Erscheinung treten. Eine Polizei, die in
Kenntnis dieser Tatsachen keine gefahrenabwehrenden Vorkehrungen
trifft, ist schlichtweg nicht vorstellbar. Andere für die
Gefahrenabwehr ebenfalls zuständige Behörden können der Polizei
dabei nicht helfen, weil sie weder personell noch sachlich dazu
in der Lage sind.
Für solche Einsatzlagen ist ausschließlich die
Polizei zuständig.
[Beispiel:] Ein besorgter Mann zeigt Folgendes an. »Herr
Wachtmeister, gestern stand in der Tageszeitung, dass im
Münsterland Diebesbanden mit Kreide spezielle Zeichen an
Hauswände, Türen und Briefkästen anbringen, um Komplizen zu
zeigen, wo sich ein Einbruch lohnt und wo nicht. In derselben
Meldung hieß es, dass Betroffene sich an den zuständigen
Bezirksbeamten wenden sollten. Hier bin ich, und die Beweise
will ich Ihnen nicht vorenthalten. Schauen Sie sich nur diese
Handyfotos an. Dieses Zeichen befindet sich an meiner Haustür,
die andern ganz in der Nähe. Ich bin in Sorge. Bitte helfen Sie
mir«. Rechtslage?
Diese Situation
unterscheidet sich deutlich von dem angedrohten Banküberfall.
Obwohl konkrete Hinweise, »merkwürdige Kreidezeichnungen«, zur
Verfügung stehen, ist nicht abzusehen, wann und ob überhaupt mit
dem Eintritt eines Schadens zu rechnen ist. Die Möglichkeit dazu
ist vielmehr so unbestimmt und so diffus, dass niemand wissen
kann, was in naher Zukunft zu erwarten ist. Und außerdem: Die
Zeichen könnten auch von Kindern angebracht worden sein. Dem
Beamten wird nichts anderes übrig bleiben, als den Hinweisgeber
zu bitten, wachsam zu sein.
Er sollte dem Mann auch
sagen, dass er darüber einen Vermerk aufnimmt, so dass die im
Wachdienst eingesetzten Polizeibeamten verstärkt den Ortsbereich
in ihre Streifentätigkeit einbeziehen können, um so den der
Polizei möglichen Beitrag zur Verhütung von Straftaten leisten
zu können.
[Videoüberwachung zur
Verhütung von Straftaten:] Problematisch ist der Nachweis
einer Gefahr zur Verhütung von Straftaten auch dann, wenn zum
Beispiel durch die Installation einer Videoanlage an einem
Kriminalitätsbrennpunkt Straftaten verhindert werden sollen.
Zur Begründung der
abzuwehrenden Gefahr wird deshalb auf statistisches
Zahlenmaterial zurückgegriffen, das belegen soll, dass es sich
bei dem zu überwachenden Ort um einen sogenannten
Kriminalitätsbrennpunkt handelt. Da die angenommenen Erfolge
solch einer Überwachung öffentlicher Räume durch Videokameras
aber bisher nicht glaubhaft nachgewiesen werden konnten, fällt
die Begründung solcher Maßnahmen in der Praxis nicht leicht.
Glauben heißt nicht:
Wissen.
Deshalb werden in NRW auch
nur wenige öffentlich zugängliche Orte mit Videokameras
überwacht, was sich aber ändern soll, denn die 2017 in
Regierungsverantwortung gekommene Koalition von CDU und FDP hat
angekündigt, die Videoüberwachung auszuweiten.
Ob damit Münchener Verhältnisse
gemeint sind, kann zurzeit noch nicht beantwortet werden.
In einer Onlineausgabe der
Süddeutschen Zeitung heißt es 2013, dass es unmöglich ist, die
Münchener Innenstadt zu durchlaufen, ohne von einer Videokamera
erfasst zu werden. Insgesamt sind in München 2828 Kameras
angebracht. Und das sind nur die öffentlichen Kameras. Auf nur
einem Kilometer wurden etwa 40 Stück gezählt. Private Kameras
gibt es weit mehr. [En07] 7
Hier soll nur darauf
hingewiesen werden, dass im Bereich der Gefahrenabwehr neben
objektivierbaren Fakten oftmals auch »Weltanschauungen« dazu
herhalten müssen, Gefahren »glaubwürdig« zu begründen.
Der Glaube versetzt bekanntermaßen Berge.
[Beispiel:] Um Ausschreitungen von gewaltbereiten
Fußballfans in Stadien zu verhindern, sind in allen größeren
Stadien Videoüberwachungsanlagen installiert, die von der
Polizei genutzt werden, um anlässlich von Ausschreitungen
beweisfähiges Bildmaterial fertigen zu können. Unabhängig davon
werden die Fans vor Spielbeginn darauf hingewiesen, dass die
Ränge mittels Video überwacht werden, so dass bei Bedarf
aggressive Fans videografiert werden können. Fällt das in den
Zuständigkeitsbereich der Polizei?
Neben den Betreibern von
Fußballstadien, die für die Ordnung und Sicherheit innerhalb von
Fußballstadien Verantwortung tragen, ist es auch Aufgabe der
Polizei, anlässlich von sportlichen Großveranstaltungen für
Sicherheit zu sorgen (Gefahrenabwehr, Strafverfolgung,
Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten, Verhütung von Straftaten,
etc.).
Zur polizeilichen
Gefahrenabwehr gehört auch die Verhütung von Straftaten.
Da andere Behörden weder
personell noch hinsichtlich der dafür erforderlichen Sachmittel
dazu in der Lage sind, Ausschreitungen verhindern und beenden zu
können, ist die Polizei dafür allein zuständig.
Damit es erst gar nicht zu
Straftaten, Ordnungswidrigkeiten oder Gefahren für Leib oder
Leben von Personen kommt, überwacht die Polizei die Ränge mit
Videokameras die Ränge in den Fußballstadien.
Kommt es zu Störungen,
können davon Aufzeichnungen gefertigt werden, so dass auf der
Grundlage dieses Bildmaterials die Täter möglicherweise
ermittelt werden können.
Da allen Fußballfans
bekannt ist, dass solche technischen Hilfsmittel von der Polizei
eingesetzt werden, wird angenommen, dass sich viele Fans (leider
nicht alle) durch eine konsequente Videoüberwachung
disziplinierter verhalten, als das zu erwarten ist, wenn keine
Videoaufzeichnungen gefertigt würden.
Die Videoüberwachung dient
somit der Verhütung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten und
ist deshalb ein fester Bestandteil des polizeilichen
Sicherheitskonzeptes innerhalb von Fußballstadien.
Der Einsatz
von Videokameras dient auch der Verhütung bzw. der vorbeugenden
Bekämpfung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten.
[Verstärkte Videoüberwachung im Anschluss an die
sexuellen Übergriffe in der Silvesternacht 2015/2016 auf Frauen auf
der Kölner Domplatte:] Diese Übergriffe brachten den
Volkszorn dermaßen in Aufruhr, dass im Anschluss an die
Ereignisse sofort eine konsequente Videoüberwachung an
neuralgischen Stellen in Großstädten eingefordert wurde.
2017 wurden von der Polizei in Köln 50 Stellen als
Kamera-Standorte ins Auge gefasst. Das Konzept
sieht zum Beispiel vor, dass rund um Dom und Hauptbahnhof an 19
Stellen Kameras in Betrieb genommen werden sollen.
Es wird hier
davon ausgegangen, dass dieses Konzept zwischenzeitlich
umgesetzt wurde.
03.5 Vorbeugende
Bekämpfung von
Straftaten
TOP
Die vorbeugende Bekämpfung
von Straftaten ist ebenfalls als ein Teil der polizeilichen
Gefahrenabwehr anzusehen, auch wenn es schwierig ist, die mit
diesem unbestimmten Rechtsbegriff verbundenen Aufgaben klar zu
umschreiben.
Schwierg deshalb, weil das Wort
Bekämpfung die polizeilichen Zuständigkeiten, die damit
bezeichnet werden, sprachlich nicht korrekt abbildet.
In Anlehnung an das Wörterbuch der
Gebrüder Grimm bedeutet Kampf:
Kampf Mann gegen Mann oder
Turnier anschlagen: Des wolten sie umb leib und leben
mit einander sich zu kampfe geben.
Das Wort Kampf setzt somit einen
Zweikampf nach ritterlichem Gebrauch voraus. Lang ist es her,
dass das Wort Kampf so verstanden wurde. Bedauerlicherweise.
Heute ist das Wort »Kampf« eher im Sinne von Miguel de Cervantes
zu verstehen, der seinen Don Quijote gegen Windmühlen kämpfen
ließ.
Wie dem auch immer sei, das folgende Beispiel
versucht, deutlich zu machen,was heute unter der vorbeugenden
Bekämpfung von Straftaten verstanden wird.
[Beispiel:] Ein kleiner Park in der Nähe des Hauptbahnhofs
hat sich in den zurückliegenden Monaten zu einem Eldorado der
Fixer-Szene entwickelt. Dort werden in aller Öffentlichkeit
Drogen gehandelt und konsumiert. Außerdem sind dort die im
Drogenmilieu üblichen Straftaten sprunghaft angestiegen. Deshalb
soll dieser Park mittels Video überwach werden. Ist die Polizei
dafür sachlich zuständig?
Sinn und Zweck einer
Videoüberwachung öffentlich zugänglicher Orte ist es, das an
diesen Orten nachweisbar angestiegene Kriminalitätsaufkommen zu
reduzieren. Das setzt aber voraus, dass eine entsprechende
»präventive« und somit deliktsreduzierende Wirkung von der
Überwachung öffentlicher Räume durch Videokameras tatsächlich
ausgeht. Obwohl diesbezüglich keine, »wissenschaftlichen
Standards genügenden Analysen« zur Verfügung stehen, wird davon
ausgegangen, dass eine solche Wirkung durch eine
Videoüberwachung erzielt wird.
Die Länderpolizeigesetze
setzen diese Wirkung voraus, denn sonst ließe sich die
Videoüberwachung öffentlicher Räume nicht rechtfertigen.
In der Literatur wird der
unbestimmte Rechtsbegriff »Vorbeugende Bekämpfung von
Straftaten« eher kritisch als zustimmend kommentiert.
»Es wird der Einwand
erhoben, dass es sich bei der »vorbeugenden Bekämpfung von
Straftaten um eine Leerformel, eine ungenaue und unbestimmbare
begriffliche Neuschöpfung bzw. um eine unpräzise und diffuse
Wortschöpfung und somit um einen völlig konturenlosen und
irreführenden Rechtsbegriff handelt« [En08] 8
Dennoch:
Die vorbeugende Bekämpfung
von Straftaten fällt in den Zuständigkeitsbereich der Polizei.
Damit die Polizei dieser Aufgabe sachgerecht nachkommen kann,
stehen ihr die dafür erforderlichen Befugnisse zur Verfügung.
[Hinweis:] Im Zusammenhang mit den
Vorstellungen den Terrorismus ebenfalls vorbeugend bekämpfen zu
können, werden dazu erforderliche Mittel, auch die, die tief in
die Grundrechte von Menschen eingreifen, bereits dann für
zulässig gehalten, wenn nicht einmal hinreichend erkennbare
Straftaten vorbeugend bekämpft werden sollen. Diese Vorstellung
hat dazu geführt, die Polizeigesetze zu verschärfen. Auch in NRW
wird im Dezember 2018 über ein verschärftes neues Polizeigesetz
entschieden.
03.6 Gefahrenvorsorge
TOP
Auch die »erforderliche
Vorbereitung für die Hilfeleistung in Gefahrenfällen« gehört zur
Aufgabe der polizeilichen Gefahrenabwehr.
Zu diesem Zweck kann die
Polizei die Namen, Vornamen, akademische Grade, Anschriften,
Telefonnummern und andere Daten von Personen über deren
Erreichbarkeit sowie nähere Angaben über ihre Funktion in einer
Firma, einem Unternehmen oder einer anderen Stelle, von der
Gefahren ausgehen können, erheben, soweit dies zur Vorbereitung
für die Hilfeleistung und das Handeln in Gefahrenfällen
erforderlich ist.
Gefahrenvorsorge ist somit
ebenfalls ein Aspekt polizeilicher Gefahrenabwehr, auch wenn
dieser Begriff in den Zuständigkeitsregelungen nicht verwendet
wird.
Geregelt ist die
Gefahrenvorsorge im
§ 11 PolG NRW (Erhebung von
Personaldaten zur Vorbereitung für die Hilfeleistung und das
Handeln in Gefahrenfällen).
Insoweit ergibt sich hier die
polizeiliche Zuständigkeit durch den »Schluss von der
Befugnis auf die Zuständigkeit«.
[Hinweis:] Alle
Länderpolizeigesetze erlauben es ihrer Polizei, personenbezogene
Daten zur Vorbereitung auf zukünftige Gefahren zu erheben, so
dass auf die Kontaktdaten von Personen sofort zugegriffen werden
kann, wenn das anlässlich eines Schadensereignisses erforderlich
sein sollte.
[Beispiel:] Im Kreispolizeibezirk gibt es ein Chemiewerk,
von dem erhebliche Gefahren für die Region ausgehen, wenn es
dort zu einem folgenschweren Schadensereignis kommen sollte. Ein
Polizeibeamter erhebt deshalb zum Zweck der Gefahrenvorsorge die
Kontaktdaten der verantwortlichen Personen, die als
Ansprechpartner für Unglücksfälle der Polizei zur Verfügung
stehen. Rechtslage?
Es ist nicht abzusehen,
wann und ob es in dem Chemiewerk tatsächlich zu einem
Schadensfall kommen wird. Dennoch ist es erforderlich, Vorsorge
zu treffen.
Aus diesem Grund ist die Polizei dazu befugt, die
Kontaktdaten von Personen auf Einsatzleitstellen vorzuhalten,
damit deren Rat sofort eingeholt werden kann, wenn es zu einem
Unfall kommt. Die sachliche Zuständigkeit ergibt sich in diesem
Falle durch den »Schluss von der Befugnis auf die
Zuständigkeit«, denn Gefahrenvorsorge ist Gefahrenabwehr, auch
wenn das in den Zuständigkeitsregeln nicht steht.
Solche Daten werden zur
Gefahrenvorsorge auch erhoben von:
Objekte von denen Gefahren
ausgehen:
Objekte für mögliche
Überfälle/Anschläge
Unabhängig davon kommt
aber auch eine Vielzahl anderer Betriebe als mögliche
Zielobjekte z. B. für terroristische Anschläge in Betracht:
-
Regierungsgebäude
-
Hotels
-
Einkaufscenter
-
Bürogebäude
-
Umsteigebahnhöfe
-
U-Bahnen etc.
Dieser Kreis dürfte noch
erheblich zu erweitern sein, wenn zum Beispiel mit Anschlägen
durch Viren, Bakterien oder Giftgas zu rechnen ist.
04 Strafverfolgung
TOP
Zur Erforschung und
Verfolgung von Straftaten sind die Kreispolizeibehörden gemäß §
1 PolG NRW iVm § 10 und 11 POG NRW und iVm § 163 StPO sachlich
zuständig.
Im
§ 163 StPO
(Aufgaben der Polizei im Ermittlungsverfahren) heißt es:
»Die Behörden und Beamten
des Polizeidienstes haben Straftaten zu erforschen und alle
keinen Aufschub gestattenden Anordnungen zu treffen, um die
Verdunkelung der Sache zu verhüten. Zu diesem Zweck sind sie
befugt, alle Behörden um Auskunft zu ersuchen, bei Gefahr im
Verzug auch, die Auskunft zu verlangen, sowie Ermittlungen jeder
Art vorzunehmen, soweit nicht andere gesetzliche Vorschriften
ihre Befugnisse besonders regeln«.
Die Zuständigkeit zur
Strafverfolgung ergibt sich auch aus den nachfolgenden
gesetzlichen Regelungen:
[Welche
Zuständigkeitsregelung hat Vorrang:] In Anlehnung an den
Grundsatz »Bundesrecht bricht Landesrecht«, siehe
Art. 31 GG,
ergibt sich die Zuständigkeit der Polizei zur Strafverfolgung
vorrangig aus der StPO, siehe
§ 163 StPO (Aufgaben der
Polizei im Ermittlungsverfahren).
[Hinweis:] Bei der
Zuständigkeit zur Strafverfolgung handelt es sich um eine
wichtige polizeiliche Kernaufgabe. Die nachfolgenden
Ausführungen sind für das Verständnis bei der Wahrnehmung dieser
Kernaufgabe unverzichtbar.
[Die StA als Herrin des
Ermittlungsverfahrens:] Die Erforschung und Verfolgung aller
Straftaten, die das deutsche Recht kennt, stehen trotz der
Regelungen, in denen die Zuständigkeit zur Strafverfolgung der
Polizei übertragen wird, unter der Gesamtverantwortung der
sogenannten »Herrin des Ermittlungsverfahrens«, also der
Staatsanwaltschaft (StA).
[Theorie und Praxis:]
Diese rechtlich zutreffende Feststellung entspricht jedoch nicht
den tatsächlichen Gegebenheiten, denn die StA ist weder
personell noch hinsichtlich der ihr zur Verfügung stehenden
Mittel dazu in der Lage, selbst Straftaten zu erforschen oder zu
verfolgen.
Dazu bedient sie sich vieler Arme.
Gemeint sind die
Arme und Köpfe der Polizei. Im gesamten Bundesgebiet sind
zurzeit etwa 220 000 Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten bei
den Länderpolizeien und ca. 34.000 Polizistinnen und Polizisten
bei den Polizeien des Bundes beschäftigt (Bundespolizei und
BKA).
Nur dieser verlängerte
»Arm der Staatsanwaltschaft« ist dazu in der Lage, Straftaten
effektiv zu erforschen und zu verfolgen. Die Vorstellung, dass
die Staatsanwaltschaft »Herrin des Strafverfahrens« ist, bedarf
insoweit dringend einer Korrektur, zumal im realen Leben diese
Aufgabe von der Polizei erfolgreich eigenverantwortlich erledigt
wird.
Das kann auch gar nicht anders sein, denn nur die Polizei
verfügt über die Mittel und Möglichkeiten, um Straftaten »rund
um die Uhr« bearbeiten und verfolgen zu können.
Deshalb legt die Polizei
ihre Ermittlungsvorgänge der StA in den meisten Fällen erst dann
vor, wenn die Ermittlungsarbeit abgeschlossen ist. In der Praxis
ist es so, dass die Polizei nur in den Fällen die StA vorab
informiert, wenn das aufgrund einer bekannt gewordenen
Anlassstraftat notwendig erscheint.
[Leitsätze der
Zusammenarbeit zwischen StA und Polizei:] In den Leitsätzen,
die von der gemeinsamen Kommission der Konferenzen der
Justizminister und Innensenatoren 1977 vereinbart und publiziert
wurden, heißt es, dass nur in »rechtlich oder tatsächlich
schwierigen oder sonst bedeutsamen Fällen die StA sofort
einzubinden ist« oder wenn dies »aus verfahrensmäßigen oder
kriminalpolitischen Gründen« erforderlich ist. [En09]
9
In den meisten Fällen
erhält die StA von angezeigten Straftaten erst Kenntnis, wenn
die Polizei die Ermittlungen bereits abgeschlossen hat, also
oftmals erst Monate später.
Dennoch ist die Polizei
»rechtlich« gesehen, nur ein Werkzeug der StA.
[Beispiel:] Polizeibeamte betreffen an einem Tatort einen
Einbrecher auf frischer Tat. Der Mann wird vorläufig
festgenommen. Der Mann wird jedoch freigelassen, weil aufgrund
der persönlichen Verhältnisse des Tatverdächtigen ein Haftgrund
nicht begründet werden kann. Gegen den Tatverdächtigen wird das
Strafverfahren eingeleitet. Er wird vernommen und
erkennungsdienstlich behandelt. Nach Abschluss aller
Ermittlungen wird der Vorgang an die StA weiter geleitet.
Dadurch erhält die StA erstmals Kenntnis von den bisher
getätigten Ermittlungen. Rechtslage?
[Position des BVerwG:] in einem Urteil aus dem Jahre 1974
hat sich das Bundesverwaltungsgericht zu dem hier zu erörternden
Problem sinngemäß wie folgt geäußert.
»Strafbare Handlungen können bei der Staatsanwaltschaft, den
Amtsgerichten und den Behörden und Beamten des Polizeidienstes
erstattet werden. Sobald die Staatsanwaltschaft durch eine
Anzeige oder auf anderem Wege von dem Verdacht einer strafbaren
Handlung Kenntnis erhält, hat sie entweder selbst den
Sachverhalt zu erforschen oder die Ermittlungen durch Behörden
und Beamte des Polizeidienstes vornehmen zu lassen. Die Behörden
und Beamten des Polizeidienstes sind dazu verpflichtet, dem
Ersuchen oder dem Auftrag der Staatsanwaltschaft nachzukommen.
Die Behörden und Beamten des Polizeidienstes haben aber auch,
sobald sie von einer strafbaren Handlung erfahren, diese von
sich aus zu erforschen und alle keinen Aufschub gestattenden
Anordnungen zu treffen, um die Verdunkelung der Sache zu
verhüten (Recht und Pflicht des ersten Zugriffs). Im Rahmen
dieser Aufgaben ermächtigt die Strafprozessordnung alle
Polizeibeamten zur vorläufigen Festnahme und zur Aufnahme von
Lichtbildern und Fingerabdrücken des Beschuldigten und zur
Vornahme von Messungen und ähnlichen Maßnahmen an ihm. Die
Behörden und Beamten des Polizeidienstes sind dazu verpflichtet,
ihre Ermittlungsergebnisse ohne Verzug der Staatsanwaltschaft zu
übersenden. Diese entscheidet über die Einstellung des
Verfahrens oder die Erhebung der Anklage oder veranlasst die
Polizei zu weiteren Ermittlungen«.
[Vorrangige Aufgabe der
StA:] Im Normalfall ist es vorrangige Aufgabe der StA, aus
juristischer Sicht polizeiliche Ermittlungstätigkeiten zu
prüfen, um danach entscheiden zu können, was weiter zu
veranlassen ist:
Einstellung des Verfahrens oder
Anklageerhebung.
Auch das nachfolgende
Zitat aus dem oben bereits genannten Urteil macht deutlich, wie
das Verhältnis zwischen Staatsanwaltschaft und Polizei zu sehen
ist:
[Polizei und StA:]
»Nach der Konzeption des Gesetzgebers
(...) liegt also die Leitung der Ermittlungen ganz in der Hand
der Staatsanwaltschaft, die nur für einzelne begrenzte
Ermittlungsaufträge die Polizei heranzieht. In der Praxis ist
das Ermittlungsverfahren jedoch weitgehend in die Hand der
Polizei übergegangen. Häufig führt sie die Ermittlungen
selbständig und übersendet erst nach ihrem Abschluss die Akten
an die Staatsanwaltschaft, die dann nur noch entscheidet, ob sie
das Verfahren einstellen oder Anklage erheben will. Trotz dieser
»Vorrangstellung der Polizei in der Durchführung der
Ermittlungen« und der tatsächlichen »Machtverschiebung zur
Polizei hin ...« ist unbestritten, dass der Staatsanwalt nach
unserer Strafprozessordnung der Herr des Ermittlungsverfahrens
ist und die Verantwortung für die Verfahrensdurchführung nicht
nur in rechtlicher Hinsicht, sondern auch in tatsächlicher
Hinsicht trägt«.
»Die im ersten Zugriff
vorgenommenen Maßnahmen der Polizei sind ebenso strafrechtliche
Ermittlungen wie die auf Weisung der Staatsanwaltschaft
erfolgten Maßnahmen und die Handlungen der Staatsanwaltschaft
selbst«.
»Ein besonderes
kriminalpolizeiliches Ermittlungsverfahren kennt die
Strafprozessordnung nicht. Die Ermittlungen zur Verfolgung
strafbarer Handlungen bilden eine Einheit. Das
Ermittlungsverfahren ist somit nicht in ein polizeiliches und
ein staatsanwaltliches Verfahren aufgespalten (...). Deshalb
hängt die Rechtmäßigkeit einer Maßnahme, für die sowohl die
Staatsanwaltschaft als auch die Behörden und Beamten des
Polizeidienstes zuständig sind, nicht davon ab, welche Stelle
gehandelt hat«.
»Die
Behörden und Beamten des Polizeidienstes sind als »verlängerter
Arm der Staatsanwaltschaft« nicht nur bei der Ausführung einer
Weisung dieser Behörde tätig, sondern auch dann, wenn sie von
sich aus handeln, weil sie »bei der alltäglichen Kriminalität«
mit der stillschweigenden Ermächtigung zur selbständigen
Durchführung der Ermittlungen ohne Benachrichtigung der
Staatsanwaltschaft rechnen dürfen.« [En10] 10
04.1 Legalitätsprinzip
TOP
Während im Bereich der
Gefahrenabwehr und für die Verfolgung und Ahndung von
Ordnungswidrigkeiten das Opportunitätsprinzip Anwendung findet,
steht im Zentrum des Strafrechts das Legalitätsprinzip.
Dieser
Rechtsbegriff ist gleichzusetzen mit dem Wort:
Strafverfolgungszwang.
[Strafverfolgungszwang:] Daraus ergibt sich, dass alle
bekannt gewordenen Straftaten, unabhängig vom Tatort und von der
Nationalität tatbeteiligter Personen, grundsätzlich von den
Strafverfolgungsbehörden verfolgt werden müssen, wenn dafür
hinreichende Anhaltspunkte zur Verfügung stehen. [En11]
11
Strafverfolgungsbehörden
im hier zu erörternden Zusammenhang sind die Staatsanwaltschaft
(StA) und die Polizei. Vergleichbares gilt selbstverständlich
auch für die Strafverfolgungsorgane anderer Behörden wie zum
Beispiel: das Hauptzollamt, das Finanzamt, das Bundeszentralamt
für Steuern und die Familienkasse.
[Weisungsbefugnis der
StA:] Während es sich bei der StA um ein dem Gericht
gleichgeordnetes Organ der Strafrechtspflege handelt, dem die
Strafverfolgung und Mitwirkung im Strafverfahren obliegt,
handelt es sich bei der Polizei um eine der Weisungsbefugnis der
StA unterstehende Institution, soweit es um Belange der
Strafverfolgung geht.
Das heißt im Klartext.
Die Polizei hat Weisungen
der StA zu befolgen.
Zwar ist es der Polizei
möglich, aufgrund eines bestehenden Anfangsverdachtes von sich
aus Ermittlungen gegen einen Tatverdächtigen aufzunehmen, im
Gegensatz zur StA ist es der Polizei aber untersagt, ein
Strafverfahren einzustellen oder gar Anklage zu erheben.
Insoweit steht der StA bei der Prüfung, ob ein Anfangsverdacht
vorliegt, nicht nur in tatsächlicher Hinsicht ein
Beurteilungsspielraum zu. Auch in rechtlicher Hinsicht verfügt
die StA über eine gewisse Freiheit bei der Bildung ihrer
Auffassung, wie im Einzelfall zu verfahren ist.
[Beurteilungsspielraum
der StA:] Wenn zureichende Anhaltspunkte nach
kriminalistischer Erfahrung die Annahme rechtfertigen, dass eine
verfolgbare Straftat vorliegt, wird aber auch die StA
Ermittlungen einleiten und Anklage erheben müssen, wenn das in
Bezug auf die Anlasstat geboten ist. Für die Aufnahme
staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen reichen bereits entfernte
Indizien aus. Dennoch steht der StA bei der Beantwortung der
Frage, ob ein Verdacht »zureichend« ist, ein
Beurteilungsspielraum zu. Die Einleitung von Maßnahmen der
Strafverfolgung durch die StA kommt nur dann nicht in Betracht,
wenn bei voller Würdigung auch der Belange einer
funktionstüchtigen Strafrechtspflege, »die Einleitung der
Ermittlungen gegen den Beschuldigten nicht mehr verständlich
wäre, oder, vereinfacht ausgedrückt, wenn die Einleitung eines
Strafverfahrens gegen den Beschuldigten bei kundigen Dritten mit
gleichem Kenntnisstand gewissermaßen ein »Kopfschütteln«
hervorriefe. [En12] 12
[Beurteilungsspielraum
der Polizei:] Ein »Beurteilungsspielraum«, vergleichbar mit
dem der StA, steht der Polizei nicht zu. Sie ist nicht »Herrin
des Ermittlungsverfahrens«, sondern lediglich ein
»Hilfsinstrument« der StA, das weisungsgebunden ist.
Folglich kann der
Beurteilungsspielraum der Polizei nicht so weit gehen, wie das
pflichtgemäße Ermessen der StA.
Das resultiert auch
daraus, dass es der Polizei untersagt ist, ein Strafverfahren
einzustellen oder die Entgegennahme einer Anzeige zu verweigern,
nur weil sie einen Anfangsverdacht nicht für ausreichend hält.
Ausnahmen greifen nur,
wenn das Gesetz die Einleitung eines Strafverfahrens nicht
zulässt. So darf zum Beispiel gegen Kinder aufgrund ihrer
fehlenden Schuldfähigkeit das Strafverfahren nicht betrieben
werden.
Gleiches gilt für
Diplomaten, die aufgrund ihres besonderen Status strafrechtlich
nicht verfolgt werden dürfen.
[Beispiel:] Der Geschäftsführer eines Supermarktes gibt
folgenden Vorfall zur Anzeige. Eine Mitarbeiterin des Hauses
wurde vom Ladendetektiv auf frischer Tat dabei betroffen, als
sie Ware, deren Verfallsdatum abgelaufen ist, nicht wie
vorgesehen in den Abfall, sondern in die eigene Handtasche
verschwinden ließ um dann festzustellen: Ich möchte diese Straftat anzeigen.
Rechtslage?
Obwohl kein
wirtschaftlicher Schaden entstanden ist, weil der entwendete
Gegenstand auch aus Sicht des Anzeigenerstatters keinen
wirtschaftlichen Wert mehr hat, sonst käme er nicht in den Müll,
wurde die Mitarbeiterin dennoch bei der Begehung eines
Diebstahls auf frischer Tat betroffen.
Die Polizei ist nicht
dazu befugt, die Anzeige eines solchen Delikts mit der
Begründung abzulehnen.
Diese Entscheidung, das
eingeleitete Strafverfahren einzustellen, ist
ausschließlich der StA vorbehalten.
[Fazit:] Die
Staatsanwaltschaft und die Polizei sind bei Vorliegen eines
Anfangsverdachts dazu verpflichtet, den Sachverhalt zu
erforschen. Die Polizei ist dann zuständig und kann und darf
sich dann ihrer Zuständigkeit nicht mehr entziehen.
Dabei dürfen
aber nur solche Mittel zur Anwendung kommen, die aus zweierlei
Gründen in einem angemessenen Verhältnis zur bekannt gewordenen
Anlassstraftat stehen.
-
Den
Strafverfolgungsbehörden ist es verwehrt, mit Kanonen auf
Spatzen zu schießen. Folge dieser Sichtweise ist, dass sich
die Strafverfolgungsbehörden der Lächerlichkeit aussetzen,
wenn bereits kleinste Normverletzungen dazu führen, die
ganze Schärfe des Strafrechts zur Anwendung kommen zu
lassen.
-
Darüber hinaus müssen
die bei der Strafverfolgung eingesetzten Mittel auch im
Hinblick auf die gewährten verfassungsrechtlich verbürgten
Freiheitsgewährungen angemessen und verhältnismäßig sein.
Nicht umsonst gilt das Strafrecht als ein »Seismograph der
Staatsverfassung«. In einem Rechtsstaat kann es deshalb
keine Strafverfolgung um jeden Preis geben, selbst dann
nicht, wenn das von Teilen der Gesellschaft vehement
eingefordert wird. (Null Toleranz gegenüber jeglicher Form
von Unordnung im Staate).
[Kern des
Rechtsstaatsprinzips:] Das Legalitätsprinzip gehört zum Kern
des Rechtsstaatsprinzips. In solch einem Staat »regieren die
Gesetze« und nicht die »Rechtsauffassungen von Menschen«.
Außerdem bezieht das Legalitätsprinzip seine Quelle aus dem
Demokratieprinzip, und zwar insoweit, als dass Urteile »immer im
Namen des Volkes« ergehen.
04.2 Anzeige von
Straftaten
TOP
Wird der Polizei eine
Straftat angezeigt, so haben Polizeibeamte die Anzeige entgegen
zu nehmen. Der Polizei steht es nicht zu, die Aufnahme einer
Anzeige zu verweigern.
Für den Fall, dass der
Anzeigenerstatter ein Privatklagedelikt anzeigt, ist es jedoch
zulässig, diesen auf den Privatklageweg hinzuweisen.
Privatklagedelikte sind aufzunehmen, wenn der Anzeigenerstatter
darauf besteht.
[Pflicht zur
Anzeigenaufnahme:] Straftaten können bei der
Staatsanwaltschaft oder den Behörden und Beamten des
Polizeidienstes sowie bei den Amtsgerichten schriftlich oder
mündlich zur Anzeige gebracht werden. Bei Antragsdelikten ist es
erforderlich, dass der Anzeigende einen Strafantrag stellt, dem
zu entnehmen ist, dass er oder sie die Strafverfolgung wünscht.
Dafür reicht es aus, dass der Anzeigende einen Strafantrag
unterschreibt. Antragsdelikte können nur Personen anzeigen, die
dazu berechtigt sind.
Kinder und Jugendliche
können Antragsdelikte nicht anzeigen.
Sinn und Zweck einer
Strafanzeige ist es, den Strafverfolgungsbehörden einen
Sachverhalt zu schildern, der nach Meinung des
Anzeigenerstatters einen Anlass für eine Strafverfolgung bietet.
Eine Strafanzeige ist deshalb als eine Aufforderung an die
Strafverfolgungsbehörden zu verstehen, zu prüfen, ob
Ermittlungen aufzunehmen sind.
Sie verpflichtet die
Strafverfolgungsbehörden dazu, die Anzeige diesbezüglich zu
prüfen.
Offizialdelikte können von
jedermann angezeigt werden.
Von mündlich oder
telefonisch bekannt gewordene Straftaten müssen die wesentlichen
Inhalte protokolliert werden. Ist der Anzeigenerstatter
anwesend, wird ihm das Protokoll in der Regel zur Unterschrift
vorgelegt.
[Vertrauliche
Anzeigen:] Auch vertrauliche Anzeigen hat die Polizei
entgegenzunehmen und zu bearbeiten. Die Polizei ist nicht dazu
berechtigt, eine Anzeige mit der Begründung abzulehnen, dass die
Geheimhaltung des Anzeigenerstatters nicht zugesichert werden
kann.
Wird vom Anzeigenerstatter die Geheimhaltung seines Namens
verlangt, kann Vertraulichkeit nur unter der Einschränkung
zugesagt werden, dass dafür die Zustimmung der StA erforderlich
ist.
[Anonyme Anzeigen:]
Auch anonymen Anzeigen muss die Polizei prüfen. Bei namenlosen
Anzeigen ist jedoch zuvor abzuklären, ob die Voraussetzungen
eines begründeten Anfangsverdachts greifen. In solchen Fällen
sollten Tatverdächtige erst zur Sache vernommen werden, wenn der
Verdacht durch andere Ermittlungen eine gewisse Bestätigung
findet.
[Beispiel:] Ein Anrufer teilt der Polizei mit, dass in
seiner Nachbarschaft merkwürdige Dinge geschehen. Originalton:
»Vor einigen Wochen sind zwielichtige Gestalten in ein abseits
gelegenes Haus eingezogen. Seitdem sind alle Rollläden
geschlossen. Was mich aber weitaus mehr beunruhigt ist die
Tatsache, dass in unregelmäßigen Abständen Frauen ins Haus
gebracht und oftmals erst Tage später von Personen abgeholt
werden, die dort nicht wohnen. Die zum Abtransport benutzten Pkw
stammen nicht aus der Region. Als ich heute Morgen, so gegen
04.00 h, die Gelegenheit nutzte, mir das Haus einmal aus der
Nähe anzusehen, hörte ich das laute Weinen einer Frau. Ich bin
mir sicher, dass in diesem Haus Frauen zur Prostitution
gezwungen werden. Nach meinem Dafürhalten passt das genau zu den
Typen, die in diesem Haus wohnen. Die sehen alle aus wie
Zuhälter«. Der Anrufer ist nicht dazu bereit, seinen Namen
anzugeben. Als der Polizeibeamte ihn danach fragt, legt er auf.
Rechtslage?
Der Anrufer hat der
Polizei einen Sachverhalt geschildert, der seiner Meinung nach
Anlass für ein Tätigwerden der Polizei bietet. Da der
Sachverhalt der Polizei telefonisch mitgeteilt wurde, ist der
wesentliche Inhalt des Telefonats zu protokollieren.
Da auch
anonyme Anzeigen die Polizei dazu verpflichten, Ermittlungen
einzuleiten, darf die Anzeige nicht unbearbeitet bleiben. Da es
sich um eine anonyme Anzeige handelt, sollten vor der Vernehmung
der bisher unbekannten Tatverdächtigen Ermittlungen durchgeführt
werden, um den bekannt gewordenen Anfangsverdacht erhärten,
zumindest aber bestätigen zu können.
Weitergehende Ermittlungen
kommen nur dann nicht in Betracht, wenn sich keinerlei
Anhaltspunkte für einen begründeten Anfangsverdacht ergeben.
Die Entgegennahme von
Anzeigen kann nur in solchen Fällen abgelehnt werden, in denen
ein Anfangsverdacht von vornherein ausscheidet.
[Beispiel:] Ein Fahrzeugführer zeigt eine
Verkehrsunfallflucht an. Er gibt an, seinen Pkw zum Parken auf
einem Parkplatz abgestellt zu haben. Als er seinen Pkw wieder in
Betrieb nehmen wollte, so der Fahrer, »hatte dieser merkwürdige
»schwarze Flecken« auf der Motorhaube«. Der Mann kann sich das
nur so erklären, dass ein anderer Pkw mit durchdrehenden Reifen
den Parkplatz verlassen wollte und der dadurch aufgewirbelte
Split diese Spuren auf seiner Motorhaube hinterlassen hat. Bei
der Inaugenscheinnahme des Pkw durch den Beamten stellt sich
heraus, dass es sich um »die Überbleibsel von Insekten handelt«
die auf der Motorhaube haften geblieben sind. Als der Beamte
vorsichtig mit einem angefeuchteten Tempotaschentuch die Flecken
auf der blankpolierten roten Motorhaube eines »nagelneuen« Alfa
Romeo »bearbeitet«, lassen sich diese problemlos entfernen.
Rechtslage?
In diesem Falle besteht
kein Anfangsverdacht.
Würde der
Anzeigenerstatter darauf bestehen, dass der Vorfall zur Anzeige
kommt, müsste die Polizei gegen ihn wegen »Wissentlicher
Falschanzeige« ermitteln, siehe
§ 164 StGB (Falsche
Verdächtigung). Es kann davon ausgegangen werden, dass der
»Anzeigenerstatter« darauf keinen Wert legen und seinen Irrtum
bedauern wird.
04.3 Anfangsverdacht
TOP
Die Polizei ist dazu
verpflichtet, beim Vorliegen eines Anfangsverdachts für eine
Straftat alle keinen Aufschub gestattenden Anordnungen zu
treffen, um die Verdunkelung der Sache zu verhüten.
[Definition:] Ein
Anfangsverdacht ist gegeben, wenn konkrete »tatsächliche«
Anhaltspunkte vorliegen, die nach den kriminalistischen
Erfahrungen die Beteiligung des Betroffenen an einer
verfolgbaren Straftat als möglich erscheinen lassen. [En13]
13
Zur Begründung des
Anfangsverdachts können auch entfernte Indizien verwendet
werden. Bloße Vermutungen reichen jedoch nicht aus, um einen
Anfangsverdacht begründen zu können. Der Anfangsverdacht braucht
aber weder dringend, noch hinreichend zu sein.
Zureichende
tatsächliche Anhaltspunkte, so der Sprachgebrauch des
Gesetzgebers, sind ausreichend.
Strafanzeigen, die noch
keinen konkreten Anfangsverdacht begründen, haben keine
unmittelbare Einleitung eines Ermittlungsverfahrens zur Folge.
Zur Prüfung des angezeigten Sachverhalts ist aber immer eine
rechtliche Prüfung des unbestimmten Rechtsbegriffs
»Anfangsverdacht« erforderlich.
Zweifelsfälle sind der StA
zur Entscheidung vorzulegen.
[Vertrauliche
Anzeigen:] Die
Entgegennahme solcher Anzeigen darf die Polizei nicht mit dem
Hinweis ablehnen, dass es ihr nicht möglich ist, die
Geheimhaltung zusichern zu können. [En14] 14
04.4 Offizialdelikte
TOP
Offizialdelikte sind
Straftaten, die von Amts wegen zu verfolgen sind. Werden solche
Delikte der Polizei bekannt, darf sie nicht untätig bleiben. Zu
den Offizialdelikten gehören alle Verbrechen und alle Straftaten
der so genannten »mittleren« Kriminalität. Zu den
Offizialdelikten gehören: alle Verkehrsstraftaten, Widerstand
gegen Vollstreckungsbeamte, alle Diebstahlsdelikte bis auf
wenige Ausnahmen, alle Tötungs-, Raub- und Erpressungsdelikte
und die meisten Körperverletzungsdelikte. Gleiches gilt für die
Nötigung und für alle Straftaten gegen die sexuelle
Selbstbestimmung.
Es würde zu weit führen,
an dieser Stelle alle Offizialdelikte aufzuzählen, zumal
Offizialdelikte nicht nur im Strafgesetzbuch, sondern auch im
Betäubungsmittelgesetz, im Versammlungsgesetz, im Gesetz zur
Bekämpfung der Schwarzarbeit und in anderen Gesetzen enthalten
sind.
Offizialdelikte können von
jedermann angezeigt werden.
[Beispiel:] Ein zehnjähriger Junge hält einen gerade
vorbeifahrenden Streifenwagen an und schildert den Beamten
Folgendes: »Vor zwei Minuten haben mich zwei große Jungen
angehalten und mich aufgefordert, ihnen mein Smartphone zu
geben, mit dem ich gerade telefonierte. Als ich das nicht
wollte, hat der eine ein Messer gezogen und mich damit bedroht.
Der andere hat mir mein Smartphone dann einfach weggenommen.
Beide haben sich dann aus dem »Staub« gemacht. Die Beamten
fordern den Jungen auf, in den Streifenwagen einzusteigen. Die
Täter können noch in Tatortnähe gestellt werden. Es handelt sich
um zwei 17-Jährige. Rechtslage?
Offenkundig ist, dass der
Junge, dem sein Smartphone gewaltsam abgenommen wurde, eine
Straftat angezeigt hat, die von Amts wegen zu verfolgen ist. Da
die Möglichkeit bestand, die Täter noch in der Nähe des Tatortes
ergreifen zu können, sind die Beamten sofort ihrer
Strafverfolgungspflicht nachgekommen.
Dazu waren sie örtlich und sachlich
zuständig.
[Beispiel:] Eine alt und gebrechlich klingende Stimme zeigt
der Polizei telefonisch Folgendes an: »Herr Wachtmeister, mein
Name ist Agnes Gebrechen. Ich lebe in einem Altenheim. Dort
werde ich aber nicht gut behandelt, das muss ich Ihnen sagen.
Immer, wenn der Pfleger Oskar Nachtdienst hat, werde ich von ihm
ans Bett gefesselt. Sie müssen wissen, das ist sehr unangenehm
und weh tut das auch. Der will nur nicht, dass ich nachts auf
dem Flur spazieren gehe, wenn ich nicht schlafen kann. Ich kann
das nicht mehr aushalten. Bitte helfen Sie mir. Ich lebe im
Pflegeheim »Altenglück«. Rechtslage?
Eine Straftat begeht, wer
einen Menschen einsperrt oder auf andere Weise der Freiheit
beraubt, siehe
§ 239 StGB (Freiheitsberaubung). Dabei
handelt es sich um eine Straftat, die von Amts wegen zu
verfolgen ist (Offizialdelikt).
Für sich allein gesehen
ist das Verhalten des Pflegers Oskar offensichtlich
rechtswidrig, denn eine Person, deren Bewegungsfreiheit durch
eine Fixierung so eingeschränkt wird, dass sie sich nicht mehr
frei bewegen kann, wird dadurch Opfer einer Freiheitsberaubung.
Dennoch könnte in einem
anderen Zusammenhang gesehen, das Verhalten des Pflegers
gerechtfertigt sein.
Voraussetzung dafür ist, dass es
sich um einen Fall des sogenannten »rechtfertigenden Notstandes«
handelt. Davon kann ausgegangen werden, wenn ein alter Mensch
durch eine Fixierung vor sich selbst geschützt werden muss, weil
er oder sie sich sonst selbst verletzt (Schlagen mit dem Kopf
vor die Wand etc.). Bevor jedoch solche Maßnahmen des
»Selbstschutzes« zur Anwendung kommen, muss genau abgewogen
werden, ob das erforderlich ist. Da im Zusammenhang mit
Maßnahmen auf der Grundlage des »rechtfertigenden Notstands« dem
Grundsatz der Verhältnismäßigkeit eine hohe Bedeutung zukommt,
ist zu prüfen, ob durch eine Fixierung (Eingriff in die
Bewegungsfreiheit) offenkundig höherwertige Rechtsgüter
(körperliche Unversehrtheit) geschützt werden sollen. Nur wenn
das der Fall ist, kann das Fixieren alter und gebrechlicher
Menschen in Altenheimen gerechtfertigt werden.
[Hinweis:] Das BVerfG hat mit Urteil vom 24.
Juli 2018 - 2 BvR 309/15 entschieden, dass die Fixierung eines
Patienten einen Eingriff in dessen Grundrecht auf Freiheit der
Person (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Art. 104 GG) darstellt,
siehe Leitsatz 1, und im Leitsatz 3 heißt es: Um den Schutz des
von einer freiheitsentziehenden Fixierung Betroffenen
sicherzustellen, bedarf es eines täglichen richterlichen
Bereitschaftsdienstes, der den Zeitraum von 6:00 Uhr bis 21:00
Uhr abdeckt. Nur bei Gefahr im Verzug kann eine Fixierung ohne
richterlichen Beschluss hingenommen. Ein solcher ist aber
unverzüglich nachzuholen.
Wie dem auch immer sei.
Diese Umstände kennt der Beamte
nicht, als er die Anzeige telefonisch entgegennimmt.
Er wird deshalb das von ihm zu
fertigende Protokoll an die sachbearbeitende Stelle innerhalb
seiner Polizeibehörde weiterleiten, die nach
Geschäftsverteilungsplan für die Bearbeitung von Eingriffen in
die persönliche Freiheit zuständig ist. Dort wird geprüft, was
zu veranlassen ist, gegebenenfalls in Abstimmung mit der
Staatsanwaltschaft und dem örtlich zuständigen Sozialamt.
[Beispiel:] Im Rahmen eines polizeilichen Einsatzes kommt es
zu einem Schusswechsel mit Tatverdächtigen. Einer der
Tatverdächtigen wird von einer Kugel getroffen, die aus einer
Polizeiwaffe stammt. Die Pistole gehört dem Polizeibeamten X.
Rechtslage?
Wird im Zusammenhang mit
polizeilichem Schusswaffengebrauch ein Mensch getötet oder
verletzt, wird in jedem Fall gegen den Polizeibeamten, aus
dessen Pistole der Schuss abgegeben wurde, ermittelt.
Im Rahmen dieser
Ermittlungen wird geprüft, ob der Schusswaffengebrauch nach den
einschlägigen Bestimmungen des Polizeigesetzes rechtmäßig war.
Sollte das nicht der Fall sein, wird geprüft, ob der Beamte in
Notwehr gehandelt hat. Scheidet auch Notwehr aus, muss der
Beamte mit strafrechtlichen Konsequenzen rechnen. Das Legalitätsprinzip
greift auch dann, wenn Polizeibeamte gehandelt haben.
[Beispiel:] Auf einer Leitstelle geht folgender Anruf ein:
»Ich bin Leiharbeiter auf einer Großbaustelle und muss dort für
wenig Geld schwer schuften. Das liegt an den vielen Illegalen,
die hier auf der Baustelle arbeiten. Täglich werden die mit
Transportern angekarrt. Ich kann ja verstehen, dass die auch
leben müssen, aber so geht das auf Dauer nicht. Die machen uns
das Leben schwer. Morgens um Punkt 05.30h treffen die Gruppen
hier ein und kurze Zeit später verteilen die sich über die ganze
Baustelle. Die Kennzeichen der Fahrzeuge, mit denen die
Transporte durchgeführt werden, will ich Ihnen nicht
vorenthalten. Notieren Sie bitte: MS-AG-1234, COE-XY 24 und
DO-SE-37«. Als sich der Leitstellenbeamte nach dem Namen des
Anrufers erkundigt, legt dieser auf. Rechtslage?
Das Gesetz zur Bekämpfung
der Schwarzarbeit und illegalen Beschäftigung stellt das
Beschäftigen von Ausländern ohne Genehmigung oder ohne
Aufenthaltstitel und zu ungünstigen Arbeitsbedingungen unter
Strafe,
§ 10 SchwarzArbG (Beschäftigung von Ausländern
ohne Genehmigung oder ohne Aufenthaltstitel und zu ungünstigen
Arbeitsbedingungen).
Solch eine Straftat hat
der Anrufer angezeigt.
Der Beamte, der den Anruf
entgegennimmt, wird von dem Gesprächsinhalt eine Niederschrift
fertigen und in den Geschäftsgang geben, so dass weitere
Maßnahmen veranlasst werden können.
Für die Bekämpfung der
Delikte nach dem »Schwarzarbeitgesetz« sind vorrangig die
Vollzugsbeamten der Zollverwaltung zuständig, unabhängig davon
ist aber auch die Polizei befugt, Maßnahmen zu treffen, siehe
§ 14 SchwarzArbG (Ermittlungsbefugnisse).
04.5 Antragsdelikte
TOP
Antragsdelikte sind Straftaten,
die strafrechtlich nur verfolgt werden können, wenn der
Antragsberechtigte den vom Gesetz geforderten Strafantrag
gestellt hat. Der Strafantrag ist Prozessvoraussetzung. Wird ein
erforderlicher Strafantrag nicht gestellt, darf die Straftat
nicht strafrechtlich verfolgt werden.
Von dieser Regel gibt es
Ausnahmen.
[Beispiel:]
Im Anschluss an eine Feier brechen übermütige junge Männer
reihenweise die Antennen von Pkw ab. Polizeibeamten gelingt es,
die Täter in Tatortnähe zu stellen. Rechtslage?
[Relative Antragsdelikte:]
In diesem Beispiel konnten die Geschädigten noch gar nicht
wissen, dass die Antennen ihrer Fahrzeuge abgebrochen wurden und
folglich noch nicht darüber entscheiden, ob sie einen
Strafantrag stellen wollen. Dennoch müssen Polizeibeamte tätig
werden, wenn sie Täter bei der Begehung auf frischer Tat
betreffen. Der fehlende Strafantrag hindert sie nicht daran.
Mit anderen Worten:
Die Beamten sind örtlich und sachlich zuständig.
Sie würden im Übrigen ihrer Strafverfolgungspflicht nicht
nachkommen, wenn sie es unterließen, die Voraussetzungen dafür
zu schaffen, gegen die »Sachbeschädiger« das Strafverfahren
einzuleiten. Im Übrigen handelt es sich bei solchen Delikten um
relative Antragsdelikte.
Solche Antragsdelikte sind bei
»Betreffen auf frischer Tat« sofort zu verfolgen. Unabhängig
davon kann bei solchen Delikten ein öffentliches Interesse an
der Strafverfolgung unterstellt werden.
[Beispiel:]
Die Täter konnten unerkannt ihr Werk (reihenweises Abbrechen von
Autoantennen) vollenden. Stunden später kommen die ersten
Geschädigten zur Anzeigenerstattung zur Polizeiwache. Den
diensthabenden Polizeibeamten »nervt« es, so viele Anzeigen
wegen abgebrochener Autoantennen aufzunehmen. Er fragt die
Geschädigten deshalb, ob sie die Anzeige nur erstatten wollen,
damit ihre Teilkaskoversicherung den Schaden übernimmt, oder ob
es ihnen wirklich auf die Strafverfolgung ankommt. Die
Standardantwort lautet: »Die Täter kriegen Sie sowieso nicht,
ich bekomme aber mein Geld nur, wenn ich die Tat anzeige. So
einfach ist das, und jetzt nehmen Sie bitte die Anzeige auf«.
Rechtslage?
Die Antwort der Geschädigten
lässt die Annahme zu, dass es den Geschädigten nicht auf die
Strafverfolgung, wohl aber auf die Regulierung ihres Schadens
ankommt.
Der Beamte ist aber dennoch gut
beraten, alle Anzeigen aufzunehmen, denn sonst hat er mit
unangenehmen Folgen zu rechnen. Da es sich bei
Sachbeschädigungen um Antragsdelikte handelt, wird der Beamte
sich von jedem Geschädigten einen Strafantrag unterschreiben
lassen und diesen zur Anzeige nehmen.
[Absolute und relative
Antragsdelikte:] Das StGB unterscheidet zwei Arten von
Antragsdelikten, die absoluten und die relativen Antragsdelikte.
Absolute Antragsdelikte sind:
Hausfriedensbruch, Beleidigung, Diebstahl und Unterschlagung in
Haus und Familie sowie der unbefugte Gebrauch eines
Kraftfahrzeuges oder Fahrrades.
Absolute Antragsdelikte können
ausnahmslos nur verfolgt werden können, wenn der
Antragsberechtigte einen Strafantrag gestellt hat.
Im Gegensatz dazu können die so
genannten relativen Antragsdelikte sowohl auf Strafantrag, als
auch von Amts wegen verfolgt werden.
Bei relativen
Antragsdelikten ist ein Strafantrag nicht erforderlich, wenn die
Staatsanwaltschaft wegen des besonderen öffentlichen Interesses
ein Einschreiten von Amts wegen für geboten hält. Dazu zählen
zum Beispiel: vorsätzliche und fahrlässige Körperverletzung,
Diebstahl und Unterschlagung geringwertiger Sachen und die
Sachbeschädigung.
Von besonderem öffentlichen
Interesse kann auch ausgegangen werden, wenn die Tat in die
Öffentlichkeit ausstrahlt (z. B. wenn Randalierer Scheiben
einwerfen oder Autos beschädigen). Öffentliches Interesse ist
ebenfalls zu bejahen, wenn Täter wiederholt oder gewerbsmäßig
Sachen von geringem Wert stehlen oder unterschlagen oder wenn
durch die Art der Diebstähle die Allgemeinheit belastet wird.
Das ist z. B. bei organisierten Taschen- oder Ladendiebstählen
der Fall.
[Strafantrag unterschreiben
lassen:] Polizeibeamte, die Antragsdelikte aufnehmen,
sollten stets bemüht sein, in jedem Fall einen schriftlichen
Strafantrag des Antragsberechtigten einzuholen. Will der
Antragsberechtigte keinen Strafantrag stellen, sollte auch dafür
eine schriftliche Erklärung erbeten werden.
Stellt der
Antragsberechtigte keinen Strafantrag, ist wie folgt zu
verfahren:
-
Handelt es
sich um ein absolutes Antragsdelikt, darf das Delikt nicht
weiter verfolgt werden, weil eine Prozessvoraussetzung
fehlt.
-
Handelt es
sich um ein relatives Antragsdelikt und bestehen
Anhaltspunkte, dass die Staatsanwaltschaft mit
Wahrscheinlichkeit öffentliches Interesse an der
Strafverfolgung erkennt, ist das Delikt von Amts wegen zu
verfolgen. Die Entscheidung der Staatsanwaltschaft ist
umgehend einzuholen.
Antragsberechtigte Personen sind
der Verletzte (der von der Tat Betroffene) und dessen
gesetzlicher Vertreter. Im Gegensatz zur Anzeige von
Offizialdelikten, die jeder anzeigen kann, darf bei
Antragsdelikten ein Strafantrag nur von einem dazu Berechtigten,
in der Regel also einem Geschädigten, gestellt werden.
Kindern und Jugendlichen fehlt es
an der Geschäftsfähigkeit. Sie können zwar Offizialdelikte,
nicht aber Antragsdelikte anzeigen.
Das hat zur Folge, dass
Strafanträge für erlittene Antragsdelikte von Eltern oder
Erziehungsberechtigten zu stellen sind.
[Rücknahme des Strafantrags:]
Die Zurücknahme von Strafanträgen ist zulässig. Die
Rücknahme kann bis zum rechtskräftigen Abschluss des
Strafverfahrens erfolgen. Ein zurückgenommener Antrag kann nicht
nochmals gestellt werden, siehe § 77d StGB (Zurücknahme
des Antrags).
[Antragsfrist:] Der
Antragsberechtigte hat innerhalb von 3 Monaten nach der Tat den
Strafantrag zu stellen. Die Frist beginnt mit Ablauf des Tages,
an dem der Berechtigte von der Tat und der Person des Täters
Kenntnis erlangt, siehe
§ 77b StGB (Antragsfrist).
04.6 Privatklagedelikte
TOP
Straftaten, die von
Geschädigten im sogenannten Privatklageverfahren selbst verfolgt
werden können, sind von der Polizei aufzunehmen, wenn ein
Antragsberechtigter auf Entgegennahme der Anzeige besteht.
Folgende Delikte können
auf dem Weg der Privatklageweg verfolgt werden:
-
Hausfriedensbruch
-
Beleidigung
-
Körperverletzung
-
Sachbeschädigung
-
Bedrohung
und andere.
Klage wird anlässlich
solcher Delikte von der Staatsanwaltschaft nur erhoben, wenn das
im öffentlichen Interesse liegt.
[Schiedsmann:] Wird
öffentliche Klage nicht erhoben, ist die Erhebung der
Privatklage erst zulässig, wenn beim zuständigen Schiedsmann ein
Sühneversuch erfolglos geblieben ist.
Bei diesem Verfahren
handelt es sich noch nicht um ein Strafverfahren.
Können sich die
Streitparteien beim Schiedsmann nicht einigen, hat der
Schiedsmann über den Ausgang des Sühnetermins eine Bescheinigung
auszustellen. Diese Bescheinigung muss mit der Klage eingereicht
werden.
[Hinweis auf
Privatklageweg ist zulässig:] Ist damit zu rechnen, dass die
StA auf öffentliches Interesse erkennt, weil das Delikt z.B. in
der Öffentlichkeit Aufsehen erregt, ist eine Anzeige stets
aufzunehmen. Die Entscheidung über die Verweisung auf den
Privatklageweg steht dann nur der Staatsanwaltschaft zu.
Besteht nach Ansicht der
Polizei kein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung,
dürfen Polizeibeamte den Geschädigten jedoch auf den
Privatklageweg hinweisen.
Damit ist gemeint, dass
Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte dem Anzeigenerstatter
erklären dürfen, dass das angezeigte Delikt mangels öffentlichen
Interesses nicht von Amts wegen verfolgt werden kann. Gibt sich
der Anzeigenerstatter mit dieser Auskunft zufrieden, braucht die
Anzeige nicht aufgenommen zu werden. Eine Anzeige ist aber
aufzunehmen, wenn der Anzeigenerstatter darauf besteht. In
solchen Fällen ist die Anzeige von der Polizei entgegenzunehmen
und ohne weitere Bearbeitung der StA zuzustellen.
[Verweis auf
Privatklage ist unzulässig:] Im Zweifelsfall ist immer eine
Anzeige zu Protokoll zu nehmen, denn der Polizei ist es nicht
erlaubt, den Anzeigenerstatter auf den Privatklageweg zu
verweisen (das darf nur die StA). Der Polizei steht aber das
Recht zu, den Anzeigenerstatter auf den Privatklageweg
»hinzuweisen«.; Polizeibeamte, die Anzeigenerstatter auf den
Privatklageweg »verweisen« und keine Anzeige aufnehmen, obwohl
der Anzeigenerstatter darauf besteht, müssen mit einer Anzeige
wegen Strafvereitelung im Amt rechnen.
[Beispiel:] Ein erboster Mann kommt zur Wache und teilt
einem Polizeibeamten Folgendes mit: »Jetzt reicht es mir. In
meiner Stammkneipe wurde ich gerade auf das Übelste von einem
Bekannten beleidigt. Er hat mich als Idioten bezeichnet, nur
weil ich mich von seiner Schwester getrennt habe und ihr das per
SMS mitgeteilt habe. Beleidigen lasse ich mich von dem nicht,
deshalb will ich Anzeige erstatten.« Was ist zu tun?
Bei der angezeigten
Beleidigung handelt es sich um eine Straftat, für deren
Verfolgung ein Strafantrag erforderlich ist und die auf dem
Privatklageweg verfolgt werden kann, falls kein öffentliches
Interesse besteht. Da die Beleidigung unter Biertrinkern während
eines Kneipengesprächs erfolgte, ist öffentliches Interesse
auszuschließen.
Der Polizeibeamte kann den Anzeigenerstatter wie
folgt informieren:
»Ich bedauere es, dass Ihr
Bekannter sie beleidigt hat. Dennoch handelt es sich bei der
Beleidigung nur um eine geringfügige Straftat, zumal sie am
Biertisch erfolgte. Ich muss Ihnen sagen, dass die
Staatsanwaltschaft Sie deshalb mit hoher Wahrscheinlichkeit auf
den Privatklageweg verweisen wird. Sinnvoller scheint es mir
deshalb zu sein, wenn Sie selbst den Privatklageweg beschreiten.
Das setzt voraus, dass Sie zunächst den zuständigen Schiedsmann
konsultieren. Dieser wird einen Sühnetermin anberaumen, an dem
Sie mit Ihrem Bekannten im Beisein des Schiedsmanns noch einmal
in Ruhe über die Angelegenheit reden können. Wenn Sie sich nicht
einigen können, wird Ihnen der Schiedsmann darüber eine
schriftliche Bestätigung ausstellen. Die benötigen Sie, um
direkt beim Amtsgericht Klage erheben zu können«.
[Bestehen auf
Anzeigenaufnahme:] Der Mann lehnt das ab. Er sagt:
»Ich lasse mich so von der Polizei nicht abwimmeln. Ich bestehe
darauf, dass Sie meine Anzeige entgegennehmen«.
Der Polizeibeamte
erwidert:
»Schade, dass Sie das so
sehen. Für mich ist es überhaupt kein Problem, Ihre Anzeige
aufzunehmen. Sobald Sie den Strafantrag unterschrieben haben,
wird Ihre Anzeige sofort unbearbeitet an die Staatsanwaltschaft
weitergeleitet. Von dort bekommen Sie weiteren Bescheid.«
05 Verfolgung von OWi
TOP
Die sachliche
Zuständigkeit der Polizei im Zusammenhang mit der Erforschung,
Verfolgung und Ahndung von Ordnungswidrigkeiten ist kompliziert
geregelt und hängt davon ab, um was für eine Ordnungswidrigkeit
es sich dabei handelt.
In Anlehnung an § 1 PolG
NRW iVm § 10 POG NRW und § 11 POG NRW handelt es sich dabei um eine
Aufgabe, »die ihr (der Polizei = AR) durch andere
Rechtsvorschriften übertragen sind.«
Dazu später mehr.
[Definition
Ordnungswidrigkeit:] Eine Ordnungswidrigkeit ist eine
rechtswidrige und vorwerfbare Handlung, die den Tatbestand eines
Gesetzes verwirklicht, das die Ahndung mit einer Geldbuße
zulässt, siehe
§ 1 OWiG (Begriffsbestimmung).
Der Umfang möglichen
ordnungswidrigen Verhaltens ist so groß, dass es nicht möglich
ist, auch nur annähernd das Ausmaß möglichen ordnungswidrigen
Fehlverhaltens zu beschreiben.
Die nachfolgende Auswahl
ermöglicht nur einen polizeispezifischen Überblick:
Ordnungswidrigkeitentatbestände sind enthalten:
-
im
Ordnungswidrigkeitengesetz, zum Beispiel § 118 OWiG
-
im Versammlungsgesetz,
siehe § 29 VersG
-
im Waffengesetz, siehe
§ 55 WaffG
-
im Landesforstgesetz,
siehe § 70 LFoG NRW
-
in der
Straßenverkehrsordnung, siehe § 49 StVO
-
in der
Straßenverkehrszulassungsordnung, siehe § 69a StVZO
-
in der
Gefahrgutverordnung Straße, Eisenbahn und Binnenschifffahrt,
siehe § 37 GGVSEB
-
und in vielen anderen
Rechtsverordnungen.
Ordnungswidrigkeitentatbestände gibt es aber auch in Gemeinde-
und Stadtverordnungen. So ist zum Beispiel das Wildpinkeln in
vielen Städten bußgeldbewehrt.
[Bußgeld für
Wildpinkler:] In einer Meldung der WAZ online vom 23.07.2014
heißt es unter der Überschrift: Bußgeld-Atlas - So
teuer ist Wildpinkeln in Deutschland:
Der »Deutsche Wildpinkler
Verwarn- und Bußgeldatlas des Jahres 2014« gibt Auskunft
darüber, wie teuer es ist, wenn man an die Straßenecke uriniert.
Köln kassiert dafür 200 Euro, München 100 Euro - in Witten ist
das Wildpinkeln dagegen fast ein Schnäppchen.
Gleichermaßen
ordnungswidrig handeln Hundehalter, die es zulassen, wenn ihre
Hunde in Parkanlagen ihre Notdurft verrichten:
In den jeweiligen
örtlichen »Benutzungsordnungen für die städtischen Park- und
Naherholungsanlagen« sind Regelungen enthalten, die etwa
folgenden Wortlaut haben:
»Hundehalter haben dafür
Sorge zu tragen, dass ihre Hunde die öffentlichen Parkanlagen,
waldähnlichen Parkanlagen oder Grünflächen nicht verunreinigen.
Der Hundekot ist vom Tierhalter sofort zu beseitigen und
ordnungsgemäß zu entsorgen. In den öffentlichen Parkanlagen und
auf Grünflächen besteht Leinenzwang. Hiervon ausgenommen sind
die öffentlich ausgewiesenen Hundewiesen.«
In diesen
Benutzungsordnungen ist ebenfalls explizit aufgelistet, welches
Verhalten ordnungswidrig ist und somit mit einem Bußgeld
geahndet werden kann.
Auch
§ 20
LHundG NRW
(Ordnungswidrigkeiten) enthält eine Vielzahl von
Ordnungswidrigkeiten, die Polizeibeamte kennen sollten.
05.1 Polizei als
Ermittlungsbehörde
TOP
Die sachliche
Zuständigkeit zur Erforschung von Ordnungswidrigkeiten folgt aus
§ 1 PolG NRW iVm § 10 und § 11 POG NRW iVm § 53 Abs. 1 OWiG.
Diese gilt für das gesamte
Ordnungswidrigkeitenrecht.
Insoweit haben die
Polizeibehörden alle unaufschiebbaren Anordnungen zu treffen, um
die Verdunkelung der Sache zu verhüten. Sie haben bei der
Erforschung von Ordnungswidrigkeiten dieselben Rechte und
Pflichten wie bei der Verfolgung von Straftaten, soweit das OWiG
nichts anderes bestimmt.
Ihre Akten übersenden sie unverzüglich
der zuständigen Verwaltungsbehörde, siehe
§ 53 OWiG
(Aufgaben der Polizei).
Ist die Polizei lediglich
Ermittlungsbehörde, darf sie ein eingeleitetes
Ordnungswidrigkeitenverfahren nicht einstellen.
Ermittlungspersonen der
Staatsanwaltschaft dürfen jedoch nach den für sie geltenden
Vorschriften der Strafprozessordnung Beschlagnahmen,
Durchsuchungen, körperliche Untersuchungen und sonstige Maßnahmen anordnen,
siehe
§ 53 Abs. 2 OWiG (Aufgaben der Polizei).
Eine vorläufige Festnahme
ist zur Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten nicht zulässig. Das
folgt aus
§ 46 Abs. 3 OWiG (Anwendung der Vorschriften
über das Strafverfahren). Was dort für Verfolgungsbehörden gilt,
muss erst recht für bloße Ermittlungsbehörden gelten.
[Beispiel:] Eine Polizeibeamtin stellt in der Zeit erhöhter
Waldbrandgefahr fest, dass eine Familie am Waldrand grillt. Ist
die Polizeibeamtin dafür sachlich zuständig?
Gemäß
§ 70 Abs. 2
des Landesforstgesetzes (Bußgeldvorschriften) handelt u.a.
ordnungswidrig, wer entgegen
§ 47 Abs. 1 LFoG NRW
(Waldgefährdung durch Feuer) ein Grillgerät benutzt. Danach ist
es nicht zulässig, im Wald oder in einem Abstand von weniger als
einhundert Metern vom Waldrand außerhalb einer von der
Forstbehörde errichteten oder genehmigten und entsprechend
gekennzeichneten Anlage ein Grillgerät zu benutzen.
Das ist im Beispiel nicht der Fall.
Folglich hat
der Verantwortliche der Familie eine Ordnungswidrigkeit
begangen.
Die sachliche
Zuständigkeit der Polizei zur Erforschung von
Ordnungswidrigkeiten folgt aus § 1 PolG NRW iVm § 10 und § 11
POG NRW iVm § 53 Abs. 1 OWiG.
Für die Verfolgung und
Ahndung dieser Ordnungswidrigkeit ist die Polizei nicht
zuständig. Diesbezügliche Zuständigkeiten sind in der
Zuständigkeitsverordnung Umweltschutz (ZustVU) vom 3. Februar
2015 geregelt.
Dort heißt es:
Gemäß
§ 7 ZustVU
(Zuständigkeit bei Ordnungswidrigkeiten) ist zuständige Behörde
für die Verfolgung und Ahndung von Ordnungswidrigkeiten die für
den Vollzug der Rechtsvorschriften nach dieser Verordnung
jeweils zuständige Behörde. Aus der Anlage zu dieser Verordnung
gehört dazu auch der »Landesbetrieb Wald und Holz«.
Der Landesbetrieb Wald und
Holz ist somit im Sinne von
§ 1 ZustVU die für die
Verfolgung und Ahndung zuständige Behörde. [En15] 15
Zur Verfolgung und Ahndung
der festgestellten Ordnungswidrigkeit ist die Polizeibeamtin
somit sachlich nicht zuständig.
Wenn es die
Polizeibeamtin für erforderlich hält, das festgestellte
ordnungswidrige Verhalten verfolgen und ahnden zu lassen, dann
wird sie die Identität des Betroffenen feststellen, den Vorgang
zur Anzeige bringen und die Anzeige dann an die zuständige
örtliche Umweltschutzbehörde weiterleiten.
Die dafür
erforderliche sachliche Zuständigkeit ergibt sich aus
§ 53
OWiG (Aufgaben der Polizei). Diese Zuständigkeitszuweisung
gilt für alle Ordnungswidrigkeiten, umfasst aber nur den
Erforschungsauftrag.
05.2 Polizei als
Verfolgungsbehörde
TOP
In den vielen Fällen ist
die Polizei nicht nur Erforschungsbehörde, sondern auch
Verfolgungsbehörde.
[Verfolgungsbehörde:]
Polizeibehörden sind im Ordnungswidrigkeitenrecht immer dann
auch Verfolgungsbehörden, wenn sie durch
Zuständigkeitsverordnung dazu bestimmt sind.
Als Verfolgungsbehörde ist
die Polizei sowohl zur Ermittlung, als auch für die weitere
Mitwirkung an einer etwaigen gerichtlichen Entscheidung
zuständig. Solange das Verfahren bei ihr anhängig ist, kann sie
das Ordnunswidrigkeitenverfahren einstellen, siehe
§ 47 OWiG (Verfolgung von
Ordnungswidrigkeiten).
Als Verfolgungsbehörde hat
die Polizei im Bußgeldverfahren gemäß
§ 46 Abs. 2 OWiG
(Anwendung der Vorschriften über das Strafverfahren) dieselben
Rechte und Pflichten wie die Staatsanwaltschaft bei der
Verfolgung von Straftaten, soweit das OWiG nichts anderes
bestimmt.
Die Beamten des Polizeidienstes, die zu
Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft bestellt sind,
können dann nach den für sie geltenden Vorschriften der
Strafprozessordnung, Beschlagnahmen, Durchsuchungen,
Untersuchungen und sonstige Maßnahmen anordnen.
Jedoch
sind gemäß § 46 Abs. 3 OWiG u. a. Verhaftungen, vorläufige
Festnahmen, Beschlagnahme von Postsendungen und Telegrammen
sowie Auskunftsersuchen über Umstände, die dem Post- und
Fernmeldegeheimnis unterliegen, unzulässig.
»Die
Zuständigkeit zur Verfolgung umfasst die selbständige und
eigenverantwortliche Ermittlungstätigkeit sowie die unmittelbare
und verantwortliche Mitwirkung an einer etwaigen gerichtlichen
Entscheidung über die Beschuldigung durch Unterbreitung des
Sachverhalts.« [En16] 16
[Hinweis:] Bei
allen im praktischen Polizeivollzugsdienst des Landes NRW
tätigen Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten handelt es sich um
Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft.
Lediglich Studentinnen und
Studenten, die während ihrer Fachhochschulausbildung in den
Polizeibehörden ihre »Berufspraktika« absolvieren, verfügen
nicht über diesen Status. Dieser Personenkreis kann aber unter
Anleitung eines Tutors, bei dem es sich um eine
Ermittlungsperson der StA handelt, entsprechend tätig werden.
05.3 Polizei als
Ahndungsbehörde
TOP
Als Ahndungsbehörden sind
die Polizeibehörden sogar zum Erlass von Bußgeldbescheiden
zuständig. Soweit die Polizei Ahndungsbehörde ist, ist sie
zugleich auch Verfolgungsbehörde.
Im Zusammenhang mit
Aufgabenzuweisungen nach dem Waffengesetz (WaffG) ist die
Polizei sachlich zuständig für:
-
Waffenan- und
-abmeldungen
-
Waffenrechtliche
Auskunfts- und Beratungsersuchen
-
Annahme von zur
Vernichtung bestimmten Waffen
-
Erteilung von
Waffenbesitzkarten, Europäische
Feuerwaffenpässe, Ein- und Ausfuhrerlaubnisse, Verlust- und
Fundanzeigen, Nachweis der sicheren Aufbewahrung von
Schusswaffen
-
»Kleiner Waffenschein«
für PTB-Waffen (Schreckschuss-, Reizstoff- und Signalwaffen)
-
Überprüfung und
Feststellung der persönlichen Eignung
-
Waffenrechtliche Erb-
und Nachlassverfahren - „Erben-Waffenbesitzkarten“,
Nachweisverfahren Blockiersysteme für Erbwaffen
-
Schießanzeigen/Benennung der verantwortlichen
Aufsichtspersonen bei Schießveranstaltungen.
[Ahndungsbehörde:]
Gemäß § 5 WaffGDVO ist die Zuständigkeit
für die Verfolgung und Ahndung von Ordnungswidrigkeiten nach §
53 Waffengesetz ebenfalls Aufgabe der Kreispolizeibehörden.
Dort heißt es:
Die
Zuständigkeit für die Verfolgung und Ahndung von
Ordnungswidrigkeiten nach § 53 Waffengesetz wird den
Kreispolizeibehörden übertragen. [En17] 17
Ferner sind die
Kreispolizeibehörden für die Verfolgung und Ahndung von
Ordnungswidrigkeiten nach § 29 des Versammlungsgesetzes
zuständig.
Dazu später mehr.
[Maßnahmen der
Strafprozessordnung:] Bereits an dieser Stelle sei der
Hinweis darauf erlaubt, dass die zur Erforschung und Verfolgung
von Ordnungswidrigkeiten erforderlich werdende Maßnahmen sich aus der
Strafprozessordnung ergeben.
Das
Ordnungswidrigkeitengesetz sieht vor, dass für das
Bußgeldverfahren, soweit nichts anderes bestimmt ist, sinngemäß
die Vorschriften der allgemeinen Gesetze über das
Strafverfahren, namentlich der Strafprozessordnung, des
Gerichtsverfassungsgesetzes und des Jugendgerichtsgesetzes
gelten, siehe
§ 46 OWiG (Anwendung der Vorschriften über
das Strafverfahren).
Dort heißt es:
Die Verfolgungsbehörde
hat, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, im
Bußgeldverfahren dieselben Rechte und Pflichten wie die
Staatsanwaltschaft bei der Verfolgung von Straftaten.
05.4
Verkehrsordnungswidrigkeiten
TOP
Im Zusammenhang mit der
polizeilichen Aufgabe der »Überwachung des Straßenverkehrs«,
überträgt
§ 11 Abs. 1 Nr. 3 POG NRW (Sachliche
Zuständigkeit der Kreispolizeibehörden) den Polizeibehörden eine
polizeiliche Kernaufgabe:
Die Überwachung des
Straßenverkehrs.
Soweit im Rahmen dieser
Aufgabe Verkehrsordnungswidrigkeiten festgestellt werden, ist
der Nachweis der sachlichen Zuständigkeit kompliziert.
Dazu gleich mehr.
Im RdErl. d. Ministeriums
für Inneres und Kommunales - 43.8 - 57.04.16 - vom 2.11.2010 ist
die Zuständigkeit für die Verfolgung von
Verkehrsordnungswidrigkeiten wie folgt geregelt:
1.1.1 Polizei
Die Polizeibehörden sind
eigenverantwortlich handelnde Verfolgungsbehörden
(Verwaltungsbehörde i. S. d. § 36 OWiG) bei der Verfolgung von
Ordnungswidrigkeiten nach
-
§§ 23, 24, 24 a, 24 c
Straßenverkehrsgesetz (StVG)
-
§§ 8, 8a
Fahrpersonalgesetz (FPersG)
-
§ 37
Gefahrgutverordnung Straße, Eisenbahn und Binnenschifffahrt
(GGVSEB),
solange sie die Sache
nicht an die Ordnungsbehörde oder an die Staatsanwaltschaft
abgegeben haben. [En18] 18
Das bedeutet, dass die
Polizei festgestellte Verkehrsordnungswidrigkeiten so lange
eigenverantwortlich »bearbeitet«, bis die Vorgänge an die für
den Erlass des Bußgeldbescheids zuständige Kreisordnungsbehörde
(Straßenverkehrsbehörde) abgegeben worden sind.
[Verfolgung
geringfügiger Verkehrsordnungswidrigkeiten:] Polizeibeamte
sind gesetzlich dazu befugt, geringfügige
Verkehrsordnungswidrigkeiten unmittelbar am Ort des Geschehens
durch die Festsetzung eines Verwarnungsgeldes abschließend
zu ahnden. Voraussetzung dafür ist, dass der Betroffene
damit einverstanden ist. Die gesetzliche Zulässigkeit dafür
ergibt sich aus dem Ordnungswidrigkeitengesetz.
Während sich
§ 56 OWiG
(Verwarnung für die Verwaltungsbehörde) an die Bediensteten der
zuständigen Behörde richtet, bestimmt
§ 57 OWiG
(Verwarnung durch Beamte des Außen- und Polizeidienstes), dass
auch die Polizei Verwarnungen erteilen kann.
Kommt für die Ahndung nur
die Festsetzung eines Bußgeldes in Betracht, wird die Polizei
nach Abschluss ihrer Ermittlungen den Vorgang an die Behörde
weiterleiten, die dann den Bußgeldbescheid erlässt.
[Zuständigkeitskette:]
Die Zuständigkeit zur Verfolgung von
Verkehrsordnungswidrigkeiten ergibt sich aus § 1 PolG NRW iVm §
10 und § 11 POG NRW iVm § 36 OWiG iVm dem RdErl. d. Ministeriums
für Inneres und Kommunales - 43.8 - 57.04.16 - v. 2.11.2010
»Verfolgung von Verkehrsverstößen durch die Polizei und Erhebung
von Sicherheitsleistungen bei Ordnungswidrigkeiten und
Straftaten - Verfolgung und Ahndung von
Verkehrsordnungswidrigkeiten durch die Ordnungsbehörden«.
Mit anderen Worten:
Wer so etwas auswendig lernt, belastet sich nach der hier
vertretenen Auffassung mit überflüssigem Gedächtnismüll. Solche
Zuständigkeitsketten, von denen es viele gibt, sollen nur
aufzeigen, dass Polizeirecht meist im
Banalen unendlich komplizierter ist, als sich das der Laie überhaupt vorstellen kann.
05.5 Opportunitätsprinzip
TOP
Das Opportunitätsprinzip
gilt für die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten schlechthin. Im
Gegensatz zum Legalitätsprinzip des Strafrechts ist die
zuständige Verfolgungsbehörde nicht stets dazu verpflichtet,
gegen den jeweils Betroffenen das Bußgeldverfahren einzuleiten
und durchzuführen.
Darüber entscheidet die
Behörde nach pflichtgemäßem Ermessen und unter Beachtung
vorgegebener ermessensbegrenzender Richtlinien.
[Beispiel:] Polizeibeamte haben gerade einen Pkw-Fahrer
angehalten, der ein Stoppzeichen missachtet hat. Als die Beamten
den Mann auf sein Fehlverhalten hin ansprechen, erhalten sie
über Funk den Auftrag, sofort einen schweren Verkehrsunfall
aufzunehmen, weil andere Streifenwagen zurzeit nicht verfügbar
sind. Die Beamten wünschen dem Pkw-Fahrer gute Fahrt und fahren
sofort zur Unfallstelle. Sehr zur Freude des Pkw-Fahrers.
Rechtslage?
Offensichtlich haben die
Polizeibeamten Wichtigeres zu tun, als sich um eine
Verkehrsordnungswidrigkeit zu kümmern. Das Opportunitätsprinzip
lässt es zu, eine festgestellte Verkehrsordnungswidrigkeit
ungeahndet zu lassen, wenn wichtigere Aufgaben das nicht
zulassen.
Das ist bei einem schweren
Verkehrsunfall offenkundig der Fall.
Das Ermessen der
Verfolgungsbehörde ist jedoch nicht völlig frei.
Das Gesetz sieht vor, dass
nur sachliche Umstände dafür ausschlaggebend sein dürfen, ob und
in welchem Umfang eine Ordnungswidrigkeit verfolgt wird, oder
nicht. Ordnungswidriges Verhalten hat die Polizei aber nicht zu
dulden, nur weil in vergleichbaren Fällen nicht eingeschritten
wird.
[Beispiel:] Ein Polizeibeamter hält einen Radfahrer an, der
bei Dunkelheit ohne Licht fährt. Als der Beamte dem Radfahrer
ein Verwarnungsgeld anbietet, passiert ein anderer Radfahrer -
ebenfalls ohne eingeschaltete Beleuchtung - den Kontrollort. Der
Kontrollierte sagt: »Ich finde es ungerecht, dass Sie mich
verwarnen und andere einfach unbehelligt weiterfahren lassen.
Das ist nicht in Ordnung.« Rechtslage?
Einen Anspruch auf
Gleichbehandlung im Unrecht gibt es nicht.
Deshalb hat der
angehaltene und »zur Kasse gebetene Radfahrer« keinen Anspruch
darauf, genauso behandelt zu werden, wie ein anderer, der sich
ebenfalls ordnungswidrig verhält. Im Übrigen gibt es auch
sachliche Gründe dafür, dass einer der »Verkehrssünder«
unbehelligt weiterfahren kann: Kein Polizeibeamter ist dazu in
der Lage, zwei Sachverhalte zur gleichen Zeit zu bearbeiten,
zumindest dann nicht, wenn er den anderen »Verkehrssünder« nicht
wahrgenommen hat.
Sollte der andere »Verkehrssünder« von dem
Beamten bemerkt worden sein, dann ließe sich die beschriebene
»Ungerechtigkeit« dadurch vermeiden, indem auch der zweite
Radfahrer angehalten wird und dann an die Reihe kommt, wenn dazu
Zeit zur Verfügung steht.
Von der Verfolgung einer
festgestellten Ordnungswidrigkeit kann abgesehen werden, wenn
die Verantwortlichkeit des Täters fraglich ist, etwa weil es ihm
oder ihr zum Beispiel an der Einsichtsfähigkeit oder wie im
folgenden Beispiel, einem Jugendlichen schlichtweg an der Zahlungsfähigkeit
fehlt.
[Beispiel:] Bei dem angehaltenen Radfahrer handelt es sich
um einen 14-jährigen Jungen. Der Junge sieht sein Fehlverhalten
ein und sagt: »Ich verstehe ja, dass ich ohne Licht nicht fahren
darf. Mein Taschengeld ist aber so knapp bemessen, dass ich mir
Extrakosten für »Fahren ohne Licht« einfach nicht leisten kann«.
Rechtslage?
In solch einem Fall kann
auf die Verfolgung der festgestellten Ordnungswidrigkeit
verzichtet werden. Der Junge sieht sein Fehlverhalten ein, so
dass eine Verfolgung dieses geringfügigen Fehlverhaltens als
zusätzliche Disziplinierungsmaßnahme nicht mehr erforderlich
erscheint. Nachdem der Junge belehrt worden ist und »Besserung«
gelobt hat, kann er »weiterfahren«.
Gemeint ist Folgendes:
Der Junge wird sein
Fahrrad schieben und mit hoher Wahrscheinlichkeit seine Fahrt
ohne Licht fortsetzen, wenn die Polizei außer Sichtweite ist.
Im Übrigen gilt im
Ordnungswidrigkeitenrecht folgender Grundsatz:
»Bloße
Formalverstöße, bei denen nach allgemeiner Erfahrung und nach
den Umständen des Einzelfalls eine Behinderung oder Gefährdung
anderer ausgeschlossen ist, sollten unverfolgt bleiben. Das gilt
zum Beispiel auch für Fußgänger, die nachts eine Rotlichtampel
nicht beachten, weil sich der Ampel auf weite Sicht kein
Fahrzeug nähert.« [En19] 19
[Ermessensbegrenzende
Regelungen:] Werden Verkehrsordnungswidrigkeiten von der
Polizei festgestellt, sind für die damit verbundenen
Rechtsfolgen (Verwarnungsgeld) oder Anzeige, die einschlägigen
Vorgaben des bundesweit geltenden Bußgeldkataloges verbindlich.
Von den dort festgesetzten
Regelsätzen dürfen Polizeibeamte ohne nachvollziehbaren Grund
nicht abweichen.
Das bedeutet, dass eine
anzeigepflichtige Verkehrsordnungswidrigkeit in der Regel nicht
mit einem Verwarngeld geahndet werden kann. Von den Regelsätzen,
die im Bußgeldkatalog für geringfügige
Verkehrsordnungswidrigkeiten aufgeführt sind, darf ebenfalls nur
in Ausnahmefällen abgewichen werden.
05.6 Anzeigenerstattung
von OWi
TOP
Auch Ordnungswidrigkeiten
können bei der Polizei angezeigt werden. Die Anzeige
verpflichtet die Behörde zur Prüfung, ob eine OWi vorliegt und
ob deren Verfolgung geboten ist.
Die Anzeige eines
Querulanten oder einer geschäftsunfähigen Person braucht nicht
entgegengenommen zu werden.
Sind keine Anhaltspunkte
ordnungswidrigen Verhaltens erkennbar oder wird lediglich eine
geringfügige OWi angezeigt, ist vergleichbar zu verfahren.
Ordnungswidrigkeiten
können von jedermann angezeigt werden. Die von dem
Anzeigenerstatter geschilderte Situation ist schriftlich
festzuhalten. Zweckmäßig ist es in jedem Fall, sich den
geschilderten Sachverhalt vom Anzeigenerstatter unterschreiben
zu lassen.
Auch OWi können
vertraulich zur Anzeige gebracht werden.
Die Anzeige verpflichtet
die Behörde zur Prüfung, ob eine OWi vorliegt und ob deren
Verfolgung geboten ist.
Wird die Entgegennahme
einer Ordnungswidrigkeitenanzeige von der Polizei verweigert,
hat das keine strafrechtlich relevanten Auswirkungen
(Strafvereitelung im Amt). Die Verweigerung der Entgegennahme
einer Anzeige kann aber disziplinarrechtliche Folgen haben. Wird
eine Ordnungswidrigkeit angezeigt und wird die Anzeige
entgegengenommen, hat die Polizei alle relevanten Umstände zu
prüfen, die für die Untersuchung der Tat bedeutsam sind.
Anzeigen von Querulanten
brauchen nicht entgegengenommen zu werden. Gleiches gilt für die
Fälle, in denen keinerlei Anhaltspunkte für ordnungswidriges
Verhalten zu erkennen sind.
[Beispiel:] Ein erboster Verkehrsteilnehmer gibt folgenden
Vorfall zur Anzeige: »Innerhalb einer Überholverbotszone wurde
ich mit hoher Geschwindigkeit von einem Pkw überholt. Das
Kennzeichen habe ich mir nur zum Teil merken können: MS-AG ???,
mehr habe ich nicht behalten. Angaben zum Fahrer kann ich nicht
machen, das ging alles viel zu schnell. Auch zum Fahrzeugtyp
kann ich nichts sagen. Ich weiß nur, dass es ein dunkles
Fahrzeug war. Muss die Anzeige aufgenommen werden?
Verkehrsordnungswidrigkeiten können von jedermann zur Anzeige
gebracht werden. Sie sind von der Polizei grundsätzlich
entgegenzunehmen. Nur in solchen Fällen, in denen keinerlei
Anhaltspunkte vorhanden sind, um gegen die Person, die sich
ordnungswidrig verhalten hat, ermitteln zu können, kann von der
Entgegennahme der Anzeige abgesehen werden.
In diesem Beispiel liegen
keine ausreichenden Anhaltspunkte vor, den Fahrer ermitteln zu
können.
Folglich kann niemand von
der Polizei verlangen, eine Anzeige entgegenzunehmen, die aufgrund der Angaben des Anzeigenerstatters nicht aufgeklärt
werden kann.
05.7 Überwachung
Straßenverkehr
TOP
Im Straßenverkehr hat die
Polizei unterschiedlichste Aufgaben zu erfüllen. Sie überwacht,
regelt und lenkt den Verkehr, verfolgt Verkehrsdelikte,
beteiligt sich an der Verkehrserziehung und nimmt
Verkehrsunfälle auf.
Ziel all dieser Bemühungen
ist es, dafür zu sorgen, dass die Sicherheit und Leichtigkeit
des Straßenverkehrs sichergestellt ist.
Die sachliche
Zuständigkeit zur Überwachung des Straßenverkehrs ergibt sich
aus § 11 Abs. 1 Nr. 3 POG NRW (Sachliche
Zuständigkeit der Kreispolizeibehörden). Dort heißt es: Die
Kreispolizeibehörden sind zuständig 3. für die Überwachung des
Straßenverkehrs.
[Geschwindigkeitskontrollen und andere Aufgaben:] Ein
unverzichtbares »Instrument« bei der Überwachung des
Straßenverkehrs sind Geschwindigkeitskontrollen. Neben der
Durchführung von Verkehrskontrollen und der Verfolgung von
Verkehrsverstößen hat die Polizei im Straßenverkehr aber auch
präventive Aufgaben wahrzunehmen.
Dazu dient zum Beispiel
die Verkehrserziehung, die bereits im Kindergarten beginnt und
während der Schulzeit fortgesetzt wird.
Dennoch ereignen sich im
Straßenverkehr weiterhin zu viele Unfälle.
Deshalb fordern nicht nur
politische Kräfte, sondern auch die Polizei selbst, eine
flächendeckende repressive Überwachung der Verkehrsregeln ein,
um die Unfallzahlen nachhaltig senken zu können.
[Unfallentwicklung
2017:] Im Jahr 2017 kamen 3 180 Menschen auf deutschen
Straßen ums Leben. Das ist der niedrigste Stand seit mehr als 60
Jahren. Dennoch gibt es keinen Grund zur Entwarnung – bei
täglich etwa 7 200 polizeilich erfassten Verkehrsunfällen, knapp
1 100 Verletzten und fast 9 Todesopfern im Straßenverkehr. [En20]
20
Diese Zahlen lassen je
nach Lesart folgende Schlüsse zu:
Polizeiliche Kontrollen
sind weiterhin unverzichtbar. Nur so lassen sich Unfallzahlen
reduzieren, Menschenleben retten und mit Unfällen verbundene
Folgekosten eindämmen.
Andere Stimmen nehme diese
Argumentation zum Anlass, um darauf hinzuweisen, dass noch mehr
polizeiliche Kontrollen zwangsläufig im Überwachungsstaat enden
werden. »Freiheiten«, so die Kritiker einer expandierenden
polizeilichen Verkehrsüberwachung, »ließen sich dann nur noch
unter dem Vorbehalt ausleben: soweit die Polizei nichts dagegen
hat.«
Polizeiliche
Verkehrsüberwachung umfasst heute folgende Bereiche:
-
Überwachung des
Rotlichts an Ampeln mit Kameras
-
Abstandsmessungen
-
Überwachung der
zulässigen Höchstgeschwindigkeiten mit stationären und
mobilen technischen Hilfsmitteln: Radarwagen, Lasermessung.
Mobile Messanlagen
(Radargeräte) bzw. Lasergeräte werden vorrangig an Orten
eingesetzt, an denen verkehrsschwache Personen wie Kinder,
Senioren, Fußgänger oder Radfahrer unterwegs sind, sowie an
Orten, an denen die Geschwindigkeitsbeschränkung in einem nicht
hinnehmbaren Maß missachtet wird.
[Grenzenlose
Kontrollen:] Seit geraumer Zeit wird die Auffassung
vertreten, dass unabhängig von der Unfallträchtigkeit eines
Ortes Verkehrsteilnehmer überall damit rechnen müssen, dass die
Einhaltung der Höchstgeschwindigkeit kontrolliert wird. »Nur
wenn jederzeit damit zu rechnen ist, dass zu schnelles Fahren
teuer werden kann«, so das Argument der Befürworter dieser
Vorgehensweise, »kann davon ausgegangen werden, dass sich
Gewohnheiten verändern.«
Diese Sichtweise hat sich durchgesetzt.
Zur Verkehrsüberwachung gehören auch
sogenannte Schwerpunkteinsätze der Polizei, ein bekanntes
Beispiel dafür sind die vom Innenministerium NRW initiierten
»Blitzmarathons«.
[Blitz-Marathon:]
»Der Blitz-Marathon ist ein Baustein der langfristigen Strategie
der NRW-Polizei gegen Geschwindigkeitsunfälle. 2012 wurde diese
Aktion erstmalig in NRW durchgeführt und im Anschluss daran
bundesweit nachgeahmt.
Bilanz zum Blitzmarathon 2018
In acht Bundesländern wurde der Blitzmarathon 2018
durchgeführt. Während der 24-stündigen Aktion wurde deutlich,
dass solche Maßnahmen zur Sensibilisierung und Erhöhung der
Verkehrssicherheit dringend nötig sind: Etwa 37.500 Autofahrer
wurden bei Verkehrsverstößen erwischt. Zum Teil fuhren sie das
Doppelte der erlaubten Geschwindigkeit, in einzelnen Fällen
sogar das Dreifache.« [En21]
21
[Allgemeine
Verkehrskontrollen:] Im Rahmen der Verkehrsüberwachung
kontrolliert die Polizei auch den Schwerverkehr, Schulbusse, den
Transport gefährlicher Güter auf der Straße, die Einhaltung von
Lenk- und Ruhezeiten nach geltendem EU-Recht sowie die
Verkehrstauglichkeit von Fahrzeugführern und Fahrzeugen
anlässlich allgemeiner Verkehrskontrollen.
Anlässlich von
Verkehrskontrollen werden Polizeibeamte hin und wieder auch mit
Einlassungen konfrontiert, die einfach nur gut sind.
[Beispiel:] »Ich wollte nur schnell mein Auto trocknen!«,
mit dieser Einlassung versuchte ein 20-jähriger Autofahrer die
gefahrenen 171 km/h zu rechtfertigen, die in einer 70er-Zone
gemessen worden waren.
Diese Einlassung konnte
jedoch nicht verhindern, dass der Fahrer seinen Führerschein auf
Probe an Ort und Stelle abgeben musste und ein Bußgeldverfahren
von der Polizei eingeleitet wurde.
[Fazit:] Die
Überwachung des Straßenverkehrs ist eine polizeiliche
Kernaufgabe. Die nachfolgend aufgeführten Stichworte sollen das
noch einmal skizzieren:
-
Aufnahme
und Bearbeitung von Verkehrsunfällen
-
Durchführung von Verkehrskontrollen
-
Überwachung
der zulässigen Höchstgeschwindigkeiten mit technischen
Mitteln
-
Abstandsmessungen auf Autobahnen
-
Durchführung von Schwerpunktkontrollen
-
Alkoholkontrollen
-
Beleuchtungskontrollen
-
Schulbuskontrollen u.a.
[Hinweis:] Werden
anlässlich polizeilicher Verkehrsüberwachungsmaßnahmen
Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten festgestellt, ist damit
zwangsläufig ein Wechsel der Zuständigkeit verbunden. Die
Zuständigkeiten, die zur Erforschung und Verfolgung von
Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten nachzuweisen sind, wurden
an anderer Stelle dieses Kapitels bereits erörtert.
05.8 Sonderfall Pflegeheim
TOP
Bei Besuchsverboten, die
von Pflegeheimen vorgebracht werden, um Angehörige daran zu
hindern, ihre in Pflegeheimen untergebrachten Verwandten zu
besuchen, kann es sich um Ordnungswidrigkeiten nach dem
Wohn- und Teilhabegesetz NRW handeln. Dazu
gleich mehr.
Die Erforschung solcher
Ordnungswidrigkeiten ist der Polizei nicht möglich, weil die
Heimleitung nur dann ordnungswidrig handelt, wenn Besuchsverbote
nicht zuvor dem zuständigen Sozialamt angezeigt wurden.
Dazu gleich mehr.
[Hinweis:] Folge
der demografischen Entwicklung ist die Tatsache, dass immer mehr
pflegebedürftige alte Menschen in Pflegeheimen, Seniorenheimen
oder Altenheimen ihren Lebensabend verbringen.
Es gehört auch zur
Realität einer älter werdenden Gesellschaft, dass Angehörige,
die ihre nahen Anverwandten in Pflegeheimen besuchen wollen, hin
und wieder die Erfahrung machen, dass ihnen ein Besuch untersagt
wird.
Tatsache ist auch, dass
sogar Ehefrauen die Gerichte bemühen mussten, um sich
Besuchsrechte zu erstreiten.
Das nehmen erboste
Angehörige zum Anlass, sich an die Polizei zu wenden.
[Beispiel:] Ein aufgebrachter Mann
ersucht die Polizei um Einschreiten, weil es ihm von der
Heimleitung eines Pflegeheims, in dem seine Mutter untergebracht
ist, vor knapp einer halben Stunde untersagt wurde, seine Mutter
zu besuchen. Der Mann will das nicht akzeptieren, weil er eine
lange Anreise hinter sich hat (300 km), um seiner Mutter
persönlich zum Geburtstag gratulieren zu können. Der Mann
verlangt von der Polizei, ihm den Besuch seiner Mutter zu
ermöglichen. Rechtslage?
In welchem Umfang Besuchsverbote zulässig sind, regelt seit dem
5.1.2019 nas Wohn- und Teilhabegesetz NRW.
§ 19 Abs. 2 WTG NRW (Grundsätzliche Anforderungen) hat
folgenden Wortlaut:
(2) Besuche dürfen von den Leistungsanbieterinnen und
Leistungsanbietern oder der Einrichtungsleitung ganz oder
teilweise nur untersagt werden, wenn dies unerlässlich ist, um
eine unzumutbare Beeinträchtigung der Interessen von Nutzerinnen
und Nutzern oder des Betriebes der Einrichtung abzuwenden. Das
gleiche gilt, wenn mit der Nutzung eines Angebots nach § 18 ein
besonderer therapeutischer Zweck verfolgt wird und dieser durch
mögliche Besuche gefährdet würde. Besuchsuntersagungen und
-einschränkungen sind unverzüglich gegenüber der Nutzerin oder
dem Nutzer sowie betroffenen Besucherinnen oder Besuchern
schriftlich zu begründen und der zuständigen Behörde anzuzeigen.
§ 43 WTG NRW (Zuständigkeit):
Sachlich
zuständig für die Durchführung dieses Gesetzes und die
Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten sind die Kreise und
kreisfreien Städte. Sie nehmen diese Aufgabe als Pflichtaufgabe
zur Erfüllung nach Weisung wahr.
§ 35 WTG NRW (Behördliche Qualitätssicherung):
Die
Betreuungseinrichtungen werden von den zuständigen Behörden
durch wiederkehrende oder anlassbezogene Prüfungen überwacht.
§ 42 WTG NRW (Ordnungswidrigkeiten)
Ordnungswidrig handelt, wer entgegen § 19
Abs. 2 eine Besuchsuntersagung oder -einschränkung nicht der
zuständigen Behörde anzeigt.
Soweit die Gesetzeslage:
[Aufgabe
der Polizei:] Diese Ordnungswidrigkeit kann von der Polizei
nicht erforscht werden, weil ihr dazu einfach die Mittel
fehlen.
Durch einen entsprechenden Bericht an die zuständige
Stelle kann jedoch problemlos geklärt werden, ob die Heimleitung
sich ordnungswidrig verhalten hat. Das wäre der Fall, wenn der
zuständigen Behörde ein solches Besuchsverbot von der
Heimleitung nicht mitgeteilt worden wäre. Ein Bericht an die
zuständige Stelle ist auch deshalb unverzichtbar, weil gemäß
Art. 6 GG Ehe und Familie unter dem besonderen Schutze der
staatlichen Ordnung stehen.
HeimG NRW im Volltext:
[Fazit:]
Mit dem Mann sollte ein Gespräch geführt werden, in dem ihm
erklärt wird, warum das von ihm geltend gemachte Besuchsrecht
nicht von der Polizei durchgesetzt werden kann. Grund dafür ist,
dass die Polizei nicht prüfen kann, ob die Voraussetzungen für
ein rechtlich zulässiges Besuchsverbot gegeben sind.
06 Schutz privater Rechte
TOP
Der Schutz privater Rechte
obliegt der Polizei nur dann, wenn gerichtlicher Schutz nicht
rechtzeitig zu erlangen ist und wenn ohne polizeiliche Hilfe die
Verwirklichung des Rechts vereitelt oder wesentlich erschwert
werden würde, siehe
§ 1
Abs. 2 PolG NRW (Aufgaben der
Polizei).
Das folgende Beispiel
beschreibt, welcher Weg normalerweise zu begehen ist, um private
Rechte zu schützen.
[Beispiel:] Im Januar 2014 hat die BMW-Hauptaktionärin
Susanne Klattens die Erzwingungshaft ihres Ex-Liebhabers durch
einen Gerichtsbeschluss erwirkt. Als der Mann nach verbüßter
Haft das Gefängnis verlassen wollte, wurde er zum Schutz
privater Rechte erneut ergriffen und in ein anderes Gefängnis
gebracht. Der Ex-Liebhaber schuldete Frau Klattens eine
Geldsumme in Höhe von 7 Millionen Euro. Durch die richterliche
Anordnung des »persönlichen Arrestes« sollte die Flucht des
Mannes in die Schweiz verhindert werden. [En23]
23
[Sicherung des
Rechtsanspruchs:] Immer dann, wenn private Rechte auf dem
üblichen Weg, durch Gerichte oder durch die Inanspruchnahme
eines Gerichtsvollziehers gesichert oder durchgesetzt werden
können, fällt der »Schutz privater Rechte« nicht in den
Zuständigkeitsbereich der Polizei.
Nur in Fällen, in denen
nur durch sofortiges Einschreiten ansonsten gefährdete private
Rechtsansprüche zu sichern sind, ist die Polizei zum »Schutz«
privater Rechte zuständig.
Das heißt:
Die polizeiliche Aufgabe
besteht darin, die Durchsetzung des Rechtsanspruchs zu
sichern. Dazu reicht es in der Regel aus, die Identität der
Personen festzustellen und auszutauschen, die »ein privates
Problem« miteinander haben.
Polizeiliche Aufgabe ist es
niemals, private Rechtsansprüche durchzusetzen.
[Beispiel:] Herr Flucht schuldet Herrn Anspruch einen
Geldbetrag in Höhe von 100 000 Euro. Bisher hat sich Herr Flucht
beharrlich geweigert, seine Schulden zu begleichen. Als das
gerichtliche Mahnverfahren gegen ihn betrieben wird, bekommt
Herr Flucht »kalte Füße«. Zurzeit, es ist ein Sonntag, befindet
sich Herr Flucht am Ticketschalter eines Flughafens, um sich ins
Ausland abzusetzen. Herr Anspruch hat davon Kenntnis erhalten
und bittet die Polizei, seine Rechtsansprüche zu sichern. Die
Beamten können Herrn Flucht noch im Bereich des Flughafens
ergreifen. Der Mann wird dem zuständigen Richter vorgeführt.
Sind die Polizeibeamten dafür zuständig?
Für die Sicherung privater
Rechtsansprüche ist die Polizei nur dann zuständig, wenn
folgende Voraussetzungen greifen:
Die Polizei muss um ein
Einschreiten ersucht werden und ein durchsetzbarer
privatrechtlicher Anspruch muss hinreichend glaubhaft gemacht
worden sein. Außerdem darf zivilgerichtliche Hilfe nicht
rechtzeitig erreichbar sein, so dass, ohne die Inanspruchnahme
polizeilicher Hilfe, die Verwirklichung des Rechts vereitelt
oder wesentlich erschwert ist.
Diese Voraussetzungen sind
an einem Sonntag gegeben, denn Gerichte sind sonntags
normalerweise nicht zu erreichen.
Es ist somit Aufgabe der
Polizei, dafür zu sorgen, die gefährdeten »privaten Rechtsansprüche« von
Herrn Anspruch zu sichern. Das geht in diesem Fall nur, indem
Herr Flucht ergriffen und einem Richter vorgeführt wird, damit
dieser dessen Erzwingungshaft anordnen kann.
Würden sich die
einschreitenden Beamten damit begnügen, lediglich die Identität
des Mannes festzustellen, um ihn im Anschluss daran wieder frei
zu lassen, könnte er das Land verlassen.
Die Beamten werden deshalb
Herrn Flucht festnehmen und ihn unverzüglich einem Richter
vorführen, damit dieser auf der Grundlage von
§ 916 ZPO
(Arrestanspruch) iVm
§ 918 ZPO (Arrestgrund bei
persönlichem Arrest) Herrn Flucht in Haft nehmen kann.
Solche Ereignisse sind im
Polizeidienst sehr selten.
Weitaus häufiger werden
Polizeibeamte mit folgender Situation konfrontiert:
[Beispiel:] Als ein Taxifahrer seinem Fahrgast nachts, um
01.45 h, die Rechnung präsentiert, ist dieser damit nicht
einverstanden. Die Polizei wird hinzugezogen. Der Fahrgast gibt
an, dass ein wesentlich geringerer Fahrpreis vereinbart worden
sei. Der Taxifahrer will davon nichts wissen. Er will nur eins,
sein Geld.
Ist die Polizei zuständig?
Der Taxifahrer macht einen
privaten Rechtsanspruch geltend. Um diese Uhrzeit ist es ihm
nicht möglich, sich mit seinem Anliegen an das dafür zuständige
Gericht zu wenden. Außerdem wäre er dazu nur in der Lage, wenn
ihm die ladungsfähige Anschrift seines Fahrgastes bekannt ist.
Insoweit ist die Durchsetzung seines privaten Rechtsanspruchs
gefährdet, wenn die Identität des Mannes nicht festgestellt
wird. Da der Taxifahrer die Polizei um Einschreiten ersucht hat,
entsteht aufgrund der bestehenden Sachlage eine polizeiliche
Zuständigkeit, denn die Sicherung privater Rechtsansprüche fällt
dann in den Zuständigkeitsbereich der Polizei, wenn folgende
Voraussetzungen greifen:
-
Die Polizei
muss um ein Einschreiten ersucht worden sein. Das ist
offensichtlich der Fall.
-
Weiterhin
muss ein durchsetzbarer privatrechtlicher Anspruch
hinreichend glaubhaft gemacht werden. Auch diese
Voraussetzung ist gegeben. Dazu benötigt der Taxifahrer die
Anschrift seines Fahrgastes.
-
Gerichtliche Hilfe ist zurzeit nicht zu erlangen.
Folglich ist es Aufgabe
der Polizei, die Rechtsansprüche des Taxifahrers zu sichern. Es
ist nicht polizeiliche Aufgabe, den Rechtsanspruch des
Taxifahrers durchzusetzen.
[Hinweis:]
Maßnahmen, die Polizeibeamte treffen, sind nur dann rechtmäßig,
wenn die Beamten zuständig und ermächtigt sind. In diesem
Kapitel wird nur die Zuständigkeit thematisiert, insoweit
bleiben Fragen, die polizeiliche Befugnisse (Ermächtigungen)
betreffen, unbeantwortet.
[Beispiel:] Zwei unbekannte Kinder haben am Wohnhaus des
Herrn Urlaub mehrere Scheiben eingeworfen. Der Eigentümer ist
verreist und kann nicht erreicht werden. Die Kinder werden von
Nachbarn festgehalten und der Polizei übergeben, als diese am
Einsatzort eintrifft. Ist die Polizei zuständig?
Da die Kinder
strafunmündig sind, dürfen sie wegen Sachbeschädigung nicht
verfolgt werden. Folglich darf die Polizei die Identität der
Kinder zum Zweck der Strafverfolgung nicht feststellen.
Die Personalien der Kinder
dürfen jedoch zum Schutz der Rechte des geschädigten
Hauseigentümers festgestellt werden, weil zivilgerichtliche
Hilfe nicht rechtzeitig erreichbar ist und ohne polizeiliche
Hilfe die Verwirklichung der Rechte des abwesenden
Wohnungsinhabers vereitelt oder wesentlich erschwert ist.
Im Beispiel stellen die
einschreitenden Polizeibeamten somit die Identität der Kinder
fest, um die Rechtsansprüche des abwesenden Wohnungsinhabers zu
sichern.
[Nur sichern, nicht
durchsetzen:] Ist die Polizei zum Schutz privater Rechte
zuständig, darf sie nur die Rechte (Ansprüche) sichern. Dies
geschieht in der Regel durch Feststellung und Austausch der
Personalien. Polizeiliche Aufgabe ist es nicht, private
Rechtsansprüche durchzusetzen.
07 Vollzugshilfe
TOP
Behörden, die zur Abwehr
von Gefahren zuständig sind, verfügen oftmals nicht über eigene
Vollzugsbeamte, die dazu in der Lage sind, getroffene Maßnahmen
erforderlichenfalls mit unmittelbarem Zwang durchzusetzen.
In solchen Fällen leistet
die Polizei Vollzugshilfe, wenn eine Behörde sie darum ersucht.
Die sachliche
Zuständigkeit der Polizei ergibt sich aus
§ 1
Abs. 3 PolG NRW
(Aufgaben der Polizei).
Dort heißt es:
Die Polizei leistet
anderen Behörden Vollzugshilfe (§§ 47 bis 49).
Vollzugshilfe ist nichts
anderes als die Durchsetzung einer behördlichen Maßnahme mit
polizeilichen Zwangsmitteln (unmittelbarem Zwang). Andere
Zwangsmittel kommen nicht in Betracht.
Die
Amtswalter von Ordnungsbehörden und anderen Behörden, die um
Vollzugshilfe ersuchen, sind oftmals nicht dazu befugt, Zwang
anzuwenden. Wird mit der Notwendigkeit einer zwangsweisen
Durchsetzung gerechnet, wird dann von Behörden ohne eigenes
Vollzugspersonal die Polizei um Unterstützung
(Vollzugshilfe) ersucht.
[Zwangsgeld:] Zwar
können Verwaltungsbehörden ein Zwangsgeld festsetzen oder eine
Maßnahme im Wege der Ersatzvornahme durchsetzen, das reicht aber
für bestimmte Situationen nicht aus.
Abhilfe kann hier nur die
Polizei schaffen, denn Polizeibeamte sind dazu befugt, Maßnahmen
mit unmittelbarem Zwang durchzusetzen. Das hat zur Folge,
dass immer dann, wenn eine Verwaltungsbehörde eine Maßnahme
sofort vollstrecken will, bzw. vollstrecken muss und nicht
selbst über Vollzugsbeamte verfügt, sie sich an
die Polizei wendet.
[Vollzugshilfe in zwei
Sätzen:] Vollzugshilfe lässt sich mit zwei Sätzen
definieren.
-
Will oder muss eine
Verwaltungsbehörde eine Maßnahme sofort zwangsweise
durchsetzen, dann ist sie oftmals auf die Hilfe der Polizei
angewiesen.
-
Polizeiliches
Einschreiten beschränkt sich in solchen Fällen nur auf die
zwangsweise Durchsetzung der Maßnahme mittels körperlicher
Gewalt (unmittelbarer Zwang).
[Beispiel:] Mitarbeiter des Sozialamtes ersuchen die Polizei
um Vollzugshilfe. Sie wollen einen richterlichen
Vorführungsbeschluss des zuständigen Amtsgerichts durchsetzen,
der anordnet, dass Frau Demenz, erforderlichenfalls unter
Anwendung von unmittelbarem Zwang, in eine Psychiatrie zu
bringen ist, damit dort ein psychologisches Gutachten erstellt
werden kann. Dieses Gutachten wird benötigt, um entscheiden zu
können, ob für Frau Demenz ein Betreuer zu bestellen ist. Als
die Mitarbeiter des Sozialamtes die Frau aufforderten, mit ihnen
zur Psychiatrie zu fahren, ergreift die Frau ein Messer und
bedroht damit die Mitarbeiter des Sozialamtes. Diese ziehen sich
zurück und ersuchen die Polizei um Vollzugshilfe. Rechtslage?
In diesem Fall geht es
darum, dass für eine Frau ein Betreuer bestellt werden soll. Das
ist eine Person, die vom zuständigen Vormundschaftsgericht
benannt wird, wenn es einem Menschen an der allgemeinen
Geschäftsfähigkeit fehlt.
Um das feststellen zu
können, hat ein Richter die Untersuchung der Frau in einer
Psychiatrie angeordnet.
Insoweit können die um
Vollzugshilfe ersuchten Beamten von der Rechtmäßigkeit der
durchzusetzenden Maßnahme ausgehen, siehe
§ 47 PolG NRW
(Vollzugshilfe bei Freiheitsentziehung).
Im Übrigen kann und
darf es nicht Aufgabe der Polizei sein, richterliche Beschlüsse
zu hinterfragen. Da der zuständige Richter auch die zwangsweise
Vorführung angeordnet hat, und die Amtswalter des zuständigen
Sozialamtes nicht dazu befugt sind, unmittelbaren Zwang
anzuwenden, ist die Polizei im Rahmen zu leistender
Vollzugshilfe für die zwangsweise Durchsetzung der richterlich
angeordneten Maßnahme zu sorgen.
Hier wird davon
ausgegangen werden, dass es den Polizeibeamten gelingt, die Frau
mit einfacher körperlicher Gewalt zu ergreifen (Anwendung von
Polizeigriffen), um sie im Anschluss daran - im Beisein der
Mitarbeiter des Sozialamtes - zum Richter zu bringen.
[Kurzfassung:]
Vollzugshilfe ist die Unterstützung anderer Behörden, wenn
unmittelbarer Zwang anzuwenden ist und die anderen Behörden
nicht über die hierzu erforderlichen Dienstkräfte verfügen oder
ihre Maßnahmen nicht auf andere Weise selbst durchsetzen können.
Das Gesetz bestimmt, dass
es Aufgabe der Polizei ist, Vollzugshilfe zu leisten.
[Amtshilfe ist keine
Vollzugshilfe:] Von der Vollzugshilfe ist die Amtshilfe zu
unterscheiden. Zur Amtshilfe sind alle Behörden in Bund und
Ländern gegenseitig verpflichtet.
Nach heutigem Verständnis ist
Amtshilfe diejenige ergänzende Hilfe, die nicht in der
Anwendung unmittelbaren Zwanges besteht.
08 Versammlungsrecht
TOP
Gemäß
§ 1 PolG NRW
(Aufgaben der Polizei) und
§ 10 POG NRW (Allgemeine
sachliche Zuständigkeit der Polizeibehörden) sind die
Kreispolizeibehörden zuständig für die der Polizei durch »Gesetz
oder Rechtsverordnung übertragenen Aufgaben«.
Dazu gehört auch das
Versammlungswesen.
Zur Begründung der
sachlichen Zuständigkeit im Aufgabenbereich des
Versammlungswesens sind vier Fallgruppen zu unterscheiden:
[Sachliche
Zuständigkeit gemäß Zuständigkeitsverordnung:] In den
nachfolgend aufgeführten Fällen ist die sachliche Zuständigkeit
in Versammlungsangelegenheiten den Kreispolizeibehörden durch § 1 der
Verordnung über die Zuständigkeiten nach dem Versammlungsgesetz
übertragen.
-
§ 2 Abs. 3 Erteilung
von Ausnahmen vom Waffenverbot
-
§ 5 Verbot von
Versammlungen in geschlossenen Räumen
-
§ 14 Adressat für
Anmeldungen
-
§ 15 Verbot, Auflagen,
Auflösung von Versammlungen unter freiem Himmel
-
§ 17a Abs. 3 Erteilung
von Ausnahmen vom Vermummungsverbot
-
§ 17a Abs. 4 Anordnung
von Maßnahmen zur Durchsetzung des Schutzwaffen- und
Vermummungsverbotes [En24] 24
[Beispiel:] Der Einsatzleiter löst eine gewalttätig
verlaufende Versammlung unter freiem Himmel auf.
Gemäß
§ 15 VersG
darf die zuständige Behörde unter den genannten Voraussetzungen
Versammlungen unter freiem Himmel auflösen. Gemäß § 1 der ZustVO
sind die Kreispolizeibehörden als zuständige Behörde bestimmt.
Die sachliche Zuständigkeit ist
somit gemäß § 1 PolG NRW und § 10
POG NRW iVm der ZustVO gegeben.
[Sachliche
Zuständigkeit, die sich aus Befugnissen des Versammlungsgesetzes
ableiten lässt, in der die Polizei namentlich benannt ist:]
In folgenden Normen des Versammlungsgesetzes werden ausdrücklich
der Polizei Befugnisse eingeräumt:
-
§ 9 Abs. 2
Beschränkung der Zahl der Ordner
-
§ 12 Anordnung auf
Einräumung eines angemessenen Platzes
-
§ 12 a Bild- und
Tonaufnahmen in geschlossenen Räumen
-
§ 13 Auflösung von
Versammlungen in geschlossenen Räumen
-
§ 18 Abs. 2
Genehmigung von Ordnern bei Versammlungen unter freiem
Himmel
-
§ 18 Abs. 3 Ausschluss
von Teilnehmern bei Versammlungen unter freiem Himmel
-
§ 19 Abs. 1
Genehmigung zur Verwendung von Ordnern bei Aufzügen i. V. m.
§ 18 Abs. 2
-
§ 19 Abs. 4 Ausschluss
von Teilnehmern
-
§ 19 a Bild- und
Tonaufnahmen unter freiem Himmel.
[Beispiel:] Der polizeiliche Einsatzleiter ordnet an, dass
gröblich störende Teilnehmer eines Aufzuges, sich aus dem Aufzug
zu entfernen haben. Rechtslage?
Damit die Anordnung
rechtmäßig ist, muss der Einsatzleiter für die zuständige
Behörde handeln und eine Befugnis nachweisen. Gemäß
§ 1 PolG NRW
(Aufgaben der Polizei) und
§ 10 POG NRW (Allgemeine sachliche Zuständigkeit der Polizeibehörden) sind
die Kreispolizeibehörden sachlich zuständig für die der Polizei
durch Gesetz oder Rechtsverordnung übertragenen Aufgaben auf dem
Gebiete des Versammlungswesens.
Die Rechtsverordnung über
die Zuständigkeiten nach dem VersG weist die sachliche
Zuständigkeit aber nur für die dort genannten Aufgaben der
Polizei zu. Die dort
genannten Vorschriften erlauben einen Ausschluss von Teilnehmern
nicht. Folglich kann sich die sachliche Zuständigkeit
aus der VO nicht ergeben.
Jedoch wird gemäß § 19
Abs. 4 VersG ausdrücklich der Polizei die Befugnis eingeräumt,
Teilnehmer, welche die Ordnung gröblich stören, von einem Aufzug
ausschließen. Die sachliche Zuständigkeit ist folglich gemäß § 1
PolG NRW und § 10 POG NRW iVm dem Versammlungsgesetz durch
»Schluss von der Befugnis auf die Zuständigkeit« gegeben.
Weitere Beispiele:
-
Entgegen § 2 Abs. 3
VersG begehren bewaffnete und uniformierte Personen Zutritt
zu einer Versammlung. Die Polizei verbietet den Zutritt
dieser Personen.
-
Entgegen § 6 VersG
verbietet der Versammlungsleiter ohne rechtfertigenden Grund
Personen den Zutritt zur Versammlung. Die Polizei erlaubt
den Personen den Zutritt.
Anerkannt ist, dass der
Gefahrenabwehr dienende gesetzliche Ge- oder Verbotsnormen
zugleich Befugnisnormen für konkretisierende Verfügungen sind.
Soweit sich die sachliche Zuständigkeit nicht aus o. g.
spezielleren Gesichtspunkten ergibt, ist die Polizei gemäß § 1
PolG NRW und § 10 POG NRW iVm der entsprechenden Ge- oder
Verbotsnorm durch »Schluss von der Befugnis auf die
Zuständigkeit« sachlich zuständig.
[Sachliche
Zuständigkeit zur Verfolgung und Ahndung von
Ordnungswidrigkeiten nach dem Versammlungsgesetz:] Gemäß § 2
der Verordnung über die Zuständigkeiten nach dem
Versammlungsgesetz ist den Kreispolizeibehörden die
Zuständigkeit für die Verfolgung und Ahndung von
Ordnungswidrigkeiten nach § 29 des Versammlungsgesetzes
übertragen.
In der ZustVO-VersG heißt
es:
§ 1 Zuständige Behörde nach §
2 Abs. 3, § 5, § 14, § 15 und § 17 a Abs. 3 und 4 des
Versammlungsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 15.
November 1978 (BGBl. I S. 1789), geändert durch Gesetz vom 18.
Juli 1985 (BGBl. I S. 1511), ist die Kreispolizeibehörde.
§ 2 Die Zuständigkeit für die
Verfolgung und Ahndung von Ordnungswidrigkeiten nach § 29 des
Versammlungsgesetzes wird der Kreispolizeibehörde
übertragen.
[Beispiele anlässlich
festgestellter Ordnungswidrigkeiten:]
-
Eine Versammlung wurde
von der Polizei aufgelöst. Die Versammlungsteilnehmer wurden
aufgefordert, sich unverzüglich zu entfernen. Eine Gruppe
von Personen kommt dieser Aufforderung nicht nach. Dadurch
handeln diese Personen ordnungswidrig im Sinne von § 29 Abs.
1 Nr. 2 VersG.
-
Bei Personen, die sich
auf dem Weg zu einer Versammlung befinden, werden anlässlich
eingerichteter Kontrollstellen Gegenstände aufgefunden, die
dazu geeignet und den Umständen nach auch dazu bestimmt
sind, die Feststellung der Identität zu verhindern. Das ist
eine Ordnungswidrigkeit im Sinne von § 29 Abs. 1 Nr. 1a
VersG.
Was ist aus polizeilicher
Sicht »Aufgabe der Polizei«?
In den oben aufgeführten
Beispielen ergibt sich die sachliche Zuständigkeit in
Versammlungsangelegenheiten aus § 1 PolG NRW iVm § 10 POG NRW
und § 11 POG NRW, weil die Polizei dafür zuständig ist, die ihnen
durch Rechtsverordnungen übertragenen Aufgaben iVm
dem § 1 der Verordnung über die Zuständigkeiten nach dem
Versammlungsgesetz wahrzunehmen. Dort steht, dass die Kreispolizeibehörden
zuständige Behörden in Versammlungsangelegenheiten sind.
Polizeiliche Aufgabe ist
es aber auch, versammlungstypische Ordnungswidrigkeiten zu
erforschen, zu verfolgen und zu ahnden, siehe § 29 VersG.
Polizeiliche Aufgabe ist es somit, gegen die festgestellten
Personen ein Ordnungswidrigkeitenverfahren einzuleiten, wenn das
möglich ist.
Da die Polizei auch
Ahndungsbehörde ist, wird die Polizei das Bußgeld festsetzen und
gegen die Betroffenen der Ordnungswidrigkeit einen
Bußgeldbescheid erlassen.
[Föderalismusreform:]
Seit der Föderalismusreform im Jahre 2006 ist das
Versammlungsrecht Angelegenheit der Länder. Solange die Länder
aber von ihrer Gesetzgebungsbefugnis noch keinen Gebrauch
gemacht haben, gilt das Versammlungsgesetz des Bundes weiter.
Das Land Bayern hat als erstes Bundesland 2008 ein eigenes
Versammlungsgesetz erlassen, das aber, nach einem Beschluss des
Bundesverfassungsgerichts, nur angewendet werden darf, wenn
»tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass von
der Versammlung erhebliche Gefahren für die öffentliche
Sicherheit oder Ordnung ausgehen.« Das VersG wurde vom BVerfG
für verfassungswidrig erklärt. [En25] 25
Lediglich in
Niedersachsen, Sachsen und Sachsen-Anhalt gibt es seit 2012
länderspezifische Versammlungsgesetze. Dennoch ist in allen
Bundesländern die Polizei zuständig, um versammlungstypische
Gefahren abzuwehren. In NRW ist die Zuständigkeit der Polizei in
der »Verordnung über Zuständigkeiten nach dem
Versammlungsgesetz« geregelt. Dort heißt es: Zuständige Behörde
(...) ist die Kreispolizeibehörde.
[Polizeiliche
Aufgaben:] Hinsichtlich ihrer Aufgaben im Zusammenhang mit
öffentlichen Versammlungen hat die Polizei Vorgaben zu beachten,
die bereits 1985 vom Bundesverfassungsgericht im sogenannten
Brokdorf-Beschluss benannt wurden [En26] 26.
Danach hat sich die
Polizei prinzipiell versammlungsfreundlich zu verhalten. Sie hat
Versammlungen, auch die von Risikogruppen, zu ermöglichen und
darf sie nicht ohne zwingende Gründe behindern bzw. verhindern.
In den Leitsätzen des Beschlusses aus dem Jahr 1985 heißt es
sinngemäß wie folgt:
-
Das Recht
des Bürgers, durch Ausübung der Versammlungsfreiheit aktiv
am politischen Meinungsbildungsprozess und
Willensbildungsprozess teilzunehmen, gehört zu den
unentbehrlichen Funktionselementen eines demokratischen
Gemeinwesens.
-
Die Pflicht
zur Anmeldung von Veranstaltungen unter freiem Himmel greift
nicht bei Spontandemonstrationen. Die Verletzung von
Anmeldepflichten berechtigt die Polizei nicht dazu, eine
Versammlung aufzulösen.
-
Die Polizei
hat sich versammlungsfreundlich zu verhalten und mit dem
Veranstalter zu kooperieren.
-
Steht nicht
zu befürchten, dass eine Demonstration im Ganzen einen
unfriedlichen Verlauf nimmt, bleibt für die friedlichen
Teilnehmer der von der Verfassung garantierte Schutz der
Versammlungsfreiheit auch dann erhalten, wenn mit
Ausschreitungen durch einzelne oder eine Minderheit zu
rechnen ist.
-
An
vorbeugende Versammlungsverbote sind strenge Anforderungen
zu richten.
[Verpflichtung zur
Kooperation:] Im Zusammenhang mit der Durchführung von
Versammlungen muss die Polizei sich gegenüber Veranstaltern,
Demonstranten, Betroffenen und der Öffentlichkeit neutral
verhalten. Die Kooperation mit Veranstaltern ist rechtlich
geboten. Die Polizei hat sicherzustellen, dass der polizeiliche
Einsatzleiter für den jeweiligen Versammlungsleiter stets zu
erreichen ist. Das »Miteinander reden Wollen« ist vor allem auch
während einer Demonstration geboten. Jeder eingesetzte Beamte
muss dazu beitragen. Solange Demonstranten und Polizeibeamte
miteinander reden (worüber ist im Grunde gleichgültig) ist die
Chance, Gewalt zu vermeiden, größer.
Der Einsatzerfolg ist umso
wahrscheinlicher, je mehr sich alle eingesetzten
Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten mit der jeweiligen
Einsatzkonzeption identifiziert. Die Einsatzkräfte sind vor
allem auch psychologisch vorzubereiten. Sie dürfen sich
schließlich nicht provozieren und zu unbedachten Handlungen
hinreißen lassen.
Das ist bedauerlicherweise
anlässlich »besonderer« Versammlungen einfacher gesagt als
getan, denn welche Polizeibeamtin und welcher Polizeibeamte
lässt sich von Demonstranten schon gern permanent als Mörder,
Bullenschweine, Nazis und mit anderen Beleidigungen beschimpfen,
ohne dadurch unter Stress zu geraten?
Auch Sprechgesänge wie:
»Wir sind die Guten, ihr haut uns auf die Schnuten!« oder »ACAB.
All Cops Are Bastards!« sind gewöhnungsbedürftig.
Im Hinblick auf den Umgang
mit solchen Aggressionen muss von allen eingesetzten Beamtinnen
und Beamten ein Höchstmaß professioneller Distanz erwartet
werden.
Dies zu realisieren ist
eine ernst zu nehmende Führungsaufgabe und nur dann zu
verwirklichen, wenn gemeinsam - vom Einsatzleiter über die
Abschnittsleiter bis hin zu den Einsatzkräften - ein gemeinsames
Vorstellungsbild über den Ablauf der anstehenden Demonstration
vorhanden ist und wenn alle am Einsatz beteiligten Beamtinnen
und Beamten darauf vertrauen können, dass eine wichtige
polizeiliche Einsatzlage rechtsfehlerfrei und sozialverträglich
erledigt wird.
09 Sonstige Aufgaben
TOP
Die Polizei hat auch
diejenigen Aufgaben wahrzunehmen, die ihr durch Gesetz und
Rechtsvorschriften übertragen worden sind. Dazu gehören u. a.
Aufgaben, die der Polizei im Zusammenhang mit dem Waffen-,
Sprengstoff-, und Munitionswesen übertragen worden sind.
[Waffengesetz:] Die
Verordnung zur Durchführung des Waffengesetzes sieht vor, dass
in NRW dafür die Kreispolizeibehörden zuständig sind. Dort
prüfen Amtswalter die Fachkunde von Personen, die eine Waffe
führen möchten und dort werden auch die Bescheinigungen
ausgestellt, die das Waffengesetz vorsieht.
[Aufenthaltsgesetz:]
Unabhängig von Zuständigkeiten der Polizeibehörden, die für die
polizeiliche Überwachung des grenzüberschreitenden Verkehrs
beauftragt sind (Zollbehörden, Bundespolizei), können auch
andere Polizeibehörden für ausländerrechtliche Problemstellungen
zuständig sein.
Beispiele:
-
Ein
Ausländer kann zum Zweck der Aufenthaltsbeendigung in den
Fahndungshilfsmitteln der Polizei zur Aufenthaltsermittlung
und Festnahme ausgeschrieben werden, wenn sein Aufenthalt
unbekannt ist.
-
Ein
Ausländer, gegen den eine vollziehbare Ausweisungsverfügung
oder eine vollziehbare Abschiebungsanordnung besteht, kann
dazu verpflichtet werden, sich mindestens einmal wöchentlich
bei der für seinen Aufenthaltsort zuständigen polizeilichen
Dienststelle zu melden, soweit die Ausländerbehörde nichts
anderes bestimmt.
-
Jeder
Ausländer ist verpflichtet, gegenüber den mit dem Vollzug
des Ausländerrechts betrauten Behörden auf Verlangen die
erforderlichen Angaben zu seinem Alter, seiner Identität und
zu seiner Staatsangehörigkeit zu machen und die von der
Vertretung des Staates, dessen Staatsangehörigkeit er
besitzt oder vermutlich besitzt, geforderten und mit dem
deutschen Recht in Einklang stehenden Erklärungen im Rahmen
der Beschaffung von Heimreisedokumenten abzugeben. Dass
damit auch die Polizeibehörden der Länder gemeint sind,
ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetzeswortlaut des
Aufenthaltsgesetzes.
-
Außerdem
ist die Polizei zuständig für die Durchführung von
Überprüfungen sowie die Feststellung und Sicherung der
Identität von Ausländern durch erkennungsdienstliche
Maßnahmen auf der Grundlage des Aufenthaltsgesetzes, siehe
§ 49 AufenthG iVm
§ 71 AufenthG.
-
Darüber
hinausgehend kann die Polizei von Ausländern in zentral
vorgehaltenen Dateien gespeicherte Daten sowohl zum Zweck
der Strafverfolgung als auch für die Gefahrenabwehr nutzen,
siehe
§ 89 AufenthG.
-
Außerdem
hat die Polizei ohne Ersuchen der Ausländerbehörden dieser
Behörde die personenbezogenen Daten von Ausländern
mitzuteilen, wenn die Polizei Amtshandlungen und sonstige
Maßnahmen gegenüber Ausländern veranlasst hat, soweit das
zur Erfüllung der Aufgaben der Ausländerbehörden
erforderlich ist, siehe
§ 99 Abs. 1 Nr. 14 AufenthG.
[PsychKG NRW:] Zur
Soforteinweisung psychisch kranker Personen in Landeskliniken
und Psychiatrien auf der Grundlage des »Gesetzes über Hilfen und
Schutzmaßnahmen bei psychischen Krankheiten (PsychKG NRW) ist
die Polizei in NRW nicht zuständig.
In NRW ist für
Soforteinweisungen allein die Ordnungsbehörde zuständig.
Der Polizei erwachsen dabei dennoch Aufgaben im Zusammenhang mit
Maßnahmen des ersten Zugriffs.
[Beispiel:] Ein Mann hat nachts im angetrunkenen Zustand in
seiner Wohnung von einer Schusswaffe Gebrauch gemacht. Danach
ist er, nur mit einer Unterhose bekleidet, aus dem Fenster im
ersten Stock gesprungen. Von der Polizei wird der Mann in einer
kalten und nassen Novembernacht in einem »desolaten« Zustand
angetroffen. Der Mann wird ins Krankenhaus gebracht. Dort gerät
der Mann in ein Alkoholdelirium. Dabei handelt es sich um eine
ernste und potenziell lebensbedrohende Komplikation. Der
behandelnde Krankenhausarzt schlägt die sofortige Unterbringung
in ein Landeskrankenhaus vor. Rechtslage?
Für die sofortige
Einweisung in ein Landeskrankenhaus bzw. in eine Psychiatrie ist
in NRW die örtliche Ordnungsbehörde zuständig, in der eine solche
Maßnahme zu veranlassen ist. Da die Mitarbeiter der
örtliche Ordnungsbehörde nachts nicht präsent sind (für solche Fälle aber
einen telefonisch erreichbaren Notdienst vorhalten), kann und
muss die Polizei vorübergehende Maßnahmen treffen. Es ist somit
Aufgabe der Polizei, den Mann so lange in Verwahrung zu nehmen,
bis ein Mitarbeiter der zu benachrichtigten Ordnungsbehörde die
sofortige Einweisung veranlasst. Die Polizei wird sich folglich
an den Notdienst der Ordnungsbehörde wenden, so dass dieser
kurzfristig die Einweisung veranlassen kann.
[Schulpflicht:] In
Deutschland besteht auf der Grundlage des Grundgesetzes, der
Landesverfassungen und den Schulgesetzen der Länder die
allgemeine Schulpflicht. Auch im Zusammenhang mit der
Durchsetzung der Schulpflicht können Polizeibeamte zur
Durchsetzung dieser Pflicht hinzugezogen werden. Das setzt aber
in der Regel voraus, dass die Polizei von der zuständigen
Schulbehörde um Vollzugshilfe ersucht wird.
Fraglich ist, ob die
Polizei aus eigener Zuständigkeit schulpflichtige Kinder
kontrollieren kann, wenn diese »zu normalen Schulzeiten« sich in
Kaufhäusern oder Innenstädten aufhalten und den Eindruck
erwecken, »dass sie heute null Bock auf Schule« haben.
Diesbezüglich sind die in den Bundesländern zur Anwendung
kommenden »Kontrollpraktiken« verschieden.
[Schulschwänzer:]
Null Bock auf Schule: Schwänzen, bis die Polizei kommt. Sie
vergnügen sich in Spielhallen und Internet-Cafés, während ihre
Altersgenossen über Matheaufgaben und Aufsätzen schwitzen: Etwa
400.000 Schüler schwänzen in Deutschland den Unterricht. Als
Vorbild im Kampf gegen Schulschwänzer dient von jeher der
Freistaat Bayern. Bereits 1998 wurde hier das »Nürnberger
Modell« gestartet, zwei Jahre später folgte die nahezu
identische Münchner »Schulschwänzer Initiative«. Auch in
Hannover fahren Beamte durch die Innenstädte und durchforsten
Kaufhäuser, Internet-Cafés und Spielhallen nach potenziellen
Schulverweigerern. [En27] 27
[Schwarzarbeit:]
Maßnahmen auf der Grundlage des Gesetzes zur Bekämpfung der
Schwarzarbeit und illegalen Beschäftigung (SchwarzArbG) fallen
dann in den Zuständigkeitsbereich der Polizei, wenn die
Zollverwaltung die Polizeivollzugsbehörden über groß angelegte
Kontrollen unterrichtet haben und die Behörden der
Zollverwaltung einerseits und die Polizeibehörden andererseits
einander die erforderlichen Informationen für die Verhütung und
Verfolgung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten übermitteln.
Zur Bekämpfung von Schwarzarbeit und illegaler Beschäftigung
können die Behörden der Zollverwaltung, die Polizeibehörden und
die Landesfinanzbehörden in Abstimmung mit der
Staatsanwaltschaft sogar gemeinsame Ermittlungsgruppen bilden,
siehe
§ 14 SchwarzArbG (Ermittlungsbefugnisse).
[Zuständigkeit aus
einer Befugnis:] Die Liste der o.a. »Sonderzuständigkeiten«
ließe sich erweitern. Dafür besteht zum Verständnis
polizeilicher Zuständigkeiten aber keine Notwendigkeit.
Deshalb soll an dieser
Stelle abschließend auf eine besondere Art hingewiesen werden,
aus der polizeiliche Zuständigkeiten erwachsen können.
Gemeint ist die
Zuständigkeit, die sich durch »Rückschluss von der Befugnis auf
die Zuständigkeit« ergeben kann.
Mit anderen Worten:
Wird in einer Befugnis die
Polizei »durch namentliche Benennung« dazu ermächtigt, eine
Rechtsfolge zu setzen, dann kann durch Rückschluss von der
»Befugnis auf die Zuständigkeit« davon ausgegangen werden, dass
die Polizei auch dann zuständig ist, wenn keine spezielle
Zuständigkeitszuweisung erlassen worden ist.
[Beispiel:] Anlässlich einer Treibjagd beschweren sich
Anwohner darüber, dass in der Nähe von Wohngebieten geschossen
wird. In diesem Zusammenhang fordert ein Polizeibeamter einen
Jäger auf, ihm den Jagdschein zur Kontrolle auszuhändigen. Ist
der Polizeibeamte dafür zuständig?
Zuständigkeitsfragen sind
oftmals sehr kompliziert geregelt, so dass kein Polizeibeamter
alle Zuständigkeitsregeln kennen kann. In diesem Beispiel kennt
der einschreitende Polizeibeamte aber - weil er selbst Jäger ist
- die nachfolgend zitierte
Regelung, die im Bundesjagdgesetz enthalten ist.
Dort heißt es:
»Wer die Jagd ausübt, muss
einen auf seinen Namen lautenden Jagdschein mit sich führen und
diesen auf Verlangen den Polizeibeamten sowie den
Jagdschutzberechtigten vorzeigen«, siehe
§ 15
Bundesjagdgesetz (Allgemeines).
Diese Regelung ermächtigt
Polizeibeamte ausdrücklich dazu, die Herausgabe des Jagdscheins
verlangen zu können. Wenn Befugnisse so eindeutig sind, können
Polizeibeamte darauf vertrauen, dass sie zur Durchführung
solcher Kontrollen auch zuständig sind, denn der Gesetzgeber
darf nur zuständige Behörden dazu ermächtigen, die im Gesetz
benannten Rechtsfolgen zu setzen.
Ende des Kapitels
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§ 1 PolG NRW (Aufgaben
der Polizei) Wenn Sie einen Fehler gefunden haben
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10 Quellen
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Die Quellen wurden am angegebenen Zeitpunkt
aufgerufen und eingesehen. Über die weitere Verfügbarkeit der Inhalte
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Endnote_01 Wasserwerfereinsatz im Stuttgarter
Schlossgarten VG Stuttgart, Pressemitteilung vom 18.11.2015
http://www.vgstuttgart.de/pb/,Lde/3609075/?LISTPAGE=2254014
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Endnote_02
Stuttgart 21 Gericht verhängt Bewährungsstrafe wegen
Wasserwerfereinsatz: DIE ZEIT online vom 26. August 2013
http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/
2013-08/s21-polizisten-strafbefehle Aufgerufen am 02.01.2016
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Endnote_03 Gefahr No-Go-Areas: Potentieller
Rückzugsort für Terroristen? Landtag NRW Drucksache
16/10527 vom 21.12.2015
https://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/
Dokument?Id=MMD16/10527&quelle=alle Aufgerufen am 02.01.2016
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Endnote_04 No-Go-Areas in NRW Kölner
Stadt-Anzeiger online vom 28.12.2015
http://www.ksta.de/nrw/-no-go-areas--keine-hinweise-auf-
terroristen-unterschlupf-in-nrw,27916718,33004626.html
Aufgerufen am 02.01.2016 Zurück
Endnote_05 De
Maizière: Bedrohungslage ist »wirklich ernst«
http://business-panorama.de/news.php?newsid=318534 Aufgerufen
am 02.01.2016 Zurück
Endnote_06 Wortprotokoll eines
Redebeitrages von BMI Thomas de Maizière auf der BKA-Tagung am
18.11.2015 in Mainz). Quelle: Video von DPA Reuters
Frankfurter Allgemeine Politik
http://www.faz.net/aktuell/politik/bka-tagung-in-mainz-de-maiziere
-eltern-sollten-radikalisierung-ihrer-kinder-melden-13920565.html
Aufgerufen am 02.01.2016 Zurück
Endnote_07
Videokameras in München - Süddeutsche.de
http://www.sueddeutsche.de/bayern/videoueberwachung-in-
muenchen-bitte-recht-freundlich-1.1735940 (Aufgerufen am
20.02.2014) Aufgerufen am 02.01.2016
Zurück
Endnote_08 Vorbeugung von Straftaten Lisken/Denninger,
Handbuch des Polizeirechts, 4. Auflage, S. 460, Rn. 162
Zurück
Endnote_09 Leitsätze der IMK - Polizei und
Justiz – Vortragsreihe des BKA, Band 23, 1977
Zurück
Endnote_10 Verhältnis Staatsanwaltschaft und Polizei - BVerwG
· Urteil vom 3. Dezember 1974 · Az. I C 11.73
http://openjur.de/u/264400.html (Aufgerufen am 20.02.2014)
Aufgerufen am 02.01.2016 Zurück
Endnote_11
Legalitätsprinzip in Anlehnung an BVerfG, 2 BvR 1/11 vom
1.3.2011, Absatz-Nr. 7
https://www.bundesverfassungsgericht.de/entscheidungen/
k20110301_2bvr000111.html (Aufgerufen am 20.02.2014)
Aufgerufen am 02.01.2016 Zurück
Endnote_12
Legalitätsprinzip muss angemessen sein - OLG Düsseldorf · Urteil
vom 27. April 2005 · Az. I-15 U 98/03
http://openjur.de/u/108211.html (Aufgerufen am 20.02.2014)
Aufgerufen am 02.01.2016 Zurück
Endnote_13
Anfangsverdacht - BVerfG, 2 BvR 1975/03 vom 14.1.2005,
Absatz-Nr. (15)
https://www.bundesverfassungsgericht.de/entscheidungen/
rk20050114_2bvr197503.html (Aufgerufen am 20.02.2014)
Aufgerufen am 02.01.2016 Zurück
Endnote_14
Geheimhaltung - Kleinknecht/Meyer-Goßner - StPO S. 585, Rn. 16,
43. Auflage Zurück
Endnote_15 ZustVU-Umweltschutz
https://recht.nrw.de/lmi/owa/br_bes_text?anw_nr=2&gld_nr=2&ugl_nr=
282&bes_id=29824&menu=1&sg=0&aufgehoben=N&keyword= umweltschutz#det330983
Aufgerufen am 02.01.2016 Zurück
Endnote_16 Aufgaben
der Verfolgungsbehörde Erich Göhler,
Ordnungswidrigkeitengesetz 10. Auflage, § 46 OWiG, Seite 298,
Rn. 7 Zurück
Endnote_17
http://www.lexsoft.de/cgi-bin/lexsoft/justizportal
_nrw.cgi?t=145149713281476483&xid=167461,6 Aufgerufen am
02.01.2016 Zurück
Endnote_18 Verfolgung von
Verkehrsverstößen durch die Polizei und Erhebung von
Sicherheitsleistungen bei Ordnungswidrigkeiten und Straftaten;
Verfolgung und Ahndung von Verkehrsordnungswidrigkeiten durch
die Ordnungsbehörden RdErl. d. Ministeriums für Inneres und
Kommunales - 43.8 - 57.04.16 - v. 2.11.2010
https://recht.nrw.de/lmi/owa/br_bes_text?anw_nr=1&gld_nr=2&ugl_ nr=2051&bes_id=15924&menu=1&sg=0&aufgehoben=N&keyword =Verfolgung%20von%20Verkehrs
Aufgerufen am 02.01.2016 Zurück
Endnote_19
Opportunitätsprinzip - Formalverstöße Göhler,
Ordnungswidrigkeitengesetz, 10. Auflage, S. 313, Rn. 18)
Zurück
Endnote_20
Statistisches Bundesamt Unfallentwicklung auf deutschen
Straßen 2017
https://www.destatis.de/DE/PresseService/Presse/Pressekonferenzen/
2018/verkehrsunfaelle_2017/Pressebroschuere_unfallentwicklung.pdf?__blob=publicationFile
Aufgerufen am 18.11.2018 Zurück
Endnote_21
Blitzmarathon 2018 Sinn und Zweck vom
24-Stunden-Blitzermarathon
https://www.bussgeldkatalog.org/blitzermarathon/
Aufgerufen am 18.11.2018 Zurück
Endnote_22
Entfernt weil nicht mehr zutreffend Zurück
Endnote_23 Erzwingungshaft -
Susanne Klattens späte Rache - Quandt-Erbin Susanne Klatten
versucht, ihre Millionen von ihrem Ex-Liebhaber mit einer
erwirkten Erzwingugngshaft zurückzubekommen (21.01.2014).
http://www.welt.de/vermischtes/article124089384/Klatten-will-ihr-
Geld-von-Gigolo-mit-Erzwingungshaft.html Aufgerufen am
02.01.2016 Zurück
Endnote_24 Verordnung über
Zuständigkeiten nach dem Versammlungsgesetz vom 2. Februar 1987
https://recht.nrw.de/lmi/owa/br_bes_text?anw_nr=2&gld_nr=2&ugl_nr=2180&bes_
id=4318&menu=1&sg=0&aufgehoben=N&keyword=versammlungsgesetz
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Endnote_25
Vorläufigkeit des bayerischen Versammlungsgesetzes -
Pressemitteilung Nr. 17/2009 vom 27. Februar 2009 - Beschluss
vom 17. Februar 2009 – 1 BvR 2492/08
http://www.bverfg.de/pressemitteilungen/bvg09-017.html
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Endnote_26
Brokdorfbeschluss - BVerfGE 69, 315 - Brokdorf
http://www.servat.unibe.ch/dfr/bv069315.html Aufgerufen am
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Endnote_27 Schulschwänzer -
Spiegel online
http://www.spiegel.de/sptv/reportage/a-247948.html Aufgerufen
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